OGH 10Ob19/25d

OGH10Ob19/25d18.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Schober, Dr. Annerl, Dr. Vollmaier und die Hofrätin Dr. Wallner‑Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*, vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K*, vertreten durch die BEURLE Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Linz, wegen Feststellung (Streitwert 5.100 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2024, GZ 1 R 255/24f‑28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 31. Mai 2024, GZ 15 C 939/23d‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00019.25D.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 602,54 EUR (darin enthalten 100,42 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist ein Energielieferunternehmen und belieferte den Kläger aufgrund von zwei unbefristeten Stromlieferverträgen bereits vor dem 1. August 2023 mit Strom zu einem Verbrauchspreis von 13,04 Cent/kWh brutto.

[2] Im Juni 2023 erhielt der Kläger von der Beklagten eine „wichtige Information“ zur Preisänderung und Änderung der Allgemeinen Stromlieferbedingungen sowie ein Vorteilsangebot zum Abschluss eines neuen Stromliefervertrags folgenden Inhalts:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist uns wichtig, Energie zu fairen und stabilen Preisen anzubieten. In den vergangenen zwei Jahren gab es auf den nationalen und internationalen Energiemärkten extreme Preisschwankungen. Dank unserer langfristigen Beschaffungsstrategie konnten wir trotzdem unseren Strompreis seit rund eineinhalb Jahren stabil halten. Er zählt zu den günstigsten in Österreich. Jedoch zeigt sich, dass die Marktpreise für Energie immer noch deutlich über ihrem aktuellen Tarif liegen. Das führt dazu, dass auch wir, als einer der letzten Energieversorger in Österreich, mit Wirksamkeit zum 01.08.2023 eine Preisanpassung vornehmen müssen. Wir bieten Ihnen hierzu zwei Möglichkeiten (Details auf den nachfolgenden Seiten):

Möglichkeit I: Abschluss eines neuen Stromliefervertrages mit zusätzlichen Vorteilen für Sie

[…]

Möglichkeit II: Akzeptieren der Anpassung des bestehenden Stromtarifs nach § 80 Abs 2a ElWOG und Änderung der Allgemeinen Stromlieferbedingungen oder Erheben eines Widerspruchs (Kündigung des Stromliefervertrags Ihrerseits) […]

[3] Auf Seite 3 des Informationsschreibens wurde der „Vorteilstarif“ gemäß Möglichkeit I mit einem Verbrauchspreis von 19,80 Cent/kWh brutto und einer Grundpauschale von 3,90 EUR/Monat brutto ausgewiesen. Zudem wurde festgehalten, dass der Kunde in Verbindung mit einer 12‑monatigen Mindestvertragslaufzeit eine 12‑monatige Preisgarantie und die Mitgliedschaft im K*‑Club erhält.

[4] Zum Stromtarif gemäß Möglichkeit II wies die Beklagte ab 1. August 2023 einen Verbrauchspreis von 24,84 Cent/kWh brutto und eine Grundpauschale von 3,90 EUR/Monat brutto aus.

[5] Mit E‑Mail vom 2. Juli 2023 erklärte der Kläger ausdrücklich seine Zustimmung zum Abschluss neuer Stromlieferverträge zum „Vorteilstarif“ mit Wirkung ab 1. August 2023. Mit Abgabe der Zustimmungserklärung stimmte er auch der Beendigung der ursprünglichen Verträge zu.

[6] Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Erhöhung des Strompreises hinsichtlich des jeweiligen Stromliefervertrags mit Wirkung zum 1. August 2023, mit dem der Strompreis von 13,04 Cent/kWh brutto auf 19,80 Cent/kWh brutto angehoben wurde, gegen zwingende Bestimmungen, insbesondere § 80 Abs 2a ElWOG verstoße und daher nicht rechtswirksam vereinbart worden sei. Die angekündigte Änderung des Strompreises widerspreche § 80 Abs 2a ElWOG und sei daher ungültig. Der Kläger fechte die Auflösung des ursprünglichen Vertrags durch Abschluss des neuen Vertrags überdies wegen Arglist an, weil die Beklagte nie die Absicht gehabt habe, 24,84 Cent/kWh in Zukunft zu verrechnen, sondern diese Angabe nur gemacht habe, um ihre Kunden zum Umstieg auf den Vorteilstarif zu bewegen; auch wenn kein Vorsatz vorgelegen sei, sei der Irrtum von der Beklagten veranlasst worden.

[7] Die Beklagte wendete ein, eine einseitige Preisänderung liege nicht vor, sodass § 80 Abs 2a ElWOG nicht anwendbar sei. Es liege auch kein anfechtbarer Geschäfts‑ oder Erklärungsirrtum vor; wenn überhaupt, mache der Kläger einen unbeachtlichen Motivirrtum geltend. Den Entschluss, den höheren Tarif einzustellen, habe die Beklagte erst nach dem Schreiben vom Juni 2023 gefasst, und eine unrichtige Information sei mit diesem Schreiben nicht erteilt worden.

[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe in geeigneter Weise über die auf den Energiemärkten bemerkbaren Preisschwankungen und auftretende Risiken und die Notwendigkeit der Preiserhöhung informiert. Er sei mit dem Informationsschreiben nicht in einen Irrtum geführt worden.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Beim einvernehmlichen Abschluss der neuen Verträge handle es sich nicht um eine einseitige Preisänderung im Sinn des § 80 Abs 2a ElWOG. Ob die Preisanpassung des zunächst bestehenden Stromtarifs im Einklang mit § 80 Abs 2a ElWOG gestanden wäre, sei daher nicht zu prüfen. Das Erstgericht habe unter Zugrundelegung der unbekämpften Feststellungen abgeleitet, dass eine Kausalität zwischen der behaupteten Täuschung und dem Abschluss nicht vorliege. Mangels Kausalität eines Irrtums komme eine Anfechtung weder nach § 870 ABGB, noch nach § 871 ABGB in Betracht.

[10] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 80 Abs 2a ElWOG auch dann anzuwenden sei, wenn keine Änderungskündigung erfolge, sondern eine Preiserhöhung, verbunden mit dem – vom Kunden angenommenen – Anbot auf Abschluss eines neuen Vertrags, angekündigt werde.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[12] 1.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 3 Ob 7/24m – in einem Fall, in dem der Lieferant die mit einem (nicht angenommenen) Anbot auf Abschluss eines neuen Stromliefervertrags (mit höherem Strompreis) verbundene Kündigung des bestehenden Stromliefervertrags aussprach – zum Anwendungsbereich des § 80 Abs 2a ElWOG Stellung genommen. Danach betreffen die Bestimmungen des § 80 Abs 2 und Abs 2a ElWOG schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut und überdies im Einklang mit Art 10 Abs 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt-RL 2019/944/EU einseitige Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte im aufrechten Vertragsverhältnis, nach welchen der Kunde berechtigt ist, die Kündigung des Vertrags kostenlos und ungeachtet allfälliger vertraglicher Bindungen zu erklären (3 Ob 7/24m Rz 42). Auch in dem Fall, dass der Lieferant eine ordentliche Kündigung ausspricht und gleichzeitig den – von einem Tätigwerden des Konsumenten abhängigen – Abschluss eines neuen Vertrags anbietet, besteht grundsätzlich kein Bedarf nach der (ausschließlichen oder ergänzenden) Anwendung von Vorschriften, die sich allein auf die einseitige Änderung von Vertragspflichten bei aufrecht bleibendem Vertragsverhältnis beziehen, unterliegt doch der Neuabschluss eines Vertrags ohnehin der dafür – namentlich zum Schutz des Verbrauchers – vorgesehenen Geltungs‑ und Inhaltskontrolle (3 Ob 7/24m Rz 43).

[13] Von diesen Wertungen ging der Oberste Gerichtshof in weiterer Folge in mehreren Entscheidungen aus, denen gleichgelagerte bzw vergleichbare Fälle zugrunde lagen (9 Ob 59/23a; 7 Ob 36/24f; 8 Ob 7/24y; 1 Ob 5/24b; 6 Ob 199/23t). Abgestellt wurde dabei durchwegs darauf, ob eine einseitige Änderung der vertraglichen Entgelte vorlag, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Vertrag durch ordentliche Kündigung beendet und zugleich ein neuer Vertragsabschluss angeboten wird oder im Fall einer Zustimmung des Kunden die Fortsetzung des Vertrags zu neuen Bedingungen erfolgt (9 Ob 59/23a Rz 14; 7 Ob 36/24f Rz 8; 6 Ob 199/23t Rz 7).

[14] 1.2. Nach der Rechtsprechung betrifft die Bestimmung des § 80 Abs 2a ElWOG, auf die sich der Kläger zur Begründung seines Begehrens bezieht, (nur) einseitige Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte im aufrechten Vertragsverhältnis. Hier wurde der Vertrag zwar nicht durch Kündigung beendet und auch keine Änderungskündigung ausgesprochen. Dies ist aber für die Anwendung des § 80 Abs 2a ElWOG nicht entscheidend, weil es nicht zu einer einseitigen Änderung der vertraglichen Entgelte kam. Aufgrund des aktiven Tätigwerdens des Klägers kam es vielmehr – wie in den den Entscheidungen 7 Ob 36/24f und 6 Ob 199/23t zugrunde liegenden Fällen – zum (einvernehmlichen) Abschluss neuer Stromlieferverträge zu neuen Bedingungen, sodass ein dem § 80 Abs 2a ElWOG unterliegender Sachverhalt nicht zu beurteilen ist.

[15] 1.3. Die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung und vom Kläger in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob sich aus § 80 Abs 2a ElWOG die Unwirksamkeit des (einvernehmlichen) Abschlusses eines neuen Vertrags ableiten lässt, ist daher in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits – wenn auch nicht im Sinn des Rechtsstandpunkts des Klägers – geklärt. Da keine einseitige Änderung der Entgelte zu beurteilen ist, besteht auch für die in der Revision angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof keine Veranlassung.

[16] 2. Soweit der Kläger die Anfechtbarkeit und Sittenwidrigkeit des Abschlusses der neuen Stromlieferverträge (mit höheren Strompreisen) auf einen (nach seinen Behauptungen vorsätzlich verursachten) Irrtum (über die Zulässigkeit der angekündigten einseitigen Preisänderung) stützt, geht er auf die Beurteilung des Berufungsgerichts, das die Kausalität eines Irrtums des Klägers auf Basis des festgestellten Sachverhalts verneinte, nicht ein. Mit der bloßen und nicht näher begründeten Behauptung des Vorliegens der Kausalität legt er nicht dar, aus welchen Gründen die Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig sein soll, sodass die Rechtsrüge insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043605; RS0041719).

[17] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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