European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00095.25V.0923.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Revisionsrekurswerber ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen deren mit 2.355,90 EUR (392,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin begehrte die lastenfreie Abschreibung von Teilen des im Alleineigentum des Revisionsrekurswerbers stehenden Grundstücks 192/16 der EZ * KG * im Ausmaß von 19 m² und deren Zuschreibung zur EZ * derselben Katastralgemeinde, die im Alleineigentum der Antragstellerin steht. Das Vermessungsamt habe mit Beurkundung vom 21. 8. 2022 bestätigt, dass die Anlage (Verbreiterung einer Straße) fertiggestellt sei bzw herbeigeführt werde. Der grundbücherlichen Übertragung liege ein – näher bezeichneter – Bescheid der Gemeinde zugrunde.
[2] Das Erstgericht bewilligte den Antrag.
[3] Dagegen erhob der Eigentümer der von der Abschreibung betroffenen Liegenschaft Rekurs, in dem er das Nichtvorliegen eines Titels hiefür und das Fehlen seiner Einwilligung zur Abschreibung geltend machte.
[4] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs des Eigentümers als Einspruch nach § 20 LiegTeilG zu behandeln sei und trug dem Erstgericht die Durchführung des darüber vorgesehenen Verfahrens auf.
[5] Den dagegen erhobenen Revisionsrekurs der Antragstellerin wies der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 121/23i mangels erheblicher Rechtsfrage zurück.
[6] Nach dem aufgrund des Auftrags des Rekursgerichts durchgeführten Verfahren iSd § 20 Abs 1 LiegTeilG wies das Erstgericht den Einspruch des Eigentümers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hallein vom 13. 1. 2023, TZ 157/2023 zurück, verwies ihnhinsichtlich der Rückgängigmachung der Grundabtretung gemäß § 23 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz (Sbg‑BGG) auf den Verwaltungsweg und betreffend die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg. Der grundbücherlichen Durchführung des Anmeldungsbogens im vereinfachten Verfahren nach § 15 LiegTeilG sei ein rechtskräftiger Enteignungsbescheid der Antragstellerinnach einem Verwaltungsverfahren zugrunde gelegen. An diesen Bescheid sei das Grundbuchsgericht gebunden.
[7] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass der Einspruch abgewiesen wurde. Den im außerstreitigen Verfahren nach Erhebung des Einspruchs vorgelegten Urkunden (Bescheid samt Niederschrift, Gutachten des bautechnischen Sachverständigen und Ansuchen um Bauplatzerklärung samt Plan) sei zu entnehmen, dass und welche Grundstücksfläche nach § 15 Sbg‑BGG abzutreten sei. Dabei handle es sich um eine Enteignungsmaßnahme. Der Bescheid trage die von der zuständigen Behörde erteilte Rechtskraftbestätigung. Daran sei das Grundbuchsgericht gebunden. Die Jahresfrist des § 15 Abs 5 Sbg‑BGG sei eine bloße Ordnungsvorschrift, die am Nachweis eines Enteignungsverfahrens nichts ändere. Die Bindungswirkung des Bescheids erstrecke sich auch auf den Rekurswerber als Rechtsnachfolger des vormaligen Eigentümers.
[8] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof habe sich mit den Fragen bisher noch nicht befasst, ob sich die Bindungswirkung eines verwaltungsbehördlichen Enteignungsbescheids auch auf den Rechtsnachfolger des vormaligen Eigentümers erstrecke und ob die Grundabtretungsverpflichtung nach Ablauf der Jahresfrist des § 15 Abs (richtig:) 5 Sbg‑BGG noch durchsetzbar sei.
[9] In seinem Revisionsrekurs beantragt der Liegenschaftseigentümer die Abänderung dahin, dass der Antrag auf Ab‑ und Zuschreibung von Teilen des Grundstücks 192/16 abgewiesen werden möge, hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
[10] Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig. Er kann auch keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).
[12] 1. In der Rechtsprechung des Fachsenats wurde bereits klargestellt (5 Ob 134/11h; 5 Ob 13/15w; 5 Ob 121/23i), dass ein Eigentümer oder Buchberechtigter mit dem Einspruch nach § 20 Abs 1 LiegTeilG in der Fassung der GBN 2008 binnen 30 Tagen die Verletzung seiner bücherlichen Rechte geltend machen kann, inhaltlich die Einwendungen aber insoweit beschränkt sind, dass nur das fehlende Einvernehmen oder die fehlende Enteignung im Einspruch aufgezeigt werden können (RS0127270; K. Binder in Kodek Grundbuchsrecht2 § 20 LiegTeilG Rz 3).
[13] 2. Die Antragstellerin stützt sich auf eine Enteignung und verweist dazu auf den Bescheid vom 17. 7. 2019. Mit diesem wurde die Bauplatzerklärung (ua) derart geändert, dass eine Grundabtretungsverpflichtung iSd § 15 des Sbg‑BGG LGBl Nr 69/1968 idgF angeordnet wurde.
[14] 3. Dem Argument, der Spruch dieses Bescheids ordne eine Enteignung nicht zweifelsfrei an, ist entgegenzuhalten, dass nach dessen Punkt III („Auflagen“) die in der dem Bescheid angeschlossenen Niederschrift und im Gutachten des bautechnischen Sachverständigen unter Punkt B lit d unter „besondere Festlegung“ angeführten Bedingungen zu erfüllen sind und die in Punkt d 5 des in der Niederschrift enthaltenen Gutachtens genannte Verpflichtung zur Grundabtretung nach § 15 Sbg‑BGG sowie die abzutretenden Flächen unter Hinweis auf einen Plan näher bezeichnet wurde.
[15] 4. In der Entscheidung 5 Ob 13/15w erachtete der Fachsenat – ebenso zu einer Grundabtretungsverpflichtung nach § 15 Sbg‑BGG – die Auffassung der (dortigen) Vorinstanzen, ein derartiger Bescheidinhalt ordne eine Enteignung an, als nicht korrekturbedürftig. Dass dort – wie auch hier – zur Konkretisierung im Spruch auf die dem Bescheid beigefügte Niederschrift verwiesen wurde, beanstandete der Fachsenat nicht, sind doch bei der Auslegung des Spruchs die Gründe des Bescheids mit heranzuziehen (RS0049680). Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist vergleichbar. Allfällige Mängel des Verwaltungsverfahrens sind vom Grundbuchsgericht nicht zu prüfen, das an den in Rechtskraft erwachsenen Bescheid gebunden ist (5 Ob 13/15w). Eine inhaltliche Prüfung des rechtskräftigen Bescheids ist nicht vorzunehmen (RS0036981).
[16] 5. Auch zur dinglichen Wirkung von Bescheiden im Bauverfahren liegt höchstgerichtliche Rechtsprechung vor (grundsätzlich 1 Ob 97/10m Pkt 1 mwN). Charakteristisch für den dinglichen Bescheid ist, dass sich dessen Wirkung nicht auf den Bescheidadressaten beschränkt, sondern er seiner Rechtsnatur nach auf Eigenschaften der Sache abstellt und für jeden Rechtsnachfolger gilt, der entsprechende Rechte an der betroffenen Sache hat (1 Ob 97/10m; Wessely in Altenburger/Wessely AVG § 8 Rz 48; Hengstschläger/Leeb AVG § 8 Rz 25). In der Rechtsprechung ist bereits geklärt (4 Ob 161/23i), dass etwa die in § 19 des Sbg‑BGG normierte Pflicht des Liegenschaftseigentümers zur Straßenherstellung auf seine Kosten, wenn sie mit Bescheid iSd § 21 Abs 2 Sbg‑BGG konkretisiert wird, dingliche Wirkung gegenüber dem Rechtsnachfolger des ursprünglichen Liegenschaftseigentümers entfaltet. Dass eine Bauplatzerklärung nach dem Sbg‑BGG dingliche Wirkung hat, liegt auch der Entscheidung des VwGH Ra 2016/16/0066 (zu § 16 Abs 2 Sbg‑BGG) zugrunde und wird im Schrifttum vertreten (Giese, Salzburger Baurecht § 14 BGG Rz 24). Ganz allgemein hat der Enteignungsbescheid nach herrschender Auffassung (5 Ob 14/04a mwN) dingliche Wirkung. Dass das Rekursgericht auch hier von einer dinglichen Wirkung der Bauplatzerklärung samt damit verbundener Verpflichtung zur Grundabtretung nach §§ 14, 15 Sbg‑BGG ausging, entspricht somit den Grundsätzen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RS0107773).
[17] 6. Fragen eines allfälligen gutgläubigen Eigentumserwerbs des Liegenschaftseigentümers nach § 1500 ABGB stellen sich nicht, weil diese Bestimmung auf aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Rechte abstellt, im öffentlichen Recht die Verjährungbestimmungen des bürgerlichen Rechts im Regelfall aber weder unmittelbar noch analog anzuwenden sind (VwGH Ra 2017/10/0143 mwN). Fragen eines allenfalls gutgläubigen lastenfreien Erwerbs wären überdies nach dem gesetzlichen Konzept des § 20 Abs 1 LiegTeilG nicht im Verfahren über einen Einspruch nach dieser Gesetzesstelle zu klären.
[18] 7. Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer Bestimmung des Verwaltungsrechts fehlt, wirft für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0123321 [T7]; RS0116438). Die Leitfunktion des Obersten Gerichtshofs erstreckt sich nur auf die seiner Rechtsprechung unterliegenden Rechtsfragen nach österreichischem Recht (5 Ob 222/09x [Rechtsqualität der Negativbestätigung nach § 18 Kärntner GVG 2002]). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zeigt der Revisionsrekurswerber nicht auf.
[19] 8. Zwar hat nach § 15 Abs 5 des Sbg‑BGG die Gemeinde die grundbücherliche Durchführung der Grundabtretung binnen Jahresfrist ab Eintritt der Rechtskraft der Bauplatzerklärung zu veranlassen. Eine Sanktion im Fall der Überschreitung dieser Frist findet sich im Gesetz nicht. Nach den Materialien (BlgT 12 GP 55 RV) handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, eine spätere Antragstellung soll nach dem Willen des Gesetzgebers zwar rechtswidrig, aber nicht ausgeschlossen sein. Gleiches vertritt die Literatur (Giese, Salzburger Baurecht § 15 BGG Rz 13). Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 5 Ob 107/00x erging zu § 16 Abs 2 der OÖ BauO, wonach die Gemeinde die grundbücherliche Eintragung innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bewilligungsbescheids zu beantragen hat. Der Fachsenat ging dort von einer Ordnungsvorschrift aus. Im Hinblick auf die bereits zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach eine Verjährung im öffentlichen Recht mangels ausdrücklicher Anordnung nicht vorgesehen ist, und unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers davon auszugehen, ein – vom Revisionsrekurswerber offenbar vertretenes – „ex lege Erlöschen“ des dinglichen Anspruchs aus dem Bauplatzerklärungsbescheid sei dem Gesetz nicht zu entnehmen, bedarf daher keiner Korrektur im Einzelfall.
[20] 9. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).
[21] 10. Gemäß dem aufgrund des Verweises in § 14 Abs 1 zweiter Satz LiegTeilG anwendbaren § 78 Abs 2 AußStrG hat der im Einspruchsverfahren unterliegende Liegenschaftseigentümer der obsiegenden Antragstellerin die tarifsgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen, in der sie auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat.
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