OGH 4Ob402/77

OGH4Ob402/7722.11.1977

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, Inhaber einer Möbelfabrik, *, vertreten durch Dr. Gerhard Engin‑Deniz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) H*, Kaufmann, *, und 2.) W*, Kaufmann, *, beide vertreten durch DDr. Walter Barfuss, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 21. September 1977, GZ 1 R 208/77‑9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 26. Juli 1977, GZ 19 Cg 49/77‑4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00402.77.1122.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Beklagten betreiben in Österreich Werbung für I*‑Möbel. Sie richteten an verschiedene österreichische Möbelfirmen ein Rundschreiben vom 23. Juni 1977 mit folgendem Inhalt: „Es wird Sie sicher freuen, zu hören, daß I* den Prozeß gegen die Firma T* in erster Instanz gewonnen hat. Das Gericht schloß sich voll und ganz der in der Klage dargelegten Auffassung von I* an, daß es sich um unerlaubte Plagiate handelt, welche T* herstellt und um unlauteren Wettbewerb während Jahren. Das Urteil lautet auf Unterlassung, Schadenersatz und Rechnungsoffenlegung. Es wäre schön, wenn auch Sie mithelfen könnten, diese erfreuliche Nachricht gegen die Design‑Piraterie gerichtet, zu verbreiten. Denn auch der Endverbraucher hat ein Recht darauf zu wissen, wo nun das Original und wo die Plagiate verkauft werden.“

Der Kläger behauptet die Beklagten hätten gegen die Bestimmungen des UWG verstoßen, da sie es unterlassen hätten in diesem Rundschreiben darauf hinzuweisen, daß das genannte Urteil nicht von einem österreichischen, sondern von einem deutschen Gericht und ausdrücklich nur mit Wirkung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin gefällt worden sei. Der Kläger begehre daher unter anderem, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, in Veröffentlichungen darauf hinzuweisen, daß I* den Prozeß gegen die Firma T* in erster Instanz gewonnen hat, ohne darauf hinzuweisen, daß es sich dabei um das Urteil eines deutschen Gerichtes handelt und daß das Urteil nach dem Inhalt des Urteilsspruches nur für die Bundesrepublik Deutschland und West‑Berlin wirksam ist. Zur Sicherung dieses Unterlassungsanspruches beantragt der Kläger eine einstweilige Verfügung gleichen Inhaltes.

Der Erstbeklagte beantragte, dieses Begehren abzuweisen, weil die Adressaten des angeführten Schreibens von Anfang an über den Gegenstand des Rechtsstreites in Deutschland unterrichtet gewesen seien und sie gewußt hätten, daß das angeführte Urteil nur in Deutschland wirksam sei.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab.

Es sei unbestritten, daß die Firma I* vor dem Landgericht in Frankfurt, Bundesrepublik Deutschland, gegen die Firma T*, Möbelfabrik E*, ein noch nicht rechtskräftiges erstinstanzliches Urteil mit nachstehendem Urteilsspruch erwirkte:

„I.) Die Beklagte wird verurteilt, 1.) es bei Meidung von Rechtsnachteilen für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, a) das Schranksystem „E*“ (Tiefen 24 und 48 cm, Höhen 70, 120 und 240 cm, Breiten 48, 64 und 96 cm) und das Schlafzimmerprogramm „a*“ (Tiefen 42,5 und 39 cm, Höhen 113,1 und 36,3 und 74,7 cm, Breiten 60, 80, 60‑205 cm), wie aus den beigefügten zwei Typenkatalogen sowie aus den nachfolgenden Abbildungen als Kombinationsprogramme ersichtlich, selbst oder über Dritte in der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich West-Berlin anzukündigen, feilzuhalten oder in Verkehr zu bringen; b) Einzelteile der unter 1.) a) genannten Möbelprogramme an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin zu liefern oder liefern zu lassen, ohne diese Abnehmer über die nach 1.) a) möglichen Verletzungshandlungen zu unterrichten und sie vertraglich zu einer Unterlassung solcher Verletzungshandlungen durch geeignete Maßnahmen wirksam zu verpflichten; 2.) Rechnung zu legen, zu welchen Zeitpunkten, in welchen Stückzahlen, an welche Abnehmer, zu welchen Preisen und mit welchen Gestehungskosten sie die unter 1.) a) genannten Möbelprogramme oder Einzelteile hiezu in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin angeboten, verkauft und geliefert hat, wobei sie berechtigt ist, auf ihre Kosten die Namen der von ihr belieferten Abnehmer einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, der verpflichtet ist, der Klägerin auf Antrag darüber Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer in der Aufstellung der Beklagten enthalten ist.

II.) Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den unter I.) 1.) angeführten Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

III.) Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

IV.) Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von DM 520.000,-- vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft inländischer Kreditbanken zu erbringen.“

Weiters legte das Erstgericht seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt als bescheinigt zugrunde:

Das Rundschreiben Bl. E wurde nur an die in der Liste Bl. 20 aufscheinenden Firmen versendet. Es handelt sich hiebei um Firmen, die mit den Beklagten in Geschäftsverbindung stehen und das I*‑Programm in Österreich vertreiben bzw um solche Firmen, mit denen Verhandlungen im Zuge sind, auf deren Grundlage sie das I*‑Programm in Österreich vertreiben sollen. Diese Firmen sind davon unterrichtet, daß es sich bei dem Prozeß, von dem in Bl. E die Rede ist, um einen Prozeß vor einem Gericht der Bundesrepublik Deutschland handelt und daß das Urteil in Österreich nicht rechtswirksam ist, daß sie aber nach dem günstigen Prozeßausgang in Deutschland einen analogen Prozeß in Österreich erwarten.

In rechtlicher Hinsicht sprach das Erstgericht aus, das Rundschreiben Bl. E sei nicht geeignet gewesen, jene Personen, die es erhielten, in Irrtum zu führen, da diese Personen wußten, daß es sich bei dem in diesem Rundschreiben erwähnten Prozeß um einen vor einem Gericht in Deutschland handle und daß das in diesem Prozeß ergehende Urteil in Österreich nicht rechtswirksam sei.

Das Rekursgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm im Gegensatz zum Erstgericht nicht als bescheinigt an, daß den Empfängern des beanstandeten Rundschreibens vorher mitgeteilt worden war, daß das darin angeführte Urteil von einem deutschen Gericht gefällt und nach Inhalt des Urteilsspruches nur im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin wirksam ist. Da die Mitteilung durch das Rundschreiben an einen größeren Personenkreis erfolgt sei, müßten die hinsichtlich der Wettbewerbswidrigkeit einer privaten Urteilsveröffentlichung vertretenen Grundsätze entsprechend gelten. Die Mitteilung sei nach den Umständen des vorliegenden Falles sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gewesen, weil sie irreführend gewesen sei, da verschwiegen worden sei, daß es sich beim genannten Urteil um ein solches eines deutschen Gerichtes handelte und es nur für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin Wirkung habe. Es habe die Gefahr bestanden, daß Empfänger des Rundschreibens zur Auffassung gelangten, es handle sich um ein Urteil eines österreichischen Gerichtes oder doch um ein Urteil mit Wirkung (auch) für Österreich. Durch die Unterlassung des Hinweises auf den Wirkungsbereich des Urteiles sei jedenfalls das Maß einer allenfalls zulässigen Abwehrhandlung überschritten worden.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Abweisung des Antrages der klagenden Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Auffassung des Rekursgerichtes, auf Grund der vorliegenden Bescheinigung sei für einen nicht unerheblichen Teil der Adressaten des beanstandeten Rundschreibens nicht bescheinigt, daß sie wußten, das Urteil im bezogenen Rechtsstreit sei von keinem österreichischen, sondern von einem deutschen Gericht und vor allem mit Wirksamkeit nur für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin gefällt worden, ist entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses durch die Aktenlage gedeckt. Erwägungen über die Beweiskraft der einzelnen Bescheinigungsmittel können aber nicht mit Erfolg ins Treffen geführt werden, weil der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechts‑ und nicht Tatsacheninstanz ist, sodaß die Würdigung der Beweiskraft und Bescheinigungsmittel in letzter Instanz dem Rekursgericht obliegt. Es ist daher von jenem Sachverhalt auszugehen, den das Rekursgericht als bescheinigt ansah; Umstände, die es nicht als bescheinigt annahm, können in die rechtliche Beurteilung nicht einbezogen werden.

Ob es sich bei der Versendung des beanstandeten Rundschreibens um eine „Urteilsveröffentlichung“ handelte, kann auf sich beruhen. Jedenfalls wurde darin der wesentliche Inhalt des bezogenen Urteiles mit der Aufforderung, ihn weiter zu verbreiten, ohne einen Hinweis darauf bekanntgegeben, daß das Urteil von einem deutschen Gericht und nach Inhalt seines Spruches nur mit Wirksamkeit für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin erging. Zutreffend wurde vom Rekursgericht darauf verwiesen, daß der Inhalt dieses Rundschreibens wegen dieser Unterlassung irreführend und damit wettbewerbswidrig war, weil die Gefahr bestand, daß er dahin verstanden werde, daß das bezogene Urteil von einem österreichischen Gericht, jedenfalls aber (auch) mit Wirkung für den Bereich der Republik Österreich gefällt worden sei.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Mitteilung des Inhaltes einer gerichtlichen Entscheidung müssen dieselben Grundsätze beachtet werden wie bei einer privaten Veröffentlichung eines Urteiles (4 Ob 308/76, vgl. ÖBl 1969 8). Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung haben die Parteien kein schrankenloses Recht auf Verbreitung des Inhaltes einer gerichtlichen Entscheidung. Es kommt auf die Umstände des Falles an. Die Verbreitung einer gerichtlichen Entscheidung ist jedenfalls dann sittenwidrig, wenn durch Art, Zeit und Unvollständigkeit der Veröffentlichung, fehlende Angaben über Rechtskraft und dergleichen das Publikum irregeführt wird (Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht3 384, Baumbach‑Hefermehl Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht11 1291, Tetzner, Komm. zum UWG2 405, ÖBl 1975, 34, SZ 15/99, 15/124, 4 Ob 308/76 ua). Wenn der Inhalt eines von einem deutschen Gericht gefällten Urteiles, das nach seinem Spruch ausdrücklich nur für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und West‑Berlin wirksam ist, ohne Hinweis auf diese Umstände mitgeteilt wird, ist diese Mitteilung hinsichtlich für den Mitteilungsempfänger wesentlicher Punkte unvollständig und geeignet, bei diesen einen unrichtigen Eindruck zu erwecken, nämlich den, daß es sich um eine Entscheidung eines österreichischen Gerichtes, jedenfalls aber um eine solche Entscheidung handelt, die (auch) für den Bereich der Republik Österreich rechtsverbindlich ist. Eine solche Mitteilung ist daher wettbewerbswidrig. Dem Einwand der Beklagten, daß die Mitteilungsempfänger ohnehin durch die Presse bereits darüber unterrichtet gewesen seien, daß das bezogene Urteil von einem deutschen Gericht und nur für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und West‑Berlin gefällt worden sei, muß entgegengehalten werden, daß dies nicht bescheinigt ist. Es ist keineswegs selbstverständlich, daß alle Empfänger des beanstandeten Rundschreibens – oder gar alle Personen, an welche die Nachricht weitergegeben werden sollte – auch die von den Beklagten angeführten Presseartikel überhaupt und vor Erhalt des Rundschreibens gelesen haben. Ob die Beklagten, wie sie in ihrem Revisionsrekurs behaupten, die Richtigkeit ihrer Auffassung, daß der Kläger unlauteren Wettbewerb durch Nachbau von I*‑Erzeugnissen betreibe, durch einen Hinweis auf ein deutsches Gerichtsurteil untermauern durften, ist nicht zu prüfen; das wurde weder beanstandet noch verboten. Das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten wurde vielmehr darin gesehen, daß sie bei diesem Hinweis die Angabe unterlassen haben, daß es sich um ein Urteil eines deutschen Gerichtes und um ein Urteil nur mit Wirksamkeit für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin handelte, die von den Beklagten gegebene Mitteilung also wegen ihrer Unvollständigkeit irreführend war. Das wurde vom Rekursgericht mit Recht als wettbewerbswidrig angesehen, sodaß der Unterlassungsanspruch des Klägers bescheinigt ist und die zur Sicherung dieses Anspruches beantragte einstweilige Verfügung mit Recht erlassen wurde.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 402, 78 EO, 40, 50, 52 ZPO.

 

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