European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00042.25F.0611.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Jugendstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.
Dem Angeklagten * H* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – der Angeklagte * H*des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 3. Februar 2024 in I* mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Zueignung einer fremden beweglichen Sache unrechtmäßig zu bereichern, * A* durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Herausgabe von zehn Euro Bargeld genötigt, indem er zu ihm sagte, er würde ihm einen Haken geben, wenn er ihm nicht das Geld gebe, ihm also eine Verletzung am Körper androhte, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Undeutlichkeit iSd § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO liegt vor, wenn nach der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen eine solche Feststellung erfolgte (RIS‑Justiz RS0117995; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 419).
[5] Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) stellten die Tatrichter unzweifelhaft (im geschilderten Sinn) fest, dass der Angeklagte den A* durch die Ankündigung der sofortigen Zufügung einer Verletzung am Körper dazu veranlasste, Bargeld herauszugeben (US 4), und dass es ihm darauf ankam (US 7). Der Umstand, ob er (erfolglos) auch die Herausgabe der Geldbörse verlangte, betrifft keine entscheidende Tatsache (vgl RIS‑Justiz RS0117499; zu dieser Begrifflichkeit allgemein RIS‑Justiz RS0117264).
[6] Der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall, nominell auch Z 5 vierter Fall) zuwider setzten sich die Tatrichter mit der Aussage des Zeugen * C* auseinander, sprachen ihr aber den Beweiswert mit der Begründung ab, dass der Zeuge keine Kenntnisse vom Vorfall hatte (US 8). Mit eigenständigen, auch die Verantwortung des Angeklagten einbeziehenden Schlussfolgerungen bringt die Beschwerde Nichtigkeit aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (vgl RIS‑Justiz RS0098400 [insb T8 bis T11]).
[7] Soweit die Beschwerde (Z 5 dritter Fall) einen Widerspruch zwischen den konstatierten Äußerungen des Angeklagten gegenüber A* und den Feststellungen zur Herausgabe von Bargeld geltend macht, gibt sie die Entscheidungsgründe unvollständig wieder. Denn nach dem Urteilssachverhalt (US 4) fragte der Angeklagte A* nach Bargeld in der Geldbörse. Erst nachdem er darauf nicht reagiert hatte, drohte der Angeklagte die Zufügung einer Verletzung am Körper für den Fall an, dass A* die Geldbörse nicht herausgebe, worauf er dem Angeklagten zehn Euro überreicht habe. Inwiefern ein Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall (RIS‑Justiz RS0117402) „hinsichtlich des Tatobjekts“ vorliegen soll, wird nicht klar.
[8] Die behauptete Widersprüchlichkeit zwischen der Feststellung, dass der Angeklagte das Geld genommen und einem unbekannten Dritten übergeben habe (US 4), und der Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite, wonach jemand, der Geld abnötige und behalte, sich oder einen Dritten durch dessen Zueignung unrechtmäßig bereichern wolle (US 7), bezieht sich nicht auf eine entscheidende Tatsache. Ob nämlich der Angeklagte das Bargeld für sich behalten oder einem Dritten überlassen will, ist für die rechtliche Unterstellung der Tat unter § 142 Abs 1 und 2 StGB ohne Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0094117; auch Stricker in WK² StGB § 127 Rz 177).
[9] Mit dem Einwand, dass die Begründung der Feststellung zum vom Angeklagten gewollten Anschein der Ernstlichkeit der Drohung (US 4 und 7) ebenfalls widersprüchlich sei, weil der Angeklagte nach den Feststellungen das Bargeld einem unbekannten Dritten übergeben habe (US 4), es keine weiteren (offenkundig gemeint bekannte) Zeugen des Vorfalls gebe, der Angeklagte von mehreren Personen begleitet worden sei (US 7) und sich die beiden Mitangeklagten am Raub nicht beteiligt hätten (US 4), zeigt die Beschwerde keine Nichtigkeit aus Z 5 dritter Fall auf, sondern bekämpft sie lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung (vgl aber RIS‑Justiz RS0098471 [T1]).
[10] Die Kritik (Z 5 dritter Fall), die Feststellungen zur subjektiven Tatseite stünden mit sich selbst im Widerspruch, weil „sich der Vorsatz auf die Börse oder das Geld bezieh[e]“, fußt nicht auf den eingangs wiedergegebenen Entscheidungsgründen.
[11] Dass der Bedeutungsgehalt der Äußerung des Angeklagten, A* einen „Haken zu geben“, darin bestand, ihm einen Faustschlag und dadurch eine Verletzung am Körper anzukündigen (US 4 und 7), erschlossen die Tatrichter aus dem Wortlaut der Äußerung (US 7). Dies verstößt entgegen dem von der Mängelrüge erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) keineswegs gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze (RIS‑Justiz RS0118317) und ist darin keine Scheinbegründung zu erblicken (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 446). Im Übrigen ist es für die rechtliche Annahme einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nicht entscheidend, ob die angekündigte Zufügung einer Verletzung am Körper gerade durch einen Faustschlag erfolgen sollte.
[12] Auch der vom Erstgericht aus der „Situation“ (gemeint) bei Begehung der Tat gezogene Schluss auf die Ernstlichkeit der Drohung (US 7) stellt keine „willkürliche Annahme bzw Scheinbegründung“ dar.
[13] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen von Feststellungen dazu moniert, dass durch den Haken nicht bloß eine Misshandlung, sondern eine Körperverletzung „verursacht werden kann“, übergeht sie die Urteilskonstatierung, wonach der Angeklagtemit einer Verletzung am Körper drohte (US 4; vgl aber RIS‑Justiz RS0099810; im Übrigen RIS‑Justiz RS0118696; Hintersteininger/Obermayr, SbgK § 142 Rz 22; Kienapfel/Schmoller, BT II² § 142 Rz 31; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 142 Rz 8).
[14] Ebenso wenig orientiert sich die Behauptung einer bloß milieubedingten Unmutsäußerung an den gegenteiligen Sachverhaltsannahmen zum tätergewollten Anschein der Ernstlichkeit der Drohung (US 4 und 7; Eder‑Rieder in WK² StGB § 142 Rz 28; Kienapfel/Schmoller, BT II² § 142 Rz 34).
[15] Indem die (einen Schuldspruch nach § 105 Abs 1 StGB anstrebende) Subsumtionsrüge (Z 10, nominell auch Z 9 lit a) Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz und dessen Bezugspunkt (Geld oder Geldbörse) vermisst, nimmt sie gleichfalls nicht am Urteilssachverhalt Maß, wonach der Angeklagte gewusst hat, dass er oder ein Dritter durch die Zugeignung des Geldes bereichert wird (US 4; vgl erneut RIS‑Justiz RS0099810). Weshalb Feststellungen zum Wert der Geldbörse und des für den Angeklagten zu erwartenden „geldwerten Vorteils“ sowie dazu erforderlich sein sollten, dass der Angeklagte das Geld behalten habe (vgl jedoch abermals US 4), wird nicht klar (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565).
[16] Schließlich findet sich die für die rechtliche Beurteilung einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben notwendige Sachverhaltsgrundlage ebenfalls auf US 4.
[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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