OGH 11Os59/25y

OGH11Os59/25y9.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2025 durch dieVizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Rechtspraktikantin Schurich LL.M., LL.M. als Schriftführerin in der Strafsache gegen S* S* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des Genannten in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 26. Februar 2025, GZ 9 Hv 27/24p‑44, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00059.25Y.0909.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Schuldspruch zu E/1/a/, E/1/b/ und E/2/, demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), im Konfiskationserkenntnis und im Zuspruch an die Privatbeteiligten J* S* und M* S* sowie in der Anordnung der Unterbringung in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde S* S* mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A/I/), eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 vierter Fall StGB (A/II/), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B/), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (C/ [iVm A/I und A/II sowie iVm B/]), eines Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (D/), „eines“ Vergehens des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und der bildlichen sexualbezogenen Darstellungen minderjähriger Personen nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (E/1/a/ und E/1/b/) sowie eines Verbrechens des bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und der bildlichen sexualbezogenen Darstellungen minderjähriger Personen nach § 207a Abs 3 zweiter Satz erster Fall, Abs 3b zweiter Fall StGB (E/2/) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und (US 3 f) wegen der vom Schuldspruch umfassten Taten nach § 21 Abs 2 StGB in ein forensisch‑therapeutisches Zentrum eingewiesen.

[2] Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung –

(E/) in E* bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen (§ 207a Abs 4 StGB)

1/ hergestellt, indem er

a/ am 5. November 2023 ein Video, das ihn selbst bei der Ejakulation in das Gesicht des * 2019 geborenen, schlafenden J* S* zeigt, und

b/ in einem unbekannten Zeitraum mit einer in der WC-Muschel angebrachten Kamera Lichtbilder der Genitalien des * 2011 geborenen M* S*

erstellte und sowohl das Video als auch die Lichtbilder auf Datenträgern speicherte;

2/ sich in einem unbekannten Zeitraum in wiederholten Angriffen durch Herunterladen aus dem Internet und Abspeichern auf Datenträgern verschafft und bis 9. Oktober 2024 sowohl diese als auch die zu 1/ beschriebenen Dateien, und zwar insgesamt 229.604 Bild- und 4.299 Videodateien, besessen, wobei es sich bei diesen demnach vielen (dem Abschlussbericht vom 18. Jänner 2025 angeschlossenen) Abbildungen auch (überwiegend) um solche unmündiger Personen handelte.

[3] Hingegen wurde S* S* von dem wider ihn erhobenen Anklagevorwurf „gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen“, er habe

F/ am 5. November 2023

I/ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, indem er sich mit der Hand selbst befriedigte und in das Gesicht des * 2019 geborenen, tief schlafenden J* S* ejakulierte, wobei das Ejakulat auch über und in den Mund des Genannten floss, und

II/ durch die zu I/ beschriebene Handlung außer dem Fall des § 205 Abs 1 StGB eine wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft (ausschließlich) zum Nachteil des Angeklagten hinsichtlich des zu F/I/ und F/II/ prozessual verfehlt (RIS‑Justiz RS0091051, RS0115553, RS0120128; Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 563) ausgesprochenen Subsumtionsfreispruchs mit dem Ziel einer Verurteilung des Genannten wegen des vom Schuldspruch zu E/1/a/ umfassten Geschehens vom 5. November 2023 auch wegen (jeweils) eines Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB sowie eines Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB.

[5] Dabei stützt sie sich auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO.

[6] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof bereits vorweg davon, dass das Urteil hinsichtlich eines Teils des Schuldspruchs mit von keiner Prozesspartei geltend gemachter, dem Angeklagten zum Nachteil gereichender materiell-rechtlicher Nichtigkeit behaftet ist:

 

Zu E/1/a/:

[7] Nach den Urteilsfeststellungen beaufsichtigte der Angeklagte regelmäßig (ua) seinen * 2019 geborenen Neffen J* S*, wobei dieser auch immer wieder bei ihm übernachtete (US 4 f). Als J* S* am 5. November 2023 in der Wohnung des Angeklagten tief eingeschlafen war, masturbierte der Angeklagte und ejakulierte dabei in das Gesicht des schlafenden Kindes, ging aber davon aus, dass es davon nicht aufwachen werde. Das Ejakulat lief auch über das Gesicht und den Mund des (weiterhin schlafenden) Kindes. Von diesem Vorgang stellte der Angeklagte zeitgleich eine Videoaufnahme her, welche er auf einem Datenträger speicherte und (erkennbar) bis zum 9. Oktober 2024 besaß (US 7 f).

[8] In subjektiver Hinsicht konstatierte das Schöffengericht, dass es der Angeklagte beim Filmen seiner Ejakulation ins Gesicht des Kindes ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dadurch eine wirklichkeitsnahe Abbildung einer geschlechtlichen Handlung an seinem unmündigen Neffen herzustellen (US 8).

[9] Allerdings findet sich an anderer Stelle des Urteils die (auf den „Freispruch“ zu F/I/ bezogene) Aussage, es könne nicht festgestellt werden, dass es der Angeklagte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch das Masturbieren in Gegenwart des tief schlafenden J* S* und anschließende Ejakulieren in dessen Gesicht eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorzunehmen oder eine wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch zu missbrauchen, dass er eine geschlechtliche Handlung an ihr vornimmt (US 9).

[10] Diese Negativfeststellung traf das Erstgericht „im Zweifel“ deshalb, weil es aufgrund der Verantwortung des Angeklagten, wonach das Kind die ganze Zeit geschlafen habe und er davon ausgegangen sei, dass es weder das Masturbieren noch das Ejakulieren bemerken werde, annahm, der Angeklagte habe sich „bei diesem Vorfall“ zwar Erregung durch das Betrachten des schlafenden Kindes verschaffen wollen, es jedoch nicht für möglich gehalten, durch das Masturbieren und Ejakulieren eine geschlechtliche Handlung an diesem vorzunehmen und seinen Schlaf dafür auszunutzen, zumal er das Kind dabei auch nicht berührte (US 12).

[11] Aus Sicht des Obersten Gerichtshofs kann auf Basis der Gesamtheit dieses – von der Staatsanwaltschaft (allerdings ohne Bekämpfung des Schuldspruchs zu E/1/a/) an sich zutreffend als (unauflösbar) widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) kritisierten – Urteilssachverhalts kein einen Schuldspruch zu E/1/a/ tragendes Feststellungssubstrat dahin ausgemacht werden, dass es der Angeklagte bei seinem Vorgehen am 5. November 2023 ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, eine wirklichkeitsnahe Abbildung einer geschlechtlichen Handlung an einem Unmündigen herzustellen (vgl etwa 11 Os 63/18a; RIS‑Justiz RS0099575 [T6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 570 f).

[12] Das aufgezeigte Feststellungsdefizit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) erfordert die amtswegige Aufhebung des Schuldspruchs zu E/1/a/ (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

 

Zu E/1/b/:

[13] § 207a Abs 1 Z 1 StGB pönalisiert das Herstellen bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und bildlicher sexualbezogener Darstellungen unmündiger Minderjähriger, deren Definition sich in Abs 4 leg cit findet. Zur Subsumtion von Lichtbildern und Videoaufnahmen unter den Tatbestand des § 207a Abs 1 Z 1 StGB bedarf es daher jeweils den Kriterien dieser normativen Tatbestandsmerkmale entsprechender deskriptiver Sachverhaltsfeststellungen (RIS‑Justiz RS0128662; Philipp in WK2 StGB § 207a Rz 8), die dem Urteil in Bezug auf den oben erwähnten Schuldspruch aber nicht zu entnehmen sind.

[14] Denn die Konstatierungen beschränken sich – worauf die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist – auf das „zu nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkten“ erfolgte heimliche Filmen der „Genitalien des unmündigen M* S*, der die Toilette benutzte“ mittels einer in der WC-Muschel in der Wohnung des Angeklagten installierten Kamera, ohne dass das Urteil substrathafte Ausführungen dazu enthielte, inwiefern es sich dabei auch um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handeln soll, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen (US 8; § 207a Abs 4 Z 3 lit b StGB; vgl Philipp in WK2 StGB § 207a Rz 13; Bertel/Schwaighofer BT II15 § 207a Rz 6).

[15] Ebenso wenig lassen die Urteilsaussagen, wonach es der Angeklagte dabei ernstlich für möglich hielt, sich damit abfand und auch wollte, dadurch „wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger von M* S* herzustellen, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen“ (US 8), erkennen, ob sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf reißerisch verzerrte Abbildungen von Genitalien oder der Schamgegend im oben dargestellten Sinn bezog.

[16] Dem (mit geringerer Strafe bedrohten) Tatbestand der unbefugten Bildaufnahmen könnte ein wie zu E/1/b/ beschriebenes Geschehen nur unter den in § 120a Abs 1 und Abs 3 StGB (iVm § 92 StPO) normierten Voraussetzungen unterstellt werden, sofern die Aufnahmen nach In-Kraft-Treten dieser Bestimmung mit 1. Jänner 2021 (BGBl I 2020/148) hergestellt wurden.

[17] Auch dieser Schuldspruch ist somit aufgrund von die Strafbarkeit des inkriminierten Vorgangs (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) betreffenden Feststellungsdefiziten von Amts wegen aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Zu E/2/:

[18] § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB pönalisiert das Sich-Verschaffen und den Besitz (zur rechtlichen Gleichwertigkeit siehe RIS‑Justiz RS0132692) bildlichen sexualbezogenen Kindesmissbrauchsmaterials und bildlicher sexualbezogener Darstellungen unmündiger Minderjähriger, deren Definition sich in Abs 4 leg cit findet. Auch zur Subsumtion von Lichtbildern und Videoaufnahmen unter den Tatbestand des § 207a Abs 3 zweiter Satz, Abs 3b zweiter Fall StGB bedarf es daher jeweils den Kriterien dieser normativen Tatbestandsmerkmale entsprechender deskriptiver Sachverhaltsfeststellungen (erneut RIS‑Justiz RS0128662; Philipp in WK2 StGB § 207a Rz 8).

[19] Die Konstatierungen beschränken sich – worauf die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist – einerseits auf das bloße Herunterladen, Speichern und Besitzen von insgesamt 229.604 Bilddateien und 4.299 Videodateien, „auf denen bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen jeweils (überwiegend) unmündiger Personen zu sehen sind“ und damit auf einen unsubstantiierten Gebrauch der verba legalia.

[20] Andererseits (US 7 f) beziehen sie sich überdies auf die vom Angeklagten hergestellten und in der Folge ebenfalls bis zum 9. Oktober 2024 besessenen (RIS‑Justiz RS0130262) Videoaufnahmen des eigenen Masturbierens und Ejakulierens in das Gesicht des J* S* (vgl dazu E/1/a/) sowie auf das heimliche Filmen der „Genitalien des unmündigen M* S*, der die Toilette benutzte“ (vgl dazu E/1/b/). Diehinsichtlich dieser Dateienbereits oben aufgezeigten Feststellungsdefizite (US 8) vermögen eine Verurteilung wegen des (vorsätzlichen) Besitzes von Bildmaterial im Sinn des § 207a Abs 3 StGB gleichfalls nicht zu tragen.

[21] Demzufolge kann auch der Schuldspruch zu E/2/ nicht bestehen bleiben.

[22] In teilweiser Übereinstimmung mit der Generalprokuratur war das Urteil somit zusammengefasst (zu Gunsten des Angeklagten) aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bereits bei der nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Spruch ersichtlich aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

[23] Aufgrund des Wegfalls des Schuldspruchs zu E/1/a/ und damit auch der diesbezüglich urteilsmäßig festgestellten Sachverhaltsgrundlage (vgl RIS‑Justiz RS0133990) erübrigt sich ein Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, welche vom Fortbestand des Schuldspruchs zu E/1/a/ hinsichtlich des Geschehens vom 5. November 2023 ausgeht und darüber hinaus die Verurteilung des Angeklagten wegen weiterer (dazu in Idealkonkurrenz verwirklichter) strafbarer Handlungen im Sinn des zehnten Abschnitts des StGB anstrebt, die in der in Rede stehenden Konstellation jedoch allesamt (unter anderem) eine zumindest bedingt vorsätzliche Vornahme oder Unternehmung einer geschlechtlichen Handlung an einer anderen Person verlangen würden.

[24] Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde war die Staatsanwaltschaft daher auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

Bleibt für den zweiten Rechtsgang hinzuzufügen:

[25] Schon aufgrund des bloßen Ergreifens einer Nichtigkeitsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft gilt in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation das in § 290 Abs 2 StPO für den Sanktionenbereich statuierte Verschlechterungsverbot nicht (13 Os 37/22y [Rz 11]).

[26] Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen des Geschehens vom 5. November 2021 wäre auch die Subsumtionder in Rede stehenden Tat unter allenfalls mehrere(objektiv und subjektiv in Idealkonkurrenz verwirklichte), allenfalls sogar strenger strafbedrohte strafbare Handlungen zulässig (RIS-Justiz RS0098900; vgl erneut 11 Os 63/18a; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 31 ff [insbesondere Rz 34] und Rz 40 f).

[27] Bis zumIn-Kraft-Treten (am 1. Dezember 2023) des § 207a Abs 1 Z 1 StGB idgF (BGBl I 2023/135) war die Herstellung pornographischer Darstellungen Minderjähriger mit geringerer Strafe bedroht (Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren anstatt nunmehr von sechs Monaten bis zu drei Jahren). In Bezug auf einen vor dem 1. Dezember 2023 verwirklichten Lebenssachverhalt wäre im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs des jeweils zu E/1/a/ und E/1/b/ in Rede stehenden Lebenssachverhalts insoweit daher (jeweils) ein Günstigkeitsvergleich vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0112939).

[28] Ist die Tatzeit eines zu beurteilenden Lebenssachverhalts im rechtlich relevanten Umfang (vgl RIS‑Justiz RS0098557 [T16] zur Frage des nach dem Günstigkeitsvergleich anzuwendenden materiellen Rechts) nicht exakt feststellbar, ist der Tatzeitraum – unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes (§ 14 zweiter Halbsatz StPO; vgl Lendl, WK-StPO § 258 Rz 36) – (bereits) auf der Feststellungsebene einzugrenzen und der Entscheidung sodann jener Zeitpunkt zugrunde zu legen, der für den Angeklagten in concreto am günstigsten im Sinn des § 61 StGB ist (RIS-Justiz RS0131758).

[29] Im Fall von Idealkonkurrenz ist eine Tat in Bezug auf alle eintätig zusammentreffenden strafbaren Handlungen entweder dem Urteils- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen (RIS‑Justiz RS0089011 [T3]).

[30] Als geschlechtliche Handlungen sind solche objektiv erkennbar sexualbezogenen Handlungen anzusehen, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit sind, sodass in ihnen eine unzumutbare, sozial störende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich zu erblicken ist (RIS-Justiz RS0095733; zur Annahme echter Konkurrenz zwischen § 205 Abs 2 StGB und § 207 Abs 1 StGB siehe RIS‑Justiz RS0114590 [T1]).

[31] Das Ejakulieren gegen das Gesicht des Opfers stellt mit Blick auf dessen solcherart erfolgte physische Einbeziehung in den Sexualakt – entgegen der älteren Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0095206) – in objektiver Hinsicht eine geschlechtliche Handlung am Opfer dar, auch wenn Letzteres (sonst) nicht berührt wird (13 Os 56/03, 13 Os 43/14v; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB15 § 202 Rz 3; Hinterhofer, SbgK § 202 Rz 28).

[32] Die Ejakulation ins Gesicht des Opfers stellt (in objektiver Hinsicht) im Regelfall eine besondere Erniedrigung im Sinn des § 207 Abs 3 dritter Fall StGB dar. Ob das Opfer die Tat auch als erniedrigend empfand oder diese überhaupt wahrnahm, ist dabei nicht entscheidend (erneut 13 Os 43/14v mwN). Die besondere Erniedrigung des Opfers muss allerdings vom (zumindest bedingten [§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB]) Vorsatz des Angeklagten umfasst sein (RIS‑Justiz RS0095315 [T8]; Philipp in WK2 StGB § 207 Rz 17).

[33] Allein der Schlafzustand des Opfers begründet in objektiver Hinsicht schon dessen von der ersten Deliktsvariante des § 205 Abs 2 StGB geforderte Wehrlosigkeit (RIS-Justiz RS0095097 [T2 und T3], RS0102727 [T1]; Philipp in WK2 StGB § 205 Rz 7).

[34] Die „Ausnützung“ einer Autoritätsstellung gegenüber einer infolge Tiefschlafs wehrlosen Person ist begrifflich ausgeschlossen, sodass eine allfällige (diese Tatmodalität voraussetzende) Subsumtion eines insofern den Tatbestand des § 205 StGB erfüllenden Geschehens auch nach § 212 Abs 1 Z 2 StPO nicht in Betracht kommt (vgl RIS‑Justiz RS0106294; 13 Os 32/23i [Rz 8], 14 Os 38/24f [Rz 4], 15 Os 125/23f [Rz 13]; Philipp in WK2 StGB § 212 Rz 10; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB15 § 212 Rz 14).

[35] Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen (Lendl, WK-StPO § 390 Rz 12).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte