European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00118.24T.0522.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Gewerblicher Rechtsschutz, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Feststellungsbegehren – soweit es nicht bereits rechtskräftig zurückgewiesen wurde – abgewiesen wird.
Die klagende Partei hat den erst‑ und zweitbeklagten Parteien die mit 61.829,67 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens für die beiden Rechtsgänge in allen drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin und alle drei Beklagten bieten IT‑Beratung und Softwarelösungen für Geschäftskunden an. In dieser Branche besteht eine enge Beziehung zwischen Kunden und Kundenbetreuern, sodass bei einem Wechsel eines gesamten Teams von IT‑Betreuern zu einem anderen Arbeitgeber die von ihnen betreuten Kunden diesen Wechsel oft mitvollziehen.
[2] Die Zweitbeklagte ist eine deutsche GmbH, die Erstbeklagte ihre 100%ige Tochtergesellschaft mit Sitz in Österreich. Die Zweitbeklagte wurde im September 2018 von ehemaligen Mitarbeitern der deutschen Muttergesellschaft der Klägerin als Reaktion auf einen beabsichtigten Verkauf der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft an ein Unternehmen außerhalb des Konzerns der Klägerin gegründet. Ihre Geschäftsführer waren früher alle Mitarbeiter der Mutter der Klägerin. Die Erstbeklagte wurde im März 2019 gegründet. Ihr Geschäftsführer ist ehemaliger Mitarbeiter der Mutter der Klägerin und ihre beiden Prokuristen sind ehemalige Mitarbeiter in Führungspositionen bei der Klägerin.
[3] Im ersten Rechtsgang begehrte die Klägerin, 1. den Beklagten a. die näher beschriebene unlautere Abwerbung von Mitarbeitern und b. die näher beschriebene unlautere Abwerbung von Kunden sowie c. die Nutzung von konkret angeführten Geschäftsunterlagen der Klägerin zu untersagen; 2. die Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus diesem Verhalten festzustellen; und schließlich 3. die Klägerin zur Urteilsveröffentlichung zu ermächtigen. Gegenstand des Revisionsverfahrens im zweiten Rechtsgang ist nur noch das Feststellungsbegehren zu Punkt 2. Dieses lautete im ersten Rechtsgang konkret: „Es wird festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für sämtliche Schäden haften, die der Klägerin aus der unlauteren Abwerbung von (i) Dienstnehmern, freien Mitarbeitern oder sonstigen Beschäftigten und (ii) Kunden durch die Beklagten entstehen.“
[4] Das Erstgericht gab den Klagebegehren großteils statt. Es wies nur die Unterlassungsbegehren zu 1.b. (Abwerbung von Kunden) und Teilen von 1.c. (Nutzung von Mitarbeiterakten und Leasingverträgen) ab.
[5] Das Berufungsgericht wies zusätzlich die Unterlassungs-, Feststellungs- und Veröffentlichungsbegehren ab, soweit sie sich auch gegen die Abwerbung von Arbeitnehmern nicht der Klägerin selbst, sondern der Konzerngesellschaften der Klägerin richteten. Außerdem korrigierte das Berufungsgericht den Ausspruch des Erstgerichts über das Feststellungsbegehren, der trotz Abweisung des Unterlassungsanspruchs hinsichtlich der Kunden offenbar irrtümlich trotzdem die Abwerbung von Kunden umfasst hatte. Im Übrigen bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts.
[6] Der Oberste Gerichtshof wies mit Teilurteil zu 4 Ob 20/22b sämtliche Begehren gegen die Drittbeklagte ab, sodass das Verfahren gegen sie rechtskräftig beendet ist. Das Veröffentlichungsbegehren wies er auch gegen die Erst- und Zweitbeklagte ab. Er bestätigte die (teilweise) Stattgebung der Unterlassungsbegehren gegenüber der Erst- und Zweitbeklagten wegen Abwerbung von Mitarbeitern. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens für Schäden wegen der Abwerbung von Mitarbeitern durch die Erst‑ und Zweitbeklagte verwies er die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
[7] Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht – entsprechend dem Aufhebungsbeschluss – der Klägerin Gelegenheit, ihr Feststellungsbegehren zu konkretisieren.
[8] Die Klägerin formulierte ihr Begehren nun so:
Es wird festgestellt, dass die erst‑ und zweitbeklagten Parteien der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für sämtliche künftig fällig werdenden Ersatzansprüche haften, die der klagenden Partei aus folgenden Elementen der unlauteren Abwerbeaktion der beklagten Parteien – durchgeführt zwischen Herbst 2018 und jedenfalls Ende 2019 – entstehen:
1. Der Verbreitung sittenwidriger, unwahrer, irreführender oder herabsetzender Behauptungen über die klagende Partei oder deren Konzerngesellschaften wie zB
- ganze Geschäftsbereiche der klagenden Partei oder ihrer Konzerngesellschaften würden zur erst oder zweitbeklagten Partei wechseln oder hätten bereits gewechselt
- die klagende Partei oder ihre Konzerngesellschaften wären in Zukunft mangels Personals nicht mehr in der Lage Kunden zu betreuen
- die klagende Partei oder ihre Konzerngesellschaften wären bald zahlungsunfähig
- oder sinngleicher Behauptungen und/oder
2. der unbefugten Verwendung vertraulicher Informationen oder Geschäftsgeheimnisse der klagenden Partei oder deren Konzerngesellschaften und/oder
3. dem Belästigen oder unter Druck setzen von Dienstnehmern, freien Mitarbeitern oder sonstigen Beschäftigten der klagenden Partei zum Zwecke der Abwerbung und/oder
4. der Verleitung von Dienstnehmern, freien Mitarbeitern oder sonstigen Beschäftigten der klagenden Partei zur Verletzung gegenüber der klagenden Partei bestehender dienstvertraglicher Verpflichtungen zum Zwecke der Abwerbung und/oder
5. dem Ansprechen von Dienstnehmern, freien Mitarbeitern oder sonstigen Beschäftigten der klagenden Partei über leitende Angestellte der klagenden Partei zum Zwecke der Abwerbung und/oder
6. der Ansprache von Kunden der klagenden Partei auf einen Wechsel zur Erst- und/oder Zweitbeklagten durch Einsatz unlauter von der klagenden Partei abgeworbener Mitarbeiter und/oder
7. dem Versprechen an Kunden der klagenden Partei bei einem Wechsel zur Erst‑ und/oder Zweitbeklagten vom bisherigen Betreuerteam (der [Konzernname der Klägerin]) weiterbetreut zu werden.
[9] Die Klägerin brachte dazu vor, dass sich die Formulierung an den Unterlassungsbegehren orientiere, die bereits rechtskräftig als UWG-widrig beurteilt worden seien. Ein weiteres Beweisverfahren erübrige sich daher. Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Schließung des letzten Standortes der Klägerin in Österreich im Raum stehe, was zum Verlust weiterer Kunden und Mitarbeiter sowie frustrierten Aufwendungen, Schließungskosten und Schadenersatzforderungen von Kunden führen könne. Selbst ohne Schließung könne es noch Jahre dauern, bis sich die Klägerin von den Strukturschäden, die die unlautere Abwerbeaktion der Beklagten herbeigeführt habe, wirtschaftlich erholen werde können.
[10] Die Erst‑ und Zweitbeklagten wendeten unter anderem ein, dass damit dem Auftrag des Obersten Gerichtshofs zur Konkretisierung nicht Genüge getan sei. Das Begehren sei nach wie vor als unbestimmt abzuweisen. Wegen dieser Unbestimmtheit sei es auch unmöglich, zu prüfen, ob und welche Folgen die „Abwerbeaktion“ verursacht habe oder noch verursachen könne. Sie erhoben auch den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens: Die Mitarbeiter der Klägerin wären auch ohne Zutun der Beklagten nicht länger im Unternehmen der Klägerin geblieben.
[11] Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt und verdeutlichte in seinem Spruch lediglich, dass damit die Haftung (nur) der Erst- und Zweitbeklagten festgestellt werde. Wer einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG habe, könne bei Verschulden auch einen Schadenersatzanspruch geltend machen. Nicht alle Schadenersatzansprüche der Klägerin seien schon fällig, ihr würden vielmehr nach wie vor weitere Schäden erwachsen. Die Klägerin habe im zweiten Rechtsgang die schadenauslösenden Ereignisse in der Vergangenheit konkretisiert. Deshalb hindere die Abweisung des Feststellungsbegehrens zur Kundenabwerbung im ersten Rechtsgang das Erstgericht nicht, im zweiten Rechtsgang den nun konkreten Feststellungsbegehren 6 und 7 für Versprechen gegenüber Kunden, vom gleichen Mitarbeiterteam betreut zu werden, und für Kundenakquise durch unlauter abgeworbene Mitarbeiter, stattzugeben.
[12] Das Berufungsgericht hob das Urteil als nichtig auf, soweit es die Haftung für die Abwerbung von Kunden feststellte (Feststellungsbegehren 6 und 7). In diesem Umfang sei das Begehren wegen Rechtskraft der Abweisung im ersten Rechtsgang zurückzuweisen. Im Übrigen bestätigte es das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die Worte „Abwerbeaktion der beklagten Parteien“ durch „Abwerbung von Dienstnehmern, freien Mitarbeitern oder sonstigen Beschäftigten durch die Beklagten“ersetzte. Die Haftung laut Feststellungsbegehren 1 bis 5 ergebe sich schon aus dem Unterlassungsurteil, das ein Verschulden der Beklagten voraussetze und insoweit Bindungswirkung entfalte. Im Feststellungsprozess müsse man sich entgegen dem Einwand der Beklagten nicht mit Spekulationen abgeben, ob in allfälligen Folgeprozessen erst recht wieder geprüft werden müsse, welche konkreten Ereignisse wofür kausal gewesen seien.
[13] Die Revision der Beklagten zielt auf eine Abweisung auch der Feststellungsbegehren 1 bis 5 ab.
[14] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurück‑ oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[15] Die Revision ist im Sinn der Rechtseinheit zur Korrektur des Ergebnisses im Einzelfall zulässig und berechtigt.
[16] 1. Gemäß § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts, auf Anerkennung der Echtheit einer Urkunde oder Feststellung der Unechtheit derselben Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtsverhältnis oder Recht oder die Urkundenechtheit durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
[17] Die Feststellungsklage bedarf also eines konkreten, aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine ehebaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RS0039215). Die ohnehin geregelte objektive Rechtslage ist deshalb nicht feststellungsfähig (RS0039215 [T4]).
[18] Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt deshalb voraus, dass zumindest bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ein Schaden bereits eingetreten ist oder sich zumindest ein Vorfall ereignet hat, der potentiell einen Schaden auslösen konnte, auch wenn dieser noch nicht feststellbar ist (RS0040838 [insbes T16, T17]; RS0038909).
[19] 2. Gemäß § 226 Abs 1 ZPO hat eine Klage (unter anderem) ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Im österreichischen Zivilprozess ist es daher Sache des Klägers – und nicht des Beklagten oder des Gerichts –, mit der Klage den Streitgegenstand zu bestimmen (10 Ob 88/04w mwH).
[20] In Feststellungsklagen muss das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis inhaltlich und umfänglich genau und zweifelsfrei bezeichnet werden. Die Notwendigkeit der Bestimmtheit des Klagebegehrens ergibt sich hier zwar – anders als beim Leistungsurteil – nicht aus der Erwägung, dass es zur Zwangsvollstreckung geeignet sein müsse, wohl aber aus dem Zweck und der Funktion der Feststellungsklage und ihrer Rechtskraftwirkung (RS0037437). Ihr prozessökonomischer Zweck ist es nämlich, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht, sei es um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, sei es um eine brauchbare Grundlage für weitere Entscheidungen zu schaffen (RS0037422).
[21] Im Fall der Feststellung einer Haftung für künftige Schäden sollen insbesondere die Verschuldensfrage abschließend geklärt (RS0038976 [T3]) und ein allfälliger Mitverschuldenseinwand für alle Zukunft abgeschnitten werden (RS0038976 [T8]).
[22] Ist ein Begehren unbestimmt, kann das darauf beruhende Urteil seine Aufgabe der Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien nicht erfüllen. Taucht zwischen den Parteien in einem weiteren Rechtsstreit die Frage des Bestandes oder Nichtbestandes des durch Feststellungsurteil rechtskräftig festgestellten Rechts neuerlich auf, so ist das Gericht an das ergangene Feststellungsurteil gebunden (sog Rechtskraftwirkung). Daraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, das Rechtsverhältnis bereits in der Feststellungsklage genau zu individualisieren (9 ObA 227/94).
[23] 3.1. Wie bereits im ersten Rechtsgang dargelegt, muss deshalb in einem Feststellungsbegehren das schädigende Ereignis oder die schädigenden Ereignisse konkret bezeichnet werden (RS0038826 [T5] = 4 Ob 20/22b, vgl auch RS0038826). Schädigt etwa die Dienstnehmerin einer Bank ihr Institut durch unrechtmäßige Kreditvergaben, muss das Feststellungsbegehren für die Haftung der Angestellten für künftige Kreditausfälle etwa die Kreditnehmer bezeichnen (BankArch 1990, 224). Auch bei Untreue sind die Fälle, in denen durch die Malversationen des Beklagten künftig noch Schäden eintreten können, genau zu bezeichnen, weil die Klägerin keinen Feststellungsanspruch für allfällige andere, noch nicht bekannte schädigende Handlungen hat (9 ObA 227/94).
[24] Ebenso wird die Haftung für künftige Schäden aus einem Verkehrsunfall typischerweise festgestellt, indem der Unfall durch Angabe von Unfalltag, -uhrzeit, -ort und/oder unfallbeteiligten Fahrzeugen umschrieben wird. Nicht hingegen wird die Haftung von Beklagten allgemein für die Verletzung von bestimmten Straßenverkehrsvorschriften, zB Vorrangregeln oder Höchstgeschwindigkeiten ausgesprochen.
[25] 3.2. Die Klägerin formulierte hier ihr Feststellungsbegehren im zweiten Rechtsgang so um, dass sie die mit dem Unterlassungsurteil untersagten Verhaltensweisen auflistete und einen Zeitraum von mindestens 15 Monaten (ohne Enddatum) nannte.
[26] Der Verweis auf ein (wenn auch berechtigtes) Unterlassungsbegehren ist aber – wie bereits im ersten Rechtsgang ausdrücklich klargestellt – als Feststellungsbegehren nicht ausreichend, weil es keine konkreten Ereignisse in der Vergangenheit bezeichnet, sondern allgemein verpöntes Verhalten umschreibt. Die wörtliche Wiedergabe von Teilen des Unterlassungsbegehrens im Feststellungsbegehren statt eines Verweises auf dasselbe kann dem naturgemäß keine Abhilfe schaffen.
[27] Auch das neue Klagebegehren im zweiten Rechtsgang lässt mit seiner beispielhaften Aufzählung unlauterer Methoden der Mitarbeiterabwerbung in keiner Weise erkennen, wann, wo oder auf welche Weise diese gegenüber welchen Mitarbeitern der Klägerin zum Einsatz gekommen sein sollen. Damit kann nicht individualisiert werden, welche Mitarbeiter der Klägerin aufgrund von rechtswidrigem Verhalten der Beklagten den Arbeitgeber gewechselt haben – oder allenfalls noch in Zukunft wechseln könnten.
[28] Dies ist vor allem im vorliegenden Fall problematisch, weil eine Vielzahl von potenziell schädigenden Verhaltensweisen zweier verschiedener Beklagter bzw deren Repräsentanten über einen langen, sogar nach hinten unbegrenzten Zeitraum Verfahrensthema ist. Die Stattgebung eines Feststellungsbegehrens setzt aber voraus, dass im Feststellungsprozess für die klar individualisierten Vorfälle jeweils geprüft werden kann, ob sie überhaupt stattfanden, ob sie rechtswidrig und schuldhaft verursacht wurden, und ob daraus künftig noch Schäden denkbar sind.
[29] 4. Unterlassungsansprüche wegen lauterkeitswidrigem Verhalten setzen – anders als Schadenersatzansprüche – kein Verschulden voraus (RS0078041; RS0078023; RS0079587). Sie bestehen außerdem unabhängig davon, ob das unlautere Verhalten einen Schaden verursacht hat (vgl RS0009357, wonach sogar erst drohende Rechtsverletzungen eine vorbeugende Unterlassungsklage ermöglichen) oder ob einzelne, bereits erfolgte Rechtsverletzungen (obwohl sie nicht wiederholt würden) überhaupt (noch) Schäden in der Zukunft verursachen könnten.
[30] Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin und der Vorinstanzen folgt aus der Bejahung eines Unterlassungsanspruchs deshalb nicht zwangsläufig, dass für die zu untersagenden Verhaltensweisen jeweils auch ein kongruenter Feststellungsanspruch besteht.
[31] 5. Die Klägerin betont in ihrer Revisionsbeantwortung, dass das Gericht dem Urteilsspruch erforderlichenfalls eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung geben kann, wenn sich letztere im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RS0039357). Dies ist hier jedoch nicht möglich.
[32] 5.1. Das Ersturteil enthält zwar eine Auflistung von 14 Mitarbeitern der Klägerin, die von 31. 3. 2018 bis 31. 5. 2019 das Unternehmen verließen. Drei davon sind jedoch jene Repräsentanten der Beklagten, für deren unlauteres Verhalten die Beklagten haften sollen, nämlich die beiden späteren Prokuristen der Erstbeklagten und der Geschäftsführer-Gesellschafter der Drittbeklagten. Es ist also offensichtlich, dass das Feststellungsbegehren nicht präzisiert werden könnte, indem die Namen dieser vierzehn Personen als „Ziele“ von Abwerbemaßnahmen ergänzt werden.
[33] Die dem Begehren entsprechend vagen Feststellungen der Vorinstanzen erhellen auch gar nicht, ob und für welche dieser Mitarbeiter der Klägerin (unlauteres) Verhalten der Beklagten (Mit‑)Grund für einen Wechsel zu den Beklagten war. Dies ist aber unabdingbare Voraussetzung für einen Feststellungsanspruch, zumal die Beklagten von Anfang an die Kausalität ihres Verhaltens bestritten und konkrete Alternativursachen für die jeweiligen Arbeitgeberwechsel vorgebracht haben (zB der geplante Verkauf der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft durch die Konzernmutter; die bereits erfolgte personelle Umgestaltung des Managements der Klägerin und die damit einhergehende Änderung in der Unternehmenskultur, sowie persönliche Gründe einzelner Wechselwilliger.
[34] 5.2. Die Klägerin verweist in der Revisionsbeantwortung auf zahlreiche Textpassagen, die ihrer Meinung nach belegen, dass die Voraussetzungen für die Stattgebung des Feststellungsbegehrens klar vorliegen. Dabei bezieht sie sich nicht bloß auf Sachverhaltsfeststellungen, die der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sind. Vielmehr führt sie ebenso Teile der rechtlichen Beurteilung oder der Beweiswürdigung aus Entscheidungen ins Treffen, wie bloße Zeugenaussagen beider Rechtsgänge.
[35] All diese Mosaiksteine aus den Akten können aber ein konkretes Klagebegehren nicht ersetzen. Im vorliegenden Fall reichen sie auch bei Weitem nicht aus, um das unbestimmte Begehren zu präzisieren.
[36] Das Erstgericht stellte beispielsweise für keinen einzigen Mitarbeiter konkret fest, wieso er zu den Beklagten wechselte. In der Beweiswürdigung des Ersturteils findet sich zwar für den Mitarbeiter * eine allenfalls als dislozierte Feststellung zu wertende Textstelle, dass er wegen der Darstellung der wirtschaftlichen Zukunft der Klägerin als ungewiss seine berufliche Zukunft überdacht habe. Die Kausalität für den Wechsel zur Beklagten lässt sich daran nicht klar festmachen.
[37] Die Klägerin zeigt zwar richtig auf, dass das Erstgericht in der Beweiswürdigung im zweiten Rechtsgang die Kontinuität des Teams, also die Aussicht, mit bisherigen Kollegen weiterhin zusammenarbeiten zu können, als von den Zeugen am häufigsten genannten Grund für den Wechsel des Arbeitgebers nannte. Dieses Motiv der Mitarbeiter für ihren Arbeitgeberwechsel löst aber keine Haftung der Beklagten aus. Daraus ist gerade nicht erkennbar, dass ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten in konkreten Mitarbeitern den Entschluss zu einem Arbeitgeberinnenwechsel auslöste.
[38] 5.3. Bei einigen im Feststellungsbegehren allgemein umschriebenen Verhaltensweisen der Beklagten ist auch zweifelhaft, ob künftige Schäden überhaupt noch denkbar sind: So wurde etwa eine Druckausübung durch Vorgesetzte in Zusammenhang mit den beiden klägerischen Mitarbeitern * und * vorgebracht und auch festgestellt. Gerade diese beiden beendeten nach den Feststellungen ihr Dienstverhältnis bei der Klägerin aber offenbar nicht. Da die entsprechenden Vorgesetzten aber inzwischen zu den Beklagten gewechselt sind, ist die damalige Drucksituation vorbei. Es ist nicht nachvollziehbar, welchen Schaden die frühere Druckausübung ehemaliger Vorgesetzter nun noch eintreten lassen könnte.
[39] 5.4. Die Klägerin betont in der Revisionsbeantwortung wiederholt einen „Gesamtplan der Beklagten mit mannigfaltigen unlauteren Handlungsweisen“. Eine systematische Abwerbung oder der Versuch dazu ist aber nicht Gegenstand des von der Klägerin formulierten Feststellungsbegehrens.
[40] 5.5. Auch ergibt sich aus dem Feststellungsbegehren nicht einmal ansatzweise, welche vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin die Beklagten erlangt und verwendet haben sollen. Dies ist aber gerade angesichts eines Teils der Unterlassungsbegehren von entscheidender Bedeutung.
[41] 5.6. Schließlich bleibt in den Feststellungsbegehren auch der Zeitpunkt der haftungsbegründenden Ereignisse unklar. Die Formulierung „jedenfalls bis Ende 2019“ beschreibt nämlich einen Zeitraum ohne Enddatum, sodass auch künftiges generisches Verhalten (nach Schluss der Verhandlung?) bereits vom Wortlaut des Feststellungsbegehrens umfasst wäre.
[42] 6. Eine neuerliche Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Erstgericht ist nicht angezeigt. Im Unterschied zum ersten Rechtsgang wurde die Klägerin im zweiten Rechtsgang sowohl vom Gericht als auch vom Gegner darauf hingewiesen, dass es den Gerichten nur anhand eines ausreichend präzisen Feststellungsbegehrens möglich ist, zu prüfen, ob ein konkretes Verhalten der Beklagten rechtswidrig und schuldhaft war und künftige Schäden verursachen kann. Die nunmehrige Abweisung des Feststellungsbegehrens ist somit – anders als im ersten Rechtsgang – keine unzulässige Überraschungsentscheidung mehr (vgl RS0037300 [T29]).
[43] 7. Die Kostenentscheidung beruht im ersten Rechtsgang auf §§ 50, 43 ZPO. Im zweiten Rechtsgang ist §§ 50, 41 ZPO, tw iVm § 51 ZPO anzuwenden.
Erster Rechtsgang:
[44] Die Beklagten waren alle durch denselben Rechtsanwalt verteten, das Erstgericht sprach der Drittbeklagten mit seinem Urteil im zweiten Rechtsgang rechtskräftig bereits 23.926,55 EUR an Kosten zu, sodass ihre Kostenansprüche hier nicht mehr zu bestimmen sind.
[45] Für die übrigen Parteien sind ihre jeweiligen Obsiegensquoten zu ermitteln. Dabei ist primär von der Bewertung der einzelnen Ansprüche durch die Klägerin auszugehen: Unterlassung 30.500 EUR, Feststellung 50.000 EUR und Veröffentlichung 5.500 EUR.
[46] Die Klägerin machte tatsächlich jedoch mehrere Unterlassungsbegehren geltend, zunächst ohne die Bewertung weiter aufzugliedern. In ihrer Berufung im ersten Rechtsgang stellte sie klar, dass auf die Unterlassungsbegehren 1.1 (Abwerbung von Kunden), 1.2 (Abwerbung von Mitarbeitern) und 2 (Unterlagen) jeweils 10.166,67 EUR entfallen.
[47] Soweit eine weitere Untergliederung fehlt, hat das Gericht das Verhältnis der erfolgreichen und der abgewiesenen Unterlassungsbegehren nach freiem Ermessen zu bemessen (RS0035831). Als Kriterien dafür können die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der jeweiligen Teilbegehren, aber auch der jeweilige Verfahrensaufwand dienen (RS0035831 [T6]). Liegen – wie hier – keine anderen konkreten Anhaltspunkte vor, sind die Teilbegehren jeweils gleichteilig zu bewerten (RS0119001).
[48] Die Abwerbungsbegehren richteten sich gegen alle drei Beklagten und wurden gegen die Drittbeklagte zur Gänze abgewiesen. Insofern ist die Klägerin daher jedenfalls zu einem Drittel unterlegen.
[49] Die beiden Spielarten der beiden Abwerbungsbegehren, dh die Abwerbung von Mitarbeitern bzw Kunden der Klägerin einerseits und solchen ihrer Konzerngesellschaften andererseits sind als gleichwertig anzusehen.
[50] Das Abwerbungsbegehren 1.2 (Kunden) wurde gegen alle Beklagten zur Gänze abgewiesen.
[51] Das Abwerbungsbegehren 1.1 (Mitarbeiter) war nur hinsichtlich der Erst‑ und Zweitbeklagten und auch nur hinsichtlich der Mitarbeiter der Klägerin, nicht aber der Konzerngesellschaften erfolgreich.
[52] Die Klägerin obsiegte daher beim Unterlassungsbegehren 1.1 mit zwei Dritteln (nur gegen Erst- und Zweitbeklagte) von der Hälfte (Klägerin, nicht Konzerngesellschaften), das sind ⅔ ∙ ½ ∙ 10.166,67 EUR = 3.388,89 EUR.
[53] Das Unterlassungsbegehren 2 (Unterlagen) richtete sich ohnehin nur gegen die Erst‑ und Zweitbeklagte. Die Vorinstanzen gaben diesem Begehren im Wesentlichen statt und wiesen nur einen der vier insbesondere‑Zusätze mit konkret genannten Dokumenttypen ab. Es ist insofern von einem kostenrechtlich unbeachtlichen geringfügigen Obsiegen der Erst‑ und Zweitbeklagten auszugehen. Die Klägerin obsiegte also mit dem gesamten Unterlassungsbegehren 2 mit einem Streitwert von 10.166,67 EUR.
[54] Die Veröffentlichungs‑ und Feststellungsbegehren wurden zur Gänze abgewiesen.
[55] Im ersten Rechtsgang war die Klägerin daher mit Begehren mit einem Streitwert von insgesamt rund 13.555,56 EUR, also etwa 16 % des Gesamtstreitwerts von 86.000 EUR erfolgreich. Die Klägerin hat Anspruch auf 16 % ihrer privilegierten Barauslagen (Pauschalgebühr von 3.356,90 EUR und verbrauchter Kostenvorschuss von 1.796,20 EUR). Das ergibt 824,50 EUR.
[56] Die Beklagten haben dagegen Anspruch auf 84 % ihrer privilegierten Barauslagen und 68 % der sonstigen Verfahrenskosten. Bei den Erst‑ und Zweitbeklagten ist der Einfachheit halber davon auszugehen, dass von den Vertretungskosten des gemeinsamen Beklagtenvertreters je ein Drittel auf jede der drei Beklagten entfiel. Die Erst‑ und Zweitbeklagten erhalten damit zwei Drittel von 68 % der verzeichneten nicht privilegierten Verfahrenskosten ersetzt.
[57] Dabei war aufgrund der berechtigten Einwendungen der Klägerin die „leere“ Klagebeantwortung nur nach TP 2 (statt TP 3A) und der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendige Schriftsatz vom 14. 5. 2020 gar nicht zu honorieren. Ihr Kostenvorschuss von 5.000 EUR wurde nicht verbraucht. In Summe ergibt sich somit für die Kosten der Beklagten insgesamt 55.314,57 EUR brutto. Der Anteil für die Erst‑ und Zweitbeklagten (2/3 von 68 %) beträgt daher 25.075,94 EUR.
[58] Die Berufung der Klägerin richtet sich nur gegen die Abweisung des Unterlassungsbegehrens 1.2 (Abwerbung von Kunden, Berufungsinteresse 10.666,67 EUR) und blieb erfolglos, sodass sie den drei Beklagten die Kosten ihrer Berufungsbeantwortung von 1.397,42 EUR brutto zu ersetzen hat. Auf die Erst‑ und Zweitbeklagte entfallen davon zwei Drittel, also 931,62 EUR.
[59] Bei der Berufung der drei Beklagten betrug die Bemessungsgrundlage wegen der Teilabweisung durch das Erstgericht (Abwerbung von Kunden) tatsächlich nur 75.333,33 EUR. Die Erst- und Zweitbeklagten drangen letztlich hinsichtlich Begehren mit einer Bemessungsgrundlage von 61.777,77 EUR durch. Sie haben deshalb Anspruch auf Ersatz von 82 % der Pauschalgebühr und 64 % der sonstigen Berufungskosten.
[60] Als Bruttoverdienst für die Berufung der drei Beklagten sind bei einer Bemessungsgrundlage von 75.333,33 EUR nur 3.676,44 EUR anzusetzen, die Pauschalgebühr bleibt unverändert wie verzeichnet. Auf die Erst‑ und Zweitbeklagte entfallen davon zwei Drittel, also insgesamt 6.694,09 EUR.
[61] Die drei Beklagten verzeichneten für ihre Revision Kosten auf Basis einer Bemessungsgrundlage von 57.333,33 EUR. Tatsächlich hatte die Revision nur noch die Unterlassungsbegehren 1.2 hinsichtlich Abwerbung von Mitarbeitern der Klägerin (10.666,67 EUR/2 = 5.333,34 EUR), 2. Unterlagen (10.666,67 EUR) sowie die mit diesen Begehren korrespondierenden Feststellungs‑ und Veröffentlichungsbegehren (dh jeweils der halbe ursprüngliche Streitwert) zum Thema. Das ergibt eine Bemessungsgrundlage von 43.750 EUR.
[62] Die drei Beklagten waren mit 30.194,45 EUR erfolgreich, das sind rund 70 %. Sie haben daher Anspruch auf 70 % der Pauschalgebühr 3.508,70 EUR und 40 % des Verdienstes auf der richtigen Bemessungsgrundlage, dh von 2.547,55 EUR brutto. Zwei Drittel davon sind den Erst‑ und Zweitbeklagten zuzusprechen, in Summe also 2.316,74 EUR.
[63] Die Kostenentscheidung für die zurückgewiesene Revision der Klägerin konnte bereits im ersten Rechtsgang getroffen werden.
Zweiter Rechtsgang:
[64] Gegenstand des zweiten Rechtsgangs war nur noch ein neues, wiederum mit 50.000 EUR bewertetes Feststellungsbegehren. Das Berufungsgericht wies zwei von sieben Unterpunkten davon wegen entschiedener Streitsache zurück. Es erkannte richtig, dass die Klägerin an der Nichtigkeit ein Verschulden iSd § 51 Abs 1 ZPO trifft. Im Übrigen wurde das Feststellungsbegehren abgewiesen, sodass die Erst- und Zweitbeklagte die Verfahrenskosten des zweiten Rechtsgangs für alle drei Instanzen ersetzt erhalten.
[65] Es ergeben sich für die erste Instanz: 20.440,78 EUR, für die zweite Instanz: 4.084,89 EUR und für die dritte Instanz: 2.695,13 EUR an Bruttoverdienst inklusive 20 % USt. Barauslagen wurden nicht verzeichnet.
[66] Insgesamt ergibt sich daraus ein Kostenzuspruch von 61.829,67 EUR zugunsten der Erst‑ und Zweitbeklagten.
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