OGH 14Os65/24a

OGH14Os65/24a3.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hule in der Strafsache gegen * D* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Z 3, Abs 2a und 3, § 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. Mai 2024, GZ 44 Hv 59/24b‑58a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00065.24A.0903.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion nach § 147 Abs 1 Z 3 StGB und in der Subsumtionseinheit, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Darauf wird der Angeklagte mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung gegen den Verfalls- und den Konfiskationsausspruch kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * D* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Z 3, Abs 2a und 3, § 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* als Mitglied einer aus ihm selbst, * Y*, * Do* und * De* sowie weiteren unbekannten Personen bestehenden kriminellen Vereinigung, die auf schwere Betrugshandlungen zum Nachteil älterer Personen ausgerichtet war, gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz dazu beigetragen, dass Do* (I/1 bis 7) und De* (II/1 bis 5), die sich zwischen 11. Oktober 2022 und 27. Juni 2023 fälschlich als von Y* telefonisch angekündigte Polizeibeamte ausgaben und durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Behauptung, aus „Sicherheits- bzw. Vorsichtsgründen“ Bargeld und Wertgegenstände zur Verwahrung zu übernehmen, unter Verwendung gefälschter „Polizeiausweise“, mithin falscher Urkunden, im angefochtenen Urteil namentlich genannte Opfer zu diese im 300.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 1.133.890,47 Euro schädigenden Handlungen, nämlich zur Übergabe von Bargeld und Wertgegenständen, verleiteten, indem er – wie zuvor bereits vereinbart – die erlangten Vermögenswerte im Auftrag von Y* übernahm und an diesen weiterleitete.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich aus den Gründen der Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Behauptung eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) zwischen mehreren Urteilspassagen zur Gewerbsmäßigkeit trifft nicht zu. Die Feststellung, der Beschwerdeführer habe in der Absicht gehandelt, „sich durch die für die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten versprochenen und erlangten Provisionszahlungen … ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen“ (US 8 f), lässt sich mit den weiteren Aussagen, (ausschließlich) Y* habe sich – vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfasst – „durch die auf die beschriebene Art von den Opfern erlangten Wertgegenstände“ unrechtmäßig bereichert (US 10 und 15), nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0117402) sehr wohl vereinbaren, weil der Beschwerdeführer demnach nicht anstrebte, ein Einkommen gerade durch das Einbehalten von Beutestücken zu erzielen. Im Übrigen weist die – nach dem Urteilssachverhalt von vornherein in bestimmter Höhe des Beutewerts (von Y*) zugesagte – „Provision“ (vgl US 12 f) eine (unter dem Aspekt des § 70 StGB) ausreichende Nähe zu den Folgen der wiederkehrenden Tatbegehung auf (vgl 15 Os 167/13t; RIS‑Justiz RS0092444, RS0086962 [T6]; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 14).

[5] Die Kritik an der Feststellung, der Beschwerdeführer habe bereits „vor der ersten … Erlangung von Beute“ durch die unmittelbaren Täter vereinbart, diese durch Weiterleitung der durch Täuschung herausgelockten „Wertträger“ an den Hintermann Y* zu unterstützen (US 8), spricht keine entscheidende Tatsache an, die jedoch allein den gesetzlichen Bezugspunkt einer Mängelrüge bildet (RIS-Justiz RS0117499). Strafbarer Beitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zu Betrug ist nämlich (wie generell bei Tatbeständen mit erweitertem Vorsatz) nach gefestigter Rechtsprechung über den Zeitpunkt formeller Vollendung hinaus bis zum Eintritt der – hier nach dem Tatplan bei Y* (US 8) – intendierten unrechtmäßigen Bereicherung, also dem auch (materielle) Vollbringung genannten Zeitpunkt, möglich (RIS‑Justiz RS0090346 [T2], RS0133923; ebenso Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 94; Kirchbacher/Sadoghi ebd § 146 Rz 134; vgl auch Nordmeyer ebd § 302 Rz 9, 182 und 215 [zur Bedeutung der Ausgestaltung eines Tatbestandes als kupiertes Erfolgsdelikt]; Leukauf/Steininger/Öner/Schütz, StGB4 § 12 Rz 48; aM Fuchs/Zerbes AT I12 27/4 ff; Kert, SbgK § 146 Rz 362; Kienapfel/Schmoller BT II2 § 146 Rz 253; jüngst auch Bauer-Raschhofer, Zeitliche Grenzen einer strafbaren Beitragshandlung, ZWF 2022, 88).

[6] Davon abgesehen trifft der in diesem Zusammenhang geäußerte Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) auch inhaltlich nicht zu, weil im Urteil richtig wiedergegeben wird, dass sich der Beschwerdeführer „vollinhaltlich“, also (ersichtlich gemeint) „im Sinne der Anklageschrift“ (die das angelastete Verhalten dem Verbrechen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 und 4 erster und zweiter Fall StGB subsumiert hatte [ON 55, 2]) „schuldig“ bekannte (US 10; ON 58, 3). Der Sache nach werden damit bloß unzulässig die unter anderem aus dieser Verantwortung gezogenen beweiswürdigenden Schlüsse bekämpft (RIS‑Justiz RS0099431).

[7] Der Verweis auf die von den Tatrichtern als den Beschwerdeführer glaubhaft belastend bezeichneten Aussagen der als Zeugen vernommenen unmittelbaren Täter Do* und De* (US 10 f) widerspricht (Z 5 dritter Fall) nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (erneut RIS‑Justiz RS0117402; vgl auch Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 431) auch nicht der weiteren Urteilspassage, derzufolge diese Zeugen in der Hauptverhandlung relativierend angaben, „genaues zum Angeklagten nicht zu wissen“ (US 11), womit ersichtlich eine von diesen Zeugen nicht wahrgenommene Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und Y* und die näheren Umstände der Weiterleitung der Beute an diesen gemeint war (vgl ON 58, 4 f).

[8] Der Schluss aus den Aussagen dieser beiden Zeugen, nach welchen diese die Beute wie selbstverständlich – ohne Details über die weitere Vorgangsweise zubesprechen – dem Beschwerdeführer zwecks Weiterleitung an Y* übergaben, sowie aus der Observation des vom Beschwerdeführer betriebenen Juweliergeschäfts, das De* mehrmals frequentierte, auf eine vom Beschwerdeführer vorweg erteilte Zusage entsprechender Unterstützung der unmittelbaren Täter nach deren Tatausführung (US 10 f) ist – entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 vierter Fall) – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl zum Maßstab RIS‑Justiz RS0118317).

[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) moniert, nach dem Urteilssachverhalt habe sich der Vorsatz des Beschwerdeführers nur auf vorsätzliches Handeln der unmittelbaren Täter, nicht jedoch auf sämtliche Tatbildelemente der ihm angelasteten strafbaren Handlungen bezogen. Sie übergeht dabei jedoch prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) die genau dazu – großteils in der Form von Wissentlichkeit (vgl RIS‑Justiz RS0088886) – unmissverständlich getroffenen Feststellungen (US 9 f).

[10] Ebenso verfehlt die Subsumtionsrüge (Z 10) mit ihrer Kritik, die Subsumtion nach § 148 zweiter Fall StGB entbehre entsprechender Feststellungen dazu, dass die Absicht des Beschwerdeführers auf wiederkehrende Begehung von (jeweils) schwerem Betrug gerichtet gewesen sei, die Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts. Nach diesem sei es dem Beschwerdeführer darauf angekommen, sich durch die Provisionen für die wiederkehrende Begehung „solcher Straftaten“ längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges, fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (US 8 f). Diese Aussage wird (hinreichend deutlich [vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19]) gleich im Anschluss – auch in subjektiver Hinsicht („wusste dabei stets“) – dahin präzisiert, dass die wiederkehrende Begehung (nach seiner Vorstellung) unter anderem die Qualifikationsmerkmale des § 147 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB umfassen sollte.

[11] Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[12] Im Recht ist hingegen die Subsumtionsrüge (Z 10), soweit sie ein Fehlen ausreichender Sachverhaltsgrundlage der Subsumtion nach § 147 Abs 1 Z 3 StGB geltend macht.

[13] Diese setzt nämlich nach übereinstimmender Rechtsprechung und Lehre – ungeachtet des dahingehend nicht einschränkenden Gesetzeswortlauts – den Einsatz vorgetäuschter amtlicher Autorität zur Einflussnahme auf den Willen des Opfers voraus, bei dem täuschungsbedingt die Vorstellung einer (Rechts‑)Pflicht zur vermögensschädigenden Leistung geweckt wird. Nicht ausreichend ist hingegen die bloße Täuschung über Beamteneigenschaft mit dem Ziel, besonderes Ansehen oder Vertrauenswürdigkeit zu suggerieren, oder das Herauslocken einer Leistung, die der Getäuschte im Hinblick auf die vorgegebene Beamteneigenschaft aus Gefälligkeit ohne Irrtum über eine dahingehende Gehorsamspflicht erbringt (eingehend 9 Os 3, 4/78, SSt 49/16; RIS-Justiz RS0094672, vgl RS0094669; 15 Os 142/15v; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 147 Rz 56; Nordmeyer, ebd § 314 Rz 36; Kert, SbgK § 147 Rz 163; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 147 Rz 24; Kienapfel/Schmoller BT II2 § 147 Rz 99).

[14] Täuschung der Opfer über das Bestehen einer Rechtspflicht zur Herausgabe von Geld und Wertgegenständen ist dem Urteilssachverhalt nicht zu entnehmen. Vielmehr wurde vorgegeben, diese könnten Opfer einer „(Einbrecher-)Bande“ werden, weshalb ihnen angeboten wurde, „aus Sicherheits- bzw. Vorsichtsgründen“ Bargeld und Wertgegenstände „zu ihrem Schutz“ (bei der Polizei) „sicher“ zu „verwahren“ (US 2 und 5).

[15] Der aufgezeigte Rechtsfehler erfordert – wiederum in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die sofortige Aufhebung des Schuldspruchs in der Subsumtion nach § 147 Abs 1 Z 3 StGB, der Subsumtionseinheit und demgemäß auch des Strafausspruchs bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).

[16] Darauf war der Angeklagte mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung zu verweisen.

[17] Die Entscheidung über die gegen den Verfalls- und den Konfiskationsausspruch gerichtete Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO; vgl RIS‑Justiz RS0130618).

[18] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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