European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00121.24M.0225.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I, demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich gegen den Schuldspruch zu I richtet, und Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dkfm. * W* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach „§§ 15, 302 Abs 1 StGB […] in der Form der Beitragstäterschaft nach“ § 12 dritter Fall StGB (I) und der Vergehen der Nötigung nach §§ 12 dritter Fall, 15, 105 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er dadurch, dass er nachfolgende Schreiben inhaltlich prüfte, sie zu (richtig) II/1 bis 4 selbst als „Zeuge“ mitunterfertigte und * U* empfahl, sie zu versenden, zu den strafbaren Handlungen der Genannten beigetragen, die
(I) mit dem Vorsatz, dadurch die R* an ihrem Recht auf gerichtliche Durchsetzung von vermögensrechtlichen Ansprüchen (US 5) zu schädigen, nachgenannte Beamte wissentlich (US 5) dazu zu bestimmen versuchte, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, indem sie
(1) den Präsidenten des Landesgerichts K* und einen Richter des Landesgerichts K* am 31. Juli 2019 mit dem als „Zurückweisung sogenannte Zwangsversteigerung (AZ 28 Cg 14/15t) und Nichtigkeitserklärung“ titulierten Schreiben aufforderte, das in einem Zivilverfahren dieses Gerichts ergangene Urteil vom 24. Jänner 2018 binnen drei Tagen aufzuheben, widrigenfalls gegen sie bei den Steuerbehörden der Vereinigten Staaten und bei den Behörden der Russischen Föderation Anzeige erstattet werde, sie persönlich haftbar gemacht werden und ein Schadenersatzbetrag in der Höhe von 100 Euro samt Rechtsfolgekosten in Höhe von 1.000.000 Euro in „US‑Silberdollar“ geltend gemacht werde;
(2) den Vorsteher des Bezirksgerichts F* mit Schreiben vom 29. November 2019, 18. Dezember 2019, 21. Dezember 2019, 24. Dezember 2019, 30. Dezember 2019 und 12. Jänner 2020 aufforderte, zwei bei diesem Gericht anhängige Exekutionsverfahren einzustellen und ihr von der Zwangsversteigerung betroffenes Grundstück nicht mehr zu betreten, widrigenfalls er persönlich haftbar und ein Schadenersatzbetrag von einer Milliarde „US‑Silberdollar“ geltend gemacht werde;
(II) nachgenannte Personen wiederholt mit nachangeführten Schreiben durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, nämlich in Form von Kosten für anwaltliche Vertretung und anderen verfahrensbedingten Aufwendungen zur Abwehr der angekündigten Geltendmachung von Schadenersatzbeträgen von 100 Millionen Euro und von Pfandrechten in Höhe von einer Billion Euro sowie von persönlichen Haftungen (US 5 f), zur Tilgung ihrer Schulden bei der R* („Mitteilungen über den Nullkontenstand aller Konten“) binnen 72 Stunden zu nötigen versuchte, und zwar
(1) Dr. * S*, ein Mitglied des Vorstandes der R*, mit Schreiben vom 14. Februar 2020 samt „Erklärung unter Eid“, vom 19. Mai 2020 samt „Erklärung unter Eid“, vom 24. Mai 2020 samt „Erklärung unter Eid“, vom 29. Mai 2020 samt „Erklärung unter Eid“, vom 6. Juni 2020 samt „Erklärung unter Eid“, vom 11. Juni 2020 samt „Erklärung unter Eid“, vom 19. Juni 2020 samt „Erklärung unter Eid“ und „Private kommerzielle Verpflichtungserklärung/privates kommerzielles Pfandrecht“, vom 25. Juni 2020 samt „Erklärung unter Eid“ und vom 30. Juni 2020 samt „Erklärung unter Eid“ und „Pfandrechtsverwertung des Pfandrechtes mit der Nummer RQ 46 439 319 5 AT (Mitbestimmungsangebot)“;
(2) Dr. * P*, ein Mitglied des Vorstandes der *, mit Schreiben vom 14. Februar 2020 samt „Erklärung unter Eid“ und „Akzept zum Ausgleich der angebotenen Haftung“ und mit Schreiben vom 12. Mai 2020 samt „Erklärung unter Eid“;
(3) Mag. * G*, ein Mitglied des Vorstandes der R*, mit als „Strafanzeige wegen Obligationsbetrug und Zwang zum Prokura-Betrug durch Vorstand G*“ tituliertem Schreiben vom 23. November 2019;
(4) die rechtsfreundlichen Vertreter der R*, und zwar Dr. * A*, MMag. Dr. * H* und Mag. * Po*, mit als „Kopien des zusammengestellten Pfandrechts“ tituliertem Schreiben vom 19. Juni 2020 samt „Erklärung unter Eid“ und mit als „Erinnerung“ tituliertem Schreiben vom 26. Juni 2020 samt „Erklärung unter Eid“ sowie mit als „Letzte Verzugsetzung“ tituliertem Schreiben vom 30. Juni 2020 samt „Erklärung unter Eid“ und „Pfandrechtsverwertung des Pfandrechtes mit der Nummer RQ 46 439 319 5 AT (Mitbestimmungsangebot)“.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Zur amtswegigen Maßnahme:
[4] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil zu I des Schuldspruchs einen nicht geltend gemachten Rechtsfehler (Z 9 lit a) zum Nachteil des Angeklagten aufweist, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
[5] Missbrauch der Amtsgewalt setzt in subjektiver Hinsicht (unter anderem) den Vorsatz des Täters voraus, jemand anderen durch wissentlichen Befugnismissbrauch an seinen Rechten zu schädigen. Strafbarkeit eines Bestimmungs- oder Beitragstäters liegt nur dann vor, wenn er selbst sämtliche Elemente (auch) des subjektiven Tatbestands erfüllt. Zudem handelt es sich um ein Sonderdelikt, dessen Unrecht im Sinn des § 14 Abs 1 zweiter Satz StGB davon abhängt, dass der Beamte als Träger der „besonderen persönlichen Eigenschaften“ (Intraneus) in bestimmter Weise – nämlich durch (zumindest bedingt) vorsätzlichen Fehlgebrauch der Befugnis – an der Tat mitwirkt. Gerade auch darauf muss sich das Wissen eines an der strafbaren Handlung (als Bestimmungs- oder Beitragstäter) beteiligten Extraneus beziehen (RIS‑Justiz RS0103984, RS0108964[T7]).
[6] Derartige Feststellungen zum Wissen des (extranen) Angeklagten um den (zumindest bedingt) vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch der (intranen) Beamten und zum Schädigungsvorsatz iSd § 302 Abs 1 StGB sind den Entscheidungsgründen aber nicht zu entnehmen.
[7] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die Aufhebung des Urteils im Schuldspruch zu I und demzufolge auch im Strafausspruch sowie die Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 StPO).
[8] Ein Eingehen auf das zu I des Schuldspruchs erstattete Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erübrigt sich demgemäß.
[9] Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass – wie von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend dargelegt – der vom Erstgericht in rechtlicher Hinsicht angenommene Beitragsversuch im Gegensatz zum Bestimmungsversuch und zur Bestimmung zum Versuch nicht strafbar ist (vgl zum Begriff „Bestimmen“ RIS‑Justiz RS0089780, RS0102168 und [zum Vorsatz] RS0089764; zur sog „Kettenbestimmung“ RIS‑Justiz RS0089581; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 53; Triffterer, AT² Kap 16 Rz 75). Denn die Legaldefinition des Versuchsbeginns (§ 15 Abs 2 StGB) bezieht sich nur auf den unmittelbaren Täter und Bestimmungstäter, nicht aber auf den Beitragstäter, sodass versuchter Beitrag iSd § 12 dritter Fall StGB begrifflich ausscheidet (Bauer/Plöchl in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 13; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 108). Die Strafbarkeit des Beitragstäters setzt daher voraus, dass der unmittelbare Täter, für den der sonstige Tatbeitrag geleistet wird, das (objektive) Versuchsstadium erreicht hat (RIS‑Justiz RS0090016). Gelangt die Tat des unmittelbaren Täters nicht zur Vollendung, haftet der Beitragstäter ebenfalls nur für Versuch (= Beitrag zum Versuch; vgl Bauer/Plöchl in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 21; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 98; zum Bestimmungstäter RIS‑Justiz RS0089739).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:
[10] Indem die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) eine unterbliebene Erörterung von Verfahrensergebnissen moniert, nach denen der Angeklagte und U* die Schreiben nicht verfasst und auf deren Inhalt keinen Einfluss genommen hätten, wird nicht klar, welche Feststellungen unvollständig begründet seien (vgl aber RIS‑Justiz RS0099563 [T2]). Lediglich aus Gründen der Vollständigkeit sei festgehalten, dass Gegenstand des Schuldspruchs zu II nicht das Verfassen, sondern das Versenden der Schreiben ist.
[11] Nach dem Urteilssachverhalt zu II des Schuldspruchs trug der Angeklagte zur Ausführung der strafbaren Handlung der U* dadurch bei, dass er die (vorgefassten) Schreiben unterfertigte und der Genannten empfahl, sie zu versenden (US 6).
[12] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet, dass der Angeklagte mit seiner Unterschrift lediglich die Echtheit der Schreiben bestätigt und „keinerlei rechtliche Erklärung“ über deren Inhalt abgegeben habe, und macht solcherart (der Sache nach) einen Rechtsfehler bei der (rechtlichen) Beurteilung des Unterfertigens der Schreiben als Beitrag nach § 12 dritter Fall StGB geltend. Dass die (behauptete) verfehlte Beurteilung einer von mehreren zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit (vgl zum Begriff RIS‑Justiz RS0122006; Ratz in WK² StGB Vor §§ 28–31 Rz 89) verknüpften Beitragshandlungen die (kritisierte) rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch infrage stellen sollte, leitet die Beschwerde jedoch nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565; vgl unter dem Aspekt der Z 5 RIS‑Justiz RS0127374).
[13] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[14] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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