European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00065.24T.0211.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 2.242,56 EUR (darin 358,06 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger unterfertigte am 11. Mai 2016 einen Kaufvertrag betreffend einen VW Tiguan Highline TDI SCR DSG bei der erstbeklagten Autohändlerin.
[2] Der Preis des Fahrzeugs betrug nach Abzug eines „P* Bank Bonus“ insgesamt 35.483,53 EUR. Unmittelbar nach Abschluss des Kaufvertrags unterfertigte der Kläger einen Leasingvertrag mit einer Laufzeit von 36 Monaten. Vereinbart waren eine Depotzahlung von 14.784,77 EUR und monatliche Zahlungen von 517,25 EUR; der Restwert wurde mit 17.741,72 EUR kalkuliert.
[3] Nach Auslaufen des Leasingvertrags kaufte der Kläger das Fahrzeug (im September 2019), was er von Anfang an auch beabsichtigt hatte.
[4] Im Fahrzeug ist ein von der Zweitbeklagten entwickelter Dieselmotor des Typs EA288 verbaut, in dem ein „Thermofenster“, ein „SCR‑System“ mit „AdBlue‑Einspritzung“ und eine „Höhenabschaltung“ zum Einsatz kommen.
[5] Mit seiner Klage begehrt der Kläger – gestützt auf Schutzgesetzverletzung, listige Irreführung, sittenwidrige Schädigung und Gewährleistung – primär die Aufhebung des Kaufvertrags und die Zahlung von 29.333,05 EUR (Kaufpreis minus 6.150,48 EUR Benützungsentgelt) sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Eventualiter begehrt er 10.645,06 EUR sA (30 % des Kaufpreises) an Preisminderung bzw zu viel bezahltem Kaufpreis.
[6] Die Beklagten wandten insbesondere ein, das Klagebegehren sei unschlüssig, weil der Kläger das Fahrzeug im Jahr 2016 nicht gekauft, sondern geleast habe. Er könne daher lediglich einen Schaden aus dem Leasingvertrag, nicht aber aus dem Kaufvertrag geltend machen. Zudem könne er auch nicht die Rückabwicklung eines Vertrags begehren, dessen Partei er nicht gewesen sei.
[7] Das Erstgericht wies die Klage ab. Hinsichtlich des „Thermofensters“ sei dem Kläger der Nachweis, dass es sich dabei um eine Abschalteinrichtung iSd Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG handle, nicht gelungen. Die Höhenabschaltung sei eine zulässige Abschalteinrichtung, weil sie zum Schutz des Motors erforderlich sei. Eine Fahrkurvenerkennung oder ein eigener Prüfstandmodus seien im Fahrzeug nicht verbaut. Das Fahrzeug sei daher uneingeschränkt zulassungsfähig und verfüge über die üblicherweise vorausgesetzten Eigenschaften, sodass den Ansprüchen des Klägers die Grundlage fehle.
[8] Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Klageabweisung gegenüber der Zweitbeklagten erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Der Kaufvertrag habe ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs, das letztlich die Leasinggeberin erworben habe, gedient, was sich schon darin zeige, dass ein „P* Bank Bonus“ berücksichtigt worden sei. Die Leasinggeberin sei daher unmittelbar in den Kaufvertrag eingetreten und habe das Fahrzeug erworben. Da nur diese zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet gewesen sei, könne der Kläger weder dessen Rückforderung (abzüglich eines Benutzungsentgelts) noch Schäden durch Leistung eines zu hohen Kaufpreises geltend machen. Seinem Vorbringen lasse sich auch nicht schlüssig entnehmen, inwiefern es zur Verlagerung der geltend gemachten Schäden auf ihn gekommen sein solle. Der Kläger sei für die geltend gemachten Schäden somit nicht aktiv klagslegitimiert.
[9] Die Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich zu, weil nicht auszuschließen sei, dass ihm eine zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen sei.
Rechtliche Beurteilung
[10] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil darin keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird. Ihre Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[11] 1. Der Kläger leitet den geltend gemachten Schaden aus dem im Jahr 2016 geschlossenen Kaufvertrag ab.
[12] 1.1. Im Zusammenhang mit der Finanzierung des Kaufs eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing unterscheidet der Oberste Gerichtshof danach, ob ein Kaufvertrag des Leasingnehmers mit dem Fahrzeughändler nur der Spezifikation des Fahrzeugs diente (sodass der Leasinggeber unmittelbar in den Kaufvertrag eintrat) oder ob der Leasingvertrag erst nach dem Erwerb des Fahrzeugs abgeschlossen wurde (10 Ob 13/24w Rz 38; 4 Ob 69/24m Rz 23 ua).
[13] 1.2. Hier geht der Kläger selbst davon aus, dass eine Form des Finanzierungsleasings vorliegt, bei dem an die Stelle des Eigentumserwerbs an den Anlagegütern die bloße Gebrauchsüberlassung tritt (RS0120830 [T1]; RS0019456 [T3]). Der Leasinggeber erwirbt dabei eine den Wünschen des Leasingnehmers, der das Leasinggut seinerseits bei einem Dritten (Lieferanten, Hersteller, Händler etc) ausgesucht hat, entsprechende Sache, um sie diesem für bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen (RS0019912 [T6]; 3 Ob 220/24k Rz 10 ua).
[14] 1.3. Darauf aufbauend bestreitet der Kläger nicht mehr, dass der – nur rund 12 Minuten vor dem Leasingvertrag geschlossene – Kaufvertrag bloß der Auswahl des von ihm gewünschten Fahrzeugs diente, das letztlich die Leasinggeberin erwarb und ihm zum Gebrauch überließ. Nach der gewählten Vertragskonstruktion war demgemäß nicht er, sondern (schon ursprünglich) die Leasinggeberin zur Zahlung des Kaufpreises aus dem Kaufvertrag verpflichtet (4 Ob 218/23x Rz 21 mwN). Der Kläger erwarb im Jahr 2016 auch nicht Eigentum am Fahrzeug (vgl 6 Ob 153/23b Rz 16; 7 Ob 88/23a Rz 15 ua).
[15] 2. Vor dem Hintergrund, dass beim Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs der Schaden bereits durch den Kaufvertrag eintritt (8 Ob 1/24s Rz 23; 10 Ob 33/23k Rz 15; 6 Ob 197/23y Rz 16 ua), entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass in der vorliegenden Konstellation nur dem Leasinggeber und nicht (auch) dem Leasingnehmer ein Schaden aus dem Kaufvertrag entsteht (10 Ob 7/24p Rz 20; 1 Ob 12/24g Rz 32 ua). Schäden in Form der Leistung eines überhöhten Kaufpreises können daher auch nur von diesem und nicht vom Leasingnehmer geltend gemacht werden (vgl 10 Ob 53/23a Rz 13 ua).
[16] 3. Wenn der Kläger seine Aktivlegitimation aus den Entscheidungen 2 Ob 29/20h und 2 Ob 172/22s ableiten will, hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach klargestellt, dass diese nicht einschlägig sind (3 Ob 166/24v Rz 10; 4 Ob 65/23x Rz 13 ff; 5 Ob 118/23y Rz 11 ua). Es wurde ebenfalls schon ausgesprochen, dass diese Rechtsprechung Fälle betrifft, bei denen das Leasinggut nach Übergabe an den Leasingnehmer beschädigt wird und daher einen hier nicht vorliegenden Fall betrifft (10 Ob 7/24p Rz 18): Denn für die Zeit nach ordnungsgemäßer Übergabe des Leasingguts stellt die Verschiebung des Gefahrenrisikos auf den Leasingnehmer ein Wesensmerkmal des Leasingvertrags dar (RS0016625 [T1]; 7 Ob 128/23h Rz 10 ua). Dass sich das Leasinggut bei der Übergabe an den Leasingnehmer in einem zum vereinbarten Gebrauch tauglichen Zustand befindet, also – in den Worten des Klägers – dessen objektive Nutzbarkeit nicht durch unzulässige Abschalteinrichtungen eingeschränkt ist, stellt dagegen die Hauptpflicht des Leasinggebers dar (RS0020739; RS0020735 [T1]), die regelmäßig nicht auf den Leasingnehmer überwälzt werden kann (vgl RS0020735 [insb T8, T16]) – und nach dem hier zu beurteilenden Leasingvertrag auch nicht wurde. Der (nur) in erster Instanz erfolgte Verweis auf die in Punkt A.2. der AGB (Beilage ./X) geregelte Risikoverteilung stützt seinen Standpunkt ebenfalls nicht, weil sich diese auf die Zeit nach der erstmaligen Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs bezieht.
[17] 4.1. Warum die Zweitbeklagte durch Annahme eines nur bei der Leasinggeberin eintretenden Schadens entlastet sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Ob diese etwaigeihr aus dem Abschluss des Kaufvertrags zukommende Ansprüche verfolgt oder nicht, ist weder Sache des Leasingnehmers, noch tangiert das seine allfälligen Ansprüche aus dem Abschluss des Leasingvertrags.
[18] 4.2. Ebenso unverständlich ist der Einwand, die bisherige Rechtsprechung führe zu einer eklatanten Benachteiligung von Leasingnehmern gegenüber „normalen Käufern“ und „kreditfinanzierten Käufern“. Zwar nähert sich der Leasinggeber beim Finanzierungsleasing wirtschaftlich der Rolle des Kreditgebers an. Der Leasingnehmer schließt aber gerade keinen Kaufvertrag mit dem Dritten (Lieferanten) ab. Im Gegensatz zu („kredifinanzierten“) Käufern stehen dem Leasingnehmer auch weder Eigentumsverschaffungsansprüche noch eigene vertragliche Gewährleistungsansprüche oder ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung gegenüber diesem zu. Es erfolgt auch keine Kredit‑ oder Darlehensgewährung durch den Leasinggeber (3 Ob 166/24v Rz 5; 6 Ob 153/23b Rz 15 ua). Dass Leasingnehmer in Bezug auf Ansprüche aus dem Kaufvertrag trotz ihrer im Vergleich zu Käufern grundlegend anderen Rechtsposition gleich behandelt werden sollten wie diese, ist dogmatisch nicht begründbar.
[19] 5.1. Soweit der Kläger einen Schaden aus einem Eingriff in sein nach § 372 ABGB geschütztes Gebrauchsrecht ableitet, überzeugt das ebenfalls nicht. Die von ihm in diesem Zusammenhang genannte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs betrifft – wie ausgeführt (oben 3.) – Fälle einer Beschädigung des Leasingguts nach Übergabe an den Leasingnehmer. Dass die Zweitbeklagte nach Übergabe des gegenständlichen Fahrzeugs auf dieses rechtswidrig eingewirkt hätte, lässt sich dem Vorbringen des Klägers aber nicht entnehmen.
[20] 5.2. Einen Schaden aus dem Leasingvertrag selbst (etwa wegen überhöhter Leasingraten) macht der Kläger nicht geltend. Ein dahingehendes Vorbringen liegt auch nicht in der Behauptung, er habe „insgesamt […] erheblich mehr als den Kaufpreis“ (3 Ob 166/24v Rz 9) oder einen überhöhten Kaufpreis (vgl 9 Ob 60/23y Rz 69) gezahlt. Ein Schaden durch Abschluss des Leasingvertrags könnte auch gar nicht in einem überhöhten Kaufpreis liegen. Die dem (implizit) zugrunde liegende Prämisse, ein höherer Kaufpreis wirke sich „eins‑zu‑eins“ auf die Leasingraten aus, übergeht, dass mit einem Kauf und einem Leasing unterschiedliche Ziele verfolgt und (demgemäß) andere Rechte und Pflichten begründet werden. Die ihnen zugrunde liegenden Kalkulationen sind daher nicht ohne weiteres vergleichbar.
[21] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296; RS0035979 [T16]).
[22] Ein Streitgenossenzuschlag gebührt nicht, weil am Revisionsverfahren nur (mehr) die Zweitbeklagte beteiligt war. Der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Zweitbeklagten steht – worauf die Revisionsbeantwortung entgegen der letztlich erfolgten Verzeichnung richtig hinweist – nur die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer von 19 % zu (vgl RS0114955 [T10, T12]).
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