European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00194.24X.0527.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Amtshaftung inkl. StEG, Unionsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 939,50 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger gewährte der G* GmbH („G*“) am 7. 3. 2019 ein qualifiziertes Nachrangdarlehen über 12.638,50 EUR mit einer Laufzeit von 24 Monaten. Die Darlehensbedingungen enthielten folgende Klausel (Beilage ./6, S 57; vgl RS0121557 [T3]):
§ 7
Nachrangigkeit
(1) Die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin gleichrangig sind.
(2) Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin dürfen die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt werden, sodass Zahlungen an den Darlehensgeber so lange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind.
[2] 2022 eröffnete das Handelsgericht Wien das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G*.
[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung Zahlung von 12.638,50 EUR sA, in eventu die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus der Darlehensgewährung an die G*. Er stützt seine Ansprüche auf das Fehlverhalten mehrerer Behörden, für deren Organe der beklagte Rechtsträger hafte.
[4] Bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) sei bereits 2018 eine Sachverhaltsdarstellung ua wegen des Verdachts des Betrugs durch den Geschäftsführer der G* eingebracht worden. Die WKStA habe das Ermittlungsverfahren 2021 eingestellt und beschlagnahmte Vermögenswerte von 3.567.140,08 EUR freigegeben, weil ein Betrug nicht nachweisbar sein werde; dies obwohl es sich bei dem angewendeten Ponzi‑Schema um eine bekannte Betrugsmasche im Finanzsektor handle. Der Kläger sei von der – rechtlich unvertretbaren – Einstellung nicht informiert worden und habe daher keinen Fortsetzungsantrag stellen können. Wäre die WKStA ihren Ermittlungspflichten nach § 2 StPO nachgekommen, hätte der Schaden des Klägers aus den beschlagnahmten Guthaben gutgemacht werden können. Mittlerweile sei die Gesellschaft insolvent, die beschlagnahmten Gelder verschwunden und der ehemalige Geschäftsführer nicht greifbar. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Einstellung geschädigtes Opfer der Straftaten des Geschäftsführers im Sinn des § 65 Z 1 lit c StPO gewesen sei, seien seine Ersatzansprüche vom Schutzzweck der StPO erfasst.
[5] Die Finanzmarktaufsichtsbehörde („FMA“) habe die Geschäftstätigkeit der G* nicht untersagt, obwohl erkennbar gewesen wäre, dass die von ihr betriebenen Geschäfte – aus vom Kläger näher dargelegten Gründen – rechtswidrig gewesen seien, die Aufnahme der qualifizierten Nachrangdarlehen durch die G* konzessionslos erfolgt sei und diese keiner (unionsrechtlich zwingend vorgesehenen) Einrichtung zur Einlagensicherung und Anlegerentschädigung angehört habe. Eine Anwendung des Haftungsausschlusses des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG auf den vorliegenden Fall wäre unionsrechtswidrig, weil dessen Zulässigkeit voraussetze, dass der Geschädigte eine Entschädigung aus einer solchen Sicherungseinrichtung erhalten habe, was hier nicht der Fall sei.
[6] Schließlich habe es auch die Gewerbebehörde unterlassen, die ihr nach der GewO 1994 zukommenden Pflichten zu erfüllen und zu überprüfen, ob die G* das Gewerberecht einhalte. Diese habe dadurch Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB verletzt, wofür die Beklagte ebenfalls hafte. Die Gesellschaft habe ab 2015 eine Gewerbeberechtigung als Pfandleiherin gehabt, jedoch – zum Teil schon früher – konzessionspflichtige Finanz- und Bankgeschäfte betrieben, Liegenschaften und Gesellschaftsanteile gesetzwidrig in Pfand genommen und weitere Geschäfte fernab ihrer Gewerbeberechtigung, insbesondere gewerbliche Vermögensberatung, getätigt. Da die Gewerbebehörde gewusst habe, dass der Geschäftsführer deutscher Staatsbürger sei, hätte sie eine deutsche Strafregisterbescheinigung verlangen müssen. Daraus wäre hervorgegangen, dass dieser in Deutschland bereits 2010 wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung und wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden sei, sodass keine Gewerbeberechtigung hätte erteilt werden dürfen. Die Gewerbebehörde hätte auch erkennen müssen, dass sich die Gesellschaft nicht an die Wohlverhaltensregeln des WAG 2018 gehalten, keine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen und sich über gewerberechtliche Vorschriften hinweggesetzt habe; sie hätte einstweilige Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen verfügen und Verwaltungsstrafen verhängen müssen. Wäre sie ihren Aufsichtspflichten nachgekommen, hätte die G* keine gewerbliche Tätigkeit ausüben dürfen und der Kläger hätte nie investieren können. Der Schutzzweck der GewO 1994 umfasse alle Personen, die mit dem Gewerbetreibenden in Geschäftsbeziehung stünden und damit auch den Kläger.
[7] Die Beklagte bestreitet.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ausgehend vom Vorbringen des Klägers ab.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
[10] Der Kläger habe vorgebracht, dass seinSchaden bereits mit Zahlung an die G* am 7. 3. 2019 eingetreten, das Ermittlungsverfahrens der WKStA aber erst 2021 eingestellt worden sei. Dies könne daher für den Schaden nicht ursächlich gewesen sein. Im Übrigen dienten nicht alle Bestimmungen der StPO auch dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten. § 190 Z 2 StPO [aF] über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens solle den Beschuldigten vor ungerechtfertigter Strafverfolgung schützen, nicht jedoch allfällige Opfer vor dem Verlust der Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung. Es fehle daher auch am Rechtswidrigkeitszusammenhang.
[11] Zur Haftung für ein behauptetes Fehlverhalten der FMA ging das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei den der G* gewährten qualifizierten Nachrangdarlehen um keine „normalen Bankgeschäfte“ (durch Einlagen bei einem Kreditinstitut) gehandelt habe, weshalb diese von der RL 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (Einlagensicherungsrichtlinie) nicht erfasst gewesen wären. Einem Amtshaftungsanspruch stehe außerdem der Haftungsausschluss des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG entgegen. Diese Bestimmung stehe nicht im Widerspruch zum Unionsrecht, weil sie keine zwingende Haftung nationaler Aufsichtsbehörden (oder der Mitgliedstaaten) gegenüber An- oder Einlegern für eine unzureichende Finanzmarktaufsicht vorsehe. Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehe jedenfalls dann kein Anspruch eines An- oder Einlegers, dass die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten in seinem Interesse tätig würden, wenn der betreffende Staat – wie Österreich – ein Einlagensicherungssystem geschaffen habe. Bestehe ein solches System, komme es für die unionsrechtliche Wirksamkeit des Haftungsausschlusses nicht darauf an, ob die konkrete An- oder Einlage des Geschädigten gesichert sei.
[12] Zum Vorwurf, die Gewerbebehördesei nicht gegen jene Aktivitäten der G* eingeschritten, die diese vor Anmeldung ihres Gewerbes bzw über ihre Gewerbeberechtigung hinaus gesetzt habe, erschließe sich schon der Kausalzusammenhang mit dem behaupteten Schaden nicht. Der Kläger habe nach seinem Vorbringen erst 2018 – somit lange nach Anmeldung des Gewerbes der Pfandleihe im Jahr 2015 – investiert, sodass selbst eine Untersagung des Betriebs zwischen 2012 bis 2015 seinen Schaden nicht verhindert hätte. Welche gewerbliche Tätigkeiten die G* tatsächlich ausgeübt habe, könne ebenfalls keine Rolle spielen, weil der Schaden nicht durch eine bestimmte Tätigkeit, sondern durch die – jedem Unternehmen offenstehende – Aufnahme eines qualifizierten Nachrangdarlehens verursacht worden sei. Das Vorbringen gehe offenbar davon aus, dass eine von der G* gemäß § 136a Abs 12 GewO 1994 abgeschlossene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung den durch Betrug verursachten Schaden des Klägers abgedeckt hätte. Allerdings sei nicht vorgebracht worden, aufgrund welcher konkreten, ihr zur Kenntnis gelangten Umstände oder Hinweise die Gewerbebehörde darauf hätte schließen müssen, dass die G* als Vermögensberaterin tätig gewesen sei, und deshalb das Bestehen der dafür vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung hätte kontrollieren sollen. Da damit ein allfälliges Verschulden der Organe der Gewerbebehörde nicht beurteilt werden könne, sei das Klagevorbringen auch insoweit unschlüssig, worauf die Beklagte hingewiesen habe.
[13] Der Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes gelte gemäß § 13 Abs 1 Z 2 GewO 1994 nur bei noch nicht getilgten Verurteilungen. Gemäß § 7 Abs 1 TilgG stünden ausländische Verurteilungen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen gleich. Gemäß § 7 Abs 2 leg cit beginne die Tilgungsfrist ausländischer Verurteilungen mit dem Tag, der sich ergebe, wenn man dem Tag ihrer Rechtskraft die Dauer der mit ihr ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder der Summe dieser Strafen hinzurechne; wenn keine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden sei jedoch mit Rechtskraft der Verurteilung. Nach § 3 Abs 1 Z 2 TilgG betrage die Tilgungsfrist bei Vorliegen einer einzigen Verurteilung fünf Jahre, wenn nur eine Geldstrafe verhängt worden sei. Nach den vom Kläger vorgelegten Beilagen ./A und ./B, nach denen der Geschäftsführer der G* in Deutschland am 17. 5. 2010 (rechtskräftig mit 9. 6. 2010) wegen §§ 53, 266a Abs 1 (deutsches) StGB, § 15a Abs 4 (deutsche) InsO zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Einholung einer deutschen Strafregisterbescheinigung durch die Gewerbebehörde lediglich eine Verurteilung zutage gefördert hätte, die im Zeitpunkt des Entstehens der Gewerbeberechtigung (das sei bei Pfandleihern gemäß § 155 Abs 2 GewO 1994 der Zeitpunkt der Genehmigung der vom Bewerber vorzulegenden Geschäftsordnung, hier der 24. 6. 2015) bereits getilgt gewesen sei (und zwar mit 9. 6. 2015) und daher keine Untersagung der Gewerbeausübung gerechtfertigt hätte. Auch die Unterlassung der Einholung der Strafregisterbescheinigung könne daher den Schaden des Klägers nicht verursacht haben, sodass die Unschlüssigkeit des Klagevorbringens insoweit unbehebbar sei.
[14] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage, ob § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG auch unionsrechtskonform sei, wenn die geschädigten Anleger im konkreten Fall keinen Anspruch aus der Einlagensicherung hätten, in der Rechtsprechung bisher nicht ausdrücklich beantwortet worden sei.
Rechtliche Beurteilung
[15] Die Revision des Klägers ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Nichtigkeit
[16] Im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof kann eine vom Berufungsgericht verworfene (angebliche) Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (hier § 477 Abs 1 Z 9 ZPO) nicht mehr geltend gemacht werden (RS0043405).
2. Zur Haftung für das Handeln der WKStA
[17] 2.1. Die Rechtsrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn nicht dargelegt wird, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig erscheint (RS0043603; RS0043605).
[18] 2.2. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der Ansicht des Berufungsgerichts nicht beigetreten werden kann, er habe die Kausalität zwischen der Einstellung des Strafverfahrens und der Aufhebung der Sicherstellung und dem geltend gemachten Schaden nicht schlüssig dargelegt. Auch die ungerechtfertigte Aufhebung einerSicherstellungmag einen Schaden des Opfers begründen, wenn ihm dadurch die Möglichkeit der Befriedigung seiner Forderung entzogen wird. Damit ist dem Kläger aber nicht geholfen.
[19] 2.3. Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, dienen nicht alle Bestimmungen der StPO bei der maßgebenden teleologischen Betrachtungsweise auch dem Schutz des durch eine Straftat Geschädigten. Vielmehr ist bei jeder einzelnen Norm der StPO der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinnes der Vorschrift ergibt (RS0050078).
[20] Das Berufungsgericht gelangte zu dem Schluss, dass § 190 StPO (Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen rechtlicher oder faktischer Verfolgungsschranken, hier: „kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten“) den Beschuldigten vor ungerechtfertigter Strafverfolgung, nicht aber allfällige Opfer vor dem Verlust der Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung schützen soll.
[21] In seinem Rechtsmittel setzt sich der Kläger mit dieser Beurteilung nicht auseinander und nimmt zum Schutzzweck des § 190 StPO nicht Stellung. Die Rechtsrüge ist insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [T9]).
[22] Fehlt aber der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Einstellung des Ermittlungsverfahrens und dem geltend gemachten Schaden des Klägers, kann für die Aufhebung der Sicherstellung, die hier bloß Ausfluss der Verfahrenseinstellung nach § 190 StPO ist, nichts anderes gelten:
[23] Gemäß § 113 Abs 3 StPO hat die Staatsanwaltschaft eine Sicherstellung zur Sicherung vermögensrechtlicher Maßnahmen aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen wegfallen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der hinreichende Verdacht der Erlangung von Vermögenswerten für oder durch die Begehung strafbarer Handlungen mittlerweile entkräftet wurde (Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK‑StPO § 113 Rz 16 [Stand 1. 3. 2021, rdb.at]).
[24] Selbst wenn der Schutzzweck des § 110 Abs 1 Z 2 StPO daher, wie der Kläger meint, die Schadenswiedergutmachung umfassen würde, könnte er aus der Aufhebung der Sicherstellung in der konkreten Konstellation keine Ansprüche ableiten, weil er keine über die (vermeintlich unvertretbare) Einstellung des Ermittlungsverfahrens hinausgehenden haftungsbegründenden Handlungen der WKStA behauptet.
3. Zur Haftung für das Handeln der FMA
[25] 3.1. Der Revisionswerber argumentiert, dass Organe der FMA gegen die RL 2014/49/EU (Einlagensicherungsrichtlinie) sowie die RL 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (Anlegerentschädigungsrichtlinie) verstoßen hätten, weil sie der G* die Entgegennahme von Einlagen sowie die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen – durch Aufnahme der Darlehen – nicht untersagt hätten, obwohl diese zu Unrecht keinem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssystem angehört habe. Der Haftungsausschluss des § 3 FMABG komme nicht zum Tragen, weil dem Kläger die nach dem Unionsrecht zwingend vorgesehene Ein- oder Anlegerentschädigung nicht zugekommen sei. Ein Ausschluss der Amtshaftung für ein Fehlverhalten der FMA wäre in einem solchen Fall unionsrechtswidrig.
[26] 3.2. Prämisse dieser Argumentation ist, dass das vom Kläger der G* gewährte qualifizierte Nachrangdarlehen in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinien gefallen wäre. Einerseits könnte der FMA sonst kein Verstoß gegen sich aus diesen Richtlinien ergebende Aufsichtspflichten vorgeworfen werden. Andererseits setzt die (angeblich) unionsrechtlich gebotene Unanwendbarkeit des Haftungsausschlusses des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nach dem Standpunkt des Klägers voraus, dass ihm nach diesen Richtlinien ein Entschädigungsanspruch zugestanden wäre.
[27] 3.3. Art 2 Abs 1 Nr 3 der auf das vorliegende Darlehen anwendbaren RL 2014/49/EU (Einlagensicherungsrichtlinie) definiert eine „Einlage“ als Guthaben, „das sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften ergibt und vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen ist, einschließlich einer Festgeldeinlage und einer Spareinlage […]“.
[28] 3.4. Nach dem (eingangs wiedergegebenen) § 7 des Darlehensvertrags vereinbarten der Kläger und die G* ein qualifiziertes Nachrangdarlehen, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Anleger nicht nur in der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet, sodass die Verbindlichkeit bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht berücksichtigt wird (3 Ob 222/22a [Rz 21]; 4 Ob 7/24v [Rz 21] ua).
[29] 3.5. Die RL 2014/49/EU (Einlagensicherungsrichtlinie) wurde in Österreich durch das ESAEG umgesetzt (686 BlgNR 25. GP 1 und 6), dessen § 7 Abs 1 Z 3 lit a zum Begriff der „Einlage“ insbesondere auf § 1 Abs 1 Z 1 BWG verweist, wo das Einlagengeschäft als „Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage“ definiert wird. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs sind qualifizierte Nachrangdarlehen keine solchen Einlagengeschäfte (4 Ob 110/17f [Pkt 4]; 3 Ob 228/22h [Rz 35]; 4 Ob 233/22a [Rz 32]; 4 Ob 7/24v [Rz 36]).
[30] Dies entspricht der deutschen Rechtslage, die das Einlagengeschäft in § 1 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes über das Kreditwesen als „Aufnahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird [...]“ beschreibt. Nach den Gesetzesmaterialien zum Entwurf eines (deutschen) Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 schließt eine Bestimmung in einem Darlehensvertrag, nach der kein Rückzahlungsanspruch besteht, solange dessen Geltendmachung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre, eine Qualifikation als Einlage in diesem Sinn aus (RegBegr BT-Drs 15/3641 S 36). Qualifizierte Nachrangdarlehen unterliegen demnach auch nach der Rechtsprechung des BGH nicht der (deutschen) Einlagensicherung (vgl BGH 4 StR 408/17 [Rn 19] mwN).
[31] 3.6. Entgegen dieser – auf unionsrechtlichen Vorgaben zur Einlagensicherung beruhenden – Rechtslage und obwohl das Berufungsgericht davon ausging, dass es sich bei dem vom Kläger gewährten qualifizierten Nachrangdarlehen um kein normales Bankgeschäft durch Einlage bei einem Kreditinstitut im Sinn des Art 2 Abs 1 Nr 3 der RL 2014/49/EU gehandelt habe, legt der Revisionswerber nicht dar, warum sein Darlehen dennoch der Einlagensicherung nach dieser Richtlinie unterliegen sollte (vgl 1 Ob 261/22x [Rz 7]). Er behauptet bloß (ohne dies näher zu begründen), dass die G* „Festgeldeinlagen“ vereinnahmt und „personifizierte Einlagenzertifikate“ ausgestellt habe, ohne auf die qualifizierte Nachrangabrede einzugehen, aufgrund derer das Berufungsgericht das Darlehen gerade nicht als normales Bankgeschäft im Sinn der genannten Richtlinie einordnete. Auch die vom Kläger ins Treffen geführten Entscheidungen des VwGH zu 2013/17/0242 und des EuGH zu C-671/13 betrafen kein qualifiziertes Nachrangdarlehen. Warum ein solches dennoch der unionsrechtlichen Einlagensicherung unterläge, zeigt der Revisionswerber nicht auf. Dies wäre – wie dargelegt – aber grundlegende Voraussetzung dafür, dass seiner Argumentation zu einem Verstoß der FMA gegen die RL 2014/49/EU Berechtigung zukommen könnte.
[32] 3.7. Auch zur RL 97/9/EG (Anlegerentschädigungsrichtlinie) legt der Revisionswerber nicht dar, warum qualifizierte Nachrangdarlehen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie erfasst wären und ein Verstoß der FMA gegen diese Richtlinie daher überhaupt in Betracht käme. Dass die Darlehen „verbrieft“ worden seien, hat der Kläger in erster Instanz nicht behauptet. Er zeigt in seiner Revision auch nicht auf, warum sich daraus der sachliche Anwendungsbereich der genannten Richtlinie – mit dem er sich nicht auseinandersetzt – ergeben sollte.
[33] 3.8. Da der Kläger nicht darlegt, warum die von der G* aufgenommenen qualifizierten Nachrangdarlehen der Einlagensicherung nach der RL 2014/49/EU oder der Anlegerentschädigung nach der RL 97/9/EG unterlägen, kann dahingestellt bleiben, ob der Haftungsausschluss des § 3 FMABG unionsrechtlich nur dann wirksam wäre, wenn – wovon der Kläger ausgeht – sein Forderungsausfall im konkreten Fall (mit dem in diesen Richtlinien vorgesehenen Mindestbetrag) durch die Einlagensicherung und/oder Anlegerentschädigung gedeckt wäre, oder ob es für die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses ausreicht, dass – wovon das Berufungsgericht ausging – im betreffenden Mitgliedstaat überhaupt ein System der Ein- oder Anlegersicherung besteht. Es besteht auch kein Anlass für das vom Kläger angeregte Vorabentscheidungsersuchen zur Frage, ob sich aus der RL 2014/49/EU subjektive Ansprüche auf Leistung des Mindestsicherungsbetrags ergäben.
[34] 3.9. Gegen welche konkreten Aufsichtspflichten des BWG, WAG 2018 oder des InvFG die Organe der FMA verstoßen haben sollen, legt der Revisionswerber nicht dar, sodass er auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.
4. Zur Haftung für das Handeln der Gewerbebehörde
[35] 4.1. Der Kläger rügt die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, weil nicht mit ihm erörtert worden sei, dass sein Vorbringen zur Haftung der Gewerbebehörde unschlüssig bzw unvollständig sei.
[36] Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als Folge eines Verstoßes gegen die §§ 182, 182a ZPO (kein Auftrag zur Verbesserung) setzt voraus, dass der Revisionswerber die Relevanz des Mangels darlegt und das unterlassene Vorbringen nachholt (RS0037095 [T14, T16, T19]).
[37] Der Kläger führt auch in seiner Revision nicht konkret aus, warum die Gewerbebehörde (und nicht bloß die FMA) erkennen hätte müssen, dass die G* eine gewerbliche Vermögensberatung betrieben habe und hierfür der Abschluss einer Haftpflichtversicherung notwendig gewesen wäre. Fehlendes Vorbringen kann nicht durch den Verweis auf Urkunden ersetzt werden (RS0037780 [T19]). Es mangelt auch an einem nachvollziehbaren Vorbringen des Klägers dazu, ob eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung seinen durch Betrug verursachten Schaden überhaupt gedeckt hätte. Damit zeigt er die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.
[38] 4.2. In seiner Rechtsrüge legt er nicht dar, warum entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die ohne Gewerbeberechtigung ausgeübte Tätigkeit der G* zwischen 2012 bis 2015 für seinen im Jahr 2018 eingetretenen Schaden kausal sein sollte. Soweit er sich darauf beruft, dass G* eine Haftpflichtversicherung nach § 136a Abs 12 GewO 1994 abschließen hätte müssen, weil sie eine Plattform betrieben habe, mit der qualifizierte Nachrangdarlehen von Verbrauchern an Pfandleihhäuser vermittelt worden seien, ist ihm zu entgegnen, dass er den Schaden nicht aus einer solchen Vermittlungstätigkeit ableitet, sondern aus der Vereinbarung über die Gewährung eines Nachrangdarlehens an G*. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es keine Rolle spielen könne, welche Tätigkeiten die Gesellschaft außer der ab 2015 unstrittig mit aufrechter Gewerbeberechtigung betriebenen Pfandleihe noch ausgeübt habe, weil die Aufnahme von qualifizierten Nachrangdarlehen grundsätzlich jedem Unternehmen offenstehe. Ein konzessionspflichtiges Bank- bzw Finanzgeschäft liegt darin gerade nicht (3 Ob 228/22h [Rz 35] mwN). Damit setzt sich die Revision nicht auseinander, insbesondere zeigt sie nicht auf, aus welchem Grund die Schließung des gesamten Betriebs einschließlich der Pfandleihe erforderlich gewesen wäre, selbst wenn G* nicht von der Gewerbeberechtigung gedeckte und konzessionspflichtige Dienstleistungen erbrachthätte und von der Gewerbebehörde deshalb Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen sowie Verwaltungsstrafen zu verhängen gewesen wären. Im Übrigen hat der Senat zu 1 Ob 77/24s (Rz 32) ausgeführt, dass die Durchsetzung eines Gesetzes durch die Vollziehung von (Verwaltungs-)Strafbestimmungen ganz allgemeinen Interessen wie der Effektivität der Rechtsordnung, dem Funktionieren des Rechtsstaates, der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dient. Es kann nicht angenommen werden, dass einer einzelnen Person – auch wenn das Gesetz durch konkrete Gebote und Verbote ihre Interessen schützt – aus einem mangelhaften Vollzug von Strafbestimmungen, die die Einhaltung dieser Gebote und Verbote gewährleisten sollen, Amtshaftungsansprüche erwachsen. Warum für die vom Kläger herangezogene Verwaltungsstrafbestimmung der GewO 1994 anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich.
[39] 4.3. Dem Argument des Revisionswerbers, der Ausschlussgrund des § 13 Abs 5 iVm Abs 3 bzw 4 GewO 1994 wäre gegeben gewesen, weil über das Vermögen des Geschäftsführers bzw einer juristischen Person, auf die er einen maßgeblichen Einfluss gehabt habe, ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, steht das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) entgegen.
[40] 4.4. Schließlich tritt der Kläger der Beurteilung des Berufungsgerichts, die ausländische Vorstrafe wäre hier zum Zeitpunkt der Genehmigung der vom Bewerber vorzulegenden Geschäftsordnung (§ 155 Abs 2 GewO 1994) bereits getilgt gewesen, nur mit der Behauptung entgegen, dass dem Tag der Rechtskraft der ausländischen Verurteilung in Anbetracht der verhängten 120 Tagessätze 60 Tage Ersatzfreiheitstrafe „nach § 19 StGB“ hinzuzurechnen wären. Dem ist zu erwidern, dass sich aus den vorgelegten Urkunden eine derartige Ersatzfreiheitsstrafe nicht ergibt. Warum § 19 StGB auf die ausländische Verurteilung Anwendung finden sollte, erklärt der Kläger nicht.
[41] 5. Insgesamt ist die Revision damit zurückzuweisen.
[42] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
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