OGH 5Ob103/25w

OGH5Ob103/25w23.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, geboren am *, vertreten durch die hba Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei K*, geboren am *, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Reisinger, Rechtsanwalt in Mureck, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 13. März 2025, GZ 1 R 29/25d‑133, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00103.25W.0923.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1. Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die in der Berufung geltend gemacht worden waren und vom Berufungsgericht verneint wurden, können im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt werden (RS0042963 [T45]). Dieser Grundsatz wäre nur dann unanwendbar, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RS0042963 [T52]). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

[5] 2. Wenn der Beklagte einen Begründungsmangel darin erblickt, dass sich das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung nicht mit seiner Aussage, er habe das Handy der Klägerin nicht kontrollieren können, weil er nicht über den PIN Code des Handys der Klägerin verfügt habe, auseinander gesetzt habe, versucht er damit die Feststellung des Erstgerichts zu bekämpfen, wonach er das Handy der Klägerin kontrolliert habe. Der Oberste Gerichtshof ist allerdings nicht Tatsacheninstanz; Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel (RS0043371; RS0069246; RS0042903 [T2]).

[6] Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt auch insoweit nicht vor, weil sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge des Beklagten ausführlich befasst und die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft hat. Es hat nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und in seinem Urteil festgehalten (RS0043150). Dabei war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, sich im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen mit jedem einzelnen Beweisergebnis bzw mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RS0043162).

[7] 3. Ob und wann eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen, ob ein Ehepartner dem anderen die angelasteten Eheverfehlungen verziehen hat und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft, sind stets Fragen des konkreten Einzelfalls, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen (RS0043423 [T8]; RS0118125 [insb T1]; RS0119414).

[8] Eine aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Ehescheidung wegen unheilbarer Zerrüttung gemäß § 49 EheG entwickelten Grundsätze zutreffend dargestellt und auf den vorliegenden Einzelfall jedenfalls vertretbar angewandt.

[9] 3.1. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ist die in § 49 EheG enthaltene Aufzählung der Eheverfehlungen demonstrativ (arg: „insbesondere“; vgl dazu auch 9 Ob 13/04h). Dass Verfolgungen und Kontrollen des Ehepartners eine schwere Eheverfehlung darstellen, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Höchstgerichts (vgl 10 Ob 60/18y).

[10] 3.2. Die Ansicht des Beklagten, dass auf ein Verzeihen iSd § 56 EheG auch ohne Vorbringen Bedacht zu nehmen wäre, ist überholt (RS0056872 [T2]; RS0106971). Aus dem Sachverhalt ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin die schweren Eheverfehlungen des Beklagten verziehen hätte. In der Tatsache des Geschlechtsverkehres allein kann noch keine Verzeihung erblickt werden, wenn nicht aus dem gesamten Verhalten des gekränkten Ehegatten hervorgeht, dass er dadurch, unzweideutig zum Ausdruck bringen wollte, dass er die Eheverfehlungen des anderen Teiles, wodurch er sich zuerst gekränkt erachtete, nun als solche nicht mehr empfinde (RS0057022). Davon konnte hier keine Rede sein.

[11] 3.3. Warum der Umstand, dass der Beklagte nach Aufhebung des gegen ihn verhängten Betretungs‑ und Annäherungsverbots die Ehewohnung wieder betreten kann, dem von den Vorinstanzen angenommenen Zerrüttungszeitpunkt entgegenstehen soll, ist nicht nachvollziehbar.

[12] 4. Die Revision ist daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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