OGH 3Ob48/25t

OGH3Ob48/25t16.4.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Republik Österreich, Finanzamt Österreich *, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen die verpflichtete Partei K*, vertreten durch die Cortolezis Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen 202.938,62 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 22. Jänner 2025, GZ 7 R 131/24f‑15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Tulln vom 29. Juli 2024, GZ 5 E 3063/24m‑2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0030OB00048.25T.0416.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Exekutionsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurswird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung wiederhergestellt wird.

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Die Kosten des Revisionsrekurses werden der betreibenden Partei mit 3.637,05 EUR (hierin enthalten 1.062,70 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht bewilligte der Betreibenden gegen den Verpflichteten aufgrund eines Rückstandsausweises des Finanzamts Österreich vom 10. Juni 2024 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 202.938,92 EUR sA antragsgemäß das erweiterte Exekutionspaket nach § 20 EO sowie die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob der 5/18‑Anteile des Verpflichteten an der Liegenschaft EZ * Grundbuch *.

[2] Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag infolge Rekurses des Verpflichteten ab, weil der Exekutionstitel entgegen § 229 BAO nicht die Anschrift des Verpflichteten enthalte, sondern dessen steuerliche Vertreterin und deren Anschrift anführe.

[3] Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof bisher nur mit anderen in § 229 BAO angeführten Inhaltserfordernissen auseinanderzusetzen gehabt habe, insbesondere der gebotenen Zergliederung der Abgabenschuld nach Abgabengattungen und Jahren, die für die Erhebung von Einwendungen bei der Titelbehörde erforderlich seien, nicht aber auch mit der fehlenden Anschrift des Steuerschuldners, die sich nur als Abweichung vom Wortlaut des § 229 BAO darstelle, aber für die Identitätsprüfung iSd § 54 EO nicht erforderlich sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Revisionsrekurs der Betreibenden, mit der sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutions-bewilligung anstrebt, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.

[5] 1. Gemäß § 229 BAO hat ein Rückstandsausweis über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.

[6] 2. Bei den in § 229 BAO genannten Angaben, insbesondere dem Erfordernis der Zergliederung der Abgabenschuld, das eine Aufschlüsselung der einzelnen Abgabenforderungen nach Jahren verlangt, handelt es sich nach der Rechtsprechung um – nicht verbesserungsfähige – Inhaltserfordernisse (vgl RS0002106).

[7] 3.1. Im Rückstandsausweis ist jene Person, gegenüber der eine Vollstreckung erfolgen soll, so genau zu bezeichnen, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist (VwGH Ra 2020/16/0114 mwN; Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/ Unger, BAO § 229 Rz 10; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 229 Anm 8).

[8] 3.2. Das Rekursgericht hat zutreffend dargelegt, dass eine Verwechslung des Verpflichteten im vorliegenden Fall (ungeachtet des Fehlens seiner persönlichen Anschrift) im Hinblick auf die Anführung seiner Sozial-versicherungsnummer, aus der sich sein Geburtsdatum ergibt, ausgeschlossen ist.

[9] 4. Die Prüfungsbefugnis des Exekutionsgerichts in Bezug auf einen Rückstandsausweis beschränkt sich – abgesehen von den allgemeinen Anforderungen an einen Exekutionstitel – auf das Vorliegen der speziellen gesetzlichen Inhaltserfordernisse für den betreffenden Rückstandsausweis sowie die Prüfung der Berechtigung des betreibenden Gläubigers (der ausstellenden Behörde) zur Ausfertigung eines Rückstandsausweises (Höllwerth in Deixler‑Hübner, EO § 1 Rz 105 mwN).§ 229 BAO sieht als (zwingendes) Inhaltserfordernis des Rückstandsausweises zwar auch die Anschrift des Schuldners vor. Die Angabe der Anschrift dient allerdings lediglich als Identifizierungsmerkmal (Rz 1407 der Richtlinien für die Abgabeneinhebung, BMF 2024-0.234.994 7. 11. 2014). Das Fehlen der Anschrift des Abgabenschuldners steht hier der Exequierbarkeit des Rückstandsausweises daher nicht entgegen.

[10] 5. Im Hinblick darauf ist in Stattgebung des Revisionsrekurses die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung wiederherzustellen.

[11] 6. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Revisionsrekurses auf § 74 EO und hinsichtlich des Rekurses des Verpflichteten gegen die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung auf §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO.

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