OGH 5Ob174/24k

OGH5Ob174/24k23.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W* K*, 2. Mag. S* K*, beide vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M* R*, 2. S* K*, beide vertreten durch Mag. Gunter Österreicher, Rechtsanwalt in Hollabrunn, wegen Unterlassung (Streitwert 15.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 14. März 2024, GZ 21 R 26/24g‑31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 26. Oktober 2023, GZ 2 C 731/22p‑26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00174.24K.0923.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.513,39 EUR (darin enthalten  252,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind Miteigentümer einer Liegenschaft in Hollabrunn und bewohnen dort ein in ihrem Wohnungseigentum stehendes zweigeschoßiges Reihenhaus mit Balkon und Garten. Auf der an das Reihenhaus der Kläger angrenzenden Nachbarliegenschaft wurde ein Mehrparteienhaus mit sechs Wohneinheiten errichtet. Die Beklagten sind Mieter der im Erdgeschoß an das Reihenhaus der Kläger anschließenden Wohnung.

[2] Die Kläger begehrten, die Beklagten zu verpflichten, die von der von ihnen bewohnten Wohnung ausgehenden und auf das Reihenhaus der Kläger einwirkenden Rauch‑ und Geruchsimmissionen, die durch das Rauchen von Zigaretten oder vergleichbaren Produkten insbesondere auf deren Terrasse, bei offenem Fenster oder im Garten entstehen würden, in konkret angeführten Zeiträumen zu unterlassen.

[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine ortsunübliche und die Nutzung der klägerischen Liegenschaft wesentlich beeinträchtigende Störung liege nicht vor. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil es nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 2 Ob 1/16k möglich scheine, dass eine zeitliche Beschränkung hinsichtlich bestimmter Immissionen auch dann festzulegen sei, wenn diese zwar nur geringfügig seien und nur gelegentlich, jedoch unvermutet und für den Beeinträchtigten spontan aufträten.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts – mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[6] 1. Mit gesonderter Klage erhoben die Kläger ein inhaltsgleiches Klagebegehren auf Unterlassung von Rauch- und Geruchsimmissionen auch gegenüber der Eigentümerin der Nachbarliegenschaft. Auch in diesem Verfahren haben die Vorinstanzen die Klage mit im Wesentlichen inhaltsgleichen Urteilen und insbesondere auf Basis des gleichen Sachverhalts abgewiesen. Die Kläger erhoben auch in diesem Parallelverfahren eine mit der hier zu entscheidenden im Wesentlichen wort‑ und inhaltsgleiche Revision; die bestehenden Unterschiede erklären sich aus dem Umstand, dass hier die Mieter bzw Bewohner einer Wohnung auf der Nachbarliegenschaft und dort die Liegenschaftseigentümerin in Anspruch genommen wurden.

[7] 2. Der 6. Senat hat jüngst in der zu 6 Ob 155/24y ergangenen Entscheidung die Zulässigkeit der im Parallelverfahren erhobenen Revision der Kläger verneint und diese zurückgewiesen. Der 6. Senat begründete dies wie folgt:

1.1. Zu den Kernaufgaben des Sachverständigen gehört es, aufgrund der einschlägigen Fachkenntnisse jene Methode auszuwählen, die sich zur Klärung der nach dem Gutachtensauftrag jeweils maßgebenden strittigen Tatfrage am besten eignet (RS0119439). Besteht – wie hier – keine als einzige gesetzlich vorgeschriebene Methode, so unterliegt das von den Tatsacheninstanzen gebilligte Ergebnis eines Gutachtens keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, weil es um eine Tatfrage geht (3 Ob 246/18z; RS0118604).

1.2. Die Frage, ob ein Sachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar ist und die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört zur Beweiswürdigung und ist im Revisionsverfahren ebenfalls nicht überprüfbar (RS0043320 [T8, T12, T14, T21]; RS0043163). Auch Überlegungen bezüglich vermeintlicher Widersprüche zwischen gerichtlichen und privaten Sachverständigengutachten sowie die Fragen, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO, gehören zur nicht revisiblen Beweiswürdigung (RS0043320 [T14]; RS0113643).

2.1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen. Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt voraus, dass die Beeinträchtigung (Immission) sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist (RS0010587 [T8]).

2.2. Für die – sowohl hinsichtlich des Ausmaßes der Immissionen als auch der Beeinträchtigung des dadurch betroffenen Grundstücks – zu berücksichtigenden örtlichen Verhältnisse kommt es auf die Dauer und Intensität sowie auf die Art der Einwirkung, den Grad ihrer Störungseignung und den 'Charakter der Gegend' an (10 Ob 38/24x [ErwGr 1.]; 5 Ob 210/21z [ErwGr 1.3.]; 6 Ob 123/20m). Die Frage, ob eine Immission (noch) als ortsüblich zu beurteilen ist, ist nicht allein aufgrund rein empirischer Ergebnisse, sondern auch anhand normativer Wertungen zu beantworten; die Ortsüblichkeit ist somit auch ein wertungsabhängiger Rechtsbegriff (6 Ob 171/21x [ErwGr 2.1.]).

2.3. Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benützung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und der Zweckbestimmung des beeinträchtigten Grundstücks (hier: für Wohnzwecke) abhängig ist. Maßgeblich für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Gestörten (RS0010607).

2.4. Zu Immissionen durch Tabakrauch wurde bereits ausgesprochen, dass das Zigarettenrauchen auf dem eigenen Balkon in Wohngegenden nicht generell als ortsunüblich und die Nutzung der Nachbarwohnung wesentlich beeinträchtigend anzusehen, sondern bei der diesbezüglichen Beurteilung die Lage der Grundstücke (Wohnungen) zueinander und die Intensität und Dauer der Geruchsentwicklung entscheidend ist (2 Ob 1/16k [ErwGr 3.1. ff und 4.1. f]; vgl auch 9 Ob 510/94 [im üblichen Ausmaß zu duldende Geruchsbelästigungen wie Küchengerüche oder Zigarettenrauch durch andere Mieter]).

2.5. Der Oberste Gerichtshof hat bereits gebilligt, dass auch unregelmäßig wiederkehrende Geruchseinwirkungen aufgrund ihrer geringen Dauer nicht das Gewicht einer wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung zukommt (6 Ob 123/20m [Spritzen und Lackieren von Fahrzeugen]; 1 Ob 198/19b [gastgewerbliche Küchenabluft]). Auch betreffend unvermutet und spontan auftretende Immissionen wurde ein Unterlassungsanspruch bereits verneint (6 Ob 33/15v [Froschquaken]; 4 Ob 99/12f [Krähen eines Hahns]).

2.6. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit einer Nutzungsbeeinträchtigung im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB kommt es im besonderen Maß auf die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls an, sodass in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist (RS0010558). Das gilt auch für die Frage, ob eine Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt (RS0010558 [T3]).

3.1. Nach den Feststellungen kommt es nach den konkreten örtlichen und meteorologischen Verhältnissen sowie der Lage der Wohnungen zueinander im Bereich des Reihenhauses der Beklagten zu von den Mietern der Beklagten durch Zigarettenrauch ausgehenden Geruchsimmissionen in der Dauer von insgesamt weniger als 88 Stunden pro Jahr (das sind durchschnittlich weniger als 15 Minuten pro Tag). Diese schwanken in ihrer Intensität zwischen stark und gerade noch wahrnehmbar. Auch die Dauer der Wahrnehmbarkeit pro Tag ist unterschiedlich und hängt von den meteorologischen Verhältnissen ab.

3.2. Das Berufungsgericht war der Ansicht, eine ortsunübliche und die Nutzung der klägerischen Liegenschaft wesentlich beeinträchtigende Störung liege nicht vor. Eine gerichtliche Festsetzung von 'Rauchruhezeiten' unabhängig vom Vorliegen einer ortsunüblichen, wesentlichen Beeinträchtigung oder mit der Begründung, jegliche Rauchimmission während dieser Ruhezeiten stelle eine solche unzumutbare Störung dar, komme nicht in Betracht.

Diese Auffassung findet Deckung in den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen und überschreitet den dem Berufungsgericht danach zukommenden Beurteilungsspielraum nicht.

3.3. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der der Entscheidung 2 Ob 1/16k zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegen[den] an Intensität und Dauer der Immissionen nicht vergleichbar ist. Weder sind hier Immissionen durch in der genannten Entscheidung als intensiver und damit störender beurteilten Zigarrenrauch zu beurteilen, noch ist gegenständlich dem Sachverhalt zu entnehmen, dass im Bereich des Reihenhauses der Kläger täglich bis zu fünf Stunden lang Rauchgeruch deutlich wahrnehmbar wäre.

3.4. Der Entscheidung 2 Ob 1/16k ist auch nicht zu entnehmen, dass betreffend Tabakrauch ein Anspruch auf bestimmte 'Ruhezeiten' selbst dann bestünde, wenn diese Immissionen nur geringfügig sind und nur gelegentlich, jedoch unvermutet und für den Beeinträchtigten spontan auftreten. Vielmehr bejahte der Oberste Gerichtshof zunächst aufgrund der erheblichen Dauer und Intensität der Immissionen (siehe oben Punkt 3.3.) das Vorliegen einer ortsunüblichen und die Nutzung der klägerischen Wohnung wesentlich beeinträchtigenden Störung (2 Ob 1/16k [ErwGr 3.4. und 4.2.]). Unter Berücksichtigung auch des Rechts des dort Beklagten, seine Wohnung nach seinen Vorlieben und Bedürfnissen nutzen zu können, wurde ein Interessenausgleich durch eine im Einzelfall bemessene zeitliche Beschränkung des Unterlassungsgebots festgelegt. Dabei hat der Oberste Gerichtshof vornehmlich auf die diesbezügliche Rechtsprechung zu 'Musikimmissionen' Bezug genommen (vgl dazu jüngst 5 Ob 210/21z) und unter Hinweis auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot sowie auf eine Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (V ZR 110/14) keinen uneingeschränkten Unterlassungsanspruch angenommen (2 Ob 1/16k [ErwGr 6.1. ff]). Die in dieser Entscheidung des BGH vertretene Auffassung, wonach deutlich (intensiv) wahrnehmbarer Zigarettenrauch schon in der Dauer auch nur einer Zigarettenlänge bereits eine unzumutbare Störung bedeute (V ZR 110/14 Rn 15), übernahm der Oberste Gerichtshof hingegen nicht (siehe auch oben Punkt 2.4.).

[8] 3. Der erkennende Senat tritt dieser Beurteilung des 6. Senats und der sie tragenden Begründung bei. Dessen Ausführungen haben auch für das gegenständliche Verfahren uneingeschränkt Gültigkeit.

[9] Mit Blick auf das hier zu beurteilende Prozessrechtsverhältnis zwischen den Klägern und den Beklagten als den Bewohnern (bloß) einer von insgesamt sechs Wohnungen auf der Nachbarliegenschaft bleibt noch anzumerken, dass nach den Feststellungen auch die Bewohner anderer Wohnungen ein Rauchverhalten an den Tag legen, das mit jenem der Beklagten vergleichbar ist. Die festgestellte Geruchsbeeinträchtigung von weniger als 1 % der Jahresstunden geht also nicht ausschließlich und auch nicht einmal überwiegend von den Beklagten, sondern von allen rauchenden Bewohnern gemeinsam aus. Wessen Rauchverhalten für welches Ausmaß der Einwirkungen maßgeblich war, steht nicht fest. Da die Vorinstanzen die Voraussetzungen des Abwehranspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB aber schon ausgehend von dieser Gesamtbelastung in nicht korrekturbedürftiger Beurteilung verneinten, erübrigt sich die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Unterlassungspflichten die einzelnen Störer treffen, wenn sich die von ihnen ausgehenden Immissionen derart summieren, dass sie (nur) insgesamt zu einer ortsunüblichen, die Nutzung wesentlich beeinträchtigenden Geruchsbeeinträchtigung führen (vgl 6 Ob 98/17f; RS0010538; RS0123611).

[10] Hinzuweisen ist schließlich auch noch darauf, dass die Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit eines Sachverständigenbeweises zwar (auch) auf einem Verfahrensfehler beruhen kann, der dann auch als Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu rügen wäre. Das Berufungsgericht hat hier eine solche von den Klägern behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens verneint. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als solche anerkannt hat, können nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (5 Ob 131/22h mwN).

[11] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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