European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0130OS00032.25T.0604.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In der Strafsache AZ 76 UT 13/24x der Staatsanwaltschaft Wien verletzt der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. September 2024 (ON 8) § 146 StGB iVm § 62 StGB und § 67 Abs 2 StGB.
Gründe:
[1] Die Staatsanwaltschaft Wien führte zum AZ 76 UT 13/24x ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter wegen Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB.
[2] Am 13. Februar 2024 stellte die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren unter Bezugnahme auf § 190 Z 1 StPO (idF vor BGBl I 2024/157) mit der Begründung ein, dass keine inländische Gerichtsbarkeit vorliege (ON 1.1 iVm ON 4).
[3] Dagegen richtete sich der Fortführungsantrag des Opfers (ON 5.2), der – soweit hier von Bedeutung – das Vorliegen eines Zwischenerfolgs im Sinn des § 67 Abs 2 StGB im Inland und damit das Vorliegen inländischer Gerichtsbarkeit relevierte.
[4] Mit Beschluss vom 11. September 2024 (ON 8) wies das Landesgericht für Strafsachen Wien den Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens ab.
[5] Nach den – im Wesentlichen mit der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft (ON 4) übereinstimmenden – Beschlussannahmen (s insbesondere BS 2 f und 5 ff) wurde DI * N* von unbekannten Tätern via sozialer Medien detailliert dazu angeleitet, zunächst ein Konto bei der Kryptohandelsplattform crypto.com, die ihren Sitz in Malta hat, zu eröffnen, um nachfolgend (von diesem Konto weg) „Kryptowährungsinvestments“ auf die – „ganz offenbar betrügerische“ – (Handels-)Plattform (kurz) coinrisename.com zu tätigen oder die Vornahme solcher Investition durch die unbekannten Täter unter Verwendung seines Kontos zu dulden. Auf dieses – in seiner Verfügungsmacht stehende – Konto bei der Kryptohandelsplattform crypto.com hat der Genannte etwa 63.000 Euro transferiert, „um gleichzeitig auf seinem Account ['Sammelwallet'] einen äquivalenten Betrag in Kryptowährung gutgeschrieben zu bekommen“.
[6] Da die Vermögensverfügung in Form der „Überweisung von Giralgeld von einem Bankkonto des Fortführungswerbers in Österreich auf das ebenfalls dem Fortführungswerber zuzuschreibende Krypto-Assets-Konto des Geschädigten bei Crypto.com in Malta wodurch dem Fortführungswerber ein äquivalenter Betrag in Kryptowährung gutgeschrieben wurde,“ nicht unmittelbar auf das Vermögen des Getäuschten oder eines Dritten einwirkte, sei insoweit nicht von einer im Sinn des § 146 StGB tatbestandlichen Vermögensverfügung auszugehen. In Österreich sei daher kein Zwischenerfolg eingetreten, weil „eine Überweisung von einem Konto des Fortführungswerbers auf ein anderes Konto des Fortführungswerbers […] keinen effektiven Verlust an Vermögenssubstanz bewirkte“.
[7] Davon ausgehend erachtete das Gericht die Verneinung inländischer Gerichtsbarkeit durch die Staatsanwaltschaft Wien als rechtskonform.
[8] Annahmen zum Aufenthaltsort des Fortführungswerbers (als Opfer des Betrugs) während der verschiedenen Phasen des Betrugsgeschehens sind dem Beschluss nicht zu entnehmen.
Rechtliche Beurteilung
[9] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[10] Gemäß § 190 Z 1 StPO idF vor BGBl I 2024/157 hat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat unter anderem dann abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, als die zugrunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre.
[11] Gemäß § 195 Abs 1 Z 1 StPO kann das die Fortführung eines von der Staatsanwaltschaft nach den §§ 190 bis 192 StPO beendeten Ermittlungsverfahrens beantragende Opfer die gerichtliche Überprüfung der Verfahrenseinstellung mit dem Argument einer rechtsfehlerhaften Entscheidung der Staatsanwaltschaft herbeiführen.
[12] Nach § 62 StGB iVm § 67 Abs 2 StGB liegt inländische Gerichtsbarkeit – soweit hier von Interesse – unter anderem dann vor, wenn der Ort, an dem ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen, im Inland liegt.
[13] Bei Erfolgsdelikten kommt es zunächst auf den tatbestandsmäßigen – also Vollendung bewirkenden – Erfolg an. Es genügt aber auch, wenn im Inland bloß ein sogenannter Zwischenerfolg eintritt (RIS-Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0092073&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False und RS0091853; Salimi in WK2 StGB § 67 Rz 30 ff; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 67 Rz 5).
[14] Als Zwischenerfolg im Sinn des § 67 Abs 2 zweiter Fall StGB ist jede im Tatbild vorausgesetzte, von der Tathandlung zumindest gedanklich abtrennbare Wirkung in der Außenwelt (Salimi in WK2 StGB § 67 Rz 29 mwN, vgl auch RIS‑Justiz RS0128534) zu verstehen, die (noch) nicht den tatbestandsmäßigen Erfolg darstellt.
[15] Vollendung bewirkender Erfolg beim Betrug ist der Eintritt eines Vermögensschadens, also der effektive Verlust an Vermögenssubstanz (RIS-Justiz RS0103999; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 58, 66 ff und 130).
[16] Darüber hinaus stellt beim Betrug als Selbstschädigungsdelikt die auf der Täuschung des Täters beruhende – sich in der Außenwelt manifestierende – Handlung, Duldung oder Unterlassung des Getäuschten, die den Eintritt des Schadens (unmittelbar) verursacht – also die die Vermögensschädigung zur Folge habende (irrtumsbedingte) Vermögensverfügung als ein Element des objektiven Tatbestands (vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 15 und 53 f sowie Kienapfel/Schmoller BT II2 § 146 Rz 108) – einen Zwischenerfolg im Sinn des § 67 Abs 2 StGB dar (vgl insbesondere 13 Os 104/01; s auch Birklbauer PK-StGB § 146 Rz 2 und Kattavenos-Lukan, Angriffe gegen Kryptowerte: Grenzenlose Blockchain – Grenzenlose Strafgewalt? JSt 2024, 350 [354]).
[17] Tatort im Sinn des § 67 Abs 2 StGB ist daher beim Tatbestand des Betrugs – soweit hier von Interesse – auch der Ort, an dem der Getäuschte die schadenskausale Vermögensverfügung vornimmt oder duldet. Liegt dieser Ort in Österreich, so ist nach § 62 StGB inländische Gerichtsbarkeit gegeben.
[18] Wird vom Fortführungswerber – wie hier – die in der Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit gelegene unrichtige Anwendung des Gesetzes (§ 195 Abs 1 Z 1 StPO) geltend gemacht, so hat der Beschluss in seiner Begründung alle für die Beurteilung des behaupteten Rechtsfehlers erforderlichen Feststellungen zu treffen (Kirchbacher, StPO15 § 86 Rz 1; Stricker in LiK‑StPO § 86 Rz 4 sowie Tipold,WK‑StPO § 86 Rz 8). Insoweit ist der Fortführungswerber also nicht zur expliziten Geltendmachung von Feststellungsmängeln (dazu RIS‑Justiz RS0118580) verhalten (15 Os 30/20f).
[19] Mit Blick auf die vom Fortführungswerber vorgenommene Ableitung des Bestehens inländischer Gerichtsbarkeit aus dem – nach seinem Dafürhalten gegebenen – Eintritt eines Zwischenerfolgs im Inland war das Gericht somit fallbezogen verhalten, Feststellungen hiezu zu treffen. Demgegenüber setzt sich der in Rede stehende Beschluss vom 11. September 2024 – ersichtlich in Verkennung der Rechtslage (vgl BS 5 ff) – auf der Tatsachenebene lediglich mit dem in Malta angenommenen Ort des (endgültigen) Erfolgseintritts auseinander. Zur Beurteilung des Vorliegens inländischer Gerichtsbarkeit infolge allfälligen Eintritts eines Zwischenerfolgs notwendige Verdachtsannahmen dazu, an welchem Ort der Fortführungswerber als Getäuschter die (täuschungsbedingten und) einen effektiven Verlust an Vermögen bewirkenden Vermögensverfügungen vornahm oder die Vornahme solcher Verfügungen durch die präsumtiven Täter duldete (vgl dazu Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 72 f mwN), lässt er hinwieder vermissen (vgl aber etwa ON 2.2 S 1, ON 2.3 und ON 2.7, die einen Aufenthaltsort des Fortführungswerbers während des gesamten Betrugsgeschehens in W* indizieren).
[20] Solcherart verletzt der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11. September 2024 § 146 StGB iVm § 62 StGB und § 67 Abs 2 StGB.
[21] Die aufgezeigte Gesetzesverletzung wirkt nicht zum Nachteil von Beschuldigten, sodass deren Feststellung nicht mit konkreter Wirkung zu verbinden war (§ 292 vorletzter Satz StPO).
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