European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00408.78.0221.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit S 7.989,84 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin S 591,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung:
Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden: Klägerin) vertreibt „*„‑Kugelschreiber und „*“‑Filzstifte; die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden: Beklagte) erzeugt und vertreibt „*“-Bleistifte, Filzstifte usw.
Die Beklagte verwendet in ihrer Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehwerbung den Slogan: „* muß her, den * kann mehr!“ Die Klägerin hatte ihrerseits ab 1. 7. 1977 eine großangelegte Werbekampagne für ihre Filzstifte mit dem Slogan: „*‑Filzstifte trocknen nicht aus“ durchgeführt; die Verwendung dieser Werbebehauptung wurde ihr aber auf Antrag des Österreichischen Verbandes der Markenartikelindustrie vom Handelsgericht Wien mit einstweiliger Verfügung vom 18. 8. 1977 verboten (Beilage H).
Zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsanspruches begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Verwendung der Behauptung „* muß her, denn * kann mehr!“ zu untersagen. Wie sich aus dem zeitlichen Zusammenhang beider Aktionen ergebe, beziehe sich der beanstandete Slogan unmittelbar auf die vorangegangene Werbekampagne der Klägerin. Da auf dem Schreibwarenmarkt überdies nur eine beschränkte Anzahl von Marken vertreten seien und für die Erzeugnisse der Parteien besonders intensiv geworben werde, würden die Verbraucher den Vergleich „… kann mehr!“ primär auf „ *„-Schreibwaren beziehen, zumindest aber mitbeziehen. Es liege daher eine unzulässige, weil herabsetzende vergleichende Werbung der Beklagten vor.
Die Beklagte bestreitet, daß der beanstandete Satz eine Reaktion auf die Werbung der Klägerin war. Sie habe diesen Slogan schon im Jahr 1976 gefunden und ihn auch schon lange vor der Werbekampagne der Klägerin eingesetzt; da er für die gesamte Produktpalette der Beklagten verwendet werde, könne er von niemandem auf die Klägerin bezogen werden. Im übrigen enthalte der mehrfach genannte Slogan keine als konkrete Tatsachenbehauptung aufzufassende Aussage, sondern nur einen für das Publikum, insbesondere für Kinder, einprägsamen Reim, welcher die Marke „*“ in der Öffentlichkeit bekannter machen solle. Selbst wenn man aber in dem Werbeslogan der Beklagten eine konkrete Aussage über die Qualität ihrer Produkte erblicken wollte, wäre damit für die Klägerin nichts gewonnen, weil sie die Unrichtigkeit dieser Aussage nicht einmal behauptet habe.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Ein Verstoß gegen § 2 UWG sei schon deshalb zu verneinen, weil die Klägerin die Unrichtigkeit der beanstandeten Alleinstellungswerbung – sofern man diese nicht überhaupt als marktschreierische Anpreisung beurteile – weder behauptet noch bescheinigt habe. Vergleichende Werbung sei nur dort unzulässig, wo auf die Nachteile der Waren bestimmter Mitbewerber Bezug genommen werde; das sei aber hier nicht der Fall, weil die Klägerin selbst nicht behauptet habe, daß ihr Produkt beim Publikum so bekannt sei, daß jede Werbung für ein Konkurrenzerzeugnis automatisch als Antwort auf die Werbung der Klägerin empfunden werden müßte. Ob die beanstandete Werbung der Beklagten tatsächlich eine Reaktion auf die Werbekampagne der Klägerin war, könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung. Besonderer Behauptungen der Klägerin in der Richtung einer Irreführung nach § 2 UWG habe es nicht bedurft, weil die Werbung der Beklagten jedenfalls gegen § 1 UWG verstoße: Die Beklagte habe zwar in ihrer Werbeaussage weder die Klägerin noch andere Konkurrenten namentlich genannt, doch könne auf Grund der unmittelbaren zeitlichen Beziehung zwischen der groß angelegten Werbung der Klägerin (“*‑Filzstifte trocknen nicht aus“) und jener der Beklagten, welche für ihre Erzeugnisse, insbesondere auch für Filzstifte, eine Alleinstellung behaupte, bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise der Eindruck entstehen, die Werbeaussage der Beklagten sei eine Antwort auf die Aktion der Klägerin. Eine derartige vergleichende Werbung, in welcher die Konkurrenz im allgemeinen, im besonderen aber die Klägerin herabgesetzt werde, sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.
Das gleiche gelte nach neuerer Lehre und Rechtsprechung auch dann, wenn – wie hier von der Beklagten – ohne Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber fremde Erzeugnisse oder Leistungen pauschal abgewertet würden. Beschränke sich der Werbende auf eine der Nachprüfung durch die angesprochenen Kreise entzogene, mit Schlagwörtern operierende Abwertung der gesamten Konkurrenz, dann verlasse er den Boden einer sachlichen Aufklärung und verstoße dadurch gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr. Die Behauptung, „mehr zu können“, enthalte trotz ihrer allgemeinen Fassung sehr wohl einen Tatsachenkern im Sinne einer objektiv überprüfbaren Aussage über das Unternehmen der Beklagten und deren Waren; da sie den Eindruck einer Spitzenstellung der Beklagten, zumindest aber die Vorstellung überdurchschnittlicher Qualität ihres Angebotes erwecken könne, scheide die Annahme einer rein subjektiven, nur die persönliche Meinung der Beklagten zum Ausdruck bringenden Anpreisung aus. Dabei sei im konkreten Fall besonders zu beachten, daß sich die gereimte Werbeaussage der Beklagten nach deren eigenem Vorbringen vor allem an Kinder und damit an einen Käuferkreis richte, dessen Kritikfähigkeit gegenüber Werbeaussagen noch nicht entwickelt sei; die Beklagte habe daher damit rechnen müssen, daß ihre Behauptung ernst genommen werde. Die suggestive Wirkung solcher gereimter Werbesprüche in den elektronischen Medien und in aufwendigen Großinseraten zwinge zur Anlegung eines strengen Maßstabes an ihren Aussageinhalt; auch die Annahme einer nicht ernst zu nehmenden marktschreierischen Anpreisung scheide daher im konkreten Fall aus.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der – als Rekurs bezeichnete – Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den abweisenden Beschluß der ersten Instanz wiederherzustellen, allenfalls den Vollzug der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheit von S 500.000,-- durch die Klägerin abhängig zu machen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Die Vorinstanzen haben den beanstandeten Slogan „* muß her, denn * kann mehr!“ mit Recht als „Alleinstellungswerbung“ beurteilt, mit welcher die Beklagte für ihre Schreibwaren eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt. Nach der Rechtsprechung (ÖBl 1975, 57 und 146, jeweils mit weiteren Hinweisen; ebenso seither 4 Ob 306/76, 4 Ob 341/77) ist eine solche Form der Werbung primär nach § 2 UWG zu beurteilen und unter diesem Gesichtspunkt nur dann zu beanstanden, wenn die – ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete – Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Ankündigung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist. Daß dies hier der Fall wäre, hat die Klägerin nicht einmal behauptet; die Annahme eines Verstoßes der Beklagten gegen § 2 UWG muß daher schon am Fehlen eines entsprechenden Sach- und Beweisvorbringens der Klägerin scheitern.
Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes ist aber in dem hier beanstandeten Werbeslogan auch keine sittenwidrige Herabsetzung der Klägerin durch unzulässige vergleichende Werbung zu erkennen: Gewiß bringt jeder, der für sich eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt, damit zugleich, wenn auch in der Regel unausgesprochen, die Überlegenheit seines Unternehmens oder seiner Erzeugnisse gegenüber allen anderen Branchenangehörigen zum Ausdruck. Eine solche indirekte Bezugnahme auf die Konkurrenz ist aber als zwangsläufige Nebenwirkung jeder Alleinstellungswerbung so lange nicht zu beanstanden, als der Werbende nicht die Nachteile der Waren bestimmter Mitbewerber konkret mit den Vorzügen des eigenen Angebotes vergleicht, sondern sich ohne eine derartige Bezugnahme auf die Anpreisung der eigenen Spitzenstellung beschränkt. Nur dann, wenn die Ankündigung zugleich einen Hinweis auf die Minderwertigkeit der Waren oder Leistungen eines oder mehrerer bestimmter, namentlich genannter oder doch deutlich erkennbarer Mitbewerber enthält, verstößt sie unter dem Gesichtspunkt vergleichender Werbung gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG. Eine solche vergleichende Bezugnahme auf Konkurrenten wird aber bei einer Alleinstellungswerbung regelmäßig nur unter besonderen Umständen angenommen werden dürfen, so etwa dann, wenn die beanstandete Werbebehauptung Wendungen enthält, die ihr nach Form und Inhalt eine aggressive Tendenz gegen bestimmte Mitbewerber geben, oder aber dann, wenn der Kreis der überhaupt in Betracht kommenden Konkurrenten sehr klein und daher leicht überschaubar ist (ÖBl 1975, 57 und 146, jeweils mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).
Das Rekursgericht hat diese Voraussetzungen im konkreten Fall bejaht, weil die unmittelbare zeitliche Beziehung zwischen den Werbeaktionen der Parteien bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck erwecken könne, die beanstandete Werbeaussage der Beklagten sei eine Antwort auf die vorangegangene Werbung der Klägerin. Dabei wird jedoch nicht entsprechend berücksichtigt, daß bei Verwendung von Versen oder Reimen zu Werbezwecken gewisse Übertreibungen vielfach kaum zu vermeiden sind; Werbeankündigungen in Form von Versen, Reimen oder dgl. sind daher im allgemeinen milder zu beurteilen als andere Aussagen und insbesondere nur selten im strengen Sinne des Wortes auszulegen.
Gerade die einprägsame, suggestive Wortfassung solcher Werbesprüche oder Werbeslogans macht dem Durchschnittspublikum leicht erkennbar, daß sie inhaltlich nichts Wesentliches aussagen und daher auch nicht wörtlich zu nehmen sind (Hohenecker‑Friedl, Wettbewerbsrecht 25; Baumbach‑Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht11 I 776 § 3 dUWG Anm 60). Das gilt aber auch für den Slogan „* muß her, denn * kann mehr!“: Auch er wird nach Ansicht des erkennenden Senates schon auf Grund seiner sprachlichen Fassung vom angesprochenen Publikum nicht wörtlich genommen, sondern unschwer als „marktschreierisch“ im Sinne einer übertriebenen, ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden Anpreisung ohne konkreten Aussageinhalt erkannt werden (zum Begriff der „marktschreierischen Anpreisung“ siehe insbesondere ÖBl 1975, 146 mit weiteren Nachweisen; ferner SZ 18/210 = ZBl 1937/176; ÖBl 1965, 119 ua, zuletzt etwa 4 Ob 364/77). Fehlt es aber im konkreten Fall an einer ernst gemeinten und ernst zu nehmenden Tatsachenbehauptung der Beklagten, dann scheidet damit auch die Annahme einer kritisch vergleichenden Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber und damit ein Verstoß gegen § 1 UWG von vornherein aus.
Für den gegenteiligen Standpunkt des Rekursgerichtes ist auch dann nichts zu gewinnen, wenn man – im Einklang mit dem Vorbringen der Beklagten in ihrem Äußerungsschriftsatz ON 2, wonach der beanstandete Slogan „insbesondere für die Kinder einprägsam“ sei – mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der beanstandeten „*‑Werbung“ (knapp vor Schulbeginn), die Art der angepriesenen Waren (vorwiegend Schulbedarfsartikel) und die besondere Gestaltung der im Hörfunk und im Fernsehen gesendeten „“‑Spots (Beilagen B, C und D) davon ausgeht, daß sich die beanstandete Ankündigung vor allem auch an Kinder und Jugendliche gerichtet hatte. Dem angefochtenen Beschluß ist durchaus einzuräumen, daß dieser Teil des angesprochenen Publikums Werbeankündigungen häufig wesentlich weniger kritisch gegenübersteht als erwachsene Konsumenten und daher auch viel eher als diese geneigt sein wird, selbst übertriebene Werbeaussagen für bare Münze zu nehmen. Gerade Kinder und Jugendliche werden aber – schon mangels entsprechender Kenntnisse über die Marktsituation – einem so allgemein gefaßten Slogan, wie er hier zu beurteilen ist, sicherlich keinen Angriff auf bestimmte Mitbewerber der Beklagten entnehmen können.
Die gleichen Erwägungen, aus denen im Sinne dieser Ausführungen die Annahme sittenwidriger vergleichender Werbung abzulehnen ist, sprechen aber im noch stärkeren Maße auch gegen die Beurteilung des beanstandeten Werbeslogans als unsachliche, mit bloßen Schlagwörtern operierende Pauschalabwertung der gesamten Konkurrenz durch die Beklagte. Für die gegenteilige Auffassung des Rekursgerichtes ist hier auch aus der Entscheidung ÖBl 1975, 146 nichts zu gewinnen, dies schon deshalb, weil die damals zu beurteilende Alleinstellungsbehauptung nicht in der Form eines gereimten Werbespruches, sondern als gewöhnliche, sachliche Werbeaussage aufgetreten war und daher schon aus diesem Grund zumindest im Zweifel ernst genommen werden mußte.
Da somit ein Unterlassungsanspruch der Klägerin nach §§ 1 oder 2 UWG nicht bescheinigt ist, mußte dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge gegeben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der den Sicherungsantrag abweisende Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werden.
Die Verpflichtung der Klägerin zum Ersatz der Kosten des Revisionsrekurses beruht auf §§ 41, 50, 52 ZPO in Verbindung mit §§ 78, 402 EO.
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