European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00200.24V.0723.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Begründung:
[1] Gegenstand der vom Erstgericht verbundenen Verfahren sind jeweils Ersatzansprüche der Kläger aufgrund von Investitionen in Anleihen der – seit 19. Juni 2013 insolventen – * Holding GmbH (im Folgenden: Holding). Die Holding bildete mit der * Bau GmbH (im Folgenden: Bau GmbH) als wesentlicher operativer Gesellschaft eine international tätige Baugruppe mit Standorten und Tochtergesellschaften in über 30 Ländern.
[2] In den Jahren 2010, 2011 und 2012 emittierte die Holding jeweils eine Anleihe (zuerst mit einer Nominale von 100 Mio EUR, dann von 90 Mio EUR und dann nochmals von 100 Mio EUR), jeweils endfällig mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Bei der Emission fungierten einzelne bzw mehrere der beklagten Banken als „Joint Lead Manager“ (Emissionsbanken). Die Nebenintervenientin, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, hatte jeweils die Übereinstimmung der in den geprüften Jahresabschlüssen angegebenen Zahlen bestätigt. In den drei Kapitalmarktprospekten der Anleihen 2010, 2011 und 2012 waren jeweils ähnlich lautende Risikohinweise enthalten.
[3] Die Kläger begehrten jeweils von einer oder von mehreren der beklagten österreichischen Banken – gestützt auf Prospekthaftung (nach § 11 Abs 2 KMG 1991) sowie auf Verletzung allgemeiner vorvertraglicher Sorgfalts- und Aufklärungspflichten – die Rückzahlung des Kaufpreises der von ihnen erworbenen Anleihen, dies abzüglich bereits erhaltener Ausschüttungen zuzüglich Zinsen einer Alternativveranlagung, jeweils Zug um Zug gegen die (Rück-)Übertragung ihrer Anleihen. Die 43.‑Klägerin macht gleichartige, ihr von 369 Verbraucherinnen und Verbrauchern abgetretene Ansprüche gegen die Zweitbeklagte bzw gegen die Zweit- und Drittbeklagte zur ungeteilten Hand – ebenfalls aus erworbenen Anleihen (und zwar aus der dritten, im Jahr 2012 emittierten Anleihe) – geltend. Sämtliche Kläger stellten auch ein Eventualbegehren auf Feststellung der Haftung der jeweiligen beklagten Bank für jeden Schaden, der ihnen aus der Zeichnung ihrer Anleihe entsteht.
[4] Die Beklagten wendeten zusammengefasst ein, bis Oktober 2012 habe es keine Anzeichen für eine drohende Insolvenz der Holding gegeben. Die Banken seien selbst durch die Insolvenz des Baukonzerns massiv geschädigt worden. Sie hätten auf die geprüften Jahresabschlüsse der Gesellschaften vertraut und darauf auch vertrauen dürfen; sie hätten keinen Zugriff auf unternehmensinterne Daten gehabt. Den Beklagten sei nicht die Funktion eines Prospektkontrollors zugekommen und sie treffe auch keine zivilrechtliche Prospekthaftung. Das Bonitätsrisiko, auf das in den Kapitalmarktprospekten hingewiesen worden sei, habe der jeweilige Anleihegläubiger zu tragen. Die Insolvenz der Baugruppe sei dem allgemeinen Marktrisiko zuzuordnen.
[5] Das Erstgericht wies mit Teilurteil die Klage- und Eventualbegehren der Kläger ab. Die beklagten Banken seien in den jeweiligen Kapitalmarktprospekten als Emissionsbanken genannt und dies sei ausreichend, um einen Vertrauenstatbestand in Bezug auf eine Mitwirkung an der Prospektgestaltung zu schaffen, weshalb sie für allfällige irreführende Inhalte der Kapitalmarktprospekte zu haften hätten. Maßgeblich sei aber, welches Gesamtbild der Prospekt durch seine Aussagen über das beworbene Anlageobjekt in Bezug auf die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage gemacht habe. Unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben müssten darüber hinaus die Anlageentscheidung beeinflusst haben. Da die Holding die Emissionserlöse an die Bau GmbH weitergegeben habe, sei auch die wirtschaftliche Situation der operativen Gesellschaft bzw der gesamten Gruppe von Bedeutung. Nach den Feststellungen sei aber weder die Holding noch die operative Gesellschaft im Zeitpunkt der Emission der Anleihen in den Jahren 2010 bis 2012 zahlungsunfähig gewesen und es gebe auch keinen Hinweis darauf, dass das Umlaufvermögen überhöht angesetzt worden sei. Die Bilanzierung der Holding und der Bau GmbH habe sich im Rahmen der Bilanzierungsgrundsätze gehalten. Die Baugruppe habe in den maßgeblichen Zeiträumen über die erforderliche Finanzierung verfügt, weshalb bei der Anleihe 2010 von einer maximalen Ausfallwahrscheinlichkeit von rund 17 %, bei der Anleihe 2011 von rund 30 % und bei der Anleihe 2012 von rund 32 % auszugehen gewesen sei. Zu den Jahresstichtagen 2006 bis 2011 sei bei der Holding ein positives Eigenkapital vorgelegen; eine Überschuldung der Holding sei bis 2011 jedenfalls zu verneinen und ebenso eine Überschuldung der Bau GmbH im Zeitpunkt der Emission der Anleihen 2010 und 2011. In Bezug auf die Anleihe 2012 seien zwar zwei Krisensymptome bei der Holding vorgelegen gewesen, aber keine eindeutigen Hinweise auf eine Überschuldung, weshalb auch nicht habe festgestellt werden können, dass die Holding zum damaligen Zeitpunkt überschuldet gewesen sei. Bei Emission der Anleihen sei deren Rückzahlung wahrscheinlich gewesen.
[6] Die Kapitalmarktprospekte hätten auch nicht über das Bonitäts- und das Ausfallrisiko getäuscht, sondern in zahlreichen Hinweisen auf verschiedene Risiken aufmerksam gemacht, die mit dem Erwerb der Anleihe verbunden seien. Diese Hinweise seien geeignet und ausreichend gewesen, um das Risiko konkret darzulegen. Die Darstellung der Anleihen in den Kapitalmarktprospekten habe der tatsächlichen Eigenschaft der Produkte entsprochen. Zu den Zeitpunkten der Darlehensgewährung durch die Holding habe sich die Bau GmbH nicht in der Krise befunden und die Darlehen hätten daher keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt. Die Kapitalmarktprospekte hätten auch auf Garantien und Patronatserklärungen der Holding hingewiesen; eine Unvollständigkeit liege auch insoweit nicht vor. Ein externes Rating der Gruppe habe es nicht gegeben, weshalb auch dazu die Prospekte nicht unvollständig gewesen seien. Insgesamt hätten die zahlreichen Risikohinweise deutlich gemacht, dass es sich um ein mit mehreren Risiken behaftetes Investment gehandelt habe. In Zusammenschau mit der damals gegebenen Ausfallwahrscheinlichkeit von weniger als rund 40 % hätten die Kapitalmarktprospekte die Anleihen richtig dargestellt. Es fehle daher an einem Grund für eine Haftung der Beklagten für die geltend gemachten Ansprüche.
[7] Auf die Eigenschaft der Holding als Emittentin sei im Prospekt mehrfach hingewiesen und eine Beteiligung an der Bau GmbH durch die Investition nicht suggeriert worden. Mangels unrichtiger Darstellung der Anleihen in den Kapitalmarktprospekten seien auch auf allgemeine zivilrechtliche Grundsätze gestützte Ansprüche der Kläger nicht berechtigt. Gleiches gelte für die behauptete „Schaffung einer Gefahrenquelle“ durch die Beklagten dahin, dass die Anleihen unvorhersehbar ihren Wert verlieren würden. In welcher Intensität die Beklagten vor Begebung der Anleihe grundsätzlich zur Prüfung der wirtschaftlichen Situation der Emittentin verpflichtet gewesen seien, müsse nicht näher behandelt werden, weil bei den Emissionen die Rückzahlung der Anleihen jeweils zu deutlich mehr als 50 % wahrscheinlich gewesen und nicht erkennbar sei, zu welchem anderen Ergebnis weitere Prüfschritte hätten führen sollen. Nach dem Inhalt der Kapitalmarktprospekte habe die Holding die Emissionserlöse zur Optimierung der Finanzstruktur und für allgemeine Unternehmenszwecke zu verwenden gehabt und tatsächlich seien die Emissionserlöse als Darlehen an die Bau GmbH weitergegeben und von dieser verwendet worden. Diese Vorgangsweise ergebe sich klar aus den Angaben im Kapitalmarktprospekt. Von einer „Verlustfinanzierung“ könne nicht die Rede sein. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten ihre der Gruppe gewährten „Kredite quasi auf Kosten der Anleger reduziert“ hätten. Die Baugruppe habe Liquidität benötigt und sich diese einerseits durch Bankkredite und andererseits durch Anleihebegebung beschafft. Auch aus dem Argument, die unbesicherte Kreditgewährung sei ein Bankgeschäft, für das die Holding keine Konzession gehabt habe, ergebe sich kein Argument für eine Haftung der Beklagten, zumal die Kreditgewährung im Konzern nicht konzessionspflichtig sei. Auch von einer „völlig unbesicherten Weitergabe des Vermögens“ an die Bau GmbH könne nicht gesprochen werden. Insgesamt sei den Klägern der Beweis eines rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten nicht gelungen.
[8] Das Berufungsgericht gab der dagegen von den 1.- bis 3.-, 6.-, 8.- und 9.-, 11.-, 13.-, 17.- und 18.-, 23.- bis 27.-, 30.- bis 34.-, 41.- und 43.‑Klägern erhobenen Berufung nicht Folge. Dass die für die Gesellschaften handelnden Personen bei der Beschaffung von Kapital für den Baukonzern unredlich gehandelt hätten, stehe nicht fest. Mit der Argumentation, dass eine Emissionsbank, die wisse oder wissen müsse, dass der Emittent die aufgenommenen Mittel nicht zurückzahlen können werde, für entsprechende Information im Prospekt Sorge tragen müsse, entferne sich die Berufung vom Sachverhalt. Hinweise auf eine Zahlungsunfähigkeit oder auf eine Überschuldung der Bau GmbH in den Zeitpunkten, zu denen die Anleihen platziert worden seien, seien nicht festgestellt worden. Damit habe es keine Krise im Sinne des § 2 EKEG gegeben, weshalb die Kredite der Holding an diese nicht eigenkapitalersetzend gewesen seien. Auch die Behauptung, dass die Anleiheerlöse im Wesentlichen der laufenden Verlustabdeckung bei der Bau GmbH gedient hätten, sei von den Feststellungen nicht gedeckt. Die Behauptung, dass die Kapitalmarktprospekte unvollständig und irreführend seien, sei für die gegen die Emissionsbanken geltend gemachten Ansprüche nicht von Bedeutung. Zweck des § 11 Abs 2 KMG 1991 sei es, dem Anleger die Liquidation seiner Ansprüche zu erleichtern. Ein Emittent sei aber nur dann ein „ausländischer Emittent“ im Sinn des § 11 Abs 2 KMG 1991, wenn er seinen Sitz in einem anderen Staat als in Österreich habe. Das sei bei der Holding aber nicht der Fall. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den Kapitalmarktprospekten hätten die Beklagten nicht zu haften. In allen Kapitalmarktprospekten sei angegeben worden, dass die Emittentin (Holding) beabsichtigte, den Emissionserlös für die Optimierung ihrer Finanzstruktur und für allgemeine Unternehmenszwecke zu verwenden. Dem habe die Weitergabe der Erlöse an die operative Gesellschaft der Konzerngruppe, hier in Form von Darlehensverträgen, entsprochen. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Kläger aus dem Vorgehen der Holding bei Weitergabe der Emissionserlöse im Konzern Ansprüche gegen die Beklagten ableiten wollten. Die behauptete „Verlustfinanzierung“ liege nach den Feststellungen nicht vor. Für eine allfällige Unvollständigkeit der Kapitalmarktprospekte seien die Beklagten nicht verantwortlich. Interessenkollisionen bei den Beklagten wegen ihrer Rolle einerseits als Finanzierer der Gruppe und andererseits als Begleiter der Emission der Anleihen im Sinn des § 35 WAG 2007 lägen nicht vor, weil schon nach dem Vorbringen der Kläger diese keine Vertragspartner der beklagten Banken und damit auch keine Kunden der Beklagten im Sinne des WAG 2007 gewesen seien. Die tatsächliche Ursache für die Insolvenz der Emittentin im Jahr 2013 sei für die geltend gemachten Ansprüche ohne Bedeutung. Ein Anspruch auf Rücktritt vom Vertrag könne nur gegen den Veräußerer des Wertpapiers bestehen; die Kläger hätten die Wertpapiere aber nicht von den Beklagten gekauft. Die behaupteten sekundären Feststellungsmängel lägen nicht vor, weil aufgrund der vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen die geltend gemachten Ansprüche nicht berechtigt seien.
[9] Darüber hinaus sprach das Berufungsgericht aus, dass die Revision zulässig sei, weil sich das Berufungsgericht bei der Lösung der Frage, ob und unter welchen Umständen Emissionsbanken für unrichtige Angaben in einem Kapitalmarktprospekt hafteten, auf keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs beziehen könne.
[10] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der 1.- bis 3.-, 6.-, 8.- und 9.-, 11.-, 13.-, 17.- und 18.-, 23.- bis 27.-, 30.- bis 34.-, 41.- und 43.‑Kläger mit dem Antrag, die Entscheidung im stattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[11] Die vier Beklagten sowie die Nebenintervenientin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
[13] 1. Die Revision der 43.-Klägerin ist ungeachtet des bei einzelnen Zedenten unter 5.000 EUR liegenden Streitgegenstands gemäß § 502 Abs 5 Z 3 ZPO auch für diese Einzelansprüche nicht jedenfalls unzulässig (RS0122125 [T7]).
[14] 2.1 Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Zulassungsfrage stellt sich nicht. Ausgehend von den Feststellungen ist die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die für die zugrunde liegenden Anleihen erstellten Kapitalmarktprospekte insgesamt keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben enthielten, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Der den Klägern obliegende Beweis (vgl RS0109832 [T1]) dafür, dass sich zu den Zeitpunkten, zu denen die Anleihen begeben wurden, die Emittentin bzw die Bau GmbH in einer derart angespannten finanziellen Situation befunden hätte, dass ein für die Beklagten erkennbares unmittelbares Risiko der Insolvenz bestanden hätte, ist diesen nicht gelungen. Die Frage nach den Kriterien für eine Haftung von Emissionsbanken für unrichtige Angaben im jeweiligen Kapitalmarktprospekt ist damit rein theoretischer Natur und kann die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllen (vgl RS0111271).
[15] 2.2 Auch der Umstand, dass es noch zahlreiche (Parallel-)Fälle gibt, in denen Kläger ihre Investitionen in Anleihen der Holding zum Anlass genommen haben, von den Beklagten Schadenersatz zu fordern, macht die Rechtsfrage nicht zu einer solchen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0119357). Dies insbesondere deswegen, weil auf Basis des konkret festgestellten Sachverhalts zur wirtschaftlichen Situation der Baugruppe zu den maßgeblichen Zeitpunkten, insbesondere bei Emission der in den Jahren 2010 bis 2012 von der Holding platzierten Anleihen, eine Haftung der beklagten Emissionsbanken von vornherein zu verneinen ist und sich deswegen weitere Rechtsfragen in diesem Zusammenhang nicht stellen.
3. Zu den Argumenten der Revision im Einzelnen:
3.1 Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:
[16] 3.1.1 Nach ständiger Rechtsprechung bezweckt die Pflicht nach § 182a ZPO nicht, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu verhalten, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat (RS0122365 [T3]). Die Beklagten haben bereits in ihren Klagebeantwortungen eingewendet, dass sie für die Anleger keinen Vertrauenstatbestand gesetzt hätten und dass sie keine Prospekthaftung treffe, weshalb die Beurteilung des Berufungsgerichts für die Kläger nicht überraschend sein konnte.
[17] 3.1.2 Das Berufungsgericht hat sich mit den von den Klägern gerügten unterbliebenen Einvernahmen (insbesondere der Masseverwalter) eingehend auseinandergesetzt und das Vorliegen einer Mangelhaftigkeit verneint. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt wurden, können nach ständiger Rechtsprechung nicht als Revisionsgrund geltend gemacht werden (RS0042963).
[18] Auch mit der Beweisrüge hat sich das Berufungsgericht eingehend befasst, sodass auch insoweit kein Verfahrensmangel vorliegt (vgl RS0043371). Dies betrifft insbesondere die Feststellungen zur finanziellen Situation der Bau GmbH im Jahr 2009 und die ULSG‑Kreditgewährungen an diese.
[19] 3.1.3 Die von den Klägern als unzulässig erachtete ergänzende „Feststellung“ des Berufungsgerichts darüber, dass den Kapitalmarktprospekten selbst nicht entnommen werden könne, dass die darin genannten Emissionsbanken die Prospekte – als dafür (Mit-)Verantwortliche – in Auftrag gegeben hätten, ist keine ergänzende Tatsachenfeststellung, sondern letztlich ein Teil der rechtlichen Beurteilung. Der behauptete Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (vgl RS0043026 [T6]) liegt daher nicht vor. Die Frage, ob die Beklagten durch ihre auf den Prospekten aufscheinende Funktion als „Joint Lead Manager“ einen für eine mögliche Haftung relevanten Vertrauenstatbestand geschaffen haben, ist ebenfalls eine solche der rechtlichen Beurteilung.
3.2 Zur Rechtsrüge:
[20] 3.2.1 Mit ihrem Argument, die Anleihen wären nicht begeben worden, wenn die Bau GmbH die beiden ULSG‑Kredite nicht erhalten hätte, entfernen sich die Kläger von den erstgerichtlichen (negativen) Feststellungen dazu, weshalb die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043603). Von einer „vorgetäuschten Kreditwürdigkeit“ der Holding kann nach dem Sachverhalt nicht die Rede sein.
[21] 3.2.2 Zum jeweiligen Jahresendstichtag der Jahre 2006 bis 2011 lag bei der Bau GmbH ein positives Eigenkapital (eine Quote von etwa 12 %) vor und in den Jahren 2009 bis 2011 wurden positive Jahresergebnisse erzielt. Erst im Jahr 2012 ergab sich eine negative Eigenkapitalquote von -12 %. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach auf Basis dieses Sachverhalts keine Krise im Sinn des § 2 EKEG vorgelegen sei, ist nicht zu beanstanden. Die Argumentation, die Schuldentilgungsdauer der Holding sei in den Jahren 2006 bis 2009 „unendlich“ gewesen, geht nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Darauf, dass konkret (nur) bei Begebung der dritten Anleihe im Jahr 2012 die Voraussetzungen des § 2 EKEG erfüllt gewesen wären, haben sich die Kläger nicht gestützt.
[22] 3.2.3 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehen Prospekthaftungsansprüche, wenn ein Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewogen wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss. Der Prospekt bildet im Regelfall die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risiken verbundenen Beteiligungsentschluss. Aus diesem Grund muss sich der potenzielle Kapitalanleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen (RS0107352). Voraussetzung für eine Prospekthaftung ist angesichts ihres schadenersatzrechtlichen Charakters, dass der in Anspruch Genommene die Unrichtigkeit der Prospektangaben kennt oder kennen musste (RS0108625). Maßstab für die schadenersatzrechtliche Beurteilung eines Prospekts wegen inhaltlicher Mängel, im Besonderen dessen Unvollständigkeit, sind nicht die Einzeltatsachen, sondern kommt es vielmehr darauf an, welches Gesamtbild der Prospekt durch seine Aussagen über das beworbene Anlageobjekt in Bezug auf die Vermögenslage, Ertragslage und Liquiditätslage macht. Die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben müssen darüber hinaus so beschaffen sein, dass sich unter Anlegung eines objektiven Maßstabs ein durchschnittlicher, verständiger Anleger von diesen Angaben bei einer Auswahlentscheidung unter mehreren Anlagemöglichkeiten beeinflussen lässt (RS0108624).
[23] 3.2.4 Die von den Klägern beanstandete Beurteilung des Berufungsgerichts dahin, dass die Beklagten aufgrund ihrer deklarierten Funktion als (bloße) „Joint Lead Manager“ für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den Kapitalmarktprospekten nicht verantwortlich seien, sondern dass diese Verantwortung ausschließlich die Emittentin treffe, ist auf Basis des festgestellten Sachverhalts für die geltend gemachten Ansprüche nicht ausschlaggebend. Einerseits ist entsprechend der Beurteilung des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass die Kapitalmarktprospekte für alle zugrunde liegenden Anleihen weder unrichtige noch unvollständige Angaben enthielten, weshalb eine Haftung der Beklagten – unabhängig davon, ob sie durch ihr Aufscheinen als „Joint Lead Manager“ auf den Prospekten auch für deren Inhalt verantwortlich waren – nicht auf unzutreffende oder irreführende Angaben gestützt werden kann. Andererseits war die finanzielle Situation sowohl der emittierenden Holding als auch die der operativen Bau GmbH zu den maßgeblichen Zeitpunkten so beschaffen, dass ex ante betrachtet das Ausfallrisiko in einem üblichen Rahmen lag und daher auch unter der Annahme einer Verantwortlichkeit der Beklagten für den Inhalt der Kapitalmarktprospekte eine Haftung nicht in Betracht kommt. Damit zusammenhängend begegnet auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die detailliert festgestellten Risikohinweise in den jeweiligen Prospekten hinreichend über die Möglichkeit eines Totalverlusts der Investition aufmerksam gemacht haben, keinen Bedenken. Aus diesem Grund ist auch aus der Bezugnahme auf die Entscheidungen zu 9 Ob 43/13h und 4 Ob 155/14v, in denen jeweils ein Vertrauenstatbestand aus dem Aufscheinen der dort Beklagten auf einer Werbebroschüre für ein Anlageprodukt abgeleitet wurde, für die Kläger nichts zu gewinnen. In beiden Fällen waren nämlich Sachverhalte zu prüfen, in denen die Anleger Geschäftsirrtümern über die Wertstabilität der Wertpapiere unterlagen, die durch irreführende Angaben in den Werbebroschüren hervorgerufen worden waren. Weitere Erörterungen zum Verständnis der Kläger zur Bedeutung der Bezeichnung der Beklagten als „Joint Lead Manager“ sind damit ebenso entbehrlich wie zum Argument, die Beklagten hätten zur Zeichnung der Anleihen jeweils eingeladen oder sie seien auch „Anbieter“ im Sinn des § 1 Abs 1 Z 6 KMG 1991 gewesen.
[24] 3.2.5 Gemäß § 11 Abs 2 KMG 1991 traf bei Wertpapieren oder Veranlagungen ausländischer Emittenten die Haftpflicht gemäß § 11 Abs 1 Z 1 leg cit auch denjenigen, der das prospektpflichtige Angebot im Inland gestellt hatte. Der Zweck dieser Bestimmung bestand darin, dem Anleger die Liquidation seiner Ansprüche zu erleichtern (Lorenz in Zib/Russ/Lorenz, KMG § 11 Rz 23). Die Beurteilung des Berufungsgerichts dahin, dass ein ausländischer Emittent (nur) ein solcher ist, dessen Sitz sich in einem anderen Staat als Österreich befindet, entspricht dem Wortlaut des § 11 Abs 2 KMG 1991. Aber selbst unter der Annahme, dass – wie die Kläger argumentieren – Österreich nicht der „Herkunftsmitgliedsstaat der Emission“ sein sollte, ist nicht erkennbar, aus welchem Grund sich daraus ein anderes Ergebnis für die Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche ableiten lassen sollte. Die behauptete Haftung der Beklagten „auch nach § 11 Abs 2 KMG 1991“ ist auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts nicht verständlich.
[25] 3.2.6 Die in der Revision aufgeworfene Frage der Kausalität unrichtiger Prospektangaben stellt sich im vorliegenden Fall nicht, weil es nach dem Sachverhalt derartige Angaben nicht gegeben hat. Die Argumentation, dass die Liquidität der Baugruppe tatsächlich nicht gesichert gewesen und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens pflichtwidrig nicht beantragt worden sei, entfernt sich von den Feststellungen. Mit ihren Hinweisen auf die Berechnungen der Sachverständigen und angeblich unrichtige Schlussfolgerungen betreffend die Liquidität und die Ausfallwahrscheinlichkeit versuchen die Kläger neuerlich, die im Revisionsverfahren bindende Tatsachengrundlage (vgl RS0043603) anzugreifen. Die Behauptung, die Frage der wirtschaftlichen Rückzahlungsfähigkeit sei eine „der Tatsachenfeststellung entzogene rechtliche Wertung“, ist unzutreffend. In der für diese Auffassung zitierten Entscheidung 3 Ob 99/10w (= RS0126561) ging es im Wesentlichen um die Unterscheidung zwischen Zahlungsstockung und Zahlungsunfähigkeit. Demgegenüber handelt es sich bei der Frage, ob ein Schuldner eine konkrete Schuld tatsächlich zurückzahlen kann, um eine Tatfrage.
[26] 3.2.7 Auch das Argument, die Beklagten hätten pflichtgemäß ihre Mitwirkung an den Emissionen verweigern müssen, zeigt weder eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts noch eine erhebliche Rechtsfrage auf. Für die Behauptung, dass die Beklagten verpflichtet gewesen wären, die Baugruppe näher zu überprüfen, weil dabei der „wahre Zustand (...) erkennbar geworden wäre“, findet sich im Sachverhalt kein Anhaltspunkt. Die Ausführungen zum Sorgfaltsmaßstab einer Hausbank, die bei Vorliegen von Insolvenzindikatoren gegenteilige Behauptungen des Schuldners nicht für wahr halten dürfe, sind daher nicht einschlägig. Die weiteren Argumente zur angeblich „verheimlichten Gefährdung durch unbesicherte Darlehensweitergabe“ sowie zur fehlenden Fremdvergleichs- und mangelnden Rückzahlungsfähigkeit der Emittentin sind wiederum feststellungsfremd.
[27] 3.2.8 Nach Ansicht der Revisionswerber lasse sich dem Sachverhalt eine „Verlustfinanzierung“ entnehmen. Dem hat bereits das Berufungsgericht entgegengehalten, dass fest steht, dass die Emissionserlöse „zum Aufbau von Vorräten und Forderungen“ verwendet wurden und dass konkretere Feststellungen zur Verwendung der Emissionserlöse nicht getroffen werden konnten. Damit steht aber gerade nicht fest, dass die Erlöse zur Tilgung der Kredite bei den Beklagten verwendet worden wären. Die Behauptung, es hätten Verbindlichkeiten nicht bedient werden können, widerspricht den Feststellungen zur Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihen in den maßgeblichen Zeitpunkten. Anhaltspunkte für eine unredliche wirtschaftliche Gebarung der für die Holding oder die Bau GmbH handelnden Personen bei der Beschaffung von Kapital oder unrichtige Vorgänge bei den Jahresabschlüssen 2009 bis 2011 bzw dafür, dass die Bau GmbH in diesem Zeitraum materiell insolvent gewesen wäre, hat das Verfahren nicht ergeben.
[28] 3.2.9 Aus der – von den Klägern so bezeichneten – Doppelrolle der Beklagten als Kreditgeber und Emissionsbanken allein ergibt sich keine Interessenkollision. Dem Verkaufsprospekt für die Anleihe 2012 lässt sich – im Sinn des § 35 Abs 5 WAG 2007 – hinreichend deutlich entnehmen, dass die „Syndikatsbanken oder deren Tochtergesellschaften (...) Geschäftsbeziehungen (...) mit der Emittentin führen“ können und in den Kapitalmarktprospekten für die Anleihen 2010 und 2011 findet sich sowohl der Hinweis darauf, dass es „möglich“ sei, dass „die Syndikatsbanken (...) die [Gruppe] finanzieren“, als auch jener auf das Interesse der Banken an einer Platzierung der Emission (Provisionseinnahmen) sowie darauf, dass die Interessen der Emittentin, der Banken sowie der Anleihegläubiger „nicht deckungsgleich“ seien. Ein sekundärer Feststellungsmangel ist in diesem Zusammenhang nicht gegeben.
[29] 3.2.10 Einen Grund für eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Beweislastverteilung zeigen die Kläger nicht auf. Eine unzureichende Bonität der Emittentin war zu den Zeitpunkten der Begebung der Anleihen nicht gegeben, weshalb auch die behauptete Verletzung des § 7 KMG 1991 nicht vorliegt. Die Behauptungen über die „schlechte Bonität“ und angebliche Warnungen am Kapitalmarkt sind wiederum feststellungsfremd. Gleiches gilt für die Mutmaßungen über die tatsächlichen Kenntnisse der für die Beklagten handelnden Personen.
[30] 3.2.11 Zu dem schon in der Berufung gerügten sekundären Feststellungsmangel, der darin liegen soll, dass die Ursache der Insolvenz nicht festgestellt worden sei, hat schon das Berufungsgericht zutreffend auf die fehlende rechtliche Relevanz dieser Tatsache hingewiesen.
[31] 3.3 Insgesamt zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb diese zurückzuweisen ist.
[32] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 3 ZPO. Das Erstgericht hat in seinem Teilurteil die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehalten (vgl RS0129336).
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