OGH 5Nc13/25v

OGH5Nc13/25v8.7.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Painsi und die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* GmbH, *, vertreten durch Dr. Friederike Wallentin-Hermann, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Mag. Manfred Seidl, Mag. Ulrich Schmiedl, Rechtsanwälte in Bischofshofen, wegen (ausgedehnt) 8.637,91 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050NC00013.25V.0708.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Delegierungsantrag wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 336,82 EUR (darin enthalten 56,14 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Äußerung zum Delegierungsantrag binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin beantragte, das bei dem nach den §§ 65, 75 JN zuständigen Bezirksgericht Sankt Johann im Pongau eingeleitete Verfahren aus Gründen der Prozessökonomie an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zu delegieren. Vier Zeugen und der Geschäftsführer der Klägerin seien in Wien ansässig.

[2] Die Beklagte sprach sich in der ihr eingeräumten Äußerung gegen eine Delegierung des Verfahrens aus. Sie begründet das unter anderem damit, dass zwar mehrere von der Klägerin beantragten Zeugen und deren Geschäftsführer ihren Aufenthalt im Raum Wien hätten, die Klägerin jedoch ohnedies beantragt habe, deren Einvernahme im Rechtshilfeweg durchzuführen. Das sei ohne weiteres möglich, sodass die Delegierung zu keiner Kostenersparnis oder Beschleunigung des Verfahrens führe. Hinzu komme, dass ein weiterer von der Klägerin geführter Zeuge in der Stadt Salzburg wohnhaft sei und der zur Parteieneinvernahme namhaft gemachte Geschäftsführer der Beklagten seinen Aufenthalt im Sprengel des angerufenen Gerichts habe. Außerdem habe die Beklagte die Einholung eines Kfz‑Sachverständigengutachtens beantragt und die zu begutachtenden Steuergeräte befänden sich nach wie vor am Sitz der Beklagten, sodass die Befundaufnahme durch den Sachverständigen dort durchzuführen sei.

[3] Das den Delegierungsantrag vorlegende Bezirksgericht Sankt Johann im Pongau erklärte, eine Delegierung der Rechtssache an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien aus Zweckmäßigkeitsgründen zu befürworten. Vier von fünf einzuvernehmenden Zeugen (sowie der Geschäftsführer der Klägerin) hätten ihren Wohnsitz bzw ihre ladungsfähige Anschrift in Wien. Die zur Verhandlung und Entscheidung zuständige Richterin beabsichtige – auch aufgrund des erforderlichen unmittelbaren persönlichen Eindrucks – jedenfalls aus derzeitiger Sicht nicht, den Großteil der Beweisaufnahme im Rechtshilfeweg durchzuführen. Ob die Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens überhaupt erforderlich sein werde, könne zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden. Ein laufend in Kfz‑technischen Angelegenheiten bestellter Sachverständiger habe zudem nach kurzer Schilderung des Sachverhalts mitgeteilt, dass Steuergeräte wie die hier gegenständlichen erforderlichenfalls ohne Weiteres per Post übermittelt werden könnten. Die Befundaufnahme habe auch nicht zwingend mit dem konkreten klagegegenständlichen Fahrzeug zu erfolgen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

[5] 1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen – wie hier beantragt – sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN).

[6] 2. Eine Delegierung soll der Ausnahmefall sein. Ohne besondere Gründe darf es nicht zu einer Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung kommen (RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen kommt die Delegierung vor allem dann in Frage, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RS0046333; RS0053169). Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589; RS0046324).

[7] 3. Im hier zu beurteilenden Fall hat die Klägerin ihren Sitz in Wien und vier der insgesamt fünf beantragten Zeugen sind unter Adressen in Wien zu laden. Die Beklagte hat ihren die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründenden Sitz in Bischofshofen und ein Zeuge ist unter einer Adresse in der Stadt Salzburg zu laden.

[8] Neben dem Sitz der Parteien und dem Wohn- oder Aufenthaltsort der zu vernehmenden Zeugen kann auch die Lage eines Augenscheinsgegenstands ein Zweckmäßigkeitsgrund für die Beurteilung des Delegierungsantrags sein (5 Nc 11/23x mwN; RS0046333 [T8]; RS0053169 [T12]). Nach dem Vorbringen zu dem hier beantragten Sachverständigenbeweis bedarf es der Beurteilung der von der Beklagten behaupteten Funktionsuntüchtigkeit eines von der Klägerin gelieferten, von der Beklagten in ein Fahrzeug verbauten Steuergeräts. Steuergerät und Fahrzeug befinden sich nach deren Angaben bei der Beklagten, sodass der zu bestellende Sachverständige die Befundaufnahme grundsätzlich am Sitz der Beklagten vorzunehmen hätte. Es mag zwar sein, dass die Befundaufnahme – wie vom Erstgericht aufgezeigt – bei einem an sich beweglichen Kaufgegenstand wie hier nicht notwendigerweise dort erfolgen muss, wo sich dieser aktuell befindet. Eine wesentliche Verkürzung der Verfahrensdauer, Kostenverringerung oder Erleichterung der Amtstätigkeit ist mit den möglichen Alternativen aber nicht verbunden, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Ähnliches gilt für die Bestellung eines Sachverständigen aus dem Sprengel des angerufenen Gerichts oder dessen näherer Umgebung durch das begehrte Gericht. In diesem Fall ist bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit zwar zu berücksichtigen, dass eine allenfalls erforderliche Gutachtenserörterung gemäß § 132a ZPO im Weg einer Videoverhandlung oder gemäß § 277 ZPO im Weg einer Videokonferenz erfolgen kann (vgl 10 Nc 10/25i; 5 Nc 9/19x). Die durch § 277 ZPO geschaffene aufwand- und kostensparende Möglichkeit der unmittelbaren Beweisaufnahme im Weg der Videokonferenz besteht aber gleichermaßen für die Vernehmung der auswärtigen Zeugen. Der Gesetzgeber hat eine Beweisaufnahme im Weg der Videokonferenz zur unmittelbaren Beweisaufnahme erklärt, sodass auch unter dem Aspekt des Unmittelbarkeitsgrundsatzes keine Bedenken dagegen bestehen (RS0046333 [T37, T40, T44]).

[9] Zweckmäßigkeitserwägungen, die eindeutig im Sinn aller Verfahrensbeteiligten für die von der Klägerin beantragte Delegierung sprechen, liegen somit nicht vor. Allein der Umstand, dass hier eine der Parteien und die überwiegende Anzahl der Zeugen aus dem Sprengel des begehrten Gerichts kommen, genügt im vorliegenden Fall nicht. Kann die Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zu Gunsten aller Parteien beantwortet werden und widerspricht eine der Parteien der Delegierung, so hat es beim Regelfall der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung zu bleiben.

[10] 4. Der Delegierungsantrag war daher abzuweisen.

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Die mit ihrem Delegierungsantrag erfolglose Klägerin hat der Beklagten die Kosten ihrer Stellungnahme unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zu ersetzen (RS0036025); das allerdings entgegen dem Kostenverzeichnis der Beklagtenvertreter nur nach TP 2 RATG (RS0036025 [T1]).

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