OGH 3Ob2/25b

OGH3Ob2/25b28.5.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Böhm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch die Beurle Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Linz, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2024, GZ 1 R 208/24v‑20.2, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 3. Mai 2024, GZ 40 C 876/23y‑15.1, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00002.25B.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 602,54 EUR (darin enthalten 100,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist ein Energieunternehmen und belieferte den Kläger aufgrund von drei Stromlieferverträgen für unterschiedliche Anlagen bereits vor dem 1. August 2023 mit Strom zum Bestandskundentarif von 13,04 Cent/kWh brutto.

[2] Im Juni 2023 erhielt der Kläger von der Beklagten eine „wichtige Information“ zur Preisänderung und Änderung der Allgemeinen Stromlieferbedingungen sowie ein „Vorteilsangebot“ zum Abschluss eines neuen Stromliefervertrags. Darin wies die Beklagte darauf hin, dass sie mit Wirksamkeit zum 1. August 2023 eine Preisänderung vornehmen müsse, wobei sie folgende zwei Möglichkeiten anbot: Entweder den Abschluss eines neuen Stromliefervertrags mit einem Verbrauchspreis von 19,80 Cent/kWh brutto und einer Grundpauschale von 3,90 EUR/Monat brutto mit einer 12‑monatigen Mindestvertragslaufzeit, einer 12‑monatigen Preisgarantie und der Mitgliedschaft im K*-Plus-Club, wobei im Fall der Zustimmung zu diesem Angebot der bestehende Stromliefervertrag im beiderseitigen Einvernehmen mit 31. Juli 2023 beendet und ab 1. August 2023 durch den neuen Stromliefervertrag ersetzt wird. Oder das Akzeptieren der Anpassung des bestehenden Stromtarifs nach § 80 Abs 2a ElWOG auf einen Verbrauchspreis von 24,84 Cent/kWh brutto und eine Grundpauschale von 3,90 EUR/Monat brutto und Änderung der Allgemeinen Stromlieferbedingungen oder Erheben eines Widerspruchs (Kündigung des Stromliefervertrags durch den Kläger). Wenn der Kläger mit dieser Preisanpassung und der Änderung der Allgemeinen Stromlieferbedingungen einverstanden sei, brauche er nichts Weiteres zu tun. In diesem Fall würden die neuen Energiepreise und Allgemeinen Stromlieferbedingungen ab 1. August 2023 als vereinbart gelten.

[3] Der Kläger entschloss sich im August 2023 dazu, für die drei Anlagen neue Stromlieferverträge zum „Vorteilstarif“ rückwirkend beginnend mit 1. August 2023 abzuschließen. Seit 1. August 2023 wird er von der Beklagten zu einem Verbrauchspreis von 19,80 Cent/kWh brutto und einer Grundpauschale von 3,90 EUR/Monat mit Strom versorgt. Zu einer „Kündigung“ der Stromlieferverträge kam es nicht.

[4] Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Erhöhung des Strompreises hinsichtlich des jeweiligen Stromliefervertrags mit Wirkung zum 1. August 2023 gegen zwingende Bestimmungen, insbesondere § 80 Abs 2a ElWOG verstoße und daher nicht rechtswirksam vereinbart worden sei; in eventu, dass mit Wirkung vom 1. August 2023 ein Preis von 19,80 Cent/kWh brutto nicht rechtswirksam vereinbart worden sei. Die angekündigte Änderung des Strompreises widerspreche § 80 Abs 2a ElWOG und sei daher ungültig. Überdies handle es sich beim Abschluss neuer Stromverträge zu einem höheren Strompreis bloß um ein Umgehungsgeschäft, auf das die Regelung über das umgangene Geschäft – also jene betreffend einseitige Preisänderungen – anzuwenden sei.

[5] Die Beklagte wendete ein, die neuen Stromlieferverträge seien rechtswirksam zustande gekommen. Eine einseitige Preisänderung liege nicht vor, sodass § 80 Abs 2a ElWOG nicht anwendbar sei. Ein verbotenes Umgehungsgeschäft liege nicht vor.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Streitteile hätten einvernehmlich neue Stromlieferverträge abgeschlossen. Dabei handle es sich nicht um eine einseitige Preisänderung im Sinn des § 80 Abs 2a ElWOG. Darin liege auch kein Umgehungsgeschäft, weil durch die neu abgeschlossenen Verträge der Normzweck des § 80 Abs 2a ElWOG nicht vereitelt werde.

[8] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 80 Abs 2a ElWOG auch dann anzuwenden sei, wenn vom Stromlieferanten eine Preiserhöhung, verbunden mit dem – vom Kunden angenommenen – Anbot auf Abschluss eines neuen Vertrags, angekündigt werde, ohne dass eine Änderungskündigung erfolge.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[10] 1. Die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung und vom Kläger in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob sich aus § 80 Abs 2a ElWOG die Unwirksamkeit des (einvernehmlichen) Abschlusses eines neuen Vertrags ableiten lässt, ist in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt.

[11] 1.1 Der erkennende Senat setzte sich in der Entscheidung zu 3 Ob 7/24m – in einem Fall, in dem der Lieferant die mit einem (nicht angenommenen) Anbot auf Abschluss eines neuen Stromliefervertrags (mit höherem Strompreis) verbundene Kündigung des bestehenden Stromliefervertrags aussprach – ausführlich mit dem Anwendungsbereich des § 80 Abs 2a ElWOG auseinander. Danach betreffen die Bestimmungen des § 80 Abs 2 und Abs 2a ElWOG schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut und überdies im Einklang mit Art 10 Abs 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt-RL 2019/944/EU einseitige Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte im aufrechten Vertragsverhältnis, nach welchen der Kunde berechtigt ist, die Kündigung des Vertrags kostenlos und ungeachtet allfälliger vertraglicher Bindungen zu erklären (3 Ob 7/24m [Rz 42]). Auch in dem Fall, dass der Lieferant eine ordentliche Kündigung ausspricht und gleichzeitig den – von einem Tätigwerden des Verbrauchers abhängigen – Abschluss eines neuen Vertrags anbietet, besteht grundsätzlich kein Bedarf nach der (ausschließlichen oder ergänzenden) Anwendung von Vorschriften, die sich allein auf die einseitige Änderung von Vertragspflichten bei aufrecht bleibendem Vertragsverhältnis beziehen, unterliegt doch der Neuabschluss eines Vertrags ohnehin der dafür – namentlich zum Schutz des Verbrauchers – vorgesehenen Geltungs- und Inhaltskontrolle (3 Ob 7/24m [Rz 43, 45]).

[12] 1.2 Von diesen Wertungen ging der Oberste Gerichtshof in weiterer Folge auch in mehreren anderen Entscheidungen aus, denen gleichgelagerte bzw vergleichbare Fälle zugrunde lagen (9 Ob 59/23a; 7 Ob 36/24f; 8 Ob 7/24y; 1 Ob 5/24b; 6 Ob 199/23t). Abgestellt wurde dabei durchwegs darauf, ob eine einseitige Änderung der vertraglichen Entgelte vorlag, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Vertrag durch ordentliche Kündigung beendet und zugleich ein neuer Vertragsabschluss angeboten wird oder im Fall einer Zustimmung des Kunden die Fortsetzung des Vertrags zu neuen Bedingungen erfolgt (9 Ob 59/23a [Rz 14]; 7 Ob 36/24f [Rz 8]; 6 Ob 199/23t [Rz 7]; 10 Ob 19/25d [Rz 13]).

[13] 1.3 In der Entscheidung zu 10 Ob 19/25d wendete der Oberste Gerichtshof diese Grundsätze jüngst auf eine mit dem vorliegenden Fall praktisch idente – ebenfalls auf die Rechtsunwirksamkeit der durch den neuen Vertragsabschluss vorgenommenen Erhöhung des Strompreises gerichtete – Feststellungsklage eines anderen Kunden der hier Beklagten mit nahezu gleichem Sachverhalt an. Auch dort bot die Beklagte als Stromlieferantin dem Kunden schriftlich den Abschluss eines neuen Vertrags (zu höheren Preisen) als Alternative zu einer ansonsten von ihr in Aussicht gestellten einseitigen (weitergehenden) Preiserhöhung an. In der Folge stimmte der Kunde – wie hier der Kläger – dem Abschluss neuer Stromlieferverträge zu, ohne dass von der Beklagten eine (Änderungs-)Kündigung ausgesprochen wurde. Der 10. Senat gelangte zum Ergebnis, dass nach der Rechtsprechung die Bestimmung des § 80 Abs 2a ElWOG (nur) einseitige Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte im aufrechten Vertragsverhältnis betrifft. Der dort zu beurteilende Vertrag wurde zwar nicht durch Kündigung beendet und es wurde auch keine Änderungskündigung ausgesprochen. Dies war aber für die Anwendung der genannten Bestimmung nicht entscheidend, weil es nicht zu einer einseitigen Änderung der vertraglichen Entgelte kam. Aufgrund des aktiven Tätigwerdens des Klägers wurden vielmehr – wie in den den Entscheidungen zu 7 Ob 36/24f und 6 Ob 199/23t zugrunde liegenden Fällen – (einvernehmlich) neue Stromlieferverträge zu neuen Bedingungen abgeschlossen, sodass ein dem § 80 Abs 2a ElWOG unterliegender Sachverhalt nicht zu beurteilen war (10 Ob 19/25d [Rz 14]).

[14] 1.4 Nichts anderes kann auch für den vorliegenden Fall gelten. Mit seinen Erwägungen, im Wortlaut des § 80 Abs 2a ElWOG finde sich kein Hinweis darauf, dass diese Bestimmung nur bei einseitigen Änderungen des vertraglichen Entgelts bei aufrechtem Vertragsverhältnis Anwendung finde, ist der Kläger auf die gegenteiligen Ausführungen in der Entscheidung zu 3 Ob 7/24m (Rz 42 ff) zu verweisen. An dieser Rechtsansicht ändert es nichts, dass der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 7/24m mangels Annahme durch den dortigen Kunden nicht zu beurteilen hatte, ob das Angebot der dort beklagten Stromlieferantin auf Abschluss eines neuen Vertrags mit einem höheren Strompreis den dafür maßgeblichen gesetzlichen Anforderungen oder den Vorgaben des § 80 Abs 2a ElWOG entsprochen hat (Rz 46). Warum diese Rechtsansicht Art 10 Abs 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt-RL 2019/944/EU widersprechen soll, vermag der Kläger nicht schlüssig darzulegen.

[15] 1.5 Entgegen dem Standpunkt der Revision spricht der Umstand, dass nach § 80 Abs 2a Satz 4 ElWOG der Verbraucher bei einer Entgeltänderung unter anderem auf seine Kündigungsmöglichkeit hinzuweisen ist, nicht dafür, die Abschlüsse neuer Stromlieferverträge in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung einzubeziehen, weil auch daraus – aufgrund der Bezugnahme auf die Kündigung – deutlich wird, dass nur Änderungen aufrechter Vertragsverhältnisse von der Bestimmung erfasst werden.

[16] 1.6 Die vom Kläger für die Anwendung des § 80 Abs 2a ElWOG ins Treffen geführte Entscheidung zu 9 Ob 16/18w betrifft eine spezifisch abweichende gesetzliche Regelung, nämlich § 29 Abs 1 (aF) bzw § 50 Abs 1 ZaDiG (idgF), dessen Z 2 den – hier nicht vorliegenden – Fall einer vereinbarten Zustimmungsfiktion betrifft. Diese Entscheidung ist daher nicht einschlägig (3 Ob 7/24m [Rz 44]).

[17] 1.7 Entgegen der Ansicht des Klägers kommt es für die Anwendung des § 80 Abs 2a ElWOG auf den vorliegenden Sachverhalt auch nicht darauf an, ob die Bestimmung zwingend ist, sondern darauf, ob ihr Anwendungsbereich eröffnet ist. Dies ist hier nicht der Fall.

[18] 2. Soweit der Kläger in der Revision die Auffassung vertritt, mit dem Abschluss eines neuen Stromliefervertrags zu einem höheren Preis hätten die für eine Preiserhöhung in bestehenden Verträgen geltenden Bestimmungen umgangen werden sollen, unterlässt er es, sich mit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts auseinanderzusetzen, wonach die umgangene Norm – selbst bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts – auf dieses nur dann anzuwenden sei, wenn sonst der Zweck der umgangenen Norm vereitelt würde (vgl RS0016469 [T8]; 9 ObA 78/18p [Pkt 7.]), was hier nicht der Fall sei, weil der Neuabschluss ohnehin der Geltungs- und Inhaltskontrolle unterliege (vgl RS0043654; 3 Ob 139/12f [Pkt 5.3.]). Auch eine in der Revision angesprochene (unbegründete) „Schlechterstellung“ des Klägers gegenüber Kunden, deren Entgelte im bestehenden Vertragsverhältnis geändert werden, ist nicht ersichtlich.

[19] 3. Auf die in erster und zweiter Instanz noch für die Feststellungsbegehren herangezogenen Rechtsgründe des Irrtums (§ 871 Abs 1 ABGB), der listigen Irreführung (§ 874 ABGB) und der Anwendung des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG auf den Neuabschluss des Stromliefervertrags kommt der Kläger in der Revision nicht mehr zurück (RS0043352 [insb T31, T35]; RS0043338 [insb T15, T20]).

[20] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte