OGH 9ObA83/24g

OGH9ObA83/24g26.8.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stiefsohn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Elisabeth Schmied und Mag. Karin Koller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Krall & Kühnl Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeindeverband B*, vertreten durch Dr. Marschitz, Dr. Petzer, Dr. Telser, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Feststellung des aufrechten Bestands eines Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. August 2024, GZ 15 Ra 5/22f‑49, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00083.24G.0826.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Frage, wie ein Vorbringen einer Partei zu beurteilen ist, ist für sich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0042828 [T13]). Die Wertung des fehlenden substantiellen Bestreitens als schlüssiges Tatsachengeständnis (§ 267 ZPO) hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0040078 [T4]). Dies gilt auch für die Beurteilung, ob „überschießende“ Feststellungen vorliegen oder diese in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen und daher zu berücksichtigen sind (vgl RS0037972 [T15]).

[2] Die Beurteilung, dass der von der Klägerin vorgebrachte hypothetische Verlauf nicht unstrittig war, ist ebenso wenig zu beanstanden, wie der Umstand, dass die Vorinstanzen die zu diesem Tatsachenkomplex getroffenen (das Vorbringen der Klägerin nicht als erwiesen ansehenden) Feststellungen nicht als überschießend werteten.

[3] 2. Behauptete Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht behandelt und für nicht berechtigt erachtet hat, können im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (RS0043111). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]).

[4] Die Auffassung des Berufungsgerichts, beim Antrag auf Vorlage des Originals der Beilage ./G9 handle es sich um einen unzulässigen Erkundungsbeweis steht im Einklang mit oberstgerichtlicher Judikatur, wonach von einem unzulässigen Erkundungsbeweis dann zu sprechen ist, wenn der Beweisantrag auf die Aufklärung eines rechtserzeugenden oder rechtsvernichtenden Sachverhalts gerichtet ist, dessen Tatbestandselemente der Partei selbst nicht klar waren und die von ihr weder vorgetragen noch konkretisiert wurden (RS0039973).

[5] 3. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Soweit die Klägerin sich daher gegen die Feststellungen der Vorinstanzen wendet, ist darauf schon aus diesem Grund nicht weiter einzugehen. Soweit das Fehlen von Feststellungen gerügt wird, wird ein sekundärer Verfahrensmangel geltend gemacht, der der Rechtsrüge zuzuordnen ist.

[6] 4. Soweit die Klägerin „Feststellungen des Berufungsgerichts“ als aktenwidrig rügt, ist sie darauf zu verweisen, dass das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichts übernommen und keine davon abweichenden eigenen getroffen hat. Was die angeblich unrichtige Wiedergabe von einzelnen Daten betrifft, ist die Relevanz der Rüge nicht erkennbar.

[7] 5. Zur Anregung, beim Verfassungsgerichtshof „aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit die Aufhebung des grundsatzgesetz‑ und verfassungswidrigen Zusatzes, des in § 16 Abs 1 Tir KAG ergänzten Wortlauts 'personelle' (in Bezug auf die Angelegenheiten des Leiters der Wirtschaftsführung) iVm § 11 Abs 1 KAKuG“ zu beantragen, ist darauf zu verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 25. 2. 2019, E 4231/2018‑15, mit dem eine Behandlung der Beschwerde der Klägerin mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt wurde, ausgeführt hat, dass der „von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verstoß des § 16 Abs 4 Tir KAG gegen die Grundsatzbestimmung des § 11 Abs 1 KAKuG“ nicht vorliegt, weil die in § 11 Abs 1 KAKuG angeführten administrativen Angelegenheiten auch personelle Angelegenheiten umfassen.

[8] 6. Bereits in der – ebenfalls die Streitteile betreffenden – Entscheidung 9 ObA 79/24v des Obersten Gerichtshofs wurde dargelegt, dass es des von der Revisionswerberin angeregten Vorabentscheidungsersuchens nicht bedürfe. Eine „uneingeschränkte“ Verarbeitung sensibler Daten – worauf die erste Frage offenbar hinziele – sei keinesfalls zulässig, liege der Entscheidung aber ohnehin nicht zugrunde.

[9] Die zweite Frage ziele auf das Zusammenspiel zwischen Art 9 Abs 1 und Art 9 Abs 2 lit f DSGVO ab. Davon, dass die Verarbeitung sensibler Daten nur dann nach Art 9 Abs 2 lit f DSGVO nicht untersagt sei, wenn die Verarbeitung iSd Art 9 Abs 2 lit f DSGVO erforderlich sei, gehe auch der erkennende Senat aus. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe im Übrigen bereits ausgeführt, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten für die Verwirklichung des wahrgenommenen berechtigten Interesses auf das absolut Notwendige zu beschränken sei und durch eine Abwägung der Interessen im Einzelfall gerechtfertigt sein müsse, wobei es Sache des nationalen Gerichts sei, diese besonderen Umstände zu würdigen.

[10] Neue Argumente für eine Vorlage zeigt die Revision nicht auf.

[11] 7. Zur Beschlussfassung der Kollegialen Führung anlässlich der Sondersitzung am 19. 10. 2020 wurden von den Vorinstanzen umfassende Feststellungen getroffen. Die Frage der unrichtigen Anwendung von Beweislastregeln stellt sich daher nicht.

[12] 8. Nach § 5 der Anstaltsordnung „Aufgaben der Anstaltsleitung“ fällt die Begründung und Auflösung von Dienstverhältnissen im Rahmen des Dienstpostenplans, soweit sie nicht in die Zuständigkeit des Verbandsausschusses fallen, in den Aufgabenbereich der Anstaltsleitung. Dem Verbandsausschuss ausdrücklich vorbehalten sind die Begründung und Auflösung von Dienstverhältnissen bestimmter Beschäftigungsgruppen, zu denen die Klägerin nicht gehört. Dass die Formulierung „im Rahmen des Dienstpostenplans“ dabei eine inhaltliche Einschränkung der Auflösungsbefugnis beinhaltet (offenbar gemeint auf Fälle, die sich aus der Personalbedarfsermittlung ergeben), wie die Revision vermeint, und nicht nur die Einhaltung der Vorgaben des Dienstpostenplans einfordert, ist nicht nachvollziehbar.

[13] Durch die Entscheidung des von der Klägerin angerufenen Verfassungsgerichtshofs ist klargestellt, dass die in § 10 Tir KAG vorgesehenen Anstaltsordnungen Rechtsakte des Privatrechts darstellen. Soweit die hier zu beurteilende Anstaltsordnung in § 1 Abs 3 und § 5 Abs 2 Z 3 die privatrechtliche Vertretungs‑ bzw Entscheidungsbefugnis auf den Verwaltungsdirektor bzw die Anstaltsleitung überträgt, teilen diese Regelungen den privatrechtlichen Rechtscharakter der Anstaltsordnung (VfGH 7. 3. 2024, V 5/2022).

[14] 9. Entgegen der Rechtsauffassung der Revision ist eine Gesetzwidrigkeit dieser Übertragung nicht erkennbar. Richtig ist, dass nach dem Tir BKH‑GVG prinzipiell dem Gemeindeverbandsausschuss die Aufgabe zukommt, über die Begründung oder die Beendigung von Dienst‑, Arbeits‑ und Ausbildungsverhältnissen, deren Dauer sechs Monate übersteigt, zu entscheiden. Dies ergibt sich aus der in § 4 Abs 3 BKH‑GVG geregelten subsidiären Zuständigkeit des Gemeindeverbandsausschusses für alle Angelegenheiten, die keinem der anderen Organe zugewiesen sind, sowie dem Umstand, dass dem Gemeindeverbandsobmann nur die Begründung oder die Beendigung von Dienst‑, Arbeits‑ und Ausbildungsverhältnissen obliegt, deren Dauer sechs Monate nicht übersteigt (§ 7 Abs 8 lit f BKH‑GVG). Damit ist aber entgegen der Revision keine Aussage darüber getroffen, ob eine (teilweise) Delegierung dieser Kompetenz im Rahmen der Anstaltsordnung zulässig ist.

[15] Das Gesetz regelt den Inhalt der Anstaltsordnung nicht abschließend. § 10 Tir KAG listet (nur) die zwingenden Inhalte der Anstaltsordnung auf („insbesondere“) und lässt damit weitere Inhalte zu, die den inneren Betrieb der Krankenanstalt zum Gegenstand haben. Die Übertragung von dienstrechtlichen Angelegenheiten über den gesetzlich zwingenden Inhalt hinaus, ist daher nicht ausgeschlossen. § 16 Tir KAG sieht zusätzlich ausdrücklich vor, dass für jede Krankenanstalt von ihrem Träger eine geeignete Person als verantwortlicher Leiter ua der personellen Angelegenheiten (Verwaltungsleiter) und das erforderliche Verwaltungspersonal zu bestellen sind. Der Umfang dieser Agenden wird im Gesetz nicht definiert.

[16] Dass einzelne Bestimmungen des Gesetzes die Übertragung bestimmter Kompetenzen ausdrücklich regeln, lässt entgegen der Revision auch nicht den Schluss zu, dass eine solche Übertragung in allen anderen Fällen ausgeschlossen ist, wäre doch sonst eine nur demonstrative Aufzählung – wie sie gerade § 10 Tir KAG enthält – generell sinnlos. Dementsprechend erlaubt auch § 8a Abs 3 Tir BKH‑GVG, der für den Fall der Gründung einer Betriebsgesellschaft eine ausdrückliche Verordnungsermächtigung enthält, keinen Rückschluss auf den zulässigen Inhalt einer Anstaltsordnung.

[17] 10. Aus dem zuvor zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ergibt sich weiters, dass die Aufgaben, die das Tir BKH‑GVG den in diesem Gesetz geregelten Gemeindeverbänden überantwortet, nämlich im Wesentlichen die Erhaltung und der Betrieb bestimmter Krankenanstalten, im Allgemeinen nicht‑hoheitlicher Art sind. Der Verfassungsgerichtshof weist darauf hin, dass die Anstaltsordnung gemäß § 10 Abs 1 Tir KAG – unabhängig davon, ob es sich um öffentliche oder private Krankenanstalten handelt – vom jeweiligen „Träger der Krankenanstalt“ zu erlassen ist. Träger von Krankenanstalten können neben Gebietskörperschaften und anderen Rechtspersonen öffentlichen Rechts auch natürliche Personen (§ 58 Abs 1 Tir KAG) und juristische Personen des Privatrechts sein. Würde man die Anstaltsordnung als Verordnung qualifizieren, läge (teilweise) ein Fall der Beleihung privater Rechtsträger mit Hoheitsgewalt vor, die jedoch aus den vom Verfassungsgerichtshof näher genannten Gründen verfassungswidrig erschiene. In Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung können sich aber auch Gebietskörperschaften als juristische Person des öffentlichen Rechts etwa durch Personen vertreten lassen, die von den organisationsrechtlich berufenen Organen dazu rechtsgeschäftlich bevollmächtigt wurden (vgl RS0009096). Dass eine solche Übertragung von Befugnissen in der gesetzlich determinierten Anstaltsordnung erfolgt, ist auch vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Dazu kommt, dass durch § 4 Abs 1 der Anstaltsordnung die Weisungsbefugnis und damit die übergeordnete Kompetenz sowie Kontrolle beim Verbandsausschuss liegt. Damit verbleibt die Letztverantwortung beim Krankenanstaltenträger.

[18] 11. Die Klägerin selbst verweist wiederholt darauf, dass zwischen den Organen des Rechtsträgers einer Krankenanstalt und den Organen der vom Rechtsträger getragenen Krankenanstalt zu unterscheiden ist. Dass die kollegiale Führung kein Organ des Gemeindeverbands ist, ergibt sich bereits aus § 2 BKH‑GVG. Damit sind aber auch die für die Beschlussfassung solche Organe vorgesehenen Bestimmungen nicht anwendbar. Soweit daher die Klägerin Verstöße gegen diese Regelungen geltend macht, ist darauf nicht weiter einzugehen.

[19] Im Übrigen geht die Klägerin in ihren diesbezüglichen Ausführungen zu einem Großteil nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, nach dem die Mitglieder der kollegialen Führung einige Tage vor der Beschlussfassung vom gegen die Klägerin erhobenen Vorwurf und der beabsichtigten Vorgangsweise informiert wurden.

[20] 12. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs‑ oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0106298), es sei denn, das Berufungsgericht hätte bei seiner Entscheidung den Beurteilungsspielraum überschritten, was vorliegend nicht der Fall ist.

[21] 13. Die Entlassung der Klägerin erfolgte nach § 34 Abs 2 lit b VBG 1948, dem Tatbestand der erheblichen Ehrverletzung. „Ehrverletzungen“ sind alle Handlungen (insbesondere Äußerungen), die geeignet sind, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen zu verletzen (RS0109363 [T1]). Nicht notwendig ist, dass die Ehrverletzung öffentlich erfolgt und gerichtlich strafbar ist (RS0029876 [T3]). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als erhebliche Ehrverletzung und damit als Entlassungsgrund zu qualifizieren ist, kommt es darauf an, ob die Äußerung des Arbeitnehmers objektiv geeignet ist, ehrverletzend zu wirken und ob sie im konkreten Fall diese Wirkung auch erreicht hat (RS0029845).

[22] 14. Erhebliche Ehrverletzungen verlieren den Charakter eines Entlassungsgrundes, wenn die Begleitumstände des Falls, wie etwa die Erregung über das vorausgegangene Verhalten des Beleidigten oder die Verteidigung gegen einen vermeintlich ungerechtfertigten Standpunkt die Beleidigung im Einzelfall als noch entschuldbar und die Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers als noch nicht unzumutbar erscheinen lassen (RS0060929 [T4]).

[23] 15. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass die von der Klägerin in einem anderen Verfahren gegen den Beklagten in einem Schriftsatz – bezogen auf das Verhalten von Vorgesetzten – verwendeten Formulierungen und Begriffe „psychische Folter“, „unmenschliche Behandlung“, „Erniedrigung“, „Peiniger“, „Grausamkeit“ und die Erwähnung von menschenrechtswidrigen Diktaturen und dem Ende des 2. Weltkrieges diesen Tatbestand erfüllen.

[24] Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die Klägerin zwar einerseits von der inhaltlichen Richtigkeit dieses Vorbringens überzeugt war, zugleich aber den Inhalt und die Wortwahl dieses Vorbringens und die darin verwendeten Formulierungen bewusst auch deshalb gewählt und verwendet hat, um den Beklagten sowie bestimmte Vorgesetzte zu provozieren, persönlich anzugreifen, zu verunglimpfen und in fachlicher und persönlicher Sicht gegenüber anderen Personen herabzuwürdigen.

[25] 16. Die Revision tritt dem im Wesentlichen mit dem Argument entgegen, dass ausgehend von den Gesamtumständen diese Formulierungen gerechtfertigt, jedenfalls aber entschuldbar seien. Sie habe im auf Bossing gestützten Verfahren einen Verstoß gegen Art 3 EMRK geltend gemacht, weshalb sie das Fehlverhalten der Vorgesetzten aufzeigen habe müssen, nämlich dass sie sich einer erniedrigenden und menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt fühle. Dies habe auch der subjektiven Wahrnehmung der Klägerin entsprochen.

[26] Bereits das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, dass dessen ungeachtet die Verwendung dieser Formulierungen die Grenzen des zulässigen Vorbringens zur Verfolgung des Rechtsstandpunkts sprengen, dass weiters der Beklagte in zeitlichem Zusammenhang keine Handlungen oder Äußerungen vorgenommen habe, die auch nur Anlass für diese Formulieren hätten bilden können und sich aus dem Sachverhalt zwar allenfalls Unzulänglichkeiten auf Seiten des Beklagten ableiten ließen, aber kein wie immer geartetes Verhalten, dass diese Vorwürfe rechtfertigen könne.

[27] Der Revision gelingt es nicht, eine Unrichtigkeit dieser Rechtsauffassung aufzuzeigen.

[28] 17. Dass in einem gerichtlichen Verfahren die Parteien gehalten sind, ihren Standpunkt in einer sachlichen, nicht beleidigenden, diffamierenden oder herabwürdigenden Weise vorzutragen, verletzt – entgegen der Auffassung der Revision – auch nicht das Recht auf ein faires Verfahren. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall.

[29] 18. Für die Beurteilung der Berechtigung der Entlassung hat es keinen Einfluss, dass das Gericht im Verfahren, in dem der Schriftsatz eingebracht wurde, diesen nicht zum Anlass für eine Vorgangsweise nach §§ 86, 86a ZPO genommen hat, ebenso wenig der Umstand, dass die von der Klägerin verwendeten Formulierungen nicht zum Gegenstand einer Privatanklage gemacht wurden.

[30] 19. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang Feststellungen zu weiteren Details der bisherigen Vorgänge vermisst, insbesondere zu diversen Anträgen und Verfahren vor der Datenschutzbehörde, wären auch diese nicht geeignet, die Vorgehensweise der Klägerin zu rechtfertigen. Es liegen daher auch keine sekundären Feststellungsmängel vor.

[31] 20. Die Klägerin macht geltend, dass der Schriftsatz aus datenschutzrechtlichen Gründen der kollegialen Führung nicht hätte zur Kenntnis gelangen dürfen. Diesbezüglich wurde von ihr auch eine Unterlassungsklage erhoben. Diese wurde mittlerweile rechtskräftig abgewiesen. In der Zurückweisung der außerordentlichen Revision der Klägerin wurde dazu vom Obersten Gerichtshof zusammengefasst ausgeführt, dem Gemeindeverbandsausschuss gehörten ua der ärztliche Leiter, der Verwaltungsleiter und der Leiter des Pflegedienstes der Krankenanstalt sowie ein vom Betriebsrat entsandter Vertreter mit beratender Stimme an. Diese Personen seien zwar bei Beschlussfassungen nicht stimmberechtigt, aber schon nach dem Gesetz Angehörige des Ausschusses, damit müssten auch diese Kenntnis vom Sachverhalt haben, um ihre beratende Aufgabe erfüllen zu können. Somit hätten nur Personen Kenntnis vom Inhalt des Schriftsatzes erhalten, die ein Organ des Beklagten bilden, das – nach den eigenen Behauptungen der Klägerin – für die Beendigung ihres Dienstverhältnisses zuständig gewesen sei, diese seien daher keine „unbefugten Dritten“. Ihre Kenntnis von den im Schriftsatz enthaltenen sensiblen Daten sei daher von der erforderlichen Rechtsverteidigung iSd Art 9 Abs 2 lit f DSGVO gedeckt. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, es lägen keine Umstände vor, die für ein Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses der Klägerin an ihren offengelegten Gesundheits‑ und sonstigen personenbezogenen Daten gegenüber dem Interesse des Beklagten an der Rechtsverteidigung sprächen, sei aufgrund der konkreten Umstände des Falls vertretbar (vgl 9 ObA 79/24v).

[32] 21. Die Gründe für die vorzeitige Auflösung eines Dienstverhältnisses sind bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechts unverzüglich, das heißt, ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen. Der Dienstgeber darf mit der Ausübung seines Entlassungsrechts nicht wider Treu und Glauben so lange warten, dass der Dienstnehmer aus diesem Zögern auf einen Verzicht auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss. Der Dienstnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, soll darüber hinaus nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden (RS0031799).

[33] Bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Entlassung durch juristische Personen ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Willensbildung in der Regel umständlicher ist als bei physischen Personen. Dadurch bedingte Verzögerungen sind daher anzuerkennen (RS0028543 [T6; vgl auch T3]). Dies gilt auch für Fälle, in denen ein Kollegialorgan einzuberufen und zu informieren ist. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass – auch im Hinblick auf die von der Klägerin selbst geforderte rechtzeitige Information und Vorbereitungszeit der übrigen Mitglieder der kollegialen Führung und der erforderlichen Vorbereitungszeit – kein Verzicht auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes anzunehmen ist, ist nicht zu beanstanden.

[34] 22. Aus § 1 Abs 3 der Anstaltsordnung ergibt sich, dass die Vertretung nach außen, durch den Verwaltungsdirektor erfolgt. Dass daher das Entlassungsschreiben von ihm allein – nach vorheriger Beschlussfassung durch die kollegiale Führung – unterfertigt wurde, macht die Entlassung nicht unwirksam.

[35] Soweit sich die Klägerin zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck im Verfahren 42 Cga 66/16a des Landesgerichts Innsbruck bezieht, übergeht sie, dass dort die fehlende Beschlussfassung durch die kollegiale Führung behandelt wurde, nicht die Vertretung nach außen. Dies gilt auch für die in dem dortigen Verfahren ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, AZ 8 ObA 56/17v.

[36] 23. Auf die Wirksamkeit der Beschlussfassung durch den Gemeindeverbandsausschuss kommt es nicht weiter an, weshalb darauf nicht eingegangen werden muss.

[37] 24. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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