OGH 2Ob16/25d

OGH2Ob16/25d25.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterinnen und Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2024 verstorbenen G*, (I.) über den Revisionsrekurs der Witwe H*, vertreten durch Dr. Alexander Hoffmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Oktober 2023, GZ 43 R 493/24d‑39, mit dem die Amtsbestätigung des Bezirksgerichts Hietzing vom 23. Juni 2024, GZ 2 A 4/24k‑18, aufgehoben wurde (2 Ob 16/25d), sowie (II.) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Witwe gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. Oktober 2023, GZ 43 R 494/24a‑40, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 22. Juli 2024, GZ 2 A 4/24k‑26, abgeändert wurde (2 Ob 17/25a), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00016.25D.0325.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Der Revisionsrekurs gegen den Beschluss ON 39 wird zurückgewiesen.

II. Der außerordentliche Revisionsrekurs gegen den Beschluss ON 40 wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der 2024 verstorbene Erblasser setzte in seinem 2018 errichteten Testament seine Ehefrau zur Alleinerbin ein, vermachte einer Tochter (Legatarin) seine – den wesentlichen Nachlassbestandteil bildenden – Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft und minderte seiner zweiten Tochter (Pflichtteilsberechtigten) den Pflichtteil.

[2] Die Witwe gab gestützt auf das Testament eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab und stimmte – unter Vorbehalt der allfälligen späteren Geltendmachung ihres Legatskürzungsanspruchs – der Ausstellung der von der Legatarin beantragten Amtsbestätigung (§ 182 Abs 3 AußStrG) zum Erwerb der Liegenschaftsanteile zu.

[3] Das Erstgericht erließ am 23. 6. 2024 den Einantwortungsbeschluss und stellte gemäß § 182 Abs 3 AußStrG die Amtsbestätigung zu Gunsten der Legatarin aus.

[4] Nach Zustellung dieser Beschlüsse beantragte die Pflichtteilsberechtigte am 3. 7. 2024 die Nachlassabsonderung und erhob anschließend am 15. 7. 2024 Rekurs gegen den Einantwortungsbeschluss sowie die Amtsbestätigung.

[5] Mit Beschluss vom 22. 7. 2024 gab das Erstgericht dem Separationsantrag statt. Dagegen erhob die Witwe Rekurs.

[6] Das Rekursgericht hob infolge des Rekurses der Pflichtteilsberechtigten den Einantwortungsbeschluss sowie die Amtsbestätigung auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung auf. Aufgrund des vor Rechtskraft der Einantwortung und daher rechtzeitig gestellten Separationsantrags der Pflichtteilsberechtigten müsse vor der Einantwortung über die Nachlassabsonderung meritorisch entschieden werden und deren allfällige Durchführung sichergestellt sein. Die Amtsbestätigung stehe in der hier vorliegenden Konstellation mit der Einantwortung in einem untrennbaren Zusammenhang und dürfe mangels klarer Sach- und Rechtslage nicht ausgestellt werden. Den Revisionsrekurs (nur) gegen die Aufhebung der Amtsbestätigung ließ das Rekursgericht mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob der Pflichtteilsberechtigte die Amtsbestätigung anfechten könne und diese in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit der Einantwortung stehe.

[7] Über Rekursder Witwe beschränkte das Rekursgericht die Nachlassseparation auf das mit dem Legat vermachte Liegenschaftsvermögen. Den ordentlichen Revisonsrekurs ließ es nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[8] Mit ihren Revisionsrekursen bekämpft die Witwe die Aufhebung der Amtsbestätigung – nicht jedoch die dadurch rechtskräftig gewordene Aufhebung der Einantwortung – und (weiterhin) die in Bezug auf die Liegenschaftsanteile aufrecht gebliebene Nachlassseparation.

[9] I. Der gegen die Aufhebung der Amtsbestätigung gerichtete Revisionsrekurs der Witwe ist mangels Beschwer unzulässig.

[10] 1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (RS0006497). Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels bedarf es der materiellen Beschwer, die nur dann vorliegt, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung unmittelbar beeinträchtigt werden, also in seine Rechtssphäre nachteilig eingegriffen wird (RS0118925). Dabei müssen subjektive Rechte betroffen sein (RS0006641 [T5, T13, T15]). Ob das zutrifft, ist nicht abstrakt, sondern bezogen auf die konkrete Stellung einer Verfahrenspartei in dem einzelnen zu entscheidenden Fall zu beurteilen (RS0006641 [T24]).

[11] 2. Die Amtsbestätigung nach § 182 Abs 2 AußStrG soll demjenigen, der nicht wie der Erbe das Eigentum an einer Sache schon mit Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses erwirbt, den Erwerb des Eigentums oder sonstiger bücherlicher Rechte durch Eintragung im Grundbuch ermöglichen (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 I [2019] § 182 Rz 24; Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG [2019] § 182 Rz 8). Antragsberechtigt sind ausschließlich diejenigen, denen das bücherlich einzutragende Recht zusteht, nicht aber die Erben, die dem Antrag lediglich zustimmen müssen. Die Ausstellung der Bestätigung nur auf Antrag der Erben käme nicht in Betracht (RS0123307; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 182 Rz 34 [Antragstellung nur durch die „rechtlich Interessierten“]).

[12] 3. Die Ausstellung der Amtsbestätigung dient damit ausschließlich den Interessen jener Personen, die als Legatare oder rechtsgeschäftlich bücherliche Rechte erwerben. Nur sie sind daher durch eine Aufhebung beschwert. Die rechtlich geschützten Interessen der Erben werden demgegenüber nicht berührt. Denn einerseits haben sie (zumindest im Regelfall) keinen Anspruch auf die Annahme des Vermächtnisses durch den Legatar. Bleibt er untätig, so werden (bzw bleiben) sie aufgrund der Einantwortung (außerbücherliche) Eigentümer, was gegebenenfalls zur Ergänzung des Einantwortungsbeschlusses in Bezug auf die Angaben nach § 178 Abs 2 Z 2 AußStrG führen muss (2 Ob 52/19i). Andererseits können die Erben eine dem Vorliegen einer Amtsbestätigung vergleichbare Rechtslage – also die Möglichkeit des Legatars, durch Antragstellung beim Grundbuch Eigentümer zu werden – auch ohne Mitwirken des Gerichts durch Abgabe einer Aufsandungserklärung und notarielle Beurkundung der Unterschrift herbeiführen (5 Ob 182/09i; Oswald in Schneider/Verweijen, AußStrG § 182 Rz 8), und zwar vor der Einantwortung im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 810 ABGB, nach Einantwortung als (außerbücherliche) Eigentümer der Liegenschaft. Diese Möglichkeit wird zwar gegebenenfalls – wie auch hier – durch eine Nachlassseparation beschränkt. Das ist aber eine Folge der Nachlassseparation, die die Erben ohnehin bekämpfen können.

[13] 4. Die Rechtsstellung der Erbin wird daher (auch) im vorliegenden Fall durch die Aufhebung der Amtsbestätigung nicht beeinträchtigt. Aus diesem Grund ist ihr Revisionsrekurs ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen.

[14] II. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Witwe gegen die Separationsentscheidung ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage iSv § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

[15] 1. Die Witwe stützt ihren Revisionsrekurs ausschließlich darauf, dass ihr das Erstgericht vor Erlassung des Separationsbeschlusses kein rechtliches Gehör gewährt habe, was eine „Nichtigkeit“ oder zumindest einen Verfahrensmangel begründe.

[16] 2. Im Außerstreitverfahren kann eine vom Rekursgericht verneinte Verletzung des rechtlichen Gehörs im erstinstanzlichen Verfahren zwar wegen der ausdrücklichen Anordnung in § 66 Abs 1 Z 1 iVm § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG und des Fehlens einer § 519 Abs 1 ZPO vergleichbaren Bestimmung im Revisionsrekurs neuerlich geltend gemacht werden (RS0121265 [T4]; RS0120715 [T3]). Der Anfechtungsgrund der Gehörsverletzung ist im Außerstreitverfahren aber dadurch gekennzeichnet, dass er nicht absolut – wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO – wirkt. Er kann nur dann zur Aufhebung führen, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RS0120213). Das trifft nicht zu, wenn die Partei im Rechtsmittelverfahren Gelegenheit erhält, ihren Standpunkt zu vertreten (RS0006057 [insb T1, T19]). Das rechtliche Gehör wird auch durch die Möglichkeit einer Stellungnahme im Rekurs gewährt (RS0006057 [T11]).

[17] 3. Auch im vorliegenden Fall hatte die Witwe im Rekurs Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen, und sie hat davon auch Gebrauch gemacht. Das Rekursgericht ist – entgegen der Behauptung im Revisionsrekurs – auf die von ihr angebotenen Alternativen zur Nachlassseparation ohnehin eingegangen, wenngleich nicht in ihrem Sinn. Dazu nimmt der Revisionsrekurs nicht konkret Stellung. Soweit er argumentiert, der Separationsbeschluss laufe „ins Leere“, weil die Amtsbestätigung in Rechtskraft erwachsen sei, ist er auf die Zurückweisung des Rechtsmittels gegen deren Aufhebung zu verweisen.

[18] 4. Andere einer Nachlassseparation entgegenstehende Gründe legt der Revisionsrekurs nicht dar. Er ist daher mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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