European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0060OB00029.24V.0813.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sindzur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 3.957,53 EUR (darin enthalten 659,59 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagenden Parteien sindzur ungeteilten Hand schuldig, der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei die mit 3.924,55 EUR (darin enthalten 626,61 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Kläger sind Kommanditisten der im Firmenbuch zu FN * eingetragenen beklagten GmbH & Co KG mit dem Sitz in Kitzbühel. Einzige persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten ist die Nebenintervenientin. Neben den Klägern sind noch 37 weitere Kommanditisten im Firmenbuch eingetragen; diese sind bisher nicht am Verfahren beteiligt.
[2] Der Gesellschaftsvertrag der beklagten Partei lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 12 Beschlussfassung
1. Die Gesellschafter beschließen über die in diesem Vertrag und im Gesetz vorgesehenen Fälle. Die Beschlüsse können in Gesellschafterversammlungen oder im Wege der schriftlichen Abstimmung gefasst werden.
[…]
10. Über die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ist ein Protokoll anzufertigen, das von dem Leiter der Gesellschafterversammlung zu unterzeichnen und den Gesellschaftern zu übersenden ist. Das Ergebnis einer schriftlichen Abstimmung hat der persönlich haftende Gesellschafter den Gesellschaftern unverzüglich schriftlich mitzuteilen.
11. Die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses kann nur binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat nach Kenntniserlangung durch Klage, die gegen die Gesellschaft zu richten ist, geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Frist gilt ein etwaiger Mangel als geheilt.“
[3] Die Kläger begehren die Feststellung der Nichtigkeit von acht (im Einzelnen bezeichneten) in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 16. 12. 2022 gefassten Beschlüssen. Weiters begehren die Kläger die Feststellung, dass (im Einzelnen bezeichnete) gegenteilige Beschlussergebnisse erzielt wurden. Sie brachten vor, die Ergebnisse der in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse seien vom Vorsitzenden unrichtig festgestellt worden, weil dieser bei der Auswertung der abgegebenen Stimmen jene der Drittklägerin, der Viertklägerin, der Fünftklägerin, des Sechstklägers, der Siebtklägerin, des Achtklägers und des Neuntklägers als Kommanditisten nicht berücksichtigt habe. Bei Hinzuzählen dieser Stimmen wären die begehrten anderen Abstimmungsergebnisse erzielt worden. Im Gesellschaftsvertrag sei in § 12 Punkt 11 vereinbart, dass Klagen wegen Beschlussmängeln gegen die Gesellschaft zu richten seien. Die Klage müsse daher nicht gegen alle übrigen Gesellschafter der KG gerichtet werden.
[4] Die Beklagte und deren Nebenintervenientin wendeten (unter anderem) ein, die Klage hätte gegen alle nicht bereits auf der Klagsseite auftretenden Gesellschafter eingebracht werden müssen. Sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite bildeten die Gesellschafter eine jeweils einheitliche Streitpartei. Dass grundsätzlich alle Gesellschafter am Verfahren beteiligt werden müssten, ergebe sich auch daraus, dass andernfalls das Urteil keine materielle Rechtskraft gegenüber den nicht beteiligten Gesellschaftern entfalten und insofern nicht die dem Feststellungsurteil zukommende Friedensfunktion erfüllen könne. Da im vorliegenden Fall nicht alle Gesellschafter am Verfahren beteiligt seien, fehle es der geltend gemachten Feststellungsklage am rechtlichen Interesse.
[5] Das Erstgerichtwies die Klage ab. Klagen aus dem Gesellschaftsverhältnis müssten immer alle Gesellschafter einer Personengesellschaft erfassen, andernfalls bestünde die Gefahr unauflösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen. Da die gegenständliche Klage aber nicht gegen alle Gesellschafter eingebracht worden sei, sei sie in Ermangelung des für eine Feststellungsklage gemäß § 228 ZPO notwendigen rechtlichen Interesses abzuweisen.
[6] Das Berufungsgericht teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts und bestätigte dessen Entscheidung. Eine auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer Personengesellschaft gerichtete Klage sei gegen alle Gesellschafter zu richten. Diese bildeten sowohl auf Klags- als auch auf Beklagtenseite eine einheitliche Streitpartei. Ein über eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO ergehendes Urteil wirke nur zwischen den Prozessparteien bzw ihren Rechtsnachfolgern. Im Fall einer Klagsführung – wie hier – (nur) gegen die Gesellschaft erstrecke sich die Rechtskraftwirkung daher nicht auch auf die Gesellschafter. Die Wirkungen der Rechtskraft seien der Parteiendisposition entzogen. Mit der gesellschaftsvertraglichen Regelung des § 12 Punkt 11 werde daher keine Rechtskrafterstreckung auf sämtliche Gesellschafter im oben aufgezeigten Sinn erwirkt.
[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu. Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob im Gesellschaftsvertrag einer GmbH & Co KG der Gesellschaft bei Klagen auf Unwirksamheit eines Gesellschafterbeschlusses die Beklagtenrolle zugewiesen werden könne.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision der Kläger ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie istaber nicht berechtigt.
[9] 1. Bei Personengesellschaften müssen Feststellungsklagen aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen Gesellschaftern immer sämtliche Gesellschafter auf Kläger‑ oder Beklagtenseite erfassen:
[10] 1.1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Nichtigkeit eines Beschlusses einer Personengesellschaft (nicht mit Rechtsgestaltungsklage, sondern) mit Feststellungsklage geltend zu machen (18 OCg 3/22y [Rz 50]; 6 Ob 258/08x [ErwGr 3.1.]; RS0038823 [T1, T4]). Dabei müssen Klagen aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen Gesellschaftern immer sämtliche Gesellschafter erfassen, und zwar entweder auf der Klags- oder auf der Beklagtenseite (6 Ob 258/08x [ErwGr 3.2.]; RS0022165 [T1, T8]). Der Beitritt als Nebenintervenient durch einen Gesellschafter reicht nicht aus (6 Ob 105/19p [ErwGr 2.2.]; RS0022165 [T2]). Dies gilt ungeachtet der Art der konkreten Klage (auch bei Feststellungsklagen) nach allgemeinen Grundsätzen immer dann, wenn das den Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen oder für alle Beteiligte festgestellt werden kann, weil sonst die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen bestünde. Im Gesellschaftsrecht wird ein solcher Zusammenhang insbesondere dann angenommen, wenn die Gesellschafterstellung, das Ausmaß der Beteiligung, die Geltung einer Vertragsbestimmung oder – wie hier – die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses strittig ist. Die Gesellschafter bilden sowohl auf Klags- als auch auf Beklagtenseite jeweils eine einheitliche Streitpartei (18 OCg 3/22y [Rz 50]; 6 Ob 258/08x [ErwGr 3.2.]; RS0022165 [T8, T9, T10]; RS0035496 [T14, T15, T16]; RS0035409 [T5, T6, T7]).
[11] 1.2. Damit müssen am Verfahren über eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer Personengesellschaft alle Gesellschafter auf Kläger- oder Beklagtenseite beteiligt sein. Dieses Erfordernis ergibt sich daraus, dass andernfalls das Urteil keine materielle Rechtskraft gegenüber den nicht beteiligten Gesellschaftern entfalten könnte und insofern nicht die dem Feststellungsurteil zukommende Friedensfunktion zu erfüllen vermöchte (18 OCg 3/22y [Rz 51]; 6 Ob 258/08x [ErwGr 3.3.]). Nur die Beteiligung aller Gesellschafter an einem Verfahren kann verhindern, dass inhaltlich voneinander abweichende Entscheidungen ergehen, die jeweils inter partes binden und so zu einer faktisch nicht mehr bewältigbaren Spaltung des Gesellschaftsverhältnisses führen (18 OCg 3/22y [Rz 51]; 6 Ob 258/08x [ErwGr 3.3.]; vgl 4 Ob 109/07v [ErwGr 1.]).
[12] 1.3. Das Modell der Beschlussanfechtungsklage im GmbH-Recht und im Aktienrecht mit gesetzlicher Rechtskrafterstreckung (§ 42 Abs 6 GmbHG; § 198 Abs 1 und § 201 Abs 1 AktG) kommt im Recht der Personengesellschaften nicht zum Tragen. Gegen eine diesbezügliche Analogie spricht, dass das Modell der Beschlussanfechtung für Aktiengesellschaften entwickelt wurde, wo der Bedarf nach Rechtssicherheit bereits wegen der großen Zahl von häufig anonymen Aktionären besonders groß ist. Auf Personengesellschaften lässt sich diese Überlegung nicht ohne weiteres übertragen, sodass insoweit keine Regelungslücke vorliegt (18 OCg 3/22y [Rz 52]; 6 Ob 258/08x [ErwGr 3.1.]).
[13] 1.4. Diese – auch für die GmbH & Co KG geltenden (6 Ob 258/08x) – Rechtsprechungsgrundsätze werden von der Revision auch nicht bezweifelt. Sie stützt sich vielmehr darauf, dass im Gesellschaftsvertrag die Klagsführung gegen die Gesellschaft für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zulässigerweise vereinbart worden sei.
[14] 2. Feststellungsklagen über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer Kommanditgesellschaft müssen auch dann sämtliche Gesellschafter auf Kläger‑ oder Beklagtenseite erfassen, wenn im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde, dass nur die Gesellschaft geklagt werden kann:
[15] 2.1. Nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) (zur Rechtslage vor Inkrafttreten des MoPeG; zu den diesbezüglichen Änderungen vgl etwa Kalss, Beschlussmängel in Personengesellschaften vor Gerichten und Schiedsgerichten, GesRZ 2023, 141 [142]) ist es zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft bestimmt, dass Beschlussmängel durch eine Klage gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen sind. In einem solchen Fall entfalte das im Rechtsstreit ergehende Urteil zwar gegenüber den nicht am Verfahren beteiligten Mitgesellschaftern keine Bindungswirkung im Sinn der Rechtskrafterstreckung nach den auch auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung anwendbaren § 248 Abs 1 Satz 1, § 249 Abs 1 Satz 1 dAktG. Allerdings seien die Mitgesellschafter schuldrechtlich verpflichtet, sich an die im Rechtsstreit gegen die Gesellschaft ergehende Entscheidung zu halten (BGH I ZB 13/21 – Schiedsfähigkeit IV [Rz 19]). Der BGH bejaht in dieser Konstellation das Vorliegen des Rechtsschutzinteresses des klagenden Gesellschafters für die Erhebung der Feststellungsklage gegen die Gesellschaft als (alleinige) Beklagte und verneint die Passivlegitimation der Mitgesellschafter für die Feststellung der Nichtigkeit (BGH II ZR 242/04 [Rz 15]). Die Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft werde nur dann durch Feststellungsklage gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass der Streit mit der Gesellschaft auszutragen ist (BGH II ZR 83/09 [Rz 19]; BGH I ZB 13/21 – Schiedsfähigkeit IV [Rz 17]).
[16] 2.2. Auch ein Teil der österreichischen Lehre geht davon aus, dass es zulässig sei, die Prozessführung durch eine entsprechende Klausel im Gesellschaftsvertrag – abweichend von der Grundkonzeption bei Personengesellschaften – bei der Gesellschaft zu konzentrieren (so etwa Trenker, Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten nach 18 OCg 3/22y, NZ 2024, 286 [291]; Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht2 [2017] Rz 2/453; Harrer, Die Personengesellschaft als Trägerin eines Unternehmens [2010] 197; Oberhammer, Die OHG im Zivilprozess [1997] 349 ff; zweifelnd wohl Thöni in Zib/Dellinger, Großkommentar UGB [2016] § 119 Rz 239).
[17] Ablehnend oder kritisch äußerten sich hingegen etwa Wedl (Neues zur Schiedsfähigkeit von gesellschaftsrechtlichen Beschlussmangelstreitigkeiten, RdW 2024, 457 [458 f]), Kalss (Beschlussmängel in Personengesellschaften vor Gerichten und Schiedsgerichten, GesRZ 2023, 141 [144 f]), Zeiler (Zur Schiedsfähigkeit von gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreitigkeiten, RdW 2023/281, 392 [399 f]), Garber (Rechtsunsicherheiten im Kontext personengesellschaftsrechtlicher Beschlussmängelstreitigkeiten im Schiedsverfahren, Zak 2023/335, 188 [188 ff]) und wohl auch Baumgartner (Gerichtlicher Rechtsschutz gegen fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse, in Artmann/Rüffler/Torggler, Gesellschafterstreit [2025] 47 [53 f]), sowie U. Torggler/H. Torggler (Zum [rechtsformübergreifenden] Kern der gesellschaftsrechtlichen Kernbereichslehre, in FS Roth [2011] 831 [841]).
[18] 2.3. Der Oberste Gerichtshof hat die Frage der Zulässigkeit einer gesellschaftsvertraglichen Zuweisung der Beklagtenstellung zur Gesellschaft für Klagen über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses bisher offen gelassen (18 OCg 3/22y [Rz 60]; 6 Ob 258/08x [ErwGr 3.7.]).
Dazu hat der Senat erwogen:
[19] 2.4. Ein Interesse an der Feststellungsklage ist zu bejahen, wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen (RS0038908 [T5]). Das rechtliche Interesse ist dann zu verneinen, wenn die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils die Beseitigung der Unsicherheit über das Rechtsverhältnis nicht garantieren kann (RS0014654 [T5]), etwa weil nicht alle am zu klärenden Rechtsverhältnis beteiligten Vertragsparteien am Verfahren beteiligt waren (6 Ob 167/17b [ErwGr 6.4.]; siehe Punkt 1.1 f). Das Feststellungsinteresse ist der Parteiendisposition entzogen; es kann weder anerkannt noch zugestanden noch außer Streit gestellt werden und auch nichts Gegenstand des Vergleichs sein (6 Ob 167/17b [ErwGr 6.4.]; RS0039123 [T13]).
[20] 2.5. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht ausgeführt, dass (auch) die Wirkungen der Rechtskraft als gesetzlich angeordnete und von Amts wegen wahrzunehmende (vgl RS0132136; RS0039968; RS0074226) Urteilsfolge der Parteiendisposition entzogen sind, weil deren Wahrnehmung primär dem öffentlichen Interesse an Rechtssicherheit und Rechtseinheit dient (Klicka in Fasching/Konecny 3 III/2 § 411 ZPO Rz 138; Fasching, Lehrbuch² Rz 1541). Unwirksam sind daher sowohl Dispositionserklärungen zur Beseitigung der Rechtskraft (so etwa bei den Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 411 Rz 4) als auch zur Schaffung einer solchen (Klicka in Fasching/Konecny 3 III/2, § 411 ZPO Rz 138). Auch eine vertragliche Erweiterung der subjektiven Rechtskraft auf die Gesellschafter einer KG durch gesellschaftsvertragliche Zuweisung der alleinigen Beklagtenstellung an die Gesellschaft im Beschlussmängelstreit ist unzulässig (Kalss, GesRZ 2023, 141 [145]; Garber, Zak 2023/335, 188 [189]; aM Trenker, NZ 2024, 286 [291]; vgl derselbe, Einvernehmliche Parteiendisposition im Zivilprozess 615). Selbst nach der dargelegten Judikatur des BGH (Punkt 2.1.) entfaltet bei einer solchen Zuweisung das im Beschlussmängelstreit ergehende Urteil gegenüber den nicht am Verfahren beteiligten Mitgesellschaftern keine Bindungswirkung im Sinn der Rechtskrafterstreckung.
[21] 2.6. Die unzulässige vertragliche Erstreckung der subjektiven Grenzen der gesetzlichen Urteilswirkungen kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass im Sinne der Judikatur des BGH eine dadurch bestehende schuldrechtliche Bindungswirkung des Urteils für alle Gesellschafter als ausreichend angesehen wird (Wedl, RdW 2024, 457 [459]; Oberhammer, OHG 352 [insb FN 53]; krit insoweit auch Trenker, NZ 2024, 286 [292]). Die prozessuale Rechtsfolge der Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils wird dadurch nicht herbeigeführt (Oberhammer, OHG 352 [insb FN 53]). Ebenso wenig kann die Unzulässigkeit einer vertraglichen Rechtskrafterstreckung durch die in Teilen der Literatur angedachte analoge Anwendung des § 42 Abs 6 GmbHG aufgrund der Annahme einer (erst) durch die gesellschaftsvertragliche Zuweisung der Beklagtenstellung an die Gesellschaft entstandenen gesetzlichen Regelungslücke (dies erwägend Trenker, NZ 2024, 286 [292]) umgangen werden.
[22] 2.7. Die Prozessstandschaft ist die Prozessführung im eigenen Namen über ein fremdes Recht. Das Gesetz kann sie anordnen und ordnete sie in manchen Fällen auch an. Die gewillkürte Prozessstandschaft, also die nur auf Vereinbarung beruhende Trennung zwischen materiell-rechtlicher Befugnis und formell-rechtlicher Prozessführungsbefugnis, wobei lediglich die formell-rechtliche Prozessführungsbefugnis auf den Prozessstandschafter übertragen wird, ist hingegen nach gefestigter Rechtsprechung unzulässig (RS0032788; RS0053157; Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO5 Vor § 1 ZPO Rz 4; Nunner-Krautgasser in Fasching/Konecny³ II/1 Vor § 1 ZPO Rz 126), weil die Klagebefugnis als unverzichtbarer öffentlich-rechtlicher Anspruch nicht von dem ihr zugrunde liegenden materiellen Recht abtrennbar ist (ausführlich 1 Ob 40/01s [verst Senat; ErwGr 2.1]; aM Oberhammer, OHG 354 f). Das gilt auch für die vereinbarte Ermächtigung zur Prozessführung im eigenen Namen über (auch) fremde Rechtspositionen von Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft, die sich von der Gesellschafterstellung nicht abtrennen lassen (vgl 1 Ob 40/01s [verst Senat; ErwGr 2.1]). Eine gewillkürte Prozessstandschaft liefe überdies im Ergebnis auf eine Erstreckung der Rechtskraft kraft Vereinbarung auf denjenigen hinaus, der den Prozessstandschafter zum Prozessieren ermächtigt hat (vgl Trenker, NZ 2024, 286 [292]; Kunz, Die Prozessstandschaft [2019] 209 f).
[23] Auch die Abtretung der bloßen Befugnis, eine (negative) Feststellungsklage zu erheben, liefe nach der Rechtsprechung auf die Übertragung eines reinen Prozessführungsrechts, also auf eine Prozessstandschaft, hinaus und ist nicht wirksam möglich (7 Ob 160/22p [ErwGr 1.4.6. ff]; 8 Ob 123/09k [ErwGr III.2. f]; RS0122125 [T2]). Gleiches gilt für eine (gesellschafts-)vertragliche Zuweisung der Beklagtenstellung an die Personengesellschaft im Beschlussmängelstreit (Garber, Zak 2023/335, 188 [189]).
[24] 2.8. Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschafter mit der gegenständlichen gesellschaftsvertraglichen Übertragung der Beklagtenstellung an die Gesellschaft nicht wollten, dass die Gesellschaft im eigenen Namen prozessiert, sondern (bloß) eine Prozessvollmacht zugunsten der Gesellschaft einräumen wollten (dies grds erwägend Oberhammer, OHG 352 f; krit Trenker, NZ 2024, 286 [292]), bestehen nicht. Vielmehr stützen sich die Kläger ausdrücklich darauf, zulässigerweise nur die Gesellschaft als Beklagte in Anspruch zu nehmen. Auch die beklagte Gesellschaft schreitet nur im eigenen Namen und nicht als Vertreterin aller nicht auf Klagsseite auftretenden Gesellschafter ein.
[25] 3. Zusammenfassend müssen Feststellungsklagen über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer Kommanditgesellschaft auch dann sämtliche Gesellschafter auf Kläger‑ oder Beklagtenseite als notwendige Streitgenossen erfassen, wenn im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde, dass nur die Gesellschaft geklagt werden kann. Die Gesellschafter bilden sowohl auf Klags- als auch auf Beklagtenseite jeweils eine einheitliche Streitpartei. Der unberechtigten Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
[26] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Sie gelten als am Ort des Empfängers erbracht (Empfängerlandprinzip) und unterliegen jener Umsatzsteuer, die dort, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt, zu entrichten ist. Dabei unterliegen anwaltliche Leistungen innerhalb der EU dem Normalsteuersatz (RS0114955 [T1, T2]). Da die Nebenintervenientin ihren Sitz in Deutschland hat, ist (nur) die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer von bekanntermaßen 19 % zuzusprechen (RS0114955 [T10, T12]).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)