OGH 12Os84/25g

OGH12Os84/25g17.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz‑Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * H* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten H* und * M* sowie die Berufungen des Angeklagten * T* und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 13. März 2025, GZ 37 Hv 86/24h‑184, ferner über die Beschwerden des Angeklagten H* und der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 und 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00084.25G.0917.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.

Den Angeklagten H* und M* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * H* und * M* jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (H* zu B/I [teils als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB], M* zu A/I [als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB]) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (H* zu B/II, M* zu A/II) sowie jeweils mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (H* zu B/III und M* zu A/III) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in L* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift

A/ * M*

I/ von Mai 2021 bis 4. Mai 2024 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) aus dem Ausland (unter anderem aus den Niederlanden und Spanien) ausgeführt und nach Österreich eingeführt, indem er über unbekannte Personen im Ausland wiederholt insgesamt zumindest 180 Kilogramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von 11,18 % THCA und 0,85 % Delta‑9‑THC) sowie 2,34 Kilogramm THC‑haltige Süßigkeiten ankaufte und durch den abgesondert verfolgten * W* in einem speziell dafür präparierten Schmuggelfahrzeug nach Österreich verbringen ließ,

II/ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen durch Verkauf überlassen, nämlich insgesamt zumindest 274 Kilogramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von 11,18 % THCA und 0,85 % Delta‑9‑THC), 2,38 Kilogramm Kokain (mit einem Reinheitsgehalt von 64,01 % Cocain) und 10 Kilogramm Speed (mit einem Reinheitsgehalt von 10,23 % Amphetamin), und zwar

1/ von Mitte 2020 bis März 2021 insgesamt zumindest 83 Kilogramm Cannabiskraut, 2,3 Kilogramm Kokain und 10 Kilogramm Speed, das er zuvor in Österreich von unbekannten Personen angekauft hatte, an unbekannte Abnehmer und „Subverteiler“, sowie

2/ von Mai 2021 bis 4. Mai 2024 das unter A/I angeführte Cannabiskraut sowie 80 Gramm Kokain teils an im Urteil genannte Abnehmer und „Subverteiler“, teils an unbekannte Abnehmer,

III/ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar (ausgenommen der im Urteil detailliert genannten Zeiträume) von Mitte 2020 (US 1) bis zum 4. Mai 2024 eine unbekannte Menge Cannabiskraut (beinhaltend THCA und Delta‑9‑THC), und

B/ * H*

I/ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, teils als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB [B/I/2]) aus dem Ausland (unter anderem aus den Niederlanden, Spanien, Belgien und Deutschland) ausgeführt und nach Österreich eingeführt, und zwar insgesamt zumindest 80 Kilogramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von 11,18 % THCA und 0,85 % Delta‑9‑THC), 9,5 Kilogramm Kokain (mit einem Reinheitsgehalt von 64,01 % Cocain) und 3 Kilogramm flüssiges Speed (mit einem Reinheitsgehalt von 10,23 % Amphetamin), indem er

1/ von November 2020 bis Dezember 2020 im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit abgesondert verfolgten Mittätern 9,5 Kilogramm Kokain und 3 Kilogramm flüssiges Speed vom Ausland nach Österreich verbrachte, und

2/ von Mai 2021 bis 7. November 2022 sowie von 8. Mai 2023 bis 4. Mai 2024 zur strafbaren Handlung des M* zu A/I im Hinblick auf zumindest 80 Kilogramm Cannabiskraut beitrug, indem er M* wiederholt auf den Beschaffungsreisen ins Ausland begleitete, dort das Suchtgift in den Schmuggelfahrzeugen versteckte und in Österreich beim Ausbau des Suchtgifts mithalf,

II/ von Mitte 2020 bis März 2021 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge unbekannten Abnehmern und „Subverteilern“ überlassen, nämlich zuvor von verschiedenen Personen in Österreich angekauftes und einen Teil des unter B/I angeführten Suchtgifts, und zwar insgesamt zumindest 30 Kilogramm Cannabiskraut (mit einem Reinheitsgehalt von 11,18 % THCA und 0,85 % Delta‑9‑THC), 11,35 Kilogramm Kokain (mit einem Reinheitsgehalt von 64,01 % Cocain), 5 Kilogramm Heroin (mit einem Reinheitsgehalt von 12,5 %) und 3 Kilogramm Speed (mit einem Reinheitsgehalt von 10,23 % Amphetamin), sowie

III/ ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, und zwar (ausgenommen der im Urteil detailliert genannten Zeiträume) von Mitte 2020 (US 1) bis zum 4. Mai 2024 unbekannte Mengen Cannabiskraut und Cannabisharz (jeweils beinhaltend THCA und Delta‑9‑THC).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die von * H* und * M* je auf Z 3, 4, 5, 5a und 11, von H* auch auf Z 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

[4] Soweit die (getrennt ausgeführten) Rügen der Angeklagten H* und M* zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO im Wesentlichen inhaltsgleich argumentieren, werden sie im Folgenden gemeinsam behandelt (I/), die darüber hinausgehenden Beschwerdeausführungen verlangen hingegen eine gesonderte Beantwortung (II/ und III/).

[5] Der Antwort auf das Vorbringen zu den einzelnen Nichtigkeitsgründen ist voranzustellen, dass – auf Basis der dafür maßgeblichen Urteilskonstatierungen (US 9 ff, 16 und 23 iVm US 6 und 26 f) – dem Angeklagten H* jeweils zu B/I und II und dem Angeklagten M* jeweils zu A/I und II des Schuldspruchs ein im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetztes Verhalten zur Last liegt (RIS‑Justiz RS0112225).

[6] Mehrere im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit begangene Angriffe stellen eine einzige Tat dar (RIS‑Justiz RS0122006, im gegebenen Zusammenhang RS0131856 [T4]). Eine Nichtigkeitsbeschwerde, die bloß den Wegfall einzelner, die Annahme des (hier) § 28a Abs 4 Z 3 SMG nicht tangierender, Suchtgiftquanten anstrebt, spricht daher keine (für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage) entscheidenden Tatsachen an (RIS‑Justiz RS0127374 [insb T1 und T8]).

[7] Die Tatrichter stellten – soweit nachfolgend von Bedeutung – fest, dass M* von Mai 2021 bis Mai 2024 zur Ausfuhr und Einfuhr von (unter anderem) 180 Kilogramm Cannabiskraut (mit dem im Urteilstenor wiedergegebenen Reinheitsgehalt, sohin mehr als 570‑fache Überschreitung der Grenzmenge [§ 28b SMG]) bestimmte (A/I) und H* (unter anderem) zu dieser Ausfuhr und Einfuhr in Bezug auf 80 Kilogramm Cannabiskraut (sohin mehr als 250‑fache Überschreitung der Grenzmenge [§ 28b SMG]) beitrug (B/I/2). Weiters überließ M* (unter anderem) die nach Österreich eingeführten 180 Kilogramm Cannabiskraut (A/I, sohin mehr als 570‑fache Überschreitung der Grenzmenge [§ 28b SMG]) in der Folge anderen Personen (A/II/2).

[8] Die Kommunikation der Angeklagten M* und H* mit Mittätern, Verkäufern und Abnehmern erfolgte ab März 2021 nicht mehr über den verschlüsselten Messengerdienst SKY‑ECC, sondern nur mehr über einen anderen Messengerdienst, weil ausländische Ermittlungsbehörden einen Zugang zu den verschlüsselten Daten von SKY‑ECC erhalten hatten und über diesen Messengerdienst eine sichere Kommunikation nicht mehr möglich war (US 13 f).

[9] Die Feststellungen zu diesem Sachverhaltskomplex (und damit zu den Schuldsprüchen des M* zu A/I und A/II/2 sowie des H* zu B/I/2) beruhen demzufolge gerade nicht auf der Auswertung von SKY‑ECC‑Kommunikation, sondern auf den Erhebungsergebnissen des Landeskriminalamts Oberösterreich, insbesondere den Aussagen eines Mitangeklagten, den Ergebnissen einer Rufdatenrückerfassung und einer Observation sowie der geständigen Verantwortung des M* in Bezug auf den Schmuggel von „60 bis 70 Kilogramm Cannabiskraut“ (US 20 ff).

 

I/ Zu den Verfahrensrügen (Z 4):

Voranzustellen ist:

[10] Die Geltendmachung der Verfahrensrüge verlangt, dass die Anträge erhebliche (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO, vgl auch § 254 Abs 1 StPO) Tatsachen betreffen, somit solche, die unmittelbar oder mittelbar (ohne dabei auf – im Erkenntnisverfahren unzulässige – Erkundungsbeweisführung abzuzielen) der Feststellung entscheidender Tatsachen dienen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 321 und 327; RIS‑Justiz RS0116503, RS0118319).

[11] Soweit die Rüge des Angeklagten H* die Begründung der Abweisung der Anträge durch das Erstgericht kritisiert, entfernt sie sich vom Prüfungsmaßstab der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0116749 [T9], RS0121628 [T1]).

[12] Die in den Rechtsmitteln umfangreich nachgetragenen Ausführungen zur jeweiligen Antragsfundierung haben mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).

[13] In Bezug auf Antragsstellung, Anschlusserklärung und Inhalt der Anträge geht der Oberste Gerichtshof vom – unbeanstandet gebliebenen und aus seiner Sicht unbedenklichen – Hauptverhandlungsprotokoll aus (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 312).

[14] Den Rügevorbringen zuwider wurden durch die Abweisungen (ON 161 S 6, ON 172 S 5, ON 183 S 2 f) nachstehender Anträge Verteidigungsrechte der Angeklagten H* und M* nicht verletzt:

[15] Der Angeklagte H* kritisiert die Abweisungen der in der Hauptverhandlung am 16. Jänner 2025 (ON 172 S 4) und am 13. März 2025 (ON 183 S 2) gestellten Anträge, „die im Strafakt erliegenden Chatprotokolle, darüber verfasste Zusammenfassungen, SKY‑ECC‑PIN Auswertungen, ect. welche im Zusammenhang mit der Benutzung des (im Antrag bezeichneten) SKY‑ECC PINS stehen, von einer Verwertbarkeit im gegenständlichen Strafverfahren auszuschließen bzw nicht zuzulassen“, wobei er sich „auch ausdrücklich gegen eine Verlesung dieser Dokumente aus[spreche]“.

[16] Dazu brachte er (bezugnehmend auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2019, VfGH G 72/2019 ua [VfSlg 20.356]) zusammengefasst vor, dass „diese Ermittlungsergebnisse und Unterlagen durch Ermittlungsmethoden erlangt wurde[n], die vom Verfassungsgerichtshof als grundrechtswidrig aufgehoben wurden; konkret durch Überwachung von verschlüsselten Nachrichten“. Eine „Verhältnismäßigkeitsüberlegung“ stehe der Verwertung „derartiger Ergebnisse“ entgegen, weil das „Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses“ sowie das „Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt“ seien. Weiters sei „aufgrund der fehlenden Rohdaten und der mangelnden Nachvollziehbarkeit der Herkunft sowie der Datenerlangung […] nicht einmal beurteilbar, ob die Überwachung durch ausländische Behörden ohne Veranlassung österreichischer Behörden erfolgt bzw. wie die Überwachung erfolgte, beispielsweise durch Quellen‑TKÜ“. Überdies sei aufgrund der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung und deren Umsetzung durch das EU‑JZG „im Zweifel“ davon auszugehen, dass Beweismittel vorliegen, die in Österreich „bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht erhoben werden hätten dürfen“. Die Verwertbarkeit scheitere „generell an der mangelnden Überprüfbarkeit der den Zusammenfassungen und Dokumenten zugrundeliegenden Ur‑Chats (Rohdaten). Ohne Überprüfbarkeit der Plausibilität der Daten bzw Datenqualität sowie der Erlangung der Daten“ liege, „wenn diese Chats und Zusammenfassungen dem Verfahren zugrundegelegt würden, eine Grundrechtsverletzung vor“, sodass „die Verwertbarkeit auzuschließen“ sei. Die „Überwachungsergebnisse aus den SKY ECC‑Chats“ unterlägen daher einem „innerstaatlichen Beweisverbot“.

[17] Nahezu inhaltsgleich beantragte der Angeklagte M* in der Hauptverhandlung am 31. Oktober 2024 (ON 161 S 4 f) und am 16. Jänner 2025 (ON 172 S 3) die im Zusammenhang mit den ihm zugeordneten SKY‑ECC‑PINS stehenden Chatprotokolle und deren Zusammenfassungen „von einer Verwertbarkeit im gegenständlichen Verfahren auszuschließen“. Weiters schloss er sich dem in der Hauptverhandlung am 31. März 2025 gestellten Antrag des Angeklagten H* (in Bezug auf die generelle Nichtverwertbarkeit der Chatdaten) an (ON 183 S 2; zur Zulässigkeit RIS‑Justiz RS0099244).

[18] Der Angeklagte M* brachte dazu vor, dass die Chatprotokolle als „Ergebnisse einer Überwachung von verschlüsselten Nachrichten“ anzusehen seien und eine derartige Ermittlungsmethode, nämlich „verschlüsselte Nachrichten auszulesen und einem Strafverfahren zugrundezulegen“, vom Verfassungsgerichtshof als grundrechtswidrig angesehen worden sei. Der Nachweis seiner Beteiligung am Suchtgifthandel alleine aus diesen Chatprotokollen sei daher verfassungswidrig zustande gekommen, weshalb eine Verwertung mit Blick auf die Entscheidung „EuGH C‑670/22 “ und eine Literaturstelle („JBl 2023, Seite 746 f“) nicht möglich sei. Darüber hinaus sei die bloße Zusammenfassung der Chatprotokolle „nicht ausreichend“, weil – zusammengefasst – relevante Beweisfragen nur aus den nicht vorliegenden „Original‑Rohchats [...] herauszulesen“ seien.

[19] Ausgehend von dem eingangs zur tatbestandlichen Handlungseinheit Ausgeführten und den dort wiedergegebenen Entscheidungsgründen der Tatrichter zum Schuldspruch A/I und A/II/2 sprachen die Anträge des Angeklagten M* keine (für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage) erheblichen Tatsachen an (siehe aber erneut RIS‑Justiz RS0118319, RS0116503). Denn der auf diese Suchtgiftmenge (180 Kilogramm Cannabiskraut) bezogene – mit den kritisierten SKY‑ECC‑Chatprotokollen in keinerlei Zusammenhang stehende – Suchtgifthandel betraf schon für sich eine das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) übersteigende Suchtgiftmenge. Die Anfechtung des M* scheitert daher schon aus diesem Grund.

[20] Das Gleiche gilt für das Beschwerdevorbringen des H*, soweit es sich auf den Schuldspruch B/I/2 bezieht. Hingegen beruht dessen Schuldspruch B/II (auch) auf den hier bekämpften SKY‑ECC‑Chatprotokollen. Diesbezüglich ist der Verfahrensrüge jedoch ebenfalls kein Erfolg beschieden.

[21] Denn bei der Rüge von Verfahrensmängeln kann nur die unrichtige Entscheidung in der jeweiligen (prozessualen) Rechtsfrage beim Rechtsmittelgericht geltend gemacht werden. Die Sachverhaltsgrundlage dieser Entscheidung, über die das Schöffengericht in freier Beweiswürdigung zu entscheiden hatte, ist im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde der Überprüfung nur dahin zugänglich, ob das Gericht diese in formal einwandfreier Weise, also nicht willkürlich, geschaffen hat (RIS‑Justiz RS0118977, RS0118016; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 40 ff).

[22] Die Abweisung der gegen das Vorkommen der Chatnachrichten in der Hauptverhandlung gerichteten Anträge erfolgte auf der Basis der Annahme, dass belgische, französische oder niederländische Ermittlungsbehörden Zugriff auf in Europa befindliche SKY‑ECC‑Server erlangten, diese sicherstellten, durch Entschlüsselung der „SKY‑PINS“ einen Zugang zu den verschlüsselten Daten des Messenger‑Dienstes SKY‑ECC erhielten, die Ermittlungsbehörden versuchten, den Server „rückzuentschlüsseln“, diese Ermittlungsmaßnahmen ohne Ersuchen (und ohne Beteiligung) inländischer Strafverfolgungsbehörden durchgeführt wurden und die durch ausländische Behörden ausgewerteten „Rohdaten“ dieser Kommunikationsverläufe nach Österreich übermittelt und in der Folge von den Landeskriminalämtern ausgewertet wurden (US 9, 13 f, 17, 22, 24 f iVm ON 172 S 23 ff [24]; vgl dazu auch 14 Os 106/22b, 14 Os 35/24i, 15 Os 101/23a, 14 Os 14/24a [Rz 18 in Bezug auf SKY‑ECC]; vgl zudem zum historischen Hintergrund des Kommunikationsanbieters SKY‑ECC, zur Funktionsweise der mit einer Verschlüsselungssoftware versehenen Mobiltelefone und zur angewandten Entschlüsselungsmethode 11 Os 147/24p [Rz 18]).

[23] Indem die Verfahrensrüge des H* die prozessuale Sachverhaltsgrundlage teils bloß bestreitet, ihr teils eigene spekulative Überlegungen („Stichwort Bundestrojaner“) gegenüberstellt und vorbringt, „mangels vorliegender Beurteilungsgrundlagen“ wäre dem Antrag „im Zweifel“ stattzugeben gewesen, stellt sie diese nicht nach Maßgabe einer Mängel‑ oder Tatsachenrüge (Z 5 oder Z 5a des § 281 Abs 1 StPO [Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 40, 49 f; RIS‑Justiz RS0118977, RS0118016]) in Frage.

[24] Ausgehend von der somit nicht erfolgreich bekämpften Sachverhaltsgrundlage der kritisierten Beschlüsse handelt es sich bei den in Rede stehenden Kommunikationsdaten aber gerade nicht um Ergebnisse einer nach dem fünften Abschnitt des achten Hauptstücks der StPO durchgeführten Ermittlungsmaßnahme. Die dargestellte Vorgangsweise ausländischer Behörden unterliegt – wie der Oberste Gerichtshof in gefestigter Rechtsprechung betont – nicht dem Beweisverwendungsverbot des § 140 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0119110 [T11]; jüngst 11 Os 85/24w und 13 Os 7/25s). Ebenso wenig fällt sie unter das (der Sache nach angesprochene) Reglement des § 55a Abs 1 Z 13 EU‑JZG (dazu eingehend und mwN 11 Os 147/24p [Rz 5 ff] sowie jüngst 13 Os 7/25s).

[25] Der Nichtigkeitsgrund der Z 4 liegt daher nicht vor.

 

II/ Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * H*:

[26] Der Verweis der Verfahrensrüge (Z 3) auf das zu Z 4 Vorgebrachte entspricht nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902).

[27] Mit dem (nicht auf die Sachverhaltsgrundlage der Entscheidung über eine Verfahrensfrage bezogenen) Einwand, die Urteilsfeststellung zur Durchführung von SKY‑ECC‑Ermittlungsmaßnahmen durch ausländische Behörden „ohne Ersuchen inländischer Strafverfolgungsbehörden“ (US 13 f), sei unbegründet geblieben (Z 5 vierter Fall), spricht die Mängelrüge keine entscheidende Tatsache an (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).

[28] Auch der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Täterschaft des H* im Zusammenhang mit den „SKY ECC‑Kommunikationsverläufen“ bezieht sich in Bezug auf den Schuldspruch B/I – angesichts der obigen Ausführungen zur tatbestandlichen Handlungseinheit und der zu B/I/2 festgestellten Suchtgiftmenge, die in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhaltskomplex SKY‑ECC steht und bereits für sich den Schuldspruch nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG trägt – auf keine entscheidende Tatsache.

[29] Betreffend den Schuldspruch B/II übergeht das Vorbringen prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0119370) die diesbezügliche, in vernetzter Betrachtung einer Mehrzahl von Beweisergebnissen (US 17 ff iVm mit den zu den Konstatierungen jeweils angeführten Fundstellen [US 9 ff]) erschlossene – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandende – Gesamtheit der Entscheidungsgründe.

[30] Dass aus den angesprochenen Verfahrensergebnissen auch andere Schlüsse als die vom Erstgericht gezogenen ableitbar wären, vermag Nichtigkeit aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht zu begründen (RIS‑Justiz RS0098471 [T7]).

[31] Die Tatsachenrüge (Z 5a) bezieht sich mit ihrem Vorbringen zum „Themenkomplex SKY‑ECC“ in Bezug auf den Schuldspruch B/I auf keine entscheidende Tatsache (siehe die dazu erfolgten Ausführungen zur Mängelrüge) und verfehlt schon deshalb den Bezugspunkt der vorgenommenen Anfechtung (RIS‑Justiz RS0106268 [T7]).

[32] Indem sie die Eignung der SKY‑ECC Chatkommunikation und die daraus gewonnene Zusammenfassung als „taugliche Beweisergebnisse“ zur Begründung der Täterschaft des Angeklagten zu B/II in Zweifel zieht, die „Rohdaten“ als unvollständig und deren „ordnungsgemäße Übersetzung“ als nicht nachvollziehbar erachtet, das „Zuteilungssystem“ der PINS und die „Zuteilungslogik“ in Frage stellt, weckt die Tatsachenrüge beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (vgl RIS‑Justiz RS0099674).

[33] Das Rügevorbringen zum „Themenkomplex Beitrag M*“ (Schuldspruch B/I/2), das erhebliche Bedenken mit dem Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit der Aussagen des Mitangeklagten * T* im Ermittlungsverfahren releviert, wendet sich bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO).

[34] Nichtigkeit aus Z 9 lit a liegt vor, wenn durch den Ausspruch über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zugehörigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe, ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde. Diesen Anfechtungsgegenstand verfehlt die Rechtsrüge, indem sie das Fehlen von Feststellungen zur Lösung von Verfahrensfragen geltend macht (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581).

[35] Die Behauptung der Sanktionsrüge, das Erstgericht habe „§§ 31, 40 StGB“ zu Unrecht nicht angewendet (Z 11 erster Fall), trifft nicht zu:

[36] Nach den erstgerichtlichen Feststellungen (US 8) wurde H* mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 28. Februar 2023, AZ 23 Hv 3/23y, schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nur ein Teil der für den angefochtenen Strafausspruch maßgeblichen Taten wurde – auf der Basis des Urteilssachverhalts (US 3, 12 ua – Tatzeitraum von Mai 2021 bis Mai 2024) – vor jenem Vor‑Urteil begangen. Hievon ausgehend lagen die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 erster Satz StGB nicht vor (RIS‑Justiz RS0113612), sodass die Verhängung einer Zusatzstrafe ausgeschlossen war (RIS‑Justiz RS0090813 [insb T19]; jüngst 15 Os 45/25v).

 

III/ Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M*:

[37] Entgegen der Verfahrensrüge begründet das Vorkommen der SKY‑ECC‑Chatkommunikation durch Vortrag (§ 252 Abs 2a StPO) in der Hauptverhandlung (ON 183 S 5) keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO infolge Verletzung eines mit Nichtigkeit sanktionierten Beweisverbots. Die relevierte Bestimmung des § 140 Abs 1 StPO bezieht sich nämlich ausschließlich auf eine nach dem fünften Abschnitt des achten Hauptstücks der StPO durchgeführte Maßnahme, was hier nach den (von der Rüge nicht prozessordnungsgemäß in Frage gestellten [siehe hiezu erneut RIS‑Justiz RS0118977]) Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts gerade nicht der Fall ist. Dieses ging – wie im Rahmen der Beantwortung der Verfahrensrügen nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO dargelegt – davon aus, dass die in Rede stehende Überwachung weder von österreichischen Strafverfolgungsbehörden durchgeführt noch von diesen veranlasst wurde, sondern erst die Ergebnisse der von ausländischen Ermittlungsbehörden vorgenommenen Maßnahmen österreichischen Behörden zur Verfügung gestellt wurden. Demnach liegt ein ausdrücklich mit Nichtigkeit bewehrter Gesetzesverstoß im Sinn des taxativen (vgl RIS‑Justiz RS0099118) Nichtigkeitsgrundes der Z 3 nicht vor (RIS‑Justiz RS0119110; zur diesbezüglich mittlerweile ständigen Rechtsprechung vgl etwa 14 Os 106/22b [Rz 8], 15 Os 101/23a [Rz 9], 11 Os 85/24w [Rz 12], 14 Os 100/24y [Rz 5], 15 Os 129/24w [Rz 11] sowie jüngst 14 Os 55/25g [Rz 4]).

[38] Die in Ansehung der Feststellungen der Täterschaft des M* „hinsichtlich der Fakten zu den SKY‑ECC‑Korrespondenzen“ (sohin betreffend den Schuldspruch A/II/1) Widersprüchlichkeit (Z 5 dritter Fall) und offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) einwendende Mängelrüge geht mangels Bekämpfung entscheidender Tatsachen (siehe dazu erneut die eingangs der Rechtsmittelbeantwortung erfolgten Ausführungen zur tatbestandlichen Handlungseinheit) schon im Ansatz fehl (RIS‑Justiz RS0106268).

[39] Das Gleiche gilt für die Tatsachenrüge (Z 5a), die sich ebenfalls bloß auf die den „SKY‑ECC‑Chats“ zugrunde liegenden Konstatierungen bezieht (RIS‑Justiz RS0106268 [T7]).

[40] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) kritisiert den Umstand, dass die Tatrichter die Überlassung als „harter Drogen“ bezeichneter Suchtgifte „wie Kokain, Heroin bzw Amphetamin“ aggravierend werteten (US 26), obwohl deren Gefährlichkeit bereits „durch die aus §§ 27 bis 28a SMG ersichtlichen Strafdrohungen Rechnung getragen“ werde und der Gesetzgeber das unterschiedliche Gefährdungspotenzial einzelner Suchtgifte durch § 1 der Suchtgiftgrenzmengenverordnung iVm § 28b SMG berücksichtige, als Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB, vgl RIS‑Justiz RS0102874).

[41] Das Erstgericht führte den von der Rüge monierten Umstand getrennt von den besonderen Erschwerungsgründen (US 26 f) und unter gleichzeitiger Betonung der „jeweils die mehrfache Übermenge überschreitenden verhandelten Suchtgiftmenge“ im Rahmen der „allgemeinen Strafzumessungserwägungen“ an. Mit diesen Erwägungen brachte es im Gesamtkontext eine mit Blick auf allgemeine Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) für die Gewichtung der personalen Täterschuld bedeutsame Tatsache zum Ausdruck (vgl 15 Os 107/20d, 13 Os 125/17g, 11 Os 9/17h, 13 Os 10/04). Eine Doppelverwertung im relevierten Sinn ist im vorliegenden Fall nicht auszumachen.

[42] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[43] Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[44] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte