OGH 1Ob72/25g

OGH1Ob72/25g9.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch die FSKN Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz‑Schreiner, Rechtsanwältin in Graz, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 2. April 2025, GZ 4 R 195/24m‑15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 30. September 2024, GZ 249 C 19/24t‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00072.25G.0909.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Familienrecht (ohne Unterhalt), Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, derbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 8.179,92 EUR (darin 1.050,32 EUR USt, 1.878 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Streitteile haben am 24. 10. 2020 die Ehe geschlossen. Beim Erstgericht ist seit 11. 4. 2024 ein – derzeit unterbrochenes – Scheidungsverfahren anhängig. Im April 2022 schenkte die Klägerin dem Beklagten einen Hälfteanteil ihrer Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet. Am 17. 5. 2022 vereinbarten die Streitteile mit Notariatsakt, dass der Beklagte im Falle der Scheidung seinen Hälfteanteil an dieser Liegenschaft gegen eine Ausgleichszahlung von 175.000 EUR an die Klägerin rücküberträgt. Mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 5. 3. 2024 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Ehescheidung anzustreben und unterbreitete einen konkreten Aufteilungsvorschlag. Am 17. 3. 2024 schrieb er handschriftlich auf eine Kopie des Notariatsakts vom 17. 5. 2022: „Hiermit trete ich von meinem Notariatsakt zurück!“, und unterfertigte dies. Die Klägerin hielt auf dieser Urkunde handschriftlich fest: „Am 17.3.2024 mündlich zugestimmt“ und unterfertigte dies am 20. 3. 2024.

[2] Die Klägerin begehrt in erster Linie die Feststellung, dass der zwischen den Streitteilen geschlossene Notariatsakt vom 17. 5. 2022 mit der Vereinbarung vom 17./20. 3. 2024 behoben worden sei. Die Gültigkeit der bloß schriftlichen „Auflösungsvereinbarung“ stütze sich auf § 97 Abs 5 EheG. Die Streitteile hätten nach dem Schreiben vom 5. 3. 2024 wiederholt Gespräche über die Beendigung ihrer Ehe bzw deren Folgen geführt und seien übereingekommen, dass der gegenständliche Notariatsakt nicht mehr zur Anwendung gelangen solle. Anlässlich der Scheidungstagsatzung vom 14. 5. 2024 habe die Klägerin den Beklagten aufgefordert, die „Behebung“ des Notariatsakts anzuerkennen; mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 22. 5. 2024 sei dem jedoch widersprochen worden.

[3] DerBeklagte bestreitet. Der Ehepakt vom 17. 5. 2022 könnte nur durch Notariatsakt abgeändert oder aufgelöst werden. Selbst wenn § 97 Abs 5 EheG eine formlose Abänderung oder Aufhebung von Notariatsakten ermöglichen sollte, seien Vereinbarungen nach dieser Bestimmung durch die Eheauflösung aufschiebend bedingt. Die Ehe der Streitteile sei aber noch aufrecht. Auch bestehe kein Feststellungsinteresse.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 97 Abs 5 EheG sei nicht einschlägig, weil keine Aufteilungsvereinbarung geschlossen worden sei, sondern eine Vorausvereinbarung nach § 97 Abs 1 EheG aufgehoben worden sei. So wie die Errichtung von Ehepakten und die Vorausvereinbarung nach § 97 Abs 1 EheG der Form eines Notariatsakts bedürften, sei auch deren Änderung oder Aufhebung notariatsaktspflichtig.

[5] Über (inhaltlich nur gegen die Abweisung des Hauptbegehrens gerichtete) Berufung der Klägerin gab das Berufungsgerichtdem Klagebegehren statt, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

[6] Entgegen der Ansicht des Erstgerichts liege eine im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren stehende Vereinbarung nach § 97 Abs 5 EheG vor, die keine umfassende inhaltlich‑konkrete Aufteilungsvereinbarung beinhalten müsse.

[7] Mit seineraußerordentlichen Revision strebt der Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils an. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

[8] Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die außerordentliche Revision ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist auch berechtigt.

[10] 1. Die Frage, ob der streitige Rechtsweg für den geltend gemachten Feststellungsanspruch zulässig ist, entzieht sich einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof:

[11] Nach § 42 Abs 3 JN kann die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs nicht mehr wahrgenommen werden, wenn dem eine – auch von Amts wegen getroffene – bindende Entscheidung des Gerichts entgegensteht. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs von Amts wegen geprüft und in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich bejaht (RS0114196 [T9a]; vgl RS0039226). Der Beklagte ließ dies in seinem Rechtsmittel unbekämpft. Damit liegt eine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung vor (RS0035572; 10 ObS 267/00p).

2. Zu den Voraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO:

[12] Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs ist das Vorliegen des Feststellungsinteresses (RS0039177). Dieses setzt eine tatsächliche Gefährdung der Rechtsposition des Klägers voraus (RS0039007 [T2]). Es muss also ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung der strittigen Rechtslage bestehen (RS0039007 [T7]; vgl auch RS0039215). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann regelmäßig nur bejaht werden, wenn eine Verschlechterung der rechtlichen Position des Klägers bei einer Verweisung auf ein erst später mögliches gerichtliches Vorgehen zu befürchten wäre (RS0039007 [T11]; 1 Ob 237/08x Pkt 4.). Die begehrte Feststellung muss im konkreten Fall das zur Beseitigung der Rechtsgefährdung des Klägers geeignete Mittel bilden (RS0039232; RS0038908 [T11]).

[13] Das Fehlen des rechtlichen Interesses – das grundsätzlich vom Kläger zu behaupten und zu beweisen ist (RS0039239) – ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (RS0039123).

3. Zu Vereinbarungen nach § 97 EheG:

[14] 3.1. § 97 EheG bestimmt, inwieweit Ehegatten die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens einschließlich der Ehewohnung sowie ehelicher Ersparnisse für den Fall der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe durch Vereinbarungen regeln können (Hopf/Kathrein, Eherecht3 § 97 EheG Rz 1 [Stand 1. 4. 2014, rdb.at]).

[15] Vereinbarungen, die – wie hier – im Voraus die Aufteilung der Ehewohnung regeln, bedürfen nach § 97 Abs 1 EheG zu ihrer Rechtswirksamkeit der Form eines Notariatsakts. Nach § 97 Abs 5 EheG sind Vereinbarungen über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse vor Scheidung auch formlos möglich, wenn die Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geschlossen wurde (5 Ob 108/13p Pkt 3.).

[16] 3.2. Die (formgültig) geschlossene Vereinbarung vom 17. 5. 2022, mit der die Parteien die Aufteilung der Ehewohnung im Fall der Scheidung regelten, ist eine Vorausvereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 EheG.

[17] Ob die Vereinbarung vom 17./20. 3. 2024, mit der diese Vorausvereinbarung aufgehoben worden sein soll, der Bestimmung des § 97 Abs 5 EheG zu unterstellen ist, wie die Klägerin meint, ist demgegenüber fraglich: Die behauptete „Auflösungsvereinbarung“ beinhaltet gerade keine Regelung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse für den Fall der Scheidung oder eine Abänderung einer bestehenden Vorausvereinbarung (vgl zur Abänderung Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 [2019] § 97 EheG Rz 6; Hinteregger, Familienrecht11 [2024] 121 Fn 372). Die Rechtswirksamkeit der strittigen Aufhebungsvereinbarung hätte vielmehr zur Folge, dass die Ehewohnung wieder uneingeschränkt (und zwar unabhängig von einer allfälligen Billigkeitskontrolle nach § 97 Abs 2 und 3 EheG) einer gerichtlichen Aufteilung nach §§ 81 ff EheG unterliegen würde.

[18] Ob die (bloße) Aufhebung einer (ohne Zusammenhang mit einem Eheauflösungsverfahren geschlossenen) Vorausvereinbarung trotzdem nach § 97 Abs 5 EheG zu beurteilen sein könnte (dafür offenbar Gitschthaler, Aufteilungsrecht³ [2022] Rz 819, weil sich Gegenteiliges aus dem EheG nicht entnehmen lasse) und ob verneinendenfalls die Aufhebungsvereinbarung formfrei oder notariatsaktpflichtig wäre (vgl zu Ehepakten: RS0017245; siehe aber [23. 10. 2003] 6 Ob 37/03i: § 97 Abs 5 EheG geht als lex specialis auch der Formvorschrift des § 1 Abs 1 lit b NotariatsaktsG vor), muss hier aber nicht geklärt werden, weil es, wie sogleich dargelegt wird, schon an den Voraussetzungen einer Feststellungsklage mangelt.

4. Zum fehlenden rechtlichen Interesse:

[19] Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 3 Ob 168/15z ausgesprochen, dass die Durchsetzung von Vereinbarungen nach § 97 Abs 1 EheG unabhängig davon im außerstreitigen Aufteilungsverfahren zu erfolgen hat, ob eine der Parteien die Unbilligkeit der Vereinbarung im Sinn des § 97 Abs 2 EheG und/oder die Unwirksamkeit bzw Anfechtbarkeit nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen behauptet hat.

[20] Das bedeutet, dass der (die Gültigkeit der Aufhebungsvereinbarung bestreitende) Beklagte allfällige Ansprüche aus der Vorausvereinbarung vom 17. 5. 2022 erst und nur im Verfahren nach §§ 81 ff EheG geltend machen könnte, wofür die Rechtskraft der die Ehe auflösenden Entscheidung Voraussetzung wäre (RS0057359).

[21] Nach dem Standpunkt der Klägerin gehört die Ehewohnung aber – infolge der Aufhebungsvereinbarung – zur Aufteilungsmasse und ist daher aus diesem Grund im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigen.

[22] Damit müsste im außerstreitigen Aufteilungsverfahren geklärt werden, ob die Ehewohnung aufgrund des Notariatsakts vom 17. 5. 2022 von der Aufteilung ausgenommen ist oder aufgrund der Vereinbarung vom 17./20. 3. 2024 doch uneingeschränkt der Aufteilung unterliegt.

[23] Weder ist ersichtlich noch zeigt die Klägerin auf, warum durch den Verweis auf das Aufteilungsverfahren eine Verschlechterung ihrer Rechtsposition zu befürchten wäre: Ihre sich (auch in der Revisionsbeantwortung) auf Rechtssätze beschränkenden Ausführungen zum Feststellungsinteresse lassen nicht konkret erkennen, worin die rechtlich praktische Bedeutung der begehrten Feststellung für sie liegen soll (vgl RS0039265), obgleich der Beklagte das Fehlen des Feststellungsinteresses bereits in erster Instanz moniert hat. Dass die gewünschte Feststellung ein Aufteilungsverfahren verhindern würde und daher eine streitbereinigende Wirkung hätte (vgl RS0039080; RS0038908), behauptet die Klägerin nicht. Sie vermag daher ein den Feststellungsanspruch rechtfertigendes Feststellungsinteresse nicht zur Darstellung zu bringen.

5. Ergebnis:

[24] Mangels rechtlichen Interesses der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung, dass der Notariatsakt vom 17. 5. 2022 durch die Vereinbarung vom 17./20. 3. 2024 aufgehoben wurde, erweist sich die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts im Ergebnis als richtig.

[25] Der Revision des Beklagten ist daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts einschließlich dessen Kostenentscheidung wiederherzustellen. Dabei ist zu beachten, dass sich die Klägerin bereits im Berufungsverfahren inhaltlich nur gegen die Abweisung des Hauptbegehrens gewandt hat.

[26] 6. Die Entscheidung über die Kosten zweiter und dritter Instanz beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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