European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0040OB00007.25W.0225.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,40 EUR (darin enthalten 313,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die klagende Gesellschaft erwarb mit Kaufvertrag vom August 2016 einen von der Beklagten hergestellten fabriksneuen Diesel‑Pkw zu einem Kaufpreis von 80.019,22 EUR, wobei ein Liefertermin für Oktober 2016 vereinbart wurde. Das Fahrzeug unterliegt unstrittig dem Anwendungsbereich der VO 715/2007/EG . Der gesamte Kaufpreis wurde über einen im Oktober 2016 zwischen der Klägerin als Leasingnehmerin und einer Leasinggesellschaft als Leasinggeberin abgeschlossenen (Restwert‑)Leasingvertrag fremdfinanziert. Wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung (in Form eines zu engen Thermofensters) ist eine Wertminderung in Höhe der Klagsforderung (30 % des Kaufpreises) angemessen.
[2] Die Klägerin machte mit ihrer im Dezember 2019 eingebrachten Klage – gestützt auf die mit der Abschalteinrichtung verbundene Wertminderung des Fahrzeugs – aus dem Titel des Schadenersatzes ursprünglich die Rückabwicklung des Kaufvertrags geltend und begehrte Zahlung des (um ein Benützungsentgelt reduzierten) Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs. Hilfsweise stellte sie ein Feststellungsbegehren, dass ihr die Beklagte für jeden Schaden hafte, der ihr aus dem Kauf des Fahrzeugs entstehe. Im Februar 2023 stellte sie ein weiteres Eventualbegehren, wonach die Beklagte schuldig sei, ihr 30 % des Neukaufpreises, nämlich 24.005,77 EUR sA zu zahlen. Zuletzt begehrte sie (ebenfalls als Schadenersatz für die 30%ige Wertminderung) ausschließlich die Zahlung dieses Betrags.
[3] Die Beklagte erhob eine Reihe von Einwendungen, wovon im nunmehrigen zweiten Rechtsgang in dritter Instanz zum einen der Einwand der Verjährung aufrecht ist. Zum anderen richtete sich die Beklagte zuletzt noch gegen die von den Vorinstanzen angenommene Schadenshöhe im Ausmaß von 30 % des Kaufpreises.
[4] Zum bisherigen Verfahrenslauf und den weiters getroffenen Feststellungen wird auf die Entscheidung des Senats im ersten Rechtsgang zu 4 Ob 69/24m verwiesen.
[5] Das Erstgericht gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt und sprach der Klägerin den begehrten Schadenersatz von 24.005,77 EUR sA zu. Es wies darauf hin, dass sowohl die Aktivlegitimation der Klägerin als auch der ihr entstandene Schaden (in Höhe von 30 % Wertminderung wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung) im ersten Rechtsgang (zu Lasten der Beklagten) abschließend geklärt worden seien. Es verneinte den von der Beklagten behaupteten Rechtsirrtum und die Verjährung der Klagsforderung.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es schloss sich der Ansicht des Erstgerichts zum Umfang der im ersten Rechtsgang abschließend geklärten Fragen an und verneinte ebenso die Verjährung und einen entschuldbaren Rechtsirrtum der Beklagten.
[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob es aufgrund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes möglich sein müsse, dass ein wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung geschädigter Fahrzeugkäufer sein auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Übergabe des Fahrzeugs gerichtetes Klagebegehren auch nach Ablauf der Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 1 ABGB auf den Ersatz des Minderwerts umstellt.
[8] Gegen die Entscheidungen der Vorinstanzen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabsweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] Die Klägerin beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[10] Ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.
Zur Schadenshöhe:
[11] 1.1 Abschließend erledigte Streitpunkte können im fortgesetzten Verfahren nicht mehr aufgerollt werden (RS0042031). Auch der Oberste Gerichtshof ist von dieser Bindungswirkung umfasst (vgl RS0007010 [T7]; RS0043752 [T1]), sofern der Aufhebungsbeschluss bekämpft werden konnte (RS0042168 [T4]) und auch tatsächlich angefochten wurde (RS0042991; RS0042168), was im Anlassfall der Fall war.
[12] 1.2 Die Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, im ersten Rechtsgang sei – auch unter Einbeziehung des Obersten Gerichtshofs – bereits abschließend und für das weitere Verfahren bindend bejaht worden, dass der Klägerin wegen der (mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen) Wertminderung ein Schaden im Ausmaß von 24.005,77 EUR entstanden sei. Das Berufungsgericht stützte die Bejahung eines Schadens im Ausmaß der Klagsforderung hilfsweise auch auf die Feststellungen des Erstgerichts, aus denen eine Wertminderung von 30 % des Kaufpreises ableitbar sei.
[13] 1.3 Die Revision wendet sich dagegen, dass der angefochtenen Entscheidung eine Schadenshöhe von 30 % des Kaufpreises zugrundeliege und die Klägerin einen derartigen Schaden in dieser Höhe erlitten haben soll. Das Rechtsmittel wendet sich dabei ausschließlich inhaltlich gegen die Bejahung eines solchen Schadens bei der Klägerin, ohne jedoch auf die Hauptbegründung des Berufungsgerichts einzugehen, wonach die aufgeworfenen Streitpunkte bereits im ersten Rechtsgang abschließend erledigt worden seien. Bereits wegen des fehlenden Bezugs zur Hauptbegründung ist das Rechtsmittel nicht zulässig (RS0118709 [T4]).
Zur Verjährung:
[14] 2. Auch zur Verjährung zeigt die Revision keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung auf.
[15] 2.1 Das Institut der Verjährung dient vor allem dem Schuldnerschutz. Der Schuldner soll davor bewahrt werden, dass ihm wegen des langen zeitlichen Abstands keine Beweise mehr für das Nichtbestehen des Anspruchs des Gläubigers zur Verfügung stehen. Zu der sich zusehends verschlechternden Beweissituation kommt, dass sich der Schuldner mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Fälligkeit darauf einrichtet und auch einrichten darf, dass er vom Gläubiger nicht mehr in Anspruch genommen werde (RS0045381 [T2]).
[16] 2.2 Im Gewährleistungsrecht ist anerkannt, dass der klagende Gewährleistungsberechtigte auch während des Prozesses nach Ablauf der Frist des § 933 ABGB für denselben Mangel einen anderen Gewährleistungsbehelf wählen kann, also etwa statt der geltend gemachten Preisminderung die Auflösung des Vertrags (vormals Wandlung) (RS0018763; RS0018683). In einem solchen Fall wirkt die Unterbrechungswirkung der ursprünglichen Klagsführung fort (3 Ob 139/23x, Rz 31).
[17] 2.3 Das Berufungsgericht hat diese zum Umstieg von Gewährleistungsbehelfen (wegen desselben Mangels) entwickelte Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Fall angewandt. Dieser ist davon geprägt, dass sich die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzanspruchs bereits in der Klage (mit Blick auf die unzulässige Abschalteinrichtung) auf die Wertminderung des Fahrzeugs berufen hat, vorerst aber primär die Naturalrestitution durch Rückabwicklung des Vertrags, hilfsweise eine Feststellung und erst im weiteren Prozessverlauf ausdrücklich Geldersatz (wegen desselben Mangels) begehrte.
[18] 2.4 Einem wegen einer mangelhaften Sache Geschädigten steht die Wahl zu, ob er aus dem Titel des Schadenersatzes die (sowohl mögliche als auch tunliche) Naturalherstellung oder anstatt dessen Geldersatz verlangt (RS0112887). Das ist mit der oben erwähnten Konstellation im Gewährleistungsrecht (Wahlrecht zwischen mehreren Behelfen bei einem Mangel) wertungsgemäß vergleichbar. Die zu einzelnen wählbaren Gewährleistungsbehelfen entwickelte Judikatur wurde von den Vorinstanzen jedenfalls vertretbar auf den hier vorliegenden Fall angewandt.
[19] 2.5 Auch wenn eine bestimmte Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof noch nicht geklärt wurde, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn ein bei wertungsgemäßer Betrachtung vergleichbarer Fall im Gesetz klar geregelt ist bzw von der Judikatur bereits geklärt wurde (vgl zB 1 Ob 31/01t; 8 Ob 133/09f; 4 Ob 97/11k; 9 Ob 1/19s; 3 Ob 214/19w).
[20] 2.6 Die Klägerin hat im Anlassfall von Beginn an Schadenersatz aufgrund des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs und der damit verbundenen Wertminderung begehrt. In einer solchen Konstellation muss der beklagte Schuldner durch das Institut der Verjährung nicht im Sinne der Rechtsprechung (RS0045381 [T2]) vor der inhaltlichen Behandlung eines Anspruchs auf Geldersatz wegen einer Wertminderung und einem entsprechenden Zuspruch geschützt werden, zumal er sich von Beginn des Prozesses an darauf einrichten konnte, vom klagenden Käufer wegen der Wertminderung in Anspruch genommen zu werden.
[21] 2.7 Wenn die Vorinstanzen daher davon ausgehen, die ursprüngliche Klage habe nach § 1497 ABGB bereits die Unterbrechung der Verjährung bewirkt, bedarf das keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
[22] 2.8 Es kann dahinstehen, ob das jedenfalls vertretbare Ergebnis der Vorinstanzen zusätzlich auch auf den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz gestützt werden könnte, sodass schon mangels Relevanz die dazu im Rechtsmittel aufgeworfenen Rechtsfragen die Zulässigkeit der Revision nicht stützen können.
[23] 2.9 Die Zulässigkeit des Rechtsmittels kann auch nicht auf einen Widerspruch zur Entscheidung 8 Ob 1/24s rekurrieren. Der dortige Anlassfall war davon geprägt, dass bereits im ersten Rechtsgang hinsichtlich des Begehrens auf Wertersatz vom Ablauf der kurzen Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 1 ABGB auszugehen war, woran im zweiten Rechtsgang wegen abschließend erledigter Streitpunkte auch für die später geltend gemachte Naturalrestitution anzuknüpfen war. Im Ergebnis kam es somit zu einem Gleichlauf der Verjährung für den Wertersatz und die Naturalrestitution (8 Ob 1/24s, Rz 38 ff). Die angefochtene Entscheidung steht somit nicht im Widerspruch zu 8 Ob 1/24s.
[24] 3. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Revisionsbeantwortung, in der die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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