European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00016.25Z.0401.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* – soweit hier von Bedeutung – des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 22. Jänner 2024 in I* * B* eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er ihm mit einem Messer mit einer Klingenlänge von zumindest 7 cm einen Stich in den Bauch versetzte, wodurch der Genannte eine ca 4,5 cm lange Wunde mit Eröffnung der Bauchhöhle und Austritt eines Teils des Bauchfells sowie eine Verletzung einer Rippe, welche zum Teil operativ entfernt werden musste, erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Soweit die Beschwerde mehrfach (nominell aus Z 5, 5a und 9 lit b) auf die Erwägungen des Einzelrichters des Landesgerichts über den Tathergang im Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft vom 8. Februar 2024 (ON 13) Bezug nimmt, spricht sie keine der von §§ 281 Abs 1, 281a StPO eröffneten Anfechtungskategorien an.
[5] Das gegen die Feststellungen zum zeitlichen Ablauf, wonach der Angeklagte zuerst auf das Opfer einstach und dieses erst danach einen Pfefferspray gegen den Angeklagten einsetzte (US 5), gerichtete Vorbringen der Mängel‑ ([nominell] Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) und der Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich nicht gegen entscheidende Tatsachen (zum Begriff RIS‑Justiz RS0117499; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt der in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgründe.
[6] Soweit die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) kritisiert, das Erstgericht habe nicht dargelegt, warum es den (ausdrücklich berücksichtigten) Angaben des Beschwerdeführers, er habe beim Einsatz des Messers aus „Angst“ gehandelt (US 7), nicht gefolgt sei, übergeht sie prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0119370) die zur subjektiven Tatseite angestellte Beweiswürdigung (US 12). Im Übrigen haben die Tatrichter der Beschwerdebehauptung zuwider die Verantwortung des Angeklagten – abgesehen von seinem Beweggrund – keineswegs als „vorbehaltlos glaubwürdig[…]“ beurteilt (vgl US 11 f).
[7] Mit der Behauptung, getroffene Feststellungen stünden zu einzelnen Verfahrensergebnissen im „Widerspruch“, wird Nichtigkeit aus Z 5 dritter Fall nicht angesprochen (RIS‑Justiz RS0117402 [T1, T8 und T16]).
[8] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit selbständigen beweiswürdigenden Erwägungen zur Verantwortung des Beschwerdeführers und zu den Aussagen der Zeugen * B* und * H* beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (zum Anfechtungsgegenstand vgl RIS‑Justiz RS0119583, RS0118780).
[9] Der Sache nach wendet sich die Beschwerde bloß mit eigenen Erwägungen nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
[10] Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) orientiert sich mit ihren Ausführungen zu Notwehr (§ 3 Abs 1 erster Satz StGB) und zu Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB) nicht am Urteilssachverhalt, sondern argumentiert unter „Berücksichtigung der Ausführungen zu den Nichtigkeitsgründen zu § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO“. Damit verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Ausführung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[11] Hinzugefügt sei, dass „notwendig“ im Sinne des § 3 Abs 1 erster Satz StGB jene Verteidigung ist, die aus der Situation des Angegriffenen gesehen und unter Beachtung objektiver Kriterien gerade so weit in die Rechtsgüter des Angreifers eingreift, dass der Angreifer letztlich und endgültig abgewehrt werden kann (RIS‑Justiz RS0088842). Einer Person einen Messerstich in den Bauch zu versetzen, um auf diese Weise unmittelbar zuvor betrügerisch herausgelockte 200 Euro noch vor Ort zurückzuerlangen (US 5), überschreitet die Grenzen notwendiger Verteidigung im Sinne des § 3 Abs 1 erster Satz StGB.
[12] Soweit die Rechtsrüge substratlos behauptet, es wäre „allenfalls“ die „irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts im Sinn des § 8 StGB zu unterstellen“, verabsäumt sie es, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse aufzuzeigen, die ein derartiges Sachverhaltssubstrat indiziert hätten, und verfehlt solcherart erneut die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0118580 [insbesondere T7 und T8]).
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[14] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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