OGH 8Ob108/25b

OGH8Ob108/25b30.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am * geborenen Z*, über den Revisionsrekurs des Vaters Mag. A*, vertreten durch Mag. Alexander Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Februar 2025, GZ 43 R 77/25d‑530, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 11. Dezember 2024, GZ 87 Ps 221/24d‑521, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0080OB00108.25B.0930.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Vater erlegte den ägyptischen Reisepass des Kindes entgegen dem ihm erteilten gerichtlichen Auftrag nicht bei Gericht, woraufhin über ihn eine Beugestrafe von 2.500 EUR verhängt wurde. Nachdem dieser Beschluss in Rechtskraft erwachsen war, beantragte der Vater, die Beugestrafe in monatlichen Raten von 30 EUR zahlen zu dürfen, weil er lediglich ein Einkommen von 1.334 EUR monatlich beziehe.

[2] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Vaters auf Ratenzahlung ab. Die Ratenzahlung stehe im Widerspruch zum Zweck der Beugestrafe, die Anordnungen des Gerichts zeitnah durchzusetzen.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zu Stundungen von Beugestrafen nach § 9 Abs 5 GEG in der Fassung der Gerichtsgebühren-Novelle 2014 keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[4] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit welchem er beantragt, von der Einbringung der verhängten Beugestrafe abzusehen, hilfsweise seinem Antrag auf Ratenzahlung stattzugeben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

[6] 1. Die Durchsetzung einer Regelung der Obsorge hat nach § 110 Abs 2 AußStrG durch angemessene Zwangsmittel zu erfolgen, wobei nach § 79 Abs 2 Z 1 AußStrG insbesondere Geldstrafen in Betracht kommen, für deren Ausmaß und Rückzahlung § 359 EO sinngemäß gilt. Nach § 1 Abs 1 Z 2 GEG sind diese Beugestrafen Gegenstand der Einbringung im Justizverwaltungsweg. Nach § 9 Abs 1 GEG kann auf Antrag die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Über solche Anträge ist nach § 9 Abs 4 GEG im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid zu erkennen.

[7] 2. Bis zur Gerichtsgebühren-Novelle 2014 (BGBl I 2015/19) war in § 9 Abs 5 GEG vorgesehen, dass diese Bestimmung nicht für Geldstrafen jeder Art gilt. Der Oberste Gerichtshof leitete daraus ab, dass Geldstrafen – jedenfalls soweit solche nach § 355 Abs 1 EO betroffen sind – weder erlassen noch gestundet werden können, weil es an gesetzlichen Tatbeständen mangle, die einen Erlass oder eine Stundung tragen könnten (RS0118688). Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen (Thiele, Die Stundung von Geldstrafen nach § 355 EO - Ein unlösbarer Kompetenzkonflikt? ecolex 2010, 1077 [1078 f]; Jäger, Die Ratenzahlung von Zwangsstrafen nach § 283 UGB, ÖRPfl 2/2013, 21;Dokalik/Seeber-Grimm, Die Bestimmung und Einbringung von Gebühren, Kosten und Geldstrafen durch Gericht und/oder Justizverwaltung, ÖJZ 2019, 639 [645]).

[8] 3. Der Gesetzgeber der Gerichtsgebühren-Novelle 2014 ist der angeführten Rechtsprechung zu § 9 Abs 5 GEG entgegengetreten, indem er ausführte, dass mit dieser Vorschrift im Sinne einer konsequenten Trennung von Rechtsprechung und Justizverwaltung nur klargestellt werden sollte, dass eine vom Gericht verhängte Strafe von der Verwaltung nicht gestundet oder nachgelassen werden kann, eine analoge Anwendung etwa des § 409a StPO im Zwangsstrafenverfahren durch diese Vorschrift aber nicht verhindert werden sollte (ErläutRV 366 BlgNR 25. GP 10). Seit der Gerichtsgebühren-Novelle 2014 sieht § 9 Abs 5 Satz 2 GEG deshalb klarstellend vor, dass über Stundung, Nachlass und Uneinbringlichkeit von Zwangsstrafen, die von ordentlichen Gerichten verhängt wurden, von jenem Gericht zu entscheiden ist, welches das Grundverfahren geführt hat.

[9] 4. Die Zuständigkeit der Gerichte zur Entscheidung über den gegenständlichen Antrag des Vaters ist daher gegeben. Zu prüfen ist nunmehr, ob eine rechtliche Grundlage für die beantragte Stundung der Beugestrafe besteht.

[10] 4.1. In der Literatur wird vertreten, dass das Gericht, welches die Geldstrafe verhängt hat, nunmehr in direkter Anwendung des § 9 Abs 1 GEG eine Stundung oder Ratenzahlung gewähren könne (Lutschounig, Einbringung, Rückersatz und Stundung von Geldstrafen zur Erwirkung einer Unterlassung [§ 355 Abs 1 EO] nach der ZVN 2022, RZ 2023, 68 und 87 [88 f]; ebenso wohl auch Mini in Garber/Simotta, EO1 § 359 Rz 16). Eine unmittelbare Anwendung des § 9 Abs 1 GEG auf Entscheidungen des Gerichts kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Vorschrift an Justizverwaltungsbehörden richtet und eine direkte Anwendung des § 9 Abs 1 GEG durch die Gerichte auch vom Gesetzgeber selbst nicht beabsichtigt war, zumal die Materialien statt dessen ausdrücklich auf die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 409a StPO verweisen (ErläutRV 366 BlgNR 25. GP 10).

[11] 4.2. Unter Berufung auf die Materialien zur Gerichtsgebühren-Novelle 2014 macht der Revisionsrekurswerber geltend, dass § 409a StPO im Wege der Analogie auf Beugestrafen, die von einem Zivilgericht verhängt wurden, anzuwenden sei (ebenso für Ordnungsstrafen Trenker in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON [2023] § 220 ZPO Rz 11). Eine analoge Anwendung von Vorschriften setzt aber das Vorliegen einer planwidrigen Unvollständigkeit, dh eine ungewollte Gesetzeslücke voraus (RS0008757; RS0098756; RS0106092). Ob eine solche planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt, ist nach der Absicht des Gesetzes und der ihm immanenten Teleologie zu beurteilen (RS0008866). Eine Analogie ist geboten, wenn für eine verschiedene Behandlung der Sachverhalte kein Grund zu finden ist (vgl RS0008870) und der Gesetzeszweck in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert (RS0008841). Dementsprechend kommt eine analoge Anwendung der strafrechtlichen Vorschriften über die Aufschiebung von Geldstrafen in § 409a StPO schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beugestrafen der Zivilgerichte einen anderen Zweck verfolgen als die von den Strafgerichten verhängten Strafen. Die Zwangsmittel des § 79 Abs 1 AußStrG sind nämlich keine Strafe für die Missachtung einer gerichtlichen Verfügung, sondern sollen dazu dienen, der Anordnung des Gerichts zum Durchbruch zu verhelfen (RS0007310 [T8, T10]; RS0007330[T3]; RS0124115 [T6]). In diesem Sinne haben bereits die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass eine Ratenzahlung im Widerspruch zum Zweck der Beugestrafe steht, eine alsbaldige Befolgung der gerichtlichen Anordnung herbeizuführen.

[12] 4.3. Nichtsdestoweniger ist eine Ratenzahlung von Zwangsstrafen nicht in allen Fällen ausgeschlossen. So sieht § 285 Abs 2 UGB vor, dass das Firmenbuchgericht die Entrichtung einer Zwangsstrafe nach § 283 UGB in Raten bewilligen kann, wenn die sofortige Entrichtung der Strafe mit besonderer Härte verbunden wäre und die Einbringlichkeit durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Diese Regelungen wurden durch das Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014 nach dem Vorbild des § 409a StPO, § 9 GEG und § 212 BAO eingeführt (ErläutRV 367 BlgNR 25. GP  20). Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits darauf hingewiesen, dass es sich dabei um eine lex specialis handelt (RS0131911 = 6 Ob 221/17v).

[13] 4.4. Da § 285 Abs 2 UGB nur Zwangsstrafen betrifft, die vom Firmenbuchgericht über Kapitalgesellschaften wegen der nicht fristgerechten Veröffentlichung des Jahresabschlusses verhängt wurden, kann diese Vorschrift nicht ohne Weiteres auf Zwangsmittel nach § 79 Abs 1 AußStrG übertragen werden, die der zwangsweisen Durchsetzung der für das Verfahren notwendigen Verfügungen dienen. Während § 283 UGB für das Firmenbuchverfahren Mindeststrafen vorsieht, die im Falle eines fortdauernden Verstoßes mehrfach zu verhängen sind, müssen Zwangsstrafen nach § 79 Abs 1 AußStrG stets dem Gebot der Angemessenheit entsprechen, sodass eine „besondere Härte“, die eine Ratenzahlung rechtfertigen würde, von vornherein nicht zu befürchten ist, was einer analogen Anwendung des § 285 Abs 2 UGB auf Beugestrafen nach § 79 Abs 1 AußStrG entgegensteht.

[14] 4.5. Im Ergebnis ist daher auch nach der Neufassung des § 9 Abs 5 GEG durch die Gerichtsgebühren‑Novelle 2014 daran festzuhalten, dass jedenfalls eine Beugestrafe nach § 79 Abs 1 AußStrG nicht gestundet werden kann, weil es an einem gesetzlichen Tatbestand mangelt, der eine solche Stundung rechtfertigen könnte. Dies gilt umso mehr in dem Fall – wie hier –, in dem der Vater den gerichtlichen Auftrag immer noch nicht befolgt hat. Der vom Vater erstmals im Revisionsrekursverfahren gestellte Antrag, von der Einbringung der verhängten Beugestrafe abzusehen, verstößt gegen das auch im Revisionsrekursverfahren geltende Neuerungsverbot (RS0119918).

[15] 5. Der Kostenausspruch beruht auf § 107 Abs 5 AußStrG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte