European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00043.25Z.0701.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./), des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (II./A./) sowie der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 (erster und zweiter Fall) StGB (II./B./ und C./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W* und anderen Orten
I./ M* vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar indem er ihr
A./ Anfang 2005 mit einer Gabel gegen den Handrücken gestochen hat, wodurch sie Hämatome an dieser Stelle erlitt,
B./ im Jahr 2007 mit dem Ellbogen gegen ihren Hinterkopf geschlagen hat, sodass sie kurzzeitig bewusstlos wurde,
II./ gegenüber nachgenannten (zu B./ und C./ teils unmündigen) Personen über eine längere Zeit hindurch durch körperliche Misshandlungen und vorsätzlich mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben (§ 83 Abs 1 und 2 StGB) und gegen die Freiheit (§§ 105 Abs 1, 107 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB) fortgesetzt Gewalt ausgeübt, nämlich
A./ von 1. Juni 2009 bis 18. November 2019 gegen M*, indem er ihr „regelmäßig ab 1. Juni 2009 monatlich und ab 2013 in der Regel jede[n] zweite[n] Monat“ Schläge, Tritte und Stöße gegen den Körper versetzte, sie würgte oder ohrfeigte, wodurch sie teilweise Hämatome oder kleine offene Wunden erlitt, und sie wiederholt gefährlich bedrohte, indem er sinngemäß äußerte, er schlage sie oder bringe sie um, und sie durch diese gefährlichen Drohungen teils auch zu Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen nötigte wie etwa „den Mund zu halten“ oder „nicht aufzustehen“,
B./ von 1. Juni 2009 bis August 2018 gegen S*, geboren am * 2001, indem er ihr bis Herbst 2015 etwa einmal wöchentlich und danach etwa monatlich Ohrfeigen oder Schläge mit der flachen Hand oder einem Schuhlöffel gegen den Körper versetzte, wodurch sie teilweise Hämatome erlitt, einmalig einen Schuh gegen ihren Hinterkopf schleuderte und mit ihrem Mobiltelefon Schläge gegen den Kopf versetzte, sie würgte und seiner Tat Nachdruck verlieh, indem er dabei „stirb, stirb“ äußerte, wodurch sie Würgemale am Hals und eine Rötung der Augen erlitt, ihr gegen ihren Willen gewaltsam die Haare abschnitt und sie wiederholt bedrohte, indem er sinngemäß äußerte, er bringe sie und die restliche Familie um, wobei er seinen Worten einmalig Nachdruck verlieh und ein Messer gegen sie richtete, zudem indem er sie nötigte, die familiäre Situation für sich zu behalten, indem er drohte, sie würde ihre Mutter und Geschwister nie wieder sehen, wenn sie sich jemandem anvertraue, wodurch diese eine krankheitswertige posttraumatische Belastungsstörung in der Intensität einer Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB), erlitt,
C./ von 2011 bis September 2019 gegen O*, geboren am * 2004, indem er ihm bis 2014 zumindest monatlich Ohrfeigen und Tritte gegen das Gesäß versetzte und ihn danach insgesamt vier- bis fünfmal wöchentlich mit einem Gürtel schlug, wodurch dieser häufig Striemen und Schnitte erlitt, ihn würgte oder Ohrfeigen, Tritte und Schläge mit der Faust, einem Besenstiel, einem Schuhlöffel oder Ladekabel gegen den Körper, überwiegend gegen die Beine, versetzte, wodurch dieser teilweise offene Wunden oder Hämatome erlitt, und wiederholt sinngemäß äußerte ihn zu töten, wodurch dieser eine krankheitswertige posttraumatische Belastungsstörung, somit eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB), erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 3) ist zu erwidern, dass das Vorkommen des (im früheren Verfahren eingeholten) Sachverständigengutachtens (ON 19) in der Hauptverhandlung (im wiederaufgenommenen Verfahren) auf einem Einverständnis im Sinn des § 252 Abs 1 Z 4 StPO beruhte (ON 161 S 54) und damit einer Anfechtung aus Z 3 entzogen ist (vgl 14 Os 130/23h Rz 23; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 234). Auf den nunmehr im Rechtsmittel erhobenen Einwand fehlender Fragemöglichkeit und mangelnder Aktualität ist nicht weiter einzugehen, weil sich der Beschwerdeführer weder auf einen entsprechenden, in der Hauptverhandlung gestellten Antrag beruft (Z 4 – vgl RIS‑Justiz RS0124172 [insb T4]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302) noch darlegt, warum er an der Stellung eines solchen gehindert gewesen wäre (Z 5a – RIS-Justiz RS0115823).
[5] Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
[6] Mit der eigenen Bewertung ausgewählter Verfahrensergebnisse und daran anschließenden Überlegungen, etwa zu einem Falschbelastungsmotiv der M* wegen des Verdachts, vom Angeklagten betrogen worden zu sein (I./ und II./A./), zu einer einzelnen Handlung (Abschneiden der Haare) im Rahmen des Gesamtgeschehens betreffend S* (II./B./) und dazu, dass regelmäßige Verletzungen des O* anderen Personen hätten auffallen müssen (II./C./), gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken im bezeichneten Sinn hervorzurufen.
[7] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu II./A./ erklärt nicht, warum – bei einzelfallbezogener Betrachtung der Faktoren Dauer, Dichte und Intensität (RIS-Justiz RS0127377) – die festgestellte Gewaltausübung gegenüber M* (US 6: zu Hämatomen und offenen Wunden führende Tätlichkeiten, insbesondere Würgen und Ohrfeigen, ungefähr einmal im Monat von 1. Juni 2009 bis 2013, von 2013 bis November 2019 alle zwei bis drei Monate) für die Subsumtion als „das Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB“ nicht genügen sollte.
[8] Die auf eine Unterbrechung der Gewaltausübung während der Schwangerschaft im Jahr 2013 mit dem Argument vorgetragene Kritik, es liege „kein einheitlicher Tatzeitraum von 2009 bis 2019 vor“,zielt der Sache nach auf eine Aufspaltung der zu Punkt II./A./ des Schuldspruchs – unabhängig von der Frage des Bestehens mehrerer tatbestandlicher Handlungseinheiten (vgl RIS‑Justiz RS0129716 [T4]) – zu Recht gebildeten Subsumtionseinheit und ist demnach nicht zum Vorteil des Beschwerdeführers ausgeführt (vgl RIS-Justiz RS0120980 [insb T4]).
[9] Mit der Behauptung substanzlosen Gebrauchs des Wortes „wiederholt“ in Bezug auf die Frequenz der Tathandlungen nimmt die Rüge nicht an den Feststellungen zu II./A./ (US 6) und zu II./B./ (US 7 f) Maß, weshalb sie nicht prozessförmig zur Ausführung gelangt (vgl RIS‑Justiz RS0099775, RS0099810).
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[11] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[12] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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