European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00221.24Z.0325.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit jeweils 2.072,40 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 345,40 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Am 14. 7. 2022 kam es im Begegnungsverkehr auf einem Forstweg im Bereich einer wegen Baumbewuchs schwer einsehbaren Kurve zur Kollision zwischen einem vom Kläger gelenkten Mountainbike und einem vom Erstbeklagten gelenkten, behördlich nicht zugelassenen und nicht haftpflichtversicherten Trial‑Motorrad. Die Beteiligten befuhren den ungefähr 3,6 Meter breiten Forstweg, dessen Oberfläche aus Sand und Splitt bestand, jeweils „in der Straßenmitte“, wobei zeitgleiche Positionen bei der ersten wechselseitigen Sichtmöglichkeit, ganz exakte Fahrlinien sowie die genaue Kollisionsstelle (genau in der Fahrbahnmitte oder westlich davon) nicht feststellbar sind.
[2] Das Erstgericht lastete beiden Unfallbeteiligten ein gleichteiliges (Mit‑)Verschulden an, weil sie gegen das Gebot des Fahrens am rechten Fahrbahnrand (§ 7 Abs 2 StVO) verstoßen hätten.
[3] Das nur vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ die ordentliche Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass die von ihm vorgenommene Auslegung der Urteilsfeststellungen des Erstgerichts in Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes erfolgt sein könnte.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Revision des Klägers ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[5] 1. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891).
[6] Wenn das Berufungsgericht die Feststellungen im Ersturteil in ihrer Gesamtheit so interpretiert hat, dass das Erstgericht von einer Fahrlinie beider Beteiligter in Annäherung an die Kollisionsstelle jeweils ungefähr in der Straßenmitte ausgegangen ist und lediglich zu ganz exakten Fahrlinien und Positionen Non‑liquet‑Feststellungen treffen wollte, ist dies im Einzelfall nicht korrekturbedürftig. Aufgrund der festgestellten Breite der beteiligten Fahrzeuge (0,75 bzw 0,825 Meter) und des Forstwegs (3,6 Meter) ist der vom Berufungsgericht gezogene Rückschluss auf eine nicht am rechten Fahrbahnrand gelegene Fahrlinie beider Beteiligter nicht zu beanstanden.
[7] Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen Grundsätze der Beweislastverteilung (vgl dazu 2 Ob 186/21y Rz 25) liegt damit entgegen den Ausführungen in der Revision nicht vor.
[8] 2. Nach § 7 Abs 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeugs – daher auch der Kläger als Lenker eines Fahrrads (§ 2 Abs 1 Z 22 StVO) – am rechten Fahrbahnrand zu fahren, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert. Dieser Bestimmung widerspricht jeder seitliche Sicherheitsabstand, der das zur Vermeidung der Gefährdung von Personen oder der Beschädigung von Sachen unbedingt erforderliche Maß überschreitet (RS0073691; vgl auch RS0074070). Die vom Berufungsgericht gebilligte Annahme eines (gleich zu gewichtenden) Verstoßes beider Beteiligter gegen § 7 Abs 2 StVO erweist sich auf Grundlage dieser Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Feststellungen zur Kollisionsstelle in einem unübersichtlichen Kurvenbereich als nicht korrekturbedürftig.
[9] 3. Insgesamt war die Revision damit zurückzuweisen.
[10] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
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