OGH 10Ob12/25z

OGH10Ob12/25z18.3.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Schober, Dr. Annerl, Dr. Vollmaier und die Hofrätin Dr. Wallner‑Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch DI Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wegen Löschung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. Jänner 2025, GZ 5 R 196/24v‑71, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00012.25Z.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte kaufte von der Klägerin mit Kaufvertrag vom 12. Februar 2019 die gegenständliche Wohnung um einen Kaufpreis von 61.000 EUR. In diesem Zeitpunkt hatte die Wohnung (unter Berücksichtigung des vereinbarten Rechts der Klägerin, die Wohnung noch für rund 34 Monate mietfrei gegen Zahlung der Betriebskosten benützen zu dürfen, sowie unter Berücksichtigung ihres sanierungsbedürftigen Zustands) einen Verkehrswert von 94.700 EUR.

[2] Die Klägerin begehrt die Unwirksamerklärung und Löschung der Einverleibung des Eigentums des Beklagten an der Wohnung im Grundbuch. Sie stützt dieses Begehren – soweit noch revisionsgegenständlich – auf die Unwirksamkeit des Kaufvertrags wegen Wuchers.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Sie verneinten eine für den Tatbestand des Wuchers nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ausreichende Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Klägerin, ein hinreichendes Missverhältnis zwischen den vereinbarten Leistungen und eine (zumindest fahrlässige) Ausbeutung durch den Beklagten. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass dem Beklagten das Missverhältnis der Leistungen auffallen hätte müssen. Ein krasses Missverhältnis liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[5] 1. Wucher im Sinn des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB liegt vor, wenn 1. ein auffallendes Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung besteht, 2. der durch das Geschäft Begünstigte dieses Missverhältnis kennt, und 3. bei dem durch das Geschäft Benachteiligten gewisse Verhältnisse oder Eigenschaften vorhanden sind, die ihn hindern, sein Interesse gehörig zu wahren; fehlt nur eine dieser Voraussetzungen, unterliegt ein Geschäft nicht der Beurteilung als wucherisch (RS0016864). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0016861 [T1]), mit deren Prüfung Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO in der Regel nicht verbunden sind.

[6] 2. Die Behauptungs‑ und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB, trifft den Anfechtenden (RS0016915 [T2]). Es ist daher seine Sache Umstände darzutun, nach denen dem Anfechtungsgegner ein Missverhältnis der Werte der Leistungen mindestens bekannt sein musste (RS0016915), insbesondere durch Angabe des von ihm erwarteten Gewinns aus dem Geschäft (RS0016915 [T1]). Die bloße Behauptung, dass Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Missverhältnis stünden, reicht nicht aus (RS0016915 [T3]; vgl RS0016520).

[7] 3. Wenn das Berufungsgericht im festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür erkannte, dass dem Beklagten ein Missverhältnis der Leistungen auffallen hätte müssen, überschreitet dies den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht. Mit der bloßen Behauptung, es stehe „jedenfalls“ fest, dass der Beklagte ein Wertmissverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erkennen habe müssen, wird nicht dargelegt, aufgrund welcher konkreten Umstände dem Beklagten ein Missverhältnis bekannt sein hätte müssen.

[8] 4. Da die Vorinstanzen das Vorliegen von Wucher im Sinn des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB schon aus diesem Grund in nicht korrekturbedürftiger Weise verneinten, muss auf die weiteren Revisionsausführungen zu den anderen genannten (und von den Vorinstanzen verneinten) Voraussetzungen nicht weiter eingegangen werden.

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