European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00202.24B.0130.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Rekursgericht bestätigte mit Beschluss vom 26. September 2024 die vom Erstgericht vorgenommene Bestellung eines Rechtsanwalts zum Rechtsbeistand für das Verfahren nach § 119 AußStrG sowie zum einstweiligen Erwachsenenvertreter für die Betroffene.
[2] Der Rechtsanwalt beantragt in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs, die Entscheidung dahin abzuändern, dass seine Bestellung aufgehoben werde.
Rechtliche Beurteilung
[3] Er zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[4] 1. Wenn es das Wohl der betroffenen Person erfordert, hat das Gericht ihr nach § 120 Abs 1 AußStrG zur Besorgung dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Erwachsenenvertreter mit sofortiger Wirksamkeit zu bestellen. Bei Beurteilung der Pflicht zur Übernahme des Amts des Rechtsbeistands im Verfahren nach § 119 AußStrG sowie für die Auswahl des einstweiligen Erwachsenenvertreters sind nach ständiger Rechtsprechung die Bestimmungen der §§ 273 ff ABGB über die Bestellung eines Erwachsenenvertreters sinngemäß anzuwenden (RS0110987 [T2, T4]; vgl auch RS0048291).
[5] 2.1 Die Voraussetzungen der Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters sind demnach – ebenso wie die eines Rechtsbeistands für das Verfahren – gemäß den Vorgaben der §§ 273 ff ABGB zu prüfen (5 Ob 190/23m mwN). Wenn – wie hier – weder eine von der Betroffenen selbst gewählte noch eine ihr nahestehende Person oder ein Vereins-Erwachsenenvertreter zur Verfügung steht, so ist grundsätzlich ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) zu bestellen (vgl RS0123297).
[6] 2.2 Angehörige dieser Rechtsberufe müssen nach § 275 ABGB gerichtliche Erwachsenenvertretungen grundsätzlich übernehmen, es sei denn, es liegt ein in dieser Bestimmung genannter Ablehnungsgrund vor. Die Möglichkeit der Ablehnung nach § 275 ABGB gilt dabei nur für jene Notare (Notariatskandidaten) oder Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsanwärter), die – wie im vorliegenden Fall – nicht aufrecht in die von den jeweiligen Kammern zu führenden Listen als zur Übernahme von Vorsorgevollmachten und gerichtlichen Erwachsenenvertretungen besonders geeignete Notare oder Rechtsanwälte eingetragen sind (RS0123440 [T13]).
[7] 3.1 Der Ablehnungsgrund des § 275 Z 1 ABGB liegt vor, wenn die Besorgung der Angelegenheiten „nicht vorwiegend Rechtskenntnisse erfordert“. Dass rechtliche Fachkenntnisse in der Regel für die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten (insbesondere zur Durchsetzung von Ansprüchen) oder für den Abschluss komplizierter Verträge erforderlich sind, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen (5 Ob 190/23m; 6 Ob 125/23k; 4 Ob 79/24g = RS0134777). Die Frage, ob Angelegenheiten zu besorgen sind, für die vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind, ist immer nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei dem Gericht ein Beurteilungsspielraum zukommt (RS0117452 [T2]; RS0048291 [T14, T15]). Nur eine eklatante Überschreitung dieses Ermessensspielraums wäre vom Obersten Gerichtshof als eine im Sinn der Rechtseinheit erhebliche Rechtsfrage aufzugreifen.
[8] 3.2 Fest steht, dass die Betroffene nicht in der Lage ist, sich um ihre eigenen Angelegenheiten hinreichend zu kümmern, weil sie – wie sich aus dem Akteninhalt ergibt – insbesondere ihre Post nicht behebt und derzeit ohne ein entsprechendes Wohnrecht im Haus ihrer erst kürzlich verstorbenen Eltern wohnt, deren Unterstützung im Alltag seither weggefallen ist. Eine Unterstützung durch ihre Schwester lehnt die Betroffene nach der Aktenlage ab und es sind bereits mehr als 30 gerichtliche Exekutionsverfahren gegen die Betroffene anhängig. Außerdem ist sie Eigentümerin eines derzeit unbewohnbaren Hauses (und dadurch ebenfalls finanziell belastet). Die in der Anregung der Einleitung des Verfahrens befürchteten hygienischen Probleme (im Sinn einer Verwahrlosung der Betroffenen) haben sich im Verfahren hingegen (bislang) nicht bestätigt. Längerfristig wäre nach den Erhebungsergebnissen eine Übersiedlung der Betroffenen in eine Pflegeeinrichtung angezeigt. Insgesamt kann damit – entgegen der Auffassung im Revisionsrekurs – nicht davon gesprochen werden, dass für die Betroffene deutlich überwiegend sozialarbeiterische Angelegenheiten zu besorgen wären. Eine Überschreitung des Ermessensspielraums durch das Rekursgericht bei der Bestätigung der Bestellung des Rechtsanwalts als Verfahrensbeistand sowie als einstweiliger Erwachsenenvertreter liegt daher nicht vor.
[9] 4.1 Der Revisionsrekurswerber argumentiert außerdem, es sei auch der Ablehnungsgrund des § 275 Z 3 ABGB erfüllt, weil ihm die Bestellung nicht zugemutet werden könne. Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung begründet nur eine konkret geltend zu machende, individuelle und extreme berufliche Belastung eine Unzumutbarkeit der Übernahme der gerichtlichen Erwachsenenvertretung im Sinn des § 275 Z 3 ABGB (RS0123440 [T6, T8]).
[10] 4.2 Nach seinem eigenem Vorbringen hat der Revisionsrekurswerber bisher nur eine zusätzliche Erwachsenenvertretung übertragen erhalten, weshalb die Vermutung im Sinn des zweiten Satzes des § 275 Z 3 ABGB nicht greift. Die räumliche Entfernung zwischen dem Sitz der Kanzlei und dem Wohnort der Betroffenen von 42 km (und einer daraus resultierenden Fahrtzeit von 48 Minuten) ist für sich allein nicht ausschlaggebend, denn die Überwindung solcher Entfernungen ist im ländlichen Raum bzw bei einem abgelegenen Wohnort von betroffenen Personen generell kaum vermeidlich. Auch der Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 114/22a verfängt nicht, denn auch im vorliegenden Fall wäre aller Voraussicht nach die Vertretung der Betroffenen in ihren verwaltungsgerichtlichen sowie gerichtlichen Verfahren und die Verwaltung ihres Vermögens, ihrer Einkünfte sowie der Verbindlichkeiten durch einen Nachsendeauftrag an die Adresse des Erwachsenenvertreters zu handhaben. Dies könnte – ähnlich wie in dem der Entscheidung 4 Ob 114/22a zugrunde liegenden Fall – die Anzahl erforderlich er Besuche bei der Betroffenen begrenzen. Der bei Einleitung des Verfahrens befürchtete „schlechte hygienische Zustand“ der Betroffenen hat sich bisher nicht bestätigt. Andere Argumente für die Notwendigkeit häufigerer Besuche am derzeitigen Wohnort der Betroffenen nennt der Revisionsrekurswerber nicht. Auch mit Blick auf die von ihm geltend gemachte allgemeine berufliche Belastung hält sich die Entscheidung des Rekursgerichts im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung (Nachweise zu 4 Ob 114/22a).
[11] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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