OGH 14Os120/24i

OGH14Os120/24i25.2.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Brüggler LL.M., BSc in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens desMissbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 15. Oktober 2024, GZ 46 Hv 41/24a‑39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00120.24I.0225.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wirddas angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * R* (verfehlt [vgl RIS‑Justiz RS0121981]) zweierVerbrechen desMissbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie als für die Ausstellung von Strafregisterbescheinigungen nach § 10 StRegG zuständige Bedienstete der Gemeinde A*, mithin als Beamtin, mit dem Vorsatz, „die Gemeinde, die Allgemeinheit und potentielle Arbeitgeber (hier insbesondere die Ärztekammer Steiermark) im Bezug auf die Zuverlässigkeit und das Vertrauen auf die Richtigkeit von Strafregisterbescheinigungen“ (US 5) zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des (richtig:) Bundes (vgl Art 10 Abs 1 Z 6 und Art 119 Abs 1 und 2 B‑VG; Kert, WK‑StPO § 10 StRegG Rz 5; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 50) als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem sie für nachgenannte Personen durch manuelle Bearbeitung negative Strafregisterbescheinigungen ausstellte, obwohl diese Verurteilungen hätten aufweisen müssen, und zwar

1./ am 20. April 2023 für * S*,

2./ am 25. April 2023 für * R*.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

[4] Im Ergebnis zutreffend zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf, dass die Feststellungen zum Rechtsschädigungsvorsatz einen Schuldspruch nach § 302 Abs 1 StGB nicht tragen:

[5] Das Funktionieren der (hoheitlichen) Verwaltung unter dem Aspekt des Wahrheitsgehalts öffentlicher Urkunden wie auch das Vertrauen auf die inhaltliche Richtigkeit dieser wird primär durch die Strafbestimmungen der §§ 228 und 311 StGB geschützt (vgl Nordmeyer in WK2 StGB Vor §§ 310, 311 Rz 15 sowie § 311 Rz 1).

[6] Missbrauch der Amtsgewalt nach § 302 StGB im Zusammenhang mit der Ausstellung (wie hier: inhaltlich unrichtiger) öffentlicher Urkunden liegt dann vor, wenn der Täter anlässlich der unter wissentlichem Befugnismissbrauch vorgenommenen Falschbeurkundung auch mit einem auf die Schädigung eines anderen an dessen Rechten gerichteten Vorsatz handelt (vgl Marek/Jerabek, Korruptionund Amtsmissbrauch17 § 311 Rz 21; Aichinger in Leukauf/Steininger StGB4 § 302 Rz 40).

[7] Mit der Feststellung, wonach die Angeklagte bei der Ausstellung zweier inhaltlich unrichtiger (US 5) Strafregisterbescheinigungen mit dem bedingten Vorsatz handelte, „die Gemeinde, die Allgemeinheit und potentielle Arbeitgeber (hier insbesondere die Ärztekammer Steiermark) im Bezug auf die Zuverlässigkeit und das Vertrauen auf die Richtigkeit von Strafregisterbescheinigungen“ (US 5) zu schädigen, wird weder ein absolutes oder (gegenüber dem Staat) durchsetzbares subjektives Individualrecht (des potentiellen Arbeitgebers [zu dessen fehlender Parteistellung im Verfahren nach § 10 StRegG vgl auch Kert in WK2 StRegG § 10 Rz 1 f] oder gar der Gemeinde), noch ein Recht des Staates, das über das generelle Interesse der Allgemeinheit an der Zuverlässigkeit öffentlicher Urkunden hinausgeht, zum Ausdruck gebracht.

[8] Die Verletzung des „Rechts des Staates auf Abfassung wahrheitsgemäßer Urkunden durch seine Beamten“ kommt ebenso wenig als Bezugspunkt eines Schädigungsvorsatzes in Betracht, wird damit doch allein ein Recht des Staates, das den Beamten verpflichtet, seine Befugnis den Vorschriften entsprechend zu gebrauchen, somit keinen Befugnismissbrauch zu begehen, zum Ausdruck gebracht (vgl RIS‑Justiz RS0095527; RS0095536; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 161).

[9] Der aufgezeigte Rechtsfehler erforderte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die sofortige Aufhebung des Urteils bei der nichtöffentlichen Beratung samt Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 285e StPO), ohne dass es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

[10] Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[11] Im zweiten Rechtsgang wird die Strafbarkeit nach dem (zu § 302 StGB subsidiären) Vergehen der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB zu prüfen sein, welches (unter anderem) Feststellungen zu einem die Eigenschaft der Strafregisterbescheinigung als öffentliche Urkunde (vgl Kert in WK2 StRegG § 10 Rz 3), die Unrichtigkeit der gemäß § 11 Abs 4 StRegG beurkundeten Tatsache sowie den GebrauchderUrkunden im Rechtsverkehr zum Beweisdieser fälschlich beurkundeten Tatsache umfassenden Vorsatz erfordert (Nordmeyer in WK2 StGB § 311 Rz 31 ff).

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