OGH 2Ob30/25p

OGH2Ob30/25p29.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. M* und 2. I*, beide *, (führendes Verfahren: AZ 1 Cg 88/22t), 3. K*, und 4. mj R*, vertreten durch die Mutter K*, (verbundenes Verfahren: AZ 5 Cg 8/23h), alle vertreten durch Mag. Oliver Simoncic, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. S*, 2. G*, beide vertreten durch Dr. Robert Starzer, Rechtsanwalt in Wien, 3. K*, und 4. W*, beide vertreten durch Ing. Mag. Andreas Reiff, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen zuletzt 20.100 EUR (erst‑ und zweitklagende Partei), 72.820,64 EUR und Rente (drittklagende Partei), 22.000 EUR (viertklagende Partei) und jeweils Feststellung, über die Revisionen der erst‑, zweit‑ und viertklagenden Parteien sowie der dritt‑ und viertbeklagten Parteien (in Bezug auf die erst‑, zweit‑ und viertklagenden Parteien) sowie die außerordentlichen Revisionen der drittklagenden Partei und der dritt- und viertbeklagten Parteien (in Bezug auf die drittklagende Partei) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2024, GZ 12 R 56/24d‑142, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 30. April 2024, GZ 1 Cg 88/22t‑132, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00030.25P.0429.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

1. Die Revisionen werden zurückgewiesen.

2. Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

3. Kosten

3.1 Die dritt‑ und viertbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der erst‑ und zweitklagenden Partei ihre mit je 156,90 EUR (darin enthalten 26,15 EUR USt) und der viertklagenden Partei ihre mit 313,80 EUR (darin enthalten 52,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

3.2 Die erst‑, zweit‑ und viertklagende Partei sind schuldig, den erst‑ und zweitbeklagten Parteien ihre mit je 1.697,72 EUR (darin enthalten 282,95 EUR USt) sowie den dritt‑ und viertbeklagten Parteien ihre mit je 763,30 EUR (darin enthalten 127,22 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Am 3. 2. 2022 ereignete sich auf der Autobahn im Gemeindegebiet von S* bei Dunkelheit ein Verkehrsunfall, bei dem der Lenker des Klagsfahrzeugs getötet wurde.

[2] Der Drittbeklagte fuhr mit seinem bei der Viertbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug nach einem reparierten Reifenschaden und einem links hinten montierten Notrad auf dem rechten Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h, obwohl er 80 km/h fahren hätte können.

[3] Der Lenker des Klagsfahrzeugs fuhr von hinten auf das Fahrzeug des Drittbeklagten auf, weil er entweder eine überhöhte Geschwindigkeit einhielt und/oder die Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Drittbeklagten falsch einschätzte und/oder zu spät reagierte. Das aufgrund der Kollision unbeleuchtete Klagsfahrzeug ragte in der Endposition bis über die Hälfte der Fahrstreifenbreite des ersten Fahrstreifens der Autobahn und war in einem Winkel von etwa 45° in Bezug auf die Fahrbahnlängsachse verdreht.

[4] Der Drittbeklagte konnte sein Fahrzeug nicht mehr selbstständig verlassen. Der Lenker des Klagsfahrzeugs hielt sich nach der Kollision vor seinem Fahrzeug auf dem Pannenstreifen auf, versuchte aber – nachdem er sich kurz mit einem in der Zwischenzeit eingetroffenen weiteren Lenker unterhalten hatte – nicht, die Unfallstelle abzusichern oder zu helfen.

[5] Zwei bis sechs Minuten nach der (Primär‑)Kollision näherte sich der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca 125 km/h und eingeschaltetem Abblendlicht der Unfallstelle. Er erkannte das unbeleuchtete Klagsfahrzeug nicht, nahm jedoch in Annäherung ein Hindernis wahr. Er dachte an eine „Situation in der Pannenbucht“ und blickte in den Außenspiegel, um die Möglichkeit eines Spurwechsels zu prüfen. In der Folge kollidierte er ungebremst mit der rechten hinteren Ecke des Klagsfahrzeugs, wodurch dessen vor diesem stehender Lenker weggeschleudert und getötet wurde. Aufgrund der eingehaltenen Geschwindigkeit und des verwendeten Abblendlichts war es dem Erstbeklagten nicht möglich, den Unfall durch Bremsen oder Auslenken zu verhindern. Beim Fahren mit Abblendlicht hätte er nicht schneller als 66 km/h fahren dürfen, um sein Fahrzeug rechtzeitig abbremsen zu können. Hätte der Erstbeklagte das Fernlicht eingeschaltet gehabt, wäre ein rechtzeitiges Anhalten bei 125 km/h nicht, aber zumindest ein den Unfall vermeidendes Auslenken möglich gewesen.

[6] Die Erst‑ und Zweitkläger sind die Eltern des Getöteten, die Drittklägerin war dessen Lebensgefährtin, der erst nach dem Unfall am 31. 3. 2022 geborene Viertkläger ist dessen Sohn und eingeantworteter Alleinerbe.

[7] Alle Kläger begehren – im Ausmaß von einem Viertel von allen Beklagten zur ungeteilten Hand; im weiteren Ausmaß von drei Viertel vom Erst‑ und Zweitbeklagten zur ungeteilten Hand – jeweils Trauerschmerzensgeld sowie Schockschadenersatz und stellen ein Feststellungsbegehren.

[8] Die Erst‑ und Zweitkläger machen zusätzlich den Ersatz pauschaler Unkosten geltend.

[9] Die Drittklägerin begehrt weiters den Ersatz von von ihr nach dem Tod allein getragenen Wohnkosten (Miete, Kreditrückführung), für nun allein geleistete Haushaltsführung und Kinderbetreuung, der Kosten der Grabpflege, der Bestattung, des Verlassenschaftsverfahrens sowie der Abschleppung des Klagsfahrzeugs und diverser Fahrten. Überdies erhebt sie ein Rentenbegehren im Zusammenhang mit der Haushaltsführung, der Kreditrückzahlung, den (Kinder‑)Betreuungsleistungen und der Grabpflege.

[10] Der Viertkläger begehrt weiters als Alleinerbe des Getöteten diesem aufgrund des Unfalls zustehendes Schmerzengeld.

[11] Das Berufungsgericht ging von einem Verschulden bzw Mitverschulden der Unfallbeteiligten im Verhältnis von 1 (Drittbeklagter) : 2 (Erstbeklagter) : 3 (Getöteter) aus und sprach den Klägern einen jeweils diesen Quoten entsprechenden Schadenersatz zu, und zwar dem Erstkläger und der Zweitklägerin für deren Schockschaden und für pauschale Unkosten, der Drittklägerin für Begräbnis‑ und Fahrtkosten und dem Viertkläger (als Erben) für die Schmerzen des Getöteten. Weiters stellte es eine den Verschuldensquoten entsprechende Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden des Viertklägers fest, wobei es aufgrund der Gesamtabwägung der Verschuldensquoten der Schädiger einerseits und des Getöteten andererseits die Haftung der Beklagten insgesamt mit der Hälfte des Schadens begrenzte. Die Mehrbegehren wies es ab. Rechtlich lastete das Berufungsgericht dem Drittbeklagten aufgrund seiner geringen Fahrgeschwindigkeit einen Verstoß gegen § 20 Abs 1 StVO und wegen der Nichteinschaltung der Warnblinkanlage eine Verletzung des § 102 Abs 2 letzter Satz Z 3 KFG an. Auch der Erstbeklagte habe aufgrund relativ überhöhter Geschwindigkeit gegen § 20 Abs 1 StVO verstoßen. Dem Getöteten sei aber ein erhebliches, bei Gesamtbetrachtung gleichteiliges Mitverschulden anzulasten. Einerseits habe er die Primärkollision aufgrund überhöhter Geschwindigkeit und/oder eines Aufmerksamkeits‑ und/oder Reaktionsfehlers mitzuverantworten. Andererseits habe er sich danach entgegen § 46 Abs 1 StVO gefährlich vor dem Klagsfahrzeug auf dem Pannenstreifen aufgehalten, ohne dabei zu versuchen, zu helfen oder die Unfallstelle abzusichern. Die Sekundärkollision stehe auch im Adäquanz‑und Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem Verschulden an der Erstkollision. Weder das Verhalten des Erst‑ noch des Drittbeklagten begründe einen groben Sorgfaltsverstoß, sodass kein Anspruch auf Trauerschmerzensgeld bestehe. Allerdings sei den Erst‑ und Zweitklägern der Ersatz ihres (nur bei ihnen) festgestellten Schockschadens zuzusprechen. Die Drittklägerin habe als bloße Lebensgefährtin des Getöteten keinen Anspruch auf Ersatz von entgangenen Leistungen mit Unterhaltscharakter. Auf einen Übergang der Ansprüche des Viertklägers auf sie habe sie sich nicht berufen. Die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens seien ebensowenig ersatzfähig wie jene der laufenden Grabpflege. Zur Geltendmachung der von ihr bezahlten, aber vom Nachlass geschuldeten Abschleppkosten sei sie mangels behaupteter Zession nicht aktivlegitimiert. Der Viertkläger könne den geerbten, der Höhe nach angemessenen Anspruch auf Schmerzengeld geltend machen. Auch das Feststellungsbegehren sei (nur ihm gegenüber) gerechtfertigt.

[12] Über Antrag der Erst‑, Zweit‑ und Viertkläger sowie der Dritt‑ und Viertbeklagten (in Bezug auf die Erst‑, Zweit‑ und Viertkläger) ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich zu, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob Fahrzeuginsassen, die sich nach einem Unfallgeschehen ohne sachlichen Grund auf dem Pannenstreifen aufhielten gegen § 46 Abs 1 StVO verstießen und ob deren Verletzung noch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Primärkollision liege.

[13] Gegen diese Entscheidung richten sich

- die (ordentliche) Revision der Erst‑, Zweit‑ und Viertkläger sowie die außerordentliche Revision der Drittklägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, ihrer Klage jeweils vollinhaltlich stattzugeben;

- die (ordentliche) Revision der Dritt‑ und Viertbeklagten (in Bezug auf die erst‑, zweit‑ und viertklagenden Parteien) sowie deren außerordentliche Revision (in Bezug auf die drittklagende Partei) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, ihnen gegenüber die Klage zur Gänze abzuweisen.

[14] Hilfsweise werden jeweils Aufhebungsanträge gestellt.

[15] In den (teils nachträglich freigestellten) Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, die Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben

Rechtliche Beurteilung

[16] Sämtliche Revisionen sind – teils entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

I. Zu den Rechtsmitteln der Dritt‑ und Viertbeklagten:

[17] 1. Die Rechtsmittelwerber ziehen – in ihren inhaltsgleichen und daher gemeinsam behandelten Rechtsmitteln – nicht in Zweifel, dass dem Drittbeklagten ein Verstoß gegen § 20 Abs 1 StVO und § 102 Abs 2 letzter Satz Z 3 KFG zur Last liegt (vgl 2 Ob 17/12g) und auch die Sekundärkollision als solche im Adäquanz‑ und Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dessen Verschulden an der Primärkollision steht (6 Ob 142/16z = RS0022675 [T13]; vgl auch 2 Ob 294/04f [„Normadäquanz“]). Sie stehen aber auf dem Standpunkt, die (erst) nach der Sekundärkollision erfolgte Tötung des Lenkers des Klagsfahrzeugs liege deshalb nicht mehr im „persönlichen“ Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil sich dieser entgegen § 46 Abs 1 StVO ohne gebilligten Grund auf dem Pannenstreifen aufgehalten habe und er daher als Fußgänger nicht (mehr) Teil des zulässigen Verkehrs gewesen sei.

[18] 2. Die Übertretung einer Schutznorm macht nur insofern für den durch die Übertretung verursachten Schaden haftbar, als durch die Schutznorm gerade dieser Schaden verhindert werden sollte (RS0027553), wobei es ausreicht, dass die Verhinderung des Schadens bloß mitbezweckt ist (RS0027553 [T6; T17]).

[19] Schutzzweck des § 20 Abs 1 StVO ist im Allgemeinen, durch die Wahl einer den Verhältnissen angepassten Geschwindigkeit eine Gefährdung und Verletzung von im Straßenbereich befindlichen Personen und Sachen zu vermeiden (RS0027564). Auch das Verbot des verkehrsbehindernden Langsamfahrens (§ 20 Abs 1 letzter Satz StVO) dient der Sicherheit des Verkehrs und ist Schutznorm (§ 1311 ABGB) insbesondere zugunsten des Folgeverkehrs (RS0027620).

[20] 3. Wie weit der Normzweck reicht, ist Ergebnis der Auslegung im Einzelfall (RS0027553 [T11]).

[21] 4. Wenn das Berufungsgericht den Rechtswidrigkeitszusammenhang bejaht, das heißt den erst nach der Sekundärkollision Getöteten in den vom § 20 Abs 1 StVO bezweckten Schutz miteinbezogen hat, ist dies im Hinblick darauf, dass dieser als Teilnehmer des Folgeverkehrs gerade durch den dem Drittbeklagten zur Last liegenden Verstoß gegen § 20 Abs 1 StVO in die letztlich auch für seinen Tod mitursächliche Gefahrenlage gebracht wurde, nicht korrekturbedürftig. Der von den Rechtsmittelwerbern herangezogene Vergleich mit (unbeteiligten) Schaulustigen geht daher schon deshalb fehl (vgl 2 Ob 294/04f).

[22] Der Umstand, dass der Getötete einen Verstoß gegen § 46 Abs 1 StVO zu verantworten hat (vgl dazu unten II.2.3), begründet vielmehr lediglich dessen Mitverschulden, beseitigt aber nicht den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der für die Primärkollision ursächlichen Übertretung der Vorschrift des § 20 Abs 1 StVO und der dadurch (mit‑)verursachten Tötung des Lenkers des Klagsfahrzeugs im Zuge der Sekundärkollision (vgl RS0022580).

II. Revision der Erst‑, Zweit‑ und Viertkläger:

1. Trauerschmerzengeld – grobe Fahrlässigkeit

[23] 1.1. Der Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsbeeinträchtigung geführt hat, gebührt nach der Rechtsprechung nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Schädigers (RS0115189).

[24] 1.2. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn eine ungewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar ist. Es muss sich um einen objektiv besonders schweren Sorgfaltsverstoß handeln, der bei Würdigung aller Umstände des Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Ob der Schädiger leichte oder grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat, ist nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen und bildet daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (2 Ob 42/24a Rz 7 mwN).

1.3. Zum Sorgfaltsverstoß des Erstbeklagten

[25] Das Berufungsgericht ist im Einklang mit der Rechtsprechung des Fachsenats nicht korrekturbedürftig davon ausgegangen, dass die Überschreitung der (absolut oder relativ) zulässigen Geschwindigkeit (§ 20 Abs 1 StVO) nur bei Hinzutreten weiterer Umstände (bspw Unaufmerksamkeit des Lenkers) als grob fahrlässig zu beurteilen ist (RS0080484 [T3]; RS0030417 [T9] = 2 Ob 195/09d [95 statt 60 km/h bei Dunkelheit und Abblendlicht auf Freilandstraße]). Ein Aufmerksamkeitsfehler oder eine Reaktionsverspätung liegt dem Erstbeklagten nach den Feststellungen nicht zur Last.

[26] Der von der Revision ins Treffen geführten Entscheidung 7 Ob 6/85 ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen, lag dem dortigen Unfalllenker doch auch zur Last, bei dichtem Nebel sämtliche Verkehrszeichen und Warnblinkleuchten einer Baustelle übersehen zu haben.

[27] Auch der zu 2 Ob 154/06w entschiedene Sachverhalt ist nicht vergleichbar. Dort war neben dem Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h auch der Umstand, dass es sich um eine notorisch gefährliche Strecke (mehrere enge Kurven, Kopfsteinpflaster mit negativen Auswirkungen auf die Bremsverzögerung, an Wochenenden starker Ausflugsverkehr) handelte, dafür maßgeblich, einen groben Sorgfaltsverstoß anzunehmen.

[28] Wenn das Berufungsgericht die dem Erstbeklagten allein zur Last liegende Einhaltung einer relativ überhöhten Geschwindigkeit nicht als grob fahrlässig beurteilt hat, ist dies im Einzelfall vertretbar.

1.4. Zum Sorgfaltsverstoß des Drittbeklagten

[29] Die Vorinstanzen haben dem Drittbeklagten (ohnehin) zur Last gelegt, ohne zwingenden Grund verkehrsbehindernd langsam gefahren zu sein (§ 20 Abs 1 StVO) und die Warnblinkanlage nicht verwendet zu haben (vgl § 102 Abs 2 letzter Satz Z 3 KFG; 2 Ob 17/12g). Sie sind aber vertretbar zum Ergebnis gelangt, dass dieses Verhalten im Hinblick darauf, dass auch sonst langsamere Fahrzeuge wie Lastkraftwagen auf Autobahnen unterwegs seien und der Drittbeklagte nicht „besonders krass“ langsam unterwegs gewesen sei, noch nicht als grob fahrlässig zu beurteilen ist.

[30] Dass – wie die Kläger behaupten – der Drittbeklagte die Autobahn aufgrund der eingehaltenen Geschwindigkeit gar nicht befahren hätte dürfen oder zumindest den Pannenstreifen benützen hätte müssen, steht in Widerspruch zur eindeutigen und daher auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfenden Rechtslage (RS0042656). § 46 Abs 1 StVO stellt auf die Bauartgeschwindigkeit und nicht auf die tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit ab. Soweit die Kläger daher versuchen, gestützt auf die Verletzung weiterer Vorschriften der StVO einen groben Sorgfaltsverstoß zu begründen, können sie auch insoweit keine Überschreitung des dem Berufungsgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums aufzeigen.

[31] 1.5. Die Abweisung des auf (bloßen) Trauerschmerz gestützten Zahlungsbegehrens ist daher nicht korrekturbedürftig.

2. Mitverschulden des Getöteten

[32] 2.1. Bei der Aufteilung des Verschuldens entscheiden vor allem der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers, die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Verkehrs im Allgemeinen und im konkreten Fall (RS0027389; RS0026861).

[33] Das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten kann wegen seiner Einzelfallbezogenheit in aller Regel nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RS0087606). Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigen die Kläger nicht auf.

[34] 2.2. Die Kläger argumentieren im Wesentlichen lediglich mit dem – ihrer Ansicht nach keine nennenswerte Sorglosigkeit darstellenden – Verhalten des Getöteten nach der Primärkollision (Aufenthaltsort auf Pannenstreifen vor dem Unfallfahrzeug) und stellen dieses (nur) dem Verschulden des Erstbeklagten an der Sekundärkollision gegenüber. Dabei blenden sie aus, dass das Mitverschulden des (jeweiligen) Geschädigten im Wege einer Gesamtschau durch Verknüpfung einer Einzelabwägung mit einer Gesamtabwägung zu beurteilen ist (RS0017470). Weshalb aber bei einer Gesamtschau, also unter Einbeziehung des zur Primärkollision führenden Verhaltens des Getöteten, die von den Vorinstanzen angenommene Verschuldensteilung unvertretbar sein soll, vermögen die Kläger nicht darzulegen.

[35] 2.3. Wenn das Berufungsgericht dem Kläger einen Verstoß gegen § 46 Abs 1 StVO angelastet hat, entspricht auch dies der klaren Gesetzeslage und dazu ergangener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Grundsätzlich unterliegen Kraftfahrer, die ihr Fahrzeug verlassen, den Regeln der StVO für Fußgänger (RS0075504). § 46 Abs 1 Satz 2 StVO verbietet den Fußgängerverkehr auf Autobahnen. Lediglich das Betreten der Autobahn um Hilfe zu leisten (RS0123935), um einen nicht mehr fahrbereiten PKW wegzuschieben (2 Ob 59/10f = RS0123935 [T1]) oder eine Unfallstelle abzusichern (8 Ob 92/87) stellt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keinen unzulässigen Fußgängerverkehr iSd § 46 Abs 1 StVO dar, weil sich diese Personen dann zur Erreichung eines von der Rechtsordnung ausdrücklich gebilligten oder zumindest tolerierten Zwecks auf der Fahrbahn aufhalten (vgl 2 Ob 192/09p). Dass sich der Getötete zu einem insoweit von der Rechtsordnung gebilligten Zweck auf der Autobahn aufgehalten hätte, behauptet die Revision aber nicht.

[36] Allein der Umstand, dass sich der Getötete (nur) auf dem Pannenstreifen aufgehalten hat, ändert nichts am Verstoß gegen § 46 Abs 1 StVO. Auch wenn der mittels Randlinie von der Richtungsfahrbahn abgegrenzte Pannenstreifen (nur) Teil der Straße, aber nicht der Fahrbahn ist (vgl § 2 Abs 1 Z 6a StVO), umfasst das Verbot des § 46 Abs 1 StVO nach dem klaren Wortlaut die gesamte Autobahn, worunter nicht nur die Fahrbahn, sondern die gesamte Straße zu verstehen ist (vgl § 43 Abs 3 lit a StVO; vgl auch 8 Ob 92/87 [Begehen des Pannenstreifens zur Warnung des Nachfolgeverkehrs]).

[37] 2.4. Soweit die Kläger Rechtsprechung dazu vermissen, ob Fußgänger auf dem Pannenstreifen unter die Schutzbestimmungen des EKHG fallen, legen sie nicht dar, welche für sie günstigere Rechtsfolge im Zusammenhang mit dem Mitverschulden des Getöteten daraus resultieren soll. Weshalb den Getöteten bei einem auf EKHG gestützten Ersatzanspruch kein Mitverschulden treffen sollte, bleibt im Hinblick auf § 7 EKHG unerfindlich.

[38] 2.5. Nach den Feststellungen wurde die Primärkollision jedenfalls durch einen Sorgfaltsverstoß des Getöteten mitverursacht, wobei offen blieb, ob eine überhöhte Geschwindigkeit, ein Aufmerksamkeitsfehler, eine Reaktionsverspätung oder eine Kombination dieser Umstände vorlag. Weshalb es nicht zulässig sein soll, daraus ein jedenfalls bestehendes Mitverschulden abzuleiten, ist nicht ersichtlich, begründete doch jedes Verhalten für sich jedenfalls einen (erheblichen) kausalen Sorgfaltsverstoß.

[39] 2.6. Soweit die Kläger den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Primär- und Sekundärkollision bestreiten und auf dieser Grundlage die Nichtberücksichtigung des zur Primärkollision führenden Fehlverhaltens des Getöteten anstreben, sind sie auf obige Ausführungen (Pkt I.) und darauf zu verweisen, dass sie in ihrer Revisionsbeantwortung selbst vom Vorliegen eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs ausgehen.

3. Höhe des Schockschadenersatzes

[40] 3.1. Nach der Rechtsprechung gebührt nahen Angehörigen eines Getöteten für den ihnen verursachten „Schockschaden“ mit Krankheitswert ebenfalls Schmerzengeld, weil diese „Dritten“ durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen sind (RS0116865). Bei Vorliegen eines Schockschadens mit Krankheitswert kommt es, anders als beim bloßen Trauerschmerzensgeld, nicht auf das Vorliegen grober Fahrlässigkeit an (RS0116865 [T15]). Beim Schockschaden bietet die eingetretene Gesundheitsgefährdung einen objektiven Anhaltspunkt für das Vorliegen und das Ausmaß eines ideellen Schadens (2 Ob 126/23b Rz 25).

[41] 3.2. Die Beurteilung der Höhe des angemessenen Schmerzengeldes ist eine Frage des Einzelfalls, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet. Anderes gilt nur im Fall einer – hier nicht vorliegenden – eklatanten Fehlbemessung, die völlig aus dem Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt (RS0042887 [T10], RS0031075 [T7]).

[42] 3.3. Der von den Klägern angestellte Vergleich mit (höheren) Trauerschmerzengeldzusprüchen geht schon deshalb fehl, weil es beim Schockschadenersatz nicht um ideellen Schadenersatz für Trauer, sondern um die Abgeltung einer tatsächlich eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigung geht, die objektiv feststellbarer Anknüpfungspunkt für das Vorliegen und den Umfang des Schadens ist (RS0030778 [T20]). Für die erlittenen seelischen Schmerzen mit Krankheitswert gebührt dem „Schockgeschädigten“ aus einer in der Regel an die Feststellung von Schmerzperioden (als Orientierungshilfe) anknüpfenden, aber nicht darauf beschränkten Gesamtbetrachtung Schmerzengeld (2 Ob 109/19x Pkt 1.). Dass den Vorinstanzen ausgehend von der festgestellten psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung und deren seelischen Auswirkungen eine eklatante Fehlbemessung unterlaufen wäre, ist nicht ersichtlich. Nur wenn – anders als im konkreten Fall – auch die Voraussetzungen für Trauerschmerzengeld vorlägen, käme im Rahmen der auch dann vorzunehmenden Globalbemessung eine Erhöhung des ideellen Schadenersatzes wegen „bloßer“ Trauer ohne Krankheitswert in Betracht (2 Ob 109/19x Pkt 2.).

[43] Eine auf den Unfall zurückzuführende (psychische) Gesundheitsbeeinträchtigung des Viertklägers, die einen Ersatzanspruch wegen seelischer Schmerzen eröffnen könnte, steht – anders als bei den Erst- und Zweitklägern – nicht fest. Der Umstand, dass er ohne Vater aufwächst, könnte allenfalls im Rahmen des hier nicht in Betracht kommenden Trauerschmerzengeldes berücksichtigt werden.

[44] 4. Die Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden (RS0043371).

III. Außerordentliche Revision der Drittklägerin

[45] 1. Soweit auch die Drittklägerin auf den Unfallhergang, die Verschuldensteilung oder den (unterbliebenen) Zuspruch von Trauerschmerzengeld zurückkommt, ist auf die Behandlung der Revision der Erst‑, Zweit‑ und Viertkläger zu verweisen.

2. Ansprüche nach § 1327 ABGB

[46] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst bestätigt, dass der bloße Lebensgefährte mangels gesetzlichen Unterhaltsanspruchs nicht berechtigt ist, Ersatzansprüche nach § 1327 ABGB geltend zu machen (2 Ob 113/24t Rz 4 mwN).

[47] Stichhaltige Gründe, von dieser von den Vorinstanzen beachteten Rechtsprechung abzugehen, zeigt die Drittklägerin nicht auf, löst doch auch eine allfällige Verlobung keine gesetzlichen Unterhaltssprüche aus, deren Bestehen aber Grundvoraussetzung des § 1327 ABGB ist (RS0031410 [T5]; vgl auch 2 Ob 554/31 SZ 13/141 = RS0031792 [„Braut und Lebensgefährtin“]).

[48] Die Abweisung des Zahlungs‑ und Rentenbegehrens entspricht daher, soweit es Leistungen des Getöteten mit Unterhaltscharakter zu ihren Gunsten betrifft, schon deshalb der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

2.2. Übergang von Schadenersatzansprüchen des Viertklägers nach § 1327 ABGB auf die Drittklägerin

[49] 2.2.1. Die Hinterbliebenen sind nach § 1327 ABGB so zu stellen, wie sie stünden, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete nicht getötet worden wäre. Dabei ist von den Verhältnissen (bis) zum Todeszeitpunkt auszugehen. Künftige Entwicklungen sind aber, soweit möglich, bei der Bemessung im Rahmen einer Prognose zu berücksichtigen (2 Ob 17/19t Pkt II.1.). § 1327 ABGB bildet auch die Anspruchsgrundlage für den Ersatz entgangener Naturalleistungen des Getöteten mit Unterhaltscharakter, wozu die Verschaffung einer Wohnmöglichkeit und Haushaltsleistungen gehören (2 Ob 17/19t Pkt II.3.). Auch konkret entgangene Betreuungsleistungen sind ersatzfähig (RS0031598 [T2, T3]), wobei die Bruttolohnkosten zu ersetzen sind (RS0031597).

[50] Auch dem zum Unfallszeitpunkt noch ungeborenen Viertkläger (Nasciturus) können Ansprüche nach § 1327 ABGB zustehen (2 Ob 64/92).

[51] Soll der Unterhaltsentgang eines – wie hier – nachgeborenen Kindes infolge Ablebens eines Elternteils festgestellt werden, so ist für den Fall, dass die Eltern bereits ernste konkrete Vorstellungen von einer gemeinsamen Haushaltsführung und der Art der Betreuung des zu erwartenden Kindes hatten, von der Fiktion auszugehen, sie hätten diese Lebensführung bereits zu Lebzeiten beider Elternteile verwirklicht (2 Ob 64/92).

[52] 2.2.2. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass, soweit die Drittklägerin aufgrund ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Viertkläger Leistungen mit Unterhaltscharakter (Wohnkosten, Kreditrückführung, Haushaltsleistungen und Kinderbetreuung) erbracht hat, die sonst der Getötete erbracht hätte, ein Übergang der Schadenersatzansprüche des Viertklägers auf die Drittklägerin nach § 1358 ABGB (analog) in Betracht kommt (2 Ob 20/24s Rz 17 mwN).

[53] Zwar trägt der Hinweis des Berufungsgerichts, die Drittklägerin habe sich in erster Instanz nicht auf eine (Legal‑)Zession gestützt, die Abweisung der Klage insoweit nicht, weil es ausreicht, dass die Drittklägerin ihren aus irgend einem Rechtsgrund ableitbaren Anspruch durch das Vorbringen von Tatsachen umschreibt (RS0037447 [Substantiierungstheorie]), was sie durch den Hinweis auf die nach dem Ableben ihres Lebensgefährten von ihr an dessen Stelle übernommenen Verpflichtungen ausreichend deutlich gemacht hat.

[54] 2.2.3. Dennoch erweist sich die Abweisung der Klage der Drittklägerin auch in diesem Umfang aus folgenden – keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufwerfenden – Überlegungen im Ergebnis als nicht korrekturbedürfig.

[55] (a) Allfällige Ansprüche des Viertklägers nach § 1327 ABGB können naturgemäß erst mit der Geburt entstehen (Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 22 Rz 7), sodass die Abweisung betreffend der bis zum Zeitpunkt der Geburt begehrten Beträge schon deshalb nicht zu beanstanden ist.

[56] (b) Auch die Abweisung des Rentenbegehrens ist in Bezug auf zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht fällige Unterhaltsleistungen (vgl zur Grabpflege Pkt III.3.) trotz eines grundsätzlich möglichen Forderungsübergangs im Ergebnis nicht korrekturbedürftig. Grund ist die Unanwendbarkeit von § 406 Satz 2 ZPO im Fall durch Leistung übergegangener Ansprüche (2 Ob 197/17k Pkt 3.2.). Zwar ist bei Ansprüchen auf entgangenen Unterhalt iSv § 1327 ABGB aufgrund § 406 Satz 2 ZPO auch ein Zuspruch erst künftig fällig werdender Beträge möglich. Das gilt aber nur für den Anspruch des jeweils Geschädigten. Der Anspruch eines dritten Leistenden (hier der Drittklägerin) hängt demgegenüber nach § 1358 ABGB nicht nur vom Bestehen dieses Unterhaltsanspruchs ab, sondern auch von dessen (jeweiliger) Erfüllung durch den Dritten. Auch besteht kein besonderes Rechtsschutzbedürfnis an einer Verurteilung vor Fälligkeit, weil nicht erkennbar ist, dass die Drittklägerin ihre Ansprüche nach Erbringen ihrer Leistungen nicht mehr durchsetzen könnte. Zudem wäre es dem Viertkläger ohnehin freigestanden, einen Anspruch auf zukünftige Leistungen selbst geltend zu machen oder der Drittklägerin abzutreten. In beiden Fällen wäre § 406 Satz 2 ZPO anwendbar gewesen (vgl 2 Ob 197/17k Pkt 3.2.).

[57] (c) Soweit zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz fällige Unterhaltsansprüche des Viertklägers von der Drittklägerin als Legalzessionarin (§ 1358 ABGB analog) geltend gemacht werden, kommt eine Stattgebung der Klage wegen der – von den Beklagten auch eingewendeten (RS0084869) – Bestimmung des § 332 ASVG nicht in Betracht.

[58] Der Schadenersatzanspruch des Kindes gegen den Schädiger iSd § 1327 ABGB bildet einen kongruenten Deckungsfonds für die von den Sozialversicherungsträgern erbrachte Waisenpension oder Waisenrente (RS0031564). Bei Bestehen eines Anspruchs des Kindes auf Waisenpension oder Waisenrente gehen kongruente Ansprüche wegen entgangenen Unterhalts ex lege auf den Sozialversicherungsträger über. Da dieser Übergang bereits mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses erfolgt, verfügt ein Kind im Umfang seines Anspruchs auf Waisenpension und/oder Waisenrente (hier: insgesamt 733,36 EUR/Monat) über keinen Schadenersatzanspruch mehr (2 Ob 20/24s Rz 17), der (später) im Wege des § 1358 ABGB (analog) im Zeitpunkt der Leistung (RS0019889 [T3]) auf die Drittklägerin übergehen könnte. Das Mitverschulden des Getöteten wirkt sich überdies mindernd auf den Anspruch nach § 1327 ABGB aus (RS0027341) und ist auch bei Berechnung des Deckungsfonds für kongruente Sozialversicherungsleistungen zu berücksichtigen („Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers“: RS0027370; RS0085393).

[59] Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Eltern in einer gemeinsam angemieteten Wohnung gelebt, die damit im Zusammenhang stehenden Kosten (Miete, Kredit) je zur Hälfte getragen und gemeinsam gewirtschaftet haben. Der Viertkläger sollte gemeinsam groß gezogen werden, wobei der Getötete ein bis zwei Stunden täglich an Betreuungsarbeit geleistet und auch bei der Haushaltsführung geholfen hätte.

[60] Geht man davon aus, dass die vom Getöteten zur Hälfte getragenen und zu tragen geplanten, nun an dessen Stelle von der Drittklägerin übernommenen (variablen) Wohn- und Kreditkosten zur Gänze vom Anspruch des Viertklägers nach § 1327 ABGB umfasst sind, ergibt sich insoweit ein Ersatzanspruch des Viertklägers in Höhe von max 6.504 EUR pro Jahr. Berücksichtigt man weiters die geplanten Haushalts- und Kinderbetreuungstätigkeiten des Getöteten im von der Drittklägerin übernommenen Ausmaß mit einem auch von ihr als angemessen erachteten Betrag von 20 EUR/h, wobei Unklarheiten über das Ausmaß nach allgemeinen Beweislastregeln zu ihren Lasten gehen, kommen im Zusammenhang mit Haushaltstätigkeiten 3.650 EUR (0,5 h/Tag) und mit der Kinderbetreuung 7.300 EUR (1 h/Tag) jährlich hinzu. Unter Berücksichtigung der aus der Gesamtabwägung folgenden Ersatzquote von 50 % errechnet sich ein Ersatzanspruch in Höhe von 8.727 EUR im Jahr. Da die jährliche Waisenpension und Waisenrente 8.800,32 EUR beträgt, verbleibt kein Schadenersatzanspruch des Viertklägers nach § 1327 ABGB, der nach § 1358 ABGB analog im Leistungszeitpunkt noch auf die Drittklägerin übergegangen sein könnte.

[61] 3. Dass – wie vom Berufungsgericht aufgezeigt – weder die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens (RS0031377; 1 Ob 282/00b) noch die laufenden Kosten der Grabpflege (2 Ob 124/89; 7 Ob 1593/92 [7 Ob 1594/92]; 8 Ob 98/20z Rz 47) ersatzfähig sind, entspricht gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Stichhaltige Argumente für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung zeigt die Revision nicht auf.

[62] 4. Auch im Zusammenhang mit der Abweisung der von ihr getragenen Abschleppkosten mangels Aktivlegitimation vermag die Drittklägerin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Dass es sich dabei um eine vom Nachlass zu tragende Schuld gehandelt hat, zieht die Revision nicht in Zweifel. Soweit sich die Drittklägerin offenbar auch insoweit auf § 1358 ABGB analog stützen will, scheidet dies schon deshalb aus, weil die Legalzession neben der Begleichung einer fremden Schuld voraussetzt, dass der Zahler für diese persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet (RS0112742), was sie aber gar nicht behauptet. Für den ebenfalls angesprochenen Forderungsübergang nach § 1422 ABGB wäre ein – ebenfalls nicht behauptetes – Abtretungsverlangen erforderlich (RS0033441).

[63] 5. Die Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden (RS0043371). Auch der vom Berufungsgericht verneinte (angebliche) Mangel des Verfahrens erster Instanz kann nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963).

IV. Kosten

[64] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Sowohl die im Verfahren über die ordentliche Revision der Dritt‑ und Viertbeklagten beteiligten Erst‑, Zweit- und Viertkläger als auch die Beklagten haben jeweils auf die Unzulässigkeit der Revision der Gegenseite hingewiesen, sodass ihre Revisionsbeantwortungen der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienten. Soweit die Rechtsmittelschriftsätze auch eine nicht freigestellte Beantwortung der außerordentlichen Revisionen enthalten, dienten sie insoweit nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (RS0043690).

[65] Bemessungsrundlage für die Rechtsanwaltskosten ist nur die Summe der zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen (RS0059305), soweit sie Gegenstand des Verfahrens über die ordentlichen Revisionen sind. Den Erst‑ und Zweitbeklagten sowie den Dritt‑ und Viertbeklagten steht aufgrund der gemeinsamen Prozessführung und ihres gleichen Anteils am Streitgegenstand jeweils Ersatz nach Kopfteilen zu (2 Ob 93/24a Rz 15 mwN). Für die Beantwortung der Revision der Dritt‑ und Viertbeklagten gebührt auch den ebenfalls durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertretenen Erst‑, Zweit‑ und Viertklägern Kostenersatz entsprechend ihrer etwa gleichteiligen Beteiligung am Revisionsstreitwert. Berücksichtigt man weiters, dass der Einheitssatz nur einfach gebührt, ergeben sich die aus dem Spruch ersichtlichen Kostenzusprüche.

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