European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0090OB00017.25B.0319.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 745,65 EUR (darin 119,05 EUR Umsatzsteuer [19 %]) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger unterfertigte am 12. 12. 2012 einen Kaufvertrag mit einer Händlerin über einen Audi Q3 2.0 TDI Style mit einem von der Beklagten hergestellten Motor EA189 der Abgasnorm Euro 5 um 34.690 EUR.
[2] Die ursprünglich im Fahrzeug programmierte „Umschaltlogik“ wurde mit einem am 13. 10. 2016 vorgenommenen Software‑Update entfernt.
[3] Die volle Abgasrückführung erfolgte auch danach nur bei Außentemperaturen von +15 °C bis +33 °C („Thermofenster“), bis zu einer geodätischen Höhe von 1.000 m („Höhenabschaltung“) und bis zu 15 Minuten ohne Drehzahländerung und im Stillstand („Taxifunktion“).
[4] Der Kläger wusste zumindest seit 14. 9. 2016, dass im Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung programmiert war. Auch nach dem Software‑Update ging er weiterhin davon aus, dass im Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung programmiert war.
[5] Das Fahrzeug wurde leasingfinanziert. Bereits im Kaufvertrag war festgehalten: „Leasing über P*“. Am 13. 12. 2012, dem Tag nach dem Abschluss des Kaufvertrags, unterfertigte der Kläger einen Restwertleasingvertrag mit der P* AG, der als Finanzierungsleasingvertrag ausgestaltet war. Die Leasinggeberin unterfertigte den Leasingvertrag am 8. 3. 2013. Der Kläger zahlte der Leasinggeberin einmalig 14.454,17 EUR, 60 monatliche Leasingraten zu je 135,47 EUR und weitere 24 monatliche Leasingraten zu je 349,56 EUR. Am Ende der Laufzeit des Leasingvertrags kaufte der Kläger das Fahrzeug „heraus“ und verkaufte es kurz darauf um 15.700 EUR weiter. Anlässlich des Weiterverkaufs wurde besprochen, dass das Fahrzeug vom „Dieselskandal“ betroffen sei. Das war aber kein Thema bei den Preisverhandlungen und auch nicht maßgeblich für die konkrete Preisgestaltung.
[6] Es steht nicht fest, ob der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrags und des der Finanzierung des Kaufpreises dienenden Leasingvertrags anders gehandelt hätte, wenn er von „Umschaltlogik“, „Thermofenster“, „Höhenabschaltung“ und „Taxifunktion“ gewusst hätte, insbesondere ob er die Verträge nicht oder zu geringeren Preisen oder Leasingraten oder zu denselben Konditionen geschlossen hätte.
[7] Der Kläger begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes und der listigen Irreführung 6.938 EUR sA als Kaufpreisminderung von 20 % und hilfsweise als Ersatz für die erhöhten Kosten der Leasingfinanzierung. Er brachte vor, es liege eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 5 Abs 2 der VO (EG) 715/2007 und damit eine Schutzgesetzverletzung vor. Die beklagte Herstellerin des Motors hafte ihm auch nach § 1295 Abs 2 ABGB und § 874 ABGB. Das Fahrzeug sei durch Leasing im Eintrittsmodell finanziert worden. Er habe allerdings zuerst einen Kaufvertrag mit der Händlerin und erst danach den Leasingvertrag abgeschlossen und mache daher einen eigenen Schaden geltend, der aufgrund der Vertragsgestaltung bereits zum Erwerbszeitpunkt unmittelbar bei ihm eingetreten sei.
[8] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, es liege keine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Hilfsweise berief sie sich auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum, weil das KBA dem Fahrzeug die EG‑Typengenehmigung erteilt habe. Als Herstellerin des Motors hafte sie nicht für eine Schutzgesetzverletzung, sondern nur nach § 1295 Abs 2 ABGB sowie nach § 874 ABGB. Es fehle an der Kausalität des Verhaltens der Beklagten für den geltend gemachten Schaden.Die Klage sei auch unschlüssig: Das Fahrzeug sei leasingfinanziert worden. Nur der Leasinggeberin könne daher durch den Kauf des Fahrzeugs ein Schaden entstanden sein. Eine Schadensverlagerung bzw ein Schaden aus dem Leasingvertrag sei nicht ausreichend behauptet worden. Letztlich wendete sich die Beklagte auch gegen die vom Kläger behauptete Schadenshöhe.
[9] Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger habe weder einen Schaden noch die Kausalität des Verhaltens der Beklagten für den geltend gemachten Schaden bewiesen.
[10] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof die Beweislast für die Kausalität „in sog. Abgasfällen, die im Regime der Schutzgesetzverletzung zu lösen waren“, anders verteile. Es meinte, eine Klarstellung zur Fallgruppe „Motorhersteller“ erscheine geboten.
[11] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben, und hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.
[12] Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision nicht zuzulassen und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
[14] 1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zur Frage der Aktivlegitimation eines leasingfinanzierenden Fahrzeugkäufers für die Geltendmachung eines Schadens gegenüber dem Fahrzeughersteller bzw dem Motorenhersteller aus dem Erwerb eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, wie folgt Stellung genommen:
[15] 2. Das – auch hier vorliegende – Finanzierungsleasing ist eine Form des Investitionsleasings, bei dem an die Stelle des Eigentumserwerbs an den Anlagegütern die bloße Gebrauchsüberlassung tritt. Der Leasinggeber erwirbt eine den Wünschen des Leasingnehmers, der das Leasinggut seinerseits bei einem Dritten (Lieferanten, Hersteller, Händler) ausgesucht hat, entsprechende Sache, um sie diesem für bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre gehört beim Finanzierungsleasing jedenfalls die erstmalige Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs des Leasingobjekts zur unabdingbaren Verpflichtung des Leasinggebers im Austausch zu den Leasingraten (RS0020739). Wenngleich sich der Leasinggeber ähnlich dem drittfinanzierten Kauf wirtschaftlich der Rolle des Kreditgebers annähert, schließt der Leasingnehmer keinen Kaufvertrag mit dem Lieferanten ab. Ihm stehen daher gegenüber dem Lieferanten weder Eigentumsverschaffungsansprüche noch eigene vertragliche Gewährleistungsansprüche noch Ansprüche auf Gebrauchsüberlassung zu. Aber auch eine Kredit- oder Darlehensgewährung durch den Leasinggeber erfolgt nicht. Vielmehr besteht die vertragliche Hauptleistungspflicht des Leasinggebers darin, dem Leasingnehmer ein zum vereinbarten Gebrauch taugliches Leasinggut zur Verfügung zu stellen. Auch die Auswahl des Lieferanten durch den Leasingnehmer ändert nichts an der Pflicht des Leasinggebers, dem Leasingnehmer die Gebrauchsmöglichkeit zu verschaffen (7 Ob 88/23a, Rz 9; zuletzt 3 Ob 220/24k, Rz 10).
[16] 3. Zu 7 Ob 88/23a wurde ausgesprochen, dass, sofern der Kläger von Anfang an beabsichtigte, den Erwerb des Fahrzeugs über Leasing zu finanzieren, der von ihm mit dem Händler geschlossene Kaufvertrag ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs diente, das letztlich die Leasinggeberin erwerben und dem Kläger zum Gebrauch überlassen sollte. Inwieweit vor diesem Hintergrund bereits beim (ursprünglichen) Ankauf des Fahrzeugs bei der dort klagenden (ehemaligen) Leasingnehmerin der geltend gemachte Schaden aufgrund der Zahlung eines überhöhten Kaufpreises eingetreten sein solle, lasse sich deren Vorbringen nicht entnehmen. Einen Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten, mache sie nicht geltend. Ob es allenfalls aufgrund des Leasingvertrags zu einer Schadensverlagerung gekommen wäre, also ein Mangel des Fahrzeugs, der typischerweise beim unmittelbar Geschädigten eintritt, im besonderen Fall durch ein Rechtsverhältnis auf einen Dritten überwälzt worden wäre, hänge von der konkreten Vertragsgestaltung ab, zu der die dortige Klägerin jedoch keine Behauptungen aufgestellt habe. Damit sei das Klagevorbringen aber unschlüssig geblieben (in diesem Sinne auch 7 Ob 128/23h; 10 Ob 53/23a; 6 Ob 153/23b; 3 Ob 166/24v; 3 Ob 220/24k).
[17] 4. Dagegen wurde in Konstellationen, in denen der Kaufvertrag nicht ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs für den Abschluss eines Finanzierungsleasingvertrags diente, sondern zunächst ein zivilrechtlich voll wirksamer Kaufvertrag mit dem Händler zustande kam und erst in der Folge zur Finanzierung des (nach Leistung einer Anzahlung) restlichen Kaufpreises ein Leasingvertrag (einschließlich Übertragung des Eigentums am Fahrzeug vom Leasingnehmer an den Leasinggeber) geschlossen wurde, die Aktivlegitimation des Klägers bejaht (8 Ob 22/22a; 8 Ob 109/23x ua).
[18] 5. Im vorliegenden Fall hat der Kläger am 12. 12. 2012 einen Kaufvertrag unterfertigt.Dieserenthielt den Vermerk: „Leasing über P*“. Bereits am nächsten Tag unterfertigte der Klägereinen Leasingvertrag; mit ihrer eigenen Unterfertigung trat die Leasinggeberin an Stelle des Klägers als Käuferin in den Kaufvertrag ein. Selbst wenn der Kläger zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Kaufvertrags noch nicht sicher gewesen sein mag, ob die Leasinggeberin sein Vertragsanbot annehmen werde, beabsichtigte er jedenfalls von Anfang an, das Fahrzeug über einen Leasingvertrag zu finanzieren. Es ist daher davon auszugehen, dass der (bereits auf das Finanzierungsleasing verweisende) Kaufvertrag mit dem Händler lediglich zur Spezifikation des Fahrzeugs, das letztlich die Leasinggeberin erwarb und dem Kläger zum Gebrauch überließ, diente. Der Kläger hat aufgrund der gewählten Vertragskonstruktion das Fahrzeug 2012 gerade nicht gekauft und ist nicht Eigentümer geworden (vgl 7 Ob 88/23a; 7 Ob 128/23h; 6 Ob 153/23b ua).
[19] 6. Die Entscheidung 8 Ob 109/23x, der zugrunde gelegt wurde, dass der Abschluss eines zivilrechtlich voll wirksamen Kaufvertrags des dortigen Klägers mit dem Händler und die Leistung einer Anzahlung nicht ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs für den Abschluss eines (Finanzierungs‑)Leasingvertrags gedient hat, zumal der Leasingvertrag erst rund einen Monat nach Abschluss des Kaufvertrags abgeschlossen wurde, ist dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar.
[20] 7. Auch die Entscheidung 8 Ob 22/22a stützt die Rechtsauffassung des Klägers, er mache mit der Klage einen eigenen Schaden geltend, der in der Verpflichtung zur überhöhten Kaufpreiszahlung bestehe, nicht. Auch dieser Beurteilung lag – anders als hier – keine Einheit des Kaufvertrags (mit Anzahlung) mit dem erst nachträglich zur Finanzierung des von der dortigen Klägerin geschuldeten Kaufpreises abgeschlossenen Leasingvertrags zugrunde.
[21] 8. Das Vorbringen des Klägers, er habe für das Fahrzeug insgesamt (nämlich durch die Leistung der Einmalzahlung, der Leasingraten und des Restwerts an die Leasinggeberin) erheblich mehr bezahlt als nur den Kaufpreis, ist keine schlüssige Behauptung eines Schadens aus dem Leasingvertrag selbst (3 Ob 166/24v, Rz 9).
[22] 9. Der Kläger kann seine Aktivlegitimation auch nicht mit der Judikatur zu Substanzschäden begründen. Denn diese betrifft Fälle, bei denen das Leasinggut nach Übergabe an den Leasingnehmer beschädigt wird. Dieses Risiko kann durch den Leasingvertrag auf den Leasingnehmer verlagert werden, der dann insofern auch aktiv klagslegitimiert ist. Die hier in Rede stehende (Kardinal‑)Pflicht des Leasinggebers zur erstmaligen Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs bzw Übergabe der Sache im bedungenen Zustand kann aber nicht auf den Leasingnehmer überwälzt werden (10 Ob 7/24p, Rz 18; 10 Ob 65/24t, Rz 16). Die Entscheidung 2 Ob 172/22s, in der die Aktivlegitimation einer Klägerin – sei es aufgrund der Annahme einer bloßen Schadensverlagerung oder eines originären Anspruchs – zur Geltendmachung des aus dem Substanzeingriff resultierenden Schadens („Substanzschadens“) grundsätzlich bejaht wurde, ist hier nicht einschlägig, betraf sie doch eine ganz andere Rechtsfrage, nämlich die Geltendmachung offener Umsatzsteuer aus einer Totalschadensabrechnung nach einem Verkehrsunfall gegenüber Lenker und Halter, die die dortige Klägerin an die Leasinggeberin zu zahlen hatte. Gleiches gilt für die Entscheidung 2 Ob 29/20h, die ebenfalls Schadenersatzansprüche eines Leasingnehmers aus einem Verkehrsunfall betraf (3 Ob 166/24v, Rz 10).
[23] 10. Zum Zeitpunkt des Ankaufs am Ende der Leasinglaufzeit war dem Kläger bereits bekannt, dass das Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen war. Dass er zum Ankauf verpflichtet war, bringt er selbst nicht vor.Der Erwerb erfolgte aus faktisch‑wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
[24] 11. Der Revisiondes Klägers gegen das die Abweisung des Klagebegehrens bestätigende Berufungsurteil war daher nicht Folge zu geben. Auf die (weiteren) vom Berufungsgericht und in der Revision als erheblich angesehenen Rechtsfragen war nicht mehr einzugehen.
[25] 12. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
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