European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020NC00012.25Z.0311.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die von * im Verfahren zu AZ * angezeigten Gründe sind nicht geeignet, die Besorgnis ihrer Befangenheit zu begründen.
Begründung:
[1] Die Kläger sind Pflegeeltern und machen Amtshaftungsansprüche geltend, weil der Kinder- und Jugendhilfeträger aufgrund der provisorischen Maßnahme vom 11. 6. 2021 den Aufenthaltsort des Pflegekindes im Landesklinikum Krems bestimmte und ihren Kontakt zum Pflegekind beschränkte. Über die gegen die abweisende Entscheidung der Vorinstanzen von den Klägern erhobene außerordentliche Revision hat der * Senat des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden.
[2] Als Mitglied dieses Senats führt * in ihrer Anzeige einer möglichen Befangenheit aus, dass ihre Tochter als Mitschülerin des Pflegekindes der Kläger miterlebt habe, wie das Pflegekind am 11. 6. 2021 aus dem Unterricht geholt worden sei, was bei den Kindern erheblichen Eindruck hinterlassen habe, besonders weil ihnen nicht mitgeteilt worden sei, wo sich ihr Mitschüler jetzt befindet. Darüber hinaus sei ihr der Erstkläger vom Sehen bekannt und sie habe gehört, dass er bei einem Ausflug jener Klasse, die auch ihr Sohn besuche, einem Kind eine Ohrfeige angedroht habe. Sie fühle sich aber in keiner Weise befangen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Befangenheitsanzeige ist nicht begründet.
[4] 1. Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist (RS0045975). Es kommt nicht nur darauf an, ob sich der Richter befangen fühlt oder nicht, sondern es genügt schon der Anschein einer Befangenheit, wofür freilich zureichende Anhaltspunkte gegeben sein müssen, die geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler die volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RS0046052; RS0096914). Dieser Anschein muss so beschaffen sein, dass er bei einem unbeteiligten Beurteiler Anlass zu nicht bloß entfernt denkbaren, sondern vielmehr naheliegenden Zweifeln an der vollen Unbefangenheit des Richters bietet (RS0097054).
[5] 2. In erster Linie kommen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien oder zu ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (RS0045935). Die bloße Bekanntschaft begründet hingegen keine Befangenheit (siehe RS0046129). Auch ein Naheverhältnis zu Zeugen kann den Anschein einer Befangenheit begründen, wenn dadurch die Beweiswürdigung des Richters beeinflusst werden könnte (RS0045935). Diese Frage stellt sich hier aber nicht, weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist. Dass ein Richter von bestimmten Vorfällen bereits gehört hat, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist, ist vielfach unvermeidlich und begründet keine Zweifel an seiner Unparteilichkeit (zu Medienberichten RS0096930 [T1]).
[6] 3. Nachdem mittlerweile weder * noch ihre Kinder irgendeinen Kontakt zum Erstkläger oder dessen Pflegekind haben, war selbst bei Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs auszusprechen, dass die angezeigten Gründe nicht geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (§ 22 Abs 3 GOG iVm § 19 Abs 2 JN).
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