European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00083.25H.0717.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Parteien sind Eigentümer zweier benachbarter Liegenschaften. Die Liegenschaft des Beklagten grenzt im Westen, Süden und Osten an jene des Klägers.
[2] Der Klägerbehauptete drei widerrechtliche Eingriffe des Beklagten in sein Eigentumsrecht: durch eine Gartenmauer im Westen der Liegenschaft des Beklagten, die bis zu 40 cm in die Liegenschaft des Klägers rage; durch eine Hecke im Süden der Liegenschaft des Beklagten, die bis zu 1,5 m in die Liegenschaft des Klägers rage; und durch eine (weitere) Hecke im Osten der Liegenschaft des Beklagten, die bis zu 60 cm in die Liegenschaft des Klägers rage. Er begehrte mit seinem – nach Eingriffen gegliederten – Klagebegehren die Beseitigung der Eingriffe, die Wiederherstellung einer begrünten Wiese und die Unterlassung künftiger Eingriffe. Er bewertete die Beseitigungs-, Wiederherstellungs- und Unterlassungsansprüche mit je 3.000 EUR.
[3] Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, dass er nicht in das Eigentumsrecht des Klägers eingegriffen habe.
[4] Das Erstgerichtfolgte der Ansicht des Beklagten und wies das Klagebegehren ab.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Da die in der Klage erhobenen Ansprüche in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang stünden – diese Annahme begründete das Berufungsgericht nicht näher –, seien sie zusammenzurechnen (§ 55 Abs 1 Z 1 JN). Das Berufungsgericht sei zwar nicht an die Bewertung des Klägers gebunden (§ 56 Abs 2, § 59 JN), es bestehe aber kein Anlass, von der vom Beklagten unbeanstandet gebliebenen Bewertung des Klägers abzugehen. Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil zur Frage, ob der Nachweis eines Grenzverlaufs auch durch eine Rekonstruktion von nicht mehr vorhandenen Grenzpunkten oder Grenzzeichen auf der Grundlage von Vermessungsdaten erbracht werden könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die gegen das Berufungsurteil gerichtete – vom Beklagten beantwortete – Revision des Klägers ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).
[7] 1.1. Die Jurisdiktionsnorm (JN) geht vom Grundsatz aus, dass mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche nicht zusammenzurechnen sind (RS0122950). Werden sie aber von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben und stehen sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang, sind sie ausnahmsweise zusammenzurechnen (§ 55 Abs 1 Z 1 ZPO).
[8] 1.2. Der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang ist – auch bei der Prüfung der Rechtsmittelzulässigkeit – ausschließlich anhand der Klageangaben zu beurteilen (§ 55 Abs 1 JN: mehrere „in einer Klage geltend gemachte“ Ansprüche; RS0042741 [T12]; RS0106759 [T2]). Auf nachträgliche Behauptungen der Parteien oder Feststellungen der Vorinstanzen kommt es nicht an (ständige Rechtsprechung, zB 7 Ob 131/24a, Rz 7, und 7 Ob 202/24t, Rz 11, jeweils mwN). Im Zweifel kommt es – entsprechend dem Grundsatz der JN – zu keiner Zusammenrechnung (RS0122950).
[9] 1.3. Mehrere mit einer Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) geltend gemachte Ansprüche stehen nur dann in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang (§ 55 Abs 1 Z 1 JN), wenn sie sich auf ein und denselben Eingriff des Beklagten stützen, wenn also das Störungsobjekt und die Störungshandlung identisch sind (5 Ob 15/24b mwH, Rz 15; 5 Ob 169/13h mwH, ErwGr 2.3.).
[10] 1.4. Findet keine Zusammenrechnung statt, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (RS0042642; RS0130936). Das Berufungsgericht hat daher mehrere Ansprüche, die nicht nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind, gesondert zu bewerten (RS0042258; RS0042741 [T18]). Fehlt ein solcher Ausspruch, hat ihn das Berufungsgericht zu ergänzen (ständige Rechtsprechung, jüngst 5 Ob 15/24b, Rz 26). Eine solche Ergänzung kann aber unterbleiben, wenn der Kläger die Ansprüche gesondert bewertete und der Begründung des einheitlichen Bewertungsausspruchs des Berufungsgerichts zu entnehmen ist, dass es sich nach der Bewertung des Klägers richtete (vgl 5 Ob 85/20s, ErwGr 1.3.).
[11] 2.1. Der Kläger behauptete drei widerrechtliche Eingriffe in sein Eigentumsrecht (§ 523 ABGB). Er gliederte das Klagebegehren in drei Teilbegehren, die sich jeweils auf einen der behaupteten Eingriffe bezogen. Er machte für jeden Eingriff (im Wesentlichen gleichartige) Ansprüche auf Beseitigung, Wiederherstellung und Unterlassung geltend, die er jeweils mit 3.000 EUR bewertete.
[12] 2.2. Nach den Klageangaben war das Störungsobjekt bei allen Eingriffen identisch; es handelte sich um die Liegenschaft des Klägers.
[13] 2.3. Eine einheitliche Bewertung des Beseitigungs-, Wiederherstellungs- und Unterlassungsbegehrens für jeden einzelnen Eingriff würde zwar keinen Bedenken begegnen, weil der Kläger diese Ansprüche – jeweils auf den einzelnen Eingriff bezogen – aus derselben behaupteten Störungshandlung ableitete: beim ersten Eingriff aus dem Errichten einer Mauer im Westen der Liegenschaft des Beklagten; beim zweiten Eingriff aus dem Pflanzen einer Hecke im Süden der Liegenschaft des Beklagten; beim dritten Eingriff aus dem Pflanzen einer (weiteren) Hecke im Osten der Liegenschaft des Beklagten.
[14] 2.4. Die Klageangaben bieten aber keinen Hinweis dafür, dass auch die drei geltend gemachten Eingriffe – oder zumindest zwei davon – auf dieselbe Störungshandlung zurückgegangen wären: Das Errichten einer Gartenmauer (erster Eingriff) und das Pflanzen von Hecken (zweiter und dritter Eingriff) sind von vornherein unterschiedliche Störungshandlungen. Zum zweiten und dritten Eingriff wiederum erstattete der Kläger kein Vorbringen zum tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang. Er behauptete insbesondere nicht, dass im Süden und im Osten der Liegenschaft des Beklagten zur gleichen Zeit eine durchgehende (einheitliche) Hecke gepflanzt worden wäre. Auch sonst bieten die Klageangaben keinen Anhaltspunkt für eine identische Störungshandlung bei mehreren Eingriffen. Auf die Feststellungen der Vorinstanzen ist nach den eingangs wiedergegebenen Grundsätzen nicht zurückzugreifen. Die drei Teilbegehren, die sich jeweils auf einen der behaupteten Eingriffe bezogen, stehen daher in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang und waren getrennt zu bewerten.
[15] 2.5. Das Berufungsgericht hat ungeachtet dessen eine einheitliche Bewertung des Entscheidungsgegenstands vorgenommen („insgesamt“). Es hat auch nicht begründet, warum es einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang der einzelnen vom Kläger geltend gemachten Eingriffe in sein Eigentumsrecht annahm.
[16] 2.6. Eine Ergänzung seines Ausspruchs kann aber unterbleiben: Das Berufungsgericht hat in der Begründung des Bewertungsausspruchs betont, dass es zwar nicht an die Bewertung des Klägers gebunden sei (§ 56 Abs 2, § 59 JN), dass aber kein Anlass bestehe, von der vom Beklagten unbeanstandet gebliebenen Bewertung des Klägers abzugehen. Es folgtealso ausdrücklich der vom Kläger vorgenommenen Bewertung. Der Kläger bewertete die – insgesamt drei – Beseitigungs-, Wiederherstellungs- und Unterlassungsansprüche mit je 3.000 EUR, also mit je 1.000 EUR pro eingriffsbezogenem Teilbegehren. Damit kann bereits dem vorliegenden, formell einheitlichen Bewertungsausspruch samt der Begründung entnommen werden, dass der Wert von keinem der jeweils auf einen einzelnen behaupteten Eingriff bezogenen Teilbegehren 5.000 EUR übersteigt.
[17] 2.7. Die Revision ist vor diesem Hintergrund jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).
[18] 3. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung nicht darauf hingewiesen, dass die Revision jedenfalls unzulässig ist (§ 502 Abs 2 ZPO). Sie war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig; der Beklagte hat die dafür aufgewendeten Kosten selbst zu tragen.
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