European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00183.24M.1119.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Rekursgericht wies einen Rekurs des Sohnes des 2023 verstorbenen Erblassers gegen den am 2. 8. 2024 an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung übergebenen Einantwortungsbeschluss zurück, weil dieser erst nach Bindung des Erstgerichts an den Einantwortungsbeschluss am 14. 8. 2024 eine Erbantrittserklärung abgegeben habe. Er sei daher mangels Parteistellung nicht rekurslegitimiert.
Rechtliche Beurteilung
[2] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Sohnes ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
[3] 1. Übergangenen Erben ist es nach ständiger Rechtsprechung verwehrt, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen und darin geltend zu machen, das Erstgericht habe es verabsäumt, ihnen die Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe einer Erbantrittserklärung zu geben (RS0126598). Der Gesetzgeber des AußStrG 2005 ist bewusst von der vormals geltenden Rechtslage, wonach eine Klärung des Erbrechts bis zur Rechtskraft der Einantwortung innerhalb des Verlassenschaftsverfahrens möglich war, abgegangen und hat in § 164 AußStrG vorgesehen, dass weitere Erbantrittserklärungen und das Verfahren darüber (§§ 160 bis 163) nur zulässig sind, bevor das Gericht an den Einantwortungsbeschluss gebunden ist, also nach seiner Abgabe an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung (3 Ob 227/10v Pkt 2.).
[4] Die gegenteilige Entscheidung 4 Ob 50/08v blieb vereinzelt und wurde in den Folgeentscheidungen ausdrücklich abgelehnt (RS0126598 [T5]). Auch der vom Revisionsrekurs zitierte Rechtssatz RS0007926 ist insoweit überholt. Die dazu (dennoch) indizierten Entscheidungen betreffen im Wesentlichen die – nach wie vor zutreffende – Aussage, dass der potentielle Erbe bis zur Abgabe einer Erbantrittserklärung grundsätzlich keine Parteistellung genießt (RS0007926 [T13, T16, T19, T22]).
[5] 2. Die Rechtsprechung räumt zwar ausnahmsweise auch ohne Abgabe einer Erbantrittserklärung Parteistellung in Konstellationen ein, in denen ein potenzieller Erbe sein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hat und die Abgabe einer Erbantrittserklärung aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen unterblieben ist. Als derartige Gründe werden etwa Verfahrensfehler angesehen, wie beispielsweise eine unrichtiger Weise unterbliebene Aufforderung zur Abgabe einer Erbantrittserklärung oder das Fehlen einer entsprechenden Belehrung durch den Gerichtskommissär. Für eine ausnahmsweise zu bejahende Parteistellung vor Erbantrittserklärung müssen beide Voraussetzungen (Interessenbekundung und Unterbleiben der Erbantrittserklärung aus nicht in der Sphäre des potenziellen Erben liegenden Gründen) kumulativ vorliegen (2 Ob 168/23d Rz 15 mwN; 2 Ob 64/24m Rz 5).
[6] Der bloße, am Tag der Abgabe des Einantwortungsbeschlusses zur Abfertigung eingebrachte Antrag des Sohnes auf Akteneinsicht stellt noch keine ausreichende Interessenbekundung dar, weil daraus noch kein Rückschluss gezogen werden kann, ob er das Erbe auch tatsächlich antreten will (2 Ob 21/22k Rz 8 [Anzeige einer Bevollmächtigung zur Wahrung der Interessen]; 2 Ob 53/18k ErwGr 3.2. lit a [Akteneinsichtsantrag als potentieller Erbe]).
[7] Die Verneinung der Rekurslegitimation durch das Rekursgericht entspricht daher den dargelegten Grundsätzen der gefestigten neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
[8] 3. Auf seine Stellung als Pflichtteilsberechtigter, die ihm zur Wahrung seiner Rechte nach den §§ 778, 804 und 812 ABGB auch im Fall unterbliebener Beiziehung zum Verfahren Rekurslegitimation gegen den Einantwortungsbeschluss verschaffen würde (2 Ob 66/21a Rz 10), beruft sich der Sohn nicht.
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