OGH 4Ob116/25z

OGH4Ob116/25z29.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei K* Gesellschaft m.b.H. & Co. KG., *, vertreten durch die Gheneff – Rami – Sommer – Sauerschnig Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei o* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Mai 2025, GZ 2 R 184/24d‑27, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. Oktober 2024, GZ 11 Cg 40/24f‑17, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00116.25Z.0929.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.337,42 EUR (darin 409,90 EUR Umsatzsteuer und 1.878 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist die Medieninhaberin der Website www.k*.at und von K*.TV.

[2] Die Beklagte ist durch Umwandlung gemäß §§ 1 ff UmwG aus der o* GmbH hervorgegangen. Sie ist die Medieninhaberin der Website www.o*.at, auf der die Tageszeitungen „Ö*“ und „o*“ im Internet auftreten. Geschäftsführer der Beklagten und Herausgeber der Tageszeitungen „Ö*“ und „o*“ sowie der Website www.o*.at ist * F*.

[3] Zwischen den Parteien besteht ein Wettbewerbsverhältnis.

[4] Am 2. 6. 2021 veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Website den folgenden Artikel:

DAS SAGT Ö*

Die Wahrheit: 'K*' will F*‑Erfolg stoppen

Das 'K*'‑Imperium von * D* führt mit seinem Schmutzkübel‑Anwalt * R* seit Monaten einen 'Krieg' gegen die Mediengruppe Ö*.

Der Tiefpunkt wurde gestern erreicht. Eine o*.TV‑Mitarbeiterin hielt in einer Erklärung fest: Ihr sei am Wochenende Geld dafür angeboten worden, wenn sie bestätigen würde, dass * F* sie sexuell belästigt habe. Als die Mitarbeiterin sagte, dass es nie Belästigungen gegeben habe, verlor die Gegenseite ihr Interesse.

'K*'‑Anwalt führt 20 Klagen gegen o*

Das 'K*'‑Imperium von * D* führt mit seinem Schmutzkübel‑Anwalt * R* seit Monaten einen 'Krieg' gegen die Mediengruppe Ö*. Es geht um die Frage: Wer ist künftig die Nummer 1 am österreichischen Medienmarkt.

Ö* ist in der Focus-Inseraten-Bilanz, die alle Werbeschaltungen misst, brutto mit der K* gleichauf und kurz davor, die K* sowohl werktags als auch am Sonntag in der Brutto‑Anzeigenschaltung zu überholen.

Gleichzeitig werden o*.TV und o*.at immer erfolgreicher. o*.TV erreicht im Mai bereits 1,8 % Marktanteil, k*.TV dagegen nur blamable 0,04 %.

Mit allen Mitteln versucht nur K*‑Erbe * D* den Erfolg von Ö* und seinem Verleger * F* zu stoppen.

Über seinen Anwalt R* ließ D* allein in den letzten Monaten 20 (!) UWG‑Klagen gegen Ö* einbringen. Er klagt alles, sogar ein Inserat, in dem von '0,99 Cents' die Rede war – und von dem D* vor Gericht einklagen lässt, dass es '0,99 Euro' heißen soll.

Weil alle Klagen den Erfolg von F* und o* nicht bremsen können, soll R* jetzt den Ruf von F* beschädigen.

Alle Vorwürfe sind in Wahrheit frei erfunden

R* vertritt seit neuestem – welch Zufall – zwei K*‑TV‑Ladys, die behaupten, sie seien von F* am Po begrapscht worden.

Beide 'K*'‑Ladys werden gerade entzaubert – ihre Vorwürfe brechen zusammen, alle Zeugen sagen klar gegen sie und für F* aus (siehe Storys links).

Gerade wurde – offenbar schon aus Verzweiflung – eine weitere Frau benannt, die vier Jahre (!) nach einem offenbar frei erfundenen 'Vorfall' behauptet, * F* hätte ihr bei einer Weihnachtsfeier 'auf den Po gegriffen'.

Ihr Problem: Sie hat keinen einzigen Zeugen oder Beweis. Im Gegenteil: Alle Augenzeugen der Weihnachtsfeier bestätigen: * F*, der den Vorwurf als 'freie Erfindung' dementiert, war nicht einmal in der Nähe der Radio‑Lady. Von Po‑Grapschen keine Rede. Augenzeuge * N*, der Programmchef: 'Das hat es mit Sicherheit nie gegeben.'

Tatsache ist: Die Kampagne gegen o* und F* hat genau die gegenteilige Wirkung als von der K* beabsichtigt.

Der Marktanteil von o* ist im Mai um 78 % gestiegen, die Zuseher solidarisieren sich mit * F* und o*.TV.

[5] Mit rechtskräftigem Urteil vom *, AZ *, sprach das Landesgericht * in der Privatanklagesache des Antragstellers * D* gegen mehrere Antragsgegnerinnen, darunter die Beklagte als Erstantragsgegnerin, wegen der Herstellung des objektiven Tatbestands der üblen Nachrede in einem Medium (§ 6 MedienG) aus:

I.) Durch die Veröffentlichungen

A.) auf der Website www.o*.at

1.) vom 2. 6. 2021 mit der Überschrift 'Die Wahrheit: 'K*' will F*‑Erfolg stoppen' und dem weiteren sinngemäßen Inhalt, der Antragsteller * D* sei, weil die 'K*' den Erfolg von * F* stoppen wolle, daran beteiligt, dass bewusst 'frei erfundene' Behauptungen verbreitet würden, wonach * F* Frauen sexuell belästigt habe, und dass einer o*.TV-Mitarbeiterin Geld dafür angeboten worden sei, wenn sie bestätigen würde, dass * F* sie sexuell belästigt habe [...];

[…]

wurde in einem Medium in Bezug auf den Antragsteller der objektive Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt (§ 6 MedienG).

II.) Für die dadurch erlittene persönliche Beeinträchtigung sind die Antragsgegnerinnen schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen:

A.) die Erstantragsgegnerin o* GmbH als Medieninhaberin der Website www.o*.at für die Veröffentlichungen

1.) vom 2.6.2021 (Punkt I./A./1.) 7.000 Euro;

[...]“

[6] Die Klägerin begehrte – gestützt auf § 16 Abs 2 UWG iVm § 7 Abs 1 UWG in den hier anzuwendenden Fassungen vor dem MoRUG II, BGBl I 2022/110 – 10.000 EUR sA als Ersatz für immaterielle Schäden. Die Beklagte habe der Klägerin in dem Artikel kreditschädigend vorgeworfen, dass sich die Klägerin bewusst an der Verbreitung der falschen („frei erfundenen“) Behauptung beteiligt habe, dass 1.) der Geschäftsführer der Beklagten mehrere Frauen sexuell belästigt habe, und dass 2.) einer o*.TV‑Mitarbeiterin Geld für die Bestätigung angeboten worden sei, dass der Geschäftsführer der Beklagten sie sexuell belästigt habe. Diese Behauptungen seien geeignet, den Betrieb des Unternehmens der Klägerin zu schädigen, weil ihr vorgeworfen werde, bewusst und absichtlich falsche Behauptungen schwerwiegenden Inhalts zu verbreiten. Es liege eine besonders schwere Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Klägerin vor.

[7] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, dass sich der Artikel nicht auf die Klägerin beziehe. Jedenfalls beeinträchtige er ihre soziale Wertstellung nicht so schwer, dass ihr ein Schadenersatz nach § 16 Abs 2 UWG aF zustünde.

[8] Das Erstgericht wies das Klagebehren ab. Nach dem maßgeblichen Eindruck auf den unbefangenen Durchschnittsleser beziehe sich der Artikel nicht auf die Klägerin und enthalte nicht den Vorwurf der bewussten Falschberichterstattung. Der Artikel beeinträchtigeihre soziale Wertstellung nicht so schwer, dass sie einen Schadenersatzanspruch nach § 16 Abs 2 UWG aF habe.

[9] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und gab dem Klagebegehren statt. Zwar pflichtete es dem Erstgericht bei, dass der objektive Bedeutungsinhalt des Artikels keinen Schadenersatzanspruch nach § 16 Abs 2 UWG aF begründen könne. Die Zivilgerichte dürften den objektiven Bedeutungsinhalt des Artikels aber nicht selbständig beurteilen, sondern seien an den der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung der Beklagten zugrunde liegenden Bedeutungsinhalt gebunden. Das sei jener des Vorwurfs der bewussten Falschberichterstattung gewesen. Die Bindungswirkung erstrecke sich auf alle Personen, die von der Äußerung potenziell betroffen seien. Das sei hier auch die Klägerin. Der Vorwurf, sie beteilige sich als Medieninhaberin an einer bewussten Falschberichterstattung, sei so schwerwiegend, dass er einen Schadenersatz nach § 16 Abs 2 UWG aF rechtfertige. Der Klagebetrag sei angemessen.

[10] Die Revision sei zulässig, weil es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage gebe, ob sich die Bindungswirkung einer strafgerichtlichen Verurteilung auch auf weitere vom inkriminierten Vorwurf potenziell betroffene Personen erstrecke.

[11] In der Revision beantragt die Beklagte, das Berufungsurteil zu ändern und das Klagebegehren abzuweisen.

[12] Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

[13] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Bindungswirkung:

[14] 1.1. Ein strafgerichtlich rechtskräftig Verurteilter kann sich im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber nicht darauf berufen, dass er die Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe (1 Ob 612/95 [verstärkter Senat]; RS0074219). Das gilt auch dann, wenn die rechtskräftige Verurteilung in einer Privatanklagesache (6 Ob 14/01d = RS0074219 [T18]) oder wegen eines Medieninhaltsdelikts nach dem Mediengesetz – das Verfahren ist dem Privatanklageverfahren nachgebildet – erfolgte (6 Ob 105/97b; 6 Ob 2287/96h). Es besteht in diesem Umfang also auch eine Bindung an strafgerichtliche Erkenntnisse nach § 6 MedienG (RS0074219 [T16]).

[15] 1.2. Die Bindungswirkung ist eine Konsequenz der materiellen Rechtskraft des Strafurteils (RS0074219). Sie erstreckt sich grundsätzlich nur auf die den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen (RS0074219 [T5, vgl auch T8, T22]). Das Zivilgericht darf keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen (RS0074219 [T13, T27]).

[16] 1.3. Nach mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, auf die sich das Berufungsgericht bezogen hat, legt eine rechtskräftige Verurteilung nach § 6 MedienG zudem für das Zivilgericht nicht mehr überprüfbar fest, dass das Medienpublikum den im Strafurteil bezeichneten Medieninhalt als tatbestandsmäßig (ehrverletzend oder verleumderisch) verstehe (RS0043494; kritisch Oberhammer, ecolex 1998, 395; zur Einordnung des Bedeutungsinhalts als Tatfrage im Strafrecht vgl RS0092588; RS0092437). Die im Zivilverfahren der rechtlichen Beurteilung zugeordnete Frage des objektiven Bedeutungsinhalts einer Äußerung könne demnach im Zivilverfahren nicht mehr aufgerollt werden (6 Ob 105/97b; 6 Ob 2287/96h; 6 Ob 265/00i = RS0043494 [T2], unter Ablehnung der Kritik Oberhammers; 6 Ob 99/03g).

[17] 1.4. Die Revision zeigt zutreffend auf, dass das Berufungsurteil auch auf der Grundlage der zu 1.3. wiedergegebenen Rechtsprechung einer Korrektur bedarf: Im Medienstrafverfahren war der (einzige) Antragsteller * D*. Das Strafgericht sprach die Beklagte rechtskräftig schuldig, in einem Medium „in Bezug auf den Antragsteller“ den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt zu haben (§ 6 MedienG). Damit könnteallenfalls für die Zivilgerichte bindend feststehen, dass das Medienpublikum den im Strafurteil bezeichneten Medieninhalt als tatbestandsmäßig (ehrverletzend oder verleumderisch) gegenüber * D* verstehe. Eine strafbare Handlung gegen die Klägerin dagegen war nicht Gegenstand des Medienstrafverfahrens, unabhängig von der Stellung des Antragstellers in der Mediengruppe der Klägerin. Die Klägerin brachte auch nicht vor, ein Strafverfahren nach § 6 MedienG gegen die Beklagte geführt zu haben, in dem diese rechtskräftig verurteilt worden wäre. Die – nicht näher begründete – Annahme des Berufungsgerichts, die Bindungswirkung des zwischen * D* und der Beklagten ergangenen Strafurteils nach § 6 MedienG erstrecke sich auch „auf andere potenziell von der Äußerung betroffene Personen, sohin auch auf die Klägerin“, findet auch in der zu 1.3. wiedergegebenen Rechtsprechung keine Grundlage. Dass von einem Artikel mehrere Personen „betroffen“ sein können, wie die Klägerin in der Revisionsbeantwortung betont, trifft zu, ist aber kein Argument für eine Ausweitung der Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft.

[18] 1.5. Zusammengefasst entfaltet die rechtskräftige Verurteilung der Beklagten im Medienstrafverfahren, weil sie in einem Medium „in Bezug auf den Antragsteller“ * D* den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt habe (§ 6 MedienG), entgegen der Annahme des Berufungsgerichts keine Bindungswirkung für den Zivilprozess zwischen der Klägerin und der Beklagten. In diesem ist selbständig zu beurteilen, ob der Artikel der Beklagten gegenüber der Klägerin den Tatbestand des § 16 Abs 2 UWG aF iVm § 7 Abs 1 UWG erfüllt.

2. Zum Schadenersatzanspruch:

[19] 2.1. Die Parteien ziehen nicht in Zweifel, dass der Sachverhalt anhand der Rechtslage vor dem MoRUG II, BGBl I 2022/110, zu beurteilen ist.

[20] 2.2. § 7 Abs 1 UWG gewährt dem durch die Behauptung oder Verbreitung herabsetzender Tatsachen verletzten Mitbewerber – sowohl in der alten als auch in der geltenden Fassung – einen Schadenersatzanspruch, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Gemäß § 16 Abs 2 UWG aF schließt der Schadenersatzanspruch einen angemessenen Geldbetrag als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile ein, wenn dies in den besonderen Umständen des Falls begründet ist.

[21] 2.3. Die Rechtsprechung hat zu diesen Bestimmungen folgende Leitlinien entwickelt:

[22] 2.3.1. „Tatsachen“ im Sinn des § 7 Abs 1 UWG sind – unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung – Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften eines greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm anhand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalts (RS0079167). Davon zu unterscheiden sind Werturteile, die eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben und daher objektiv nicht überprüft werden können (RS0079167 [T1]). Ein Werturteil begründet keinen Anspruch nach § 7 Abs 1 UWG. Dennoch dürfen auch Werturteile nicht schrankenlos öffentlich verbreitet werden: Das Überschreiten der Grenzen zulässiger Kritik durch einen massiven Wertungsexzess erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG (RS0134761).

[23] 2.3.2. Die Frage, welchen Inhalt eine Äußerung hat, ist (im Zivilverfahren) eine Rechtsfrage, die nach objektiven Maßstäben zu lösen ist (RS0043590). Der Inhalt einer Äußerung ist jener, den ihr ein redlicher, durchschnittlich informierter, verständiger und eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendender Adressat im konkreten Zusammenhang beimisst (RS0043590; RS0078524; RS0114366).

[24] 2.3.3. Der Zuspruch einer Geldbuße (§ 16 Abs 2 UWG aF) ist nur gerechtfertigt, wenn eine Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile in den besonderen Umständen des Falls begründet ist (RS0079690). Diese Bestimmung eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, neben dem unmittelbar in Geld abzuschätzenden Vermögensschaden auch auf immaterielle Nachteile Rücksicht zu nehmen; sie hat aber nur solche Beeinträchtigungen des seelischen oder körperlichen Wohlbefindens im Auge, die den mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen, natürlichen Ärger übersteigen (RS0079679 [T2]).

[25] 2.3.4. Juristischen Personen ist nach § 16 Abs 2 UWG aF eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen, wenn mit einem – ernstlich beeinträchtigenden – Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. In jedem Fall muss aber – im Interesse der Gleichbehandlung mit physischenPersonen – eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der juristischen Person vorliegen (RS0090635; vgl RS0090633; RS0090640). So wurde etwa bereits zu 4 Ob 25/13z einem Medienunternehmen immaterieller Schadenersatz wegen des (unrichtigen) Vorwurfs der bewusst falschen Berichterstattung zugesprochen.

[26] 2.4. Nicht zuletzt angesichts der Vehemenz und des Tons der regelmäßig zwischen den beiden Mediengruppen, zu denen die Klägerin und die Beklagte gehören, medial ausgetragenen Streitigkeiten (vgl 4 Ob 91/24x, Rz 20) führen die dargelegten Leitlinien zur folgenden rechtlichen Beurteilung der von der Klägerin als das Klagebegehren begründend angesehenen Passagen des Artikels (die weitgehend bereits das Berufungsgericht vertreten hat):

[27] 2.4.1. Der Artikel wirft der Mediengruppe, zu der die Klägerin gehört, zunächst vor, mit ihrem „Schmutzkübel-Anwalt“ einen „Krieg“ gegen die Mediengruppe, zu der die Beklagte gehört, zu führen, wobei auf die Einbringung von 20 Klagen gegen „o*“ Bezug genommen wird. Dabei gehe es um die Frage, wer künftig „die Nummer 1 am österreichischen Medienmarkt“ sei. Dazu wird auf Anzeigenschaltungen und Marktanteile verwiesen. „K*‑Erbe * D*“ versuche nun „mit allen Mitteln“, den „Erfolg“ von Ö* und seinem Verleger * F* zu stoppen, wobei neuerlich auf die 20 eingebrachten Klagen – mitunter auch wegen vermeintlicher Bagatellen – verwiesen wird.

[28] Entgegen der Ansicht der Klägerin versteht das Publikum diese Äußerungennicht als den Vorwurf, die Klägerin beteilige sich bewusst an einer falschen Berichterstattung, sondern als eine Kritik daran, dass die Mediengruppe, zu der die Klägerin gehört, zahlreiche Gerichtsverfahren gegen die Mediengruppe, zu der die Beklagte gehört, eingeleitet hat. Das wird mit dem Werturteil verbunden, es gehe ersterer in Wirklichkeit nur darum, künftig „die Nummer 1 am österreichischen Medienmarkt“ zu sein. Die Wortwahl des Artikels („Schmutzkübel-Anwalt“, „Krieg“) ändert nichts am vom Publikum wahrgenommenen Inhalt der Kritik. Eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin liegt darin nicht.

[29] 2.4.2. Weiters wird im Artikel behauptet, dass alle Klagen „den Erfolg von F* und o* nicht bremsen“ könnten, weshalb der Rechtsanwalt der Mediengruppe, zu der die Klägerin gehört, „jetzt den Ruf von F* beschädigen“ solle. Dazu wird auf angeblich „frei erfundene“ Vorwürfe von „zwei K*‑TV‑Ladys“ Bezug genommen, die der Rechtsanwalt ebenso vertrete. Die von diesen erhobenen Vorwürfe würden angesichts bisheriger Zeugenaussagen „zusammenbrechen“. „Offenbar schon aus Verzweiflung“ sei nun eine weitere Frau benannt worden, die „vier Jahre nach einem offenbar frei erfundenen Vorfall“ behaupte, * F* hätte ihr bei einer Weihnachtsfeier auf den Po gegriffen, obwohl dies von keinem Beweis gedeckt werde. Die „Kampagne gegen o* und F*“ habe nicht die „von der K*“ beabsichtigte Wirkung, zumal der Marktanteil von o* seit dem letzten Monat gestiegen sei.

[30] Auch in diesem Zusammenhang erblickt das Publikum keinen gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwurf der (Beteiligung an einer) bewussten Falschberichterstattung oder einen ähnlich schwerwiegenden Vorwurf. Es erkennt vielmehr den Vorwurf, dass die mutmaßlichen Opfer des Verlegers der Beklagten ihre Vorwürfe frei erfunden hätten, und das Werturteil, dass die Beklagte dasals durch die gerichtlichen Beweisverfahren belegt ansieht. Mit Bezug auf die Mediengruppe, zu der die Klägerin gehört, nimmt das Publikum (nur) den Vorwurf wahr, die angeblich falschen Vorwürfe der mutmaßlichen Opfer des Verlegers zu verbreiten, diese also – nach Ansicht der Beklagten – nicht ausreichend inhaltlich geprüft zu haben. Eine schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin liegt darin nicht.

[31] 2.4.3. Schließlich nimmt der Artikel Bezug auf eine o*.TV‑Mitarbeiterin, der „Geld dafür angeboten“ worden sei, „wenn sie bestätigen würde, dass * F* sie sexuell belästigt habe“. Als die Mitarbeiterin gesagt habe, dass es nie Belästigungen gegeben habe, „verlor die Gegenseite ihr Interesse“.

[32] Daraus geht für das Publikum nicht hervor, dass die angesprochene Mitarbeiterin einen tatsächlich nicht stattgefundenen Vorfall erfinden hätte sollen, ganz im Gegenteil: Dass „die Gegenseite ihr Interesse verlor“, als ihr mitgeteilt worden sei, dass es keine Belästigungen gegeben habe, spricht für das Publikum vielmehr dafür, dass nach wahren Vorfällen gesucht worden sei, zumal die Mitarbeiterin gerade nicht dazu animiert wurde, unabhängig von tatsächlichen Geschehnissen unwahre Tatsachen zu behaupten. Auch in diesem Zusammenhang erblickt das Publikum daher nicht den Vorwurf der bewussten Beteiligung der Klägerin an einer falschen Berichterstattung. Der Vorwurf, die Mediengruppe, zu der die Klägerin gehört, suche angesichts mehrerer im Raum stehender Verdächtigungen allfällige weitere mutmaßliche Opfer, die dazu bereit sind, wahre Vorfälle zu veröffentlichen, ist wiederum keine schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin.

[33] 2.5. Zusammengefasst erfüllen die im Artikel der Beklagten enthaltenen Äußerungen nicht den Tatbestand des § 16 Abs 2 UWG aF im Sinne einer bewussten Falschberichterstattung durch die Klägerin. Der begehrte Ersatz für immaterielle Schäden kommt schon deshalb nicht in Betracht. In Abänderung des Berufungsurteils ist daher die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederherzustellen.

3. Zur Kostenentscheidung

[34] Die Kostenentscheidung für das Berufungs‑ und Revisionsverfahren gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat der Beklagten die von dieser richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revision zu ersetzen.

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