OGH 4Ob159/24x

OGH4Ob159/24x24.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. * und 2. *, beide pA *, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch die Häupl Rechtsanwälte GmbH in Nussdorf am Attersee, wegen 60.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2024, GZ 12 R 17/24v-56, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00159.24X.0624.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Den Klägern wurde nach einem Einbruchsdiebstahl Versicherungsdeckung für Bargeld verweigert, das aus einem Tresor entwendet wurde, weil das von ihnen angeschaffte Tresor Modell nicht den im Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsklassen entsprochen habe.

[2] Daraufhin brachten sie, gestützt auf § 2 UWG, eine Schadenersatzklage gegen die Beklagte ein, die den Tresor vertrieben und irreführend mit einer unrichtigen Sicherheitsklasse beworben habe.

[3] Nachdem die Aktivlegitimation der Kläger im ersten Rechtsgang vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 49/21s bejaht worden war (zeitlich vor Inkrafttreten des MoRUG II, BGBl I Nr 110/2022), wiesen die Vorinstanzen die Klage nunmehr neuerlich mangels kausaler Irreführung ab.

[4] Die außerordentliche Revision der Kläger ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Welchen Eindruck eine Ankündigung auf den Durchschnittsadressaten vermittelt, ist eine Rechtsfrage, die nach objektiven Maßstäben zu lösen ist, wobei auf den Gesamteindruck abzustellen ist (vgl RS0043590 [insb T48, T49]; RS0039926, RS0078352). Die Beurteilung, ob eine Ankündigung im Einzelfall zur Irreführung nach § 2 UWG geeignet ist, und welche Informationen wesentlich sind, begründet im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 UWG (vgl RS0053112, RS0043000). Dies gilt auch für die Frage, ob eine allfällige, durch einen „Blickfang“ herbeigeführte Mehrdeutigkeit oder Irreführungseignung durch einen aufklärenden Hinweis wieder beseitigt wird (vgl RS0078542, RS0118488). Zwar muss der Anpreisende bei Mehrdeutigkeit in der Regel die für ihn ungünstigere Auslegung gegen sich gelten lassen (vgl RS0078428), eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen besteht allerdings nicht (vgl RS0078579).

[6] 2. Nach den Feststellungen suchte der Zweitkläger gezielt einen zu den Versicherungsbedingungen passenden Tresor mit einem Schutz bis zu 60.000 EUR, wofür diese einen „versperrten Geldschrank mit Gewicht über 250 kg oder einen versperrten Mauersafe (Wandsafe) mit mindestens Schlossschutzpanzer – jeweils mit VSÖ Sicherheitsstufe EN 1 und EURO-Klasse I“ voraussetzten.

[7] Maßgebend für die Verkehrsauffassung ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Werbung, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (RS0114366 [T1]; RS0123292). Anders als in der Revision argumentiert, muss aufgrund der Wichtigkeit der Auswahl des „richtigen“ Tresors daher nicht eine bloß flüchtige Betrachtung, sondern eine hohe Aufmerksamkeit unterstellt werden.

[8] Davon ausgehend ist jedoch die Rechtsansicht der Vorinstanzen vertretbar, die eine Irreführungseignung verneinten, weil die Beklagte in ihrer Produktbeschreibung und auf der Verpackung keinen Bezug zum VSÖ (Verband der Sicherheitsunternehmen Österreichs) und einen Mauer- bzw Wandsafe herstellte, sondern den 38 kg schweren Tresor ausdrücklich als „Möbeleinsatztresor“ bewarb. Weiters verwendete sie zwar ein Logo „EN-1“, präzisierte dies im Text daneben aber mit „Einbruchsicherheit Klasse '1' nach CSN EN 1143-1, geprüft und zertifiziert von SZU CZ“. (Die Prüfung und Kennzeichnung mit „EN-1“ durch dieses tschechische Institut wird zwar vom VSÖ nicht anerkannt, ist aber tatsächlich erfolgt und von der Norm nicht verboten).

[9] Auch warb die Beklagte nicht, wie von der Revision unterstellt, mit einer Versicherungsdeckung von 60.000 EUR, sondern mit „empfohlenen Versicherungssummen in Österreich und Deutschland: Gewerblich bis 20.000 EUR / privat bis 65.000 EUR“, was das Berufungsgericht vertretbar als einen Hinweis an Versicherungsunternehmen verstand, der einen Interessenten aber nicht von der Prüfung der eigenen Bedingungen entband. Aus diesen habe sich vielmehr ergeben, dass das vom Zweitkläger im Internet herausgesuchte Produkt für eine Versicherungsdeckung von 60.000 EUR schon grundsätzlich nicht in Frage kam, weil es sich dabei – ungeachtet der blickfangartigen Bewerbung mit „EN-1“ und möglichen Deckungssummen – unzweifelhaft um einen „Möbeleinsatztresor“ handelte und nicht um einen „versperrten Geldschrank mit Gewicht über 250 kg oder einen versperrten Mauersafe (Wandsafe)“.

[10] Nicht zuletzt weil auch die Versicherungsbedingungen der Kläger ausdrücklich zwischen „Möbelsafes“ und „Mauersafes“ differenzieren, bestehen keine Bedenken, wenn die Vorinstanzen eine Haftung für 60.000 EUR mangels (kausaler) Irreführung durch die Produktbeschreibung der Beklagten verneinten.

[11] 3. Ihr Eventualbegehren auf Zahlung von 20.000 EUR stützen die Kläger darauf, dass die Zertifizierung und Bewerbung mit „EN-1“ per se irreführend gewesen sei, weil der konkrete Tresor nach den Ergebnissen des Deckungsverfahrens tatsächlich nicht einmal die Anforderungen an die Klasse EN-0 nach der EN 1143-1 erfüllt habe. Diesen Betrag hätten sie vom Versicherer bei Nutzung eines „Möbelsafes mit VSÖ Sicherheitsstufe EN 0 und EURO-Klasse N“ erhalten.

[12] Das Berufungsgericht legte jedoch die Feststellungen im Deckungsverfahren sowie im erstinstanzlichen Urteil dahin aus, dass der konkrete Tresor nicht einmal die Sicherheitsstufe EN-0 „des VSÖ“ erfülle. Dies habe die Beklagte aber nie behauptet, und „EN-1“ sei auch kein Begriff der EN 1143-1 mit einem bestimmten Inhalt, der hier fälschlich suggeriert worden sei (die Norm kenne vielmehr Widerstandsklassen mit römischen Ziffern).

[13] Darauf geht die Revision ebensowenig ein wie auf die weiteren Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch. Da hier kein Unterlassungsanspruch, sondern Schadenersatz geltend gemacht wird, ist für eine Haftung der Beklagten nämlich auch Kausalität und Verschulden erforderlich (vgl RS0126600; RS0078183, RS0107058, RS0079653; s auch § 18 2. Satz UWG).

[14] Nach den – insoweit unbekämpften – erstinstanzlichen Feststellungen hätten die Kläger, wenn sie gewusst hätten, dass der Tresor nicht die VSÖ-Zertifizierung EN-1 aufwies – also bei einer nach ihrem Vorbringen ordnungsgemäßen Werbung und Aufklärung – diesen „nicht gekauft und das Geld nicht darin aufbewahrt“, sodass der für den Eventualanspruch behauptete Kausalverlauf gerade nicht feststeht. Da diese Frage nicht Gegenstand des Deckungsprozesses war, besteht insoweit auch keine Bindungswirkung durch die Streitverkündung.

[15] Der Revision gelingt es sohin nicht aufzuzeigen, dass die Klagsabweisung mangels kausaler Irreführung unvertretbar wäre und durch Sachentscheidung korrigiert werden müsste.

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