OGH 4Ob308/76

OGH4Ob308/766.4.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wiener‑Emailmanufaktur A* GmbH u. Co KG, *, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Wiener Emailmanufaktur M*, GmbH und Co KG, 2.) Wiener‑Emailmanufaktur M* GmbH, 3.) M*, Geschäftsführerin, alle *, alle vertreten durch Dr. Gerhard Engin‑Deniz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 22. Jänner 1976, GZ. 3 R 292/75‑9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 25. Oktober 1975, 18 Cg 274/75‑6, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00308.76.0406.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Beklagtenvertreter versandte am 12. September 1975 an mehrere Einzelhändler, die Emailwaren vertreiben, ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

Betrifft: A*

Sehr geehrte Herren!

Ich schreiben Ihnen Auftrags der Wiener Emailmanufaktur Mi* GesmbH & Co KG, *.

Wie Ihnen bekannt ist, befaßt sich meine Mandantschaft mit der Herstellung und dem Vertrieb von Schmuckstücken und Ziergegenständen aus Email. Meine Mandantin mußte hiebei feststellen, daß die von ihr kreierten Modelle und Dessins von der Firma Wiener Emailmanufaktur A* Gesellschaft & Co KG, in der Folge kurz A* genannt, * systematisch nachgeahmt werden. Auf Grund dieses Sachverhaltes hat meine Mandantschaft die Firma A* auf Unterlassung des Vertriebes der Imitationsschmuckstücke und Ziergegenstände zu 18 Cg 134/75 des Handelsgerichtes Wien geklagt. Über Antrag meiner Mandantschaft wurde der Firma A* mittels Einstweiliger Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 13. Juni 1975 verboten, die inkriminierten Schmuckstücke und Ziergegenstände zu vertreiben, wobei das Handelsgericht Wien bei seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, daß die Firma A* die Erzeugnisse meiner Mandantschaft kopiert und sklavisch nachahmt, sodaß die Firma A* gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr gemäß § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (im folgenden kurz UWG) verstoßen hat.

In der Anlage übermittle ich Ihnen nun 76 Stück Fotos, auf denen sie mit „O“ gekennzeichnet das Erzeugnis meiner Mandantschaft, mit „K“ gekennzeichnet den Imitationsgegenstand der Firma A* erkennen können.

Durch die von mir im vorstehenden herangezogene Einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien wurde der Firma A* der Vertrieb von Schmuck- und Ziergegenständen untersagt, die auf den Fotos mit „K“ gekennzeichnet sind.

Für eine deliktische Handlung, wie es ein Verstoß gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr aber nun darstellt (siehe hiezu Große Manz‑sche Gesetzesausgabe zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1971, Entscheidung Nr. 289 zu § 14 UWG und Entscheidung 917 zu § 1 UWG), haften aber nun alle, die sich in der deliktischen Richtung betätigen. Ich bitte, nicht ungehalten zu sein, wenn ich unterstelle, daß Ihnen als branchenkundige Firma die systematische Nachahmung der Produkte meiner Mandantschaft durch die Firma A* bereits bekannt sein muß. Zweck dieses Briefes ist es aber unter anderem, Ihnen die tatsächlichen Gegebenheiten unmißverständlich vor Augen zu führen.

Auf Grund der vorzitierten Literatur, aber auch auf Grund der wettbewerbsrechtlichen Lehre (Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 4. Auflage, 3. Bd., S. 138 ff) steht sohin fest, daß Sie an dem Verstoß der Firma A* gegen § 1 UWG,– und zwar spätestens mit Erhalt dieses Briefes – bewußt teilnehmen, wenn Sie weiterhin Schmuck- und/oder Ziergegenstände, die auf den beiliegenden Fotos mit „K“ gekennzeichnet sind, vertreiben.

Namens meiner Mandantschaft muß ich Sie daher auffordern, mir innerhalb von acht Tagen bekanntzugeben, daß Sie den Vertrieb der vorstehend bezeichneten Gegenstände und Schmuckstücke in Hinkunft unterlassen.“

Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben brachte die Klägerin zu 18 Cg 274/75 des Handelsgerichtes Wien eine Klage auf Unterlassung wettbewerbswidriger Mitteilungen gegen die Beklagten ein.

Darin behauptet die Klägerin, sie habe gegen die vom Handelsgericht Wien am 13. Juni 1975, 18 Cg 134/75‑10, erlassene Einstweilige Verfügung zwar fristgerecht Rekurs erhoben, über den noch nicht entschieden sei, zugleich aber nach Zustellung der Verfügung am 14. Juli 1975, mit dem diese wirksam geworden sei, den Vertrieb der in dieser Verfügung angeführten Emailgegenstände eingestellt und diese seit diesem Zeitpunkt auch nicht mehr an ihre Kunden ausgeliefert. Sämtliche bis dahin ausgelieferten Waren seien den Kunden nicht bloß kommissionsweise überlassen, sondern auf Grund von Bestellungen fix und ohne Rückgaberecht – außer für den Fall der Gewährleistung – verkauft worden.

Die Klägerin nimmt den Rechtsstandpunkt ein, daß die Absendung des bereits angeführten Abmahnungsschreibens an Kunden der Klägerin in mehrfacher Hinsicht sittenwidrig sei. Die Kunden würden dahin irregeführt, als sei das Verbot gegenüber der Klägerin bereits am 13. Juni 1975 wirksam geworden und es sei bis zum 14. Juli 1975 allenfalls ausgelieferte Ware bereits verbotswidrig vertrieben worden. Es werde auch sittenwidrigerweise verschwiegen, daß die Einstweilige Verfügung noch nicht rechtskräftig sei. Die Einstweilige Verfügung berechtige die Beklagten auch nicht, vor Abschluß des Definitivverfahrens und ohne dazu durch im Exekutionswege nicht abzustellende Zuwiderhandlungen dazu genötigt zu sein, den Kunden der Klägerin Abbildungen zu übersenden, auf denen die Erzeugnisse der Klägerin als „Kopie“ bezeichnet werden. Vor rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens zu 18 Cg 134/75 sei die Unterstellung allgemein bekannter und offenkundiger wettbewerbswidriger Nachahmung jedenfalls wettbewerbswidrig. Ebenso wettbewerbswidrig sei die Aufforderung an die Kunden der Klägerin, den Vertrieb der von der Einstweiligen Verfügung erfaßten Artikel künftighin in jedem Fall uneingeschränkt zu unterlassen, das heißt also, auch nicht nur soweit diese Waren nach dem 14. Juli 1975 ausgeliefert worden seien, und nicht nur bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens zu 18 Cg 134/75 des Handelsgerichtes Wien, sondern überhaupt, das hieße auch für den Fall einer Klagsabweisung. Das Rundschreiben gehe daher über das der Erstbeklagten nach der Sach- und Interessenlage zuzubilligende Informationsbedürfnis, insbesondere über eine objektive Mitteilung des bloßen Verfahrensstandes, hinaus. Es verfolge vielmehr ausschließlich den Zweck, die Klägerin in den Augen ihrer Kunden herabzusetzen, diese zu verunsichern und ihr geschäftlichen Schaden zuzufügen. Dies sei nach Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise mit den anständigen Gebräuchen im Handel und Verkehr unvereinbar und sittenwidrig.

Die Klägerin begehrt daher, die Beklagten schuldig zu erkennen, die inkriminierten Mitteilungen zu unterlassen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Antrages der Klägerin und machen im wesentlichen geltend, daß die vom Beklagtenvertreter in ihrem Auftrag versandten Verwarnungsschreiben nur den Zweck gehabt hätten, zu erreichen, daß dritte Firmen von der klagenden Partei nachgeahmte Waren weiterhin nicht mehr vertreiben. Die Schreiben seien nicht in Wettbewerbsabsicht und nicht zu Wettbewerbszwecken versendet worden; Interessen der klagenden Partei seien nur indirekt betroffen worden. Im Verwarnungsschreiben anzuführen, daß die Einstweilige Verfügung noch nicht rechtskräftig sei, sei nicht erforderlich gewesen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung ab.

Es ging als bescheinigt davon aus, daß jedem der Schreiben Beilage ./B 1‑6 vom Beklagtenvertreter 76 Fotos beigelegt worden seien. Auf diesen seien jene Erzeugnisse der Klägerin dargestellt worden, deren Vertrieb dieser mit der zu 18 Cg 134/75 angeführten Einstweiligen Verfügung verboten worden sei. Teilweise seien die Waren mit dem Buchstaben „K“ gekennzeichnet, teilweise mit der Bezeichnung „Kopie“. Es sei bescheinigt, daß die Klägerin nach Zustellung der Einstweiligen Verfügung am 14. Juli 1975 keine der in deren Spruch angeführten Emailwaren mehr vertrieben habe und daß die Ware nur fix verkauft worden sei.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß die Beklagten die von ihrem bevollmächtigten Rechtsvertreter gesetzten Handlungen gegen die Klägerin gegen sich gelten lassen müßten. Sie hätten daher allfällige durch das Schreiben Beil. ./B 1‑6 begangene Wettbewerbsverstöße zu vertreten. Indes enthielten die vom Beklagtenvertreter versendeten Schreiben keine sittenwidrigen Mitteilungen, weil die Beklagten zweifellos berechtigt gewesen seien, die jedenfalls bereits wirksam gewordene Einstweilige Verfügung den branchenkundigen Firmen zur Kenntnis zu bringen und sich dazu auch die Lichtbilder, Beilage ./C 1‑76, mit den Abbildungen der Emailarbeiten, auf die sich die Einstweilige Verfügung zu 18 Cg 134/75‑2 bezieht, beizufügen.

Das Rekursgericht bewilligte die beantragte einstweilige Verfügung teilweise. Es verbot den beklagten Parteien für die Dauer des anhängigen Rechtsstreites gegenüber Einzelhändlern, die als Bezieher von Waren, wie sie auf den Lichtbildern laut Beilage ./C 1‑76 abgebildet sind, in Frage kommen, Schreiben wie Beilage ./B (1‑6) und den – richtig wohl die – schon erwähnten Lichtbildern zu versenden, es sei denn, in diesen Schreiben wird unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß

a) die Einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 13. Juni 1975, 18 Cg 134/75‑2, erst am 17. Juli 1975 wirksam wurde und daß sie jedenfalls nur für die Dauer des zu 18 Cg 134/75 anhängigen Rechtsstreites zwischen der Wiener Emailmanufaktur M* Gesellschaft m.b.H. und Co KG, , wider die Wiener Emailmanufaktur A* Gesellschaft m.b.H und Co. KG, *, bewilligt wurde;

b) daß die angeschriebenen bzw. die mit dem Kläger in Geschäftsverbindung gestandenen Händler nur dann wettbewerbsrechtlich von den hier als Beklagten und Antragsgegnerinnen auftretenden Parteien gerichtlich belangt werden können, soferne diesen in einem Verfahren wegen Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gegen sie die Glaubhaftmachung und in einem Streitverfahren gegen sie der Beweis gelingt, es habe dem betreffenden Händler bekannt sein müssen, daß es sich bei Emailarbeiten, die er von der klagenden und gefährdeten Partei bezog, sofern es sich um solche handelt, die aus den Beilagen ./C 1‑76 ersichtlich sind, um solche handelt, die durch die klagende und gefährdete Partei mittels sklavischer Nachahmung von Produkten der beklagten Parteien und Antragsgegnerinnen erzeugt wurden;

c) daß ein weiterer Vertrieb jener von der klagenden Partei und Antragstellerin bezogenen Waren, wie sie des näheren aus der Beilage ./C 1‑76 ersichtlich sind, durch den betreffenden Händler zulässig ist, die er noch in Unkenntnis, daß diese, wie unter lit. b) näher ausgeführt, sklavisch nachgeahmt sind, von der klagenden und gefährdeten Partei erworben hat.

Das Rekursgericht ging davon aus, daß zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis bestehe, da sie Emailarbeiten erzeugen und vertreiben und daß jedenfalls einige der vom Beklagtenvertreter angeschriebenen Händler auch von der klagenden Partei Emailarbeiten bezogen haben, und durch das Verwarnungsschreiben des Beklagtenvertreters bei den Adressaten der Eindruck habe entstehen können, der Vertrieb der angeführten Waren sei ab 13. Juni 1975 endgültig verboten. Damit werde der Inhalt der zugunsten der Beklagten ergangenen Einstweiligen Verfügung in irreführender Weise wiedergegeben. Das bedeute einen Verstoß gegen das im Wettbewerb zu beachtende Wahrheitsgebot und die Behauptung und Verbreitung von Tatsachen, die geeignet seien, den Betrieb der klagenden Partei zu schädigen. Das sei nach §§ 1 und 7 UWG sittenwidrig. Da ein Einzelhändler Waren, die er „gutgläubig“ – nämlich ohne Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes der klagenden Partei – erworben habe, auch dann weiterveräußern dürfe, wenn er nachträglich von diesem Wettbewerbsverstoß erfahre, hätte im Verwarnungsschreiben deutlich zum Ausdruck kommen müssen, daß noch in Unkenntnis der sklavischen Nachahmung bezogene Waren auch nach Erhalt des Schreibens ohne Gefahr einer erfolgreichen gerichtlichen Belangung durch die Beklagten weiterhin vertrieben werden können. Die geschäftlichen Beziehungen der klagenden Partei zu ihren Kunden werde aber durch das Schreiben auch deswegen verunsichert, weil die Kenntnis einer von der klagenden Partei systematisch betriebenen sklavischen Nachahmung von Waren der Beklagten unterstellt werde, ohne einen Hinweis darauf, daß die Beklagten diese Kenntnis in einem Verfahren gegen einen der Händler erst beweisen müssen. Durch die Aufforderung, dem Beklagtenvertreter innerhalb von 8 Tagen bekanntzugeben, daß der angeschriebene Händler den Vertrieb der in Rede stehenden Gegenstände und Schmuckstücke unterlassen werde, werde wahrheitswidrig zum Ausdruck gebracht, daß bereits endgültig feststehe, daß diese Waren der klagenden Partei sklavische Nachahmungen von Waren der Beklagten darstellen und die Händler wegen der erlassenen Einstweiligen Verfügung dies unwiderlegbar und zeitlich unbeschränkt gegen sich gelten lassen müßten. Durch diese irreführenden Mitteilungen würden die Absatzmöglichkeiten der klagenden Partei in unlauterer Weise gestört. Hiebei sei nicht maßgeblich, welche Bedeutung der Beklagtenvertreter dem Verwarnungsschreiben geben wollte, sondern welche Bedeutung die angesprochenen Verkehrskreise diesem Schreiben zulegen konnten.

Gegen den abändernden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Zunächst machen die Beklagten geltend, in der Versendung des Schreibens des Beklagtenvertreters könne ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbes nicht erblickt werden, weil damit nur – wie es üblich sei – die Einbringung einer Klage für den Fall angedroht werde, daß den in diesem Schreiben auf gestellten Forderungen nicht entsprochen werde. Demgegenüber ist aber darauf zu verweisen, daß nicht das Aufstellen bestimmter Forderungen in diesem Schreiben und die Ankündigung einer Klage für den Fall ihrer Nichterfüllung den Wettbewerbsverstoß darstellt, sondern die irreführende Wiedergabe des Inhaltes der Einstweiligen Verfügung und die irreführende Darstellung ihrer Wirkung, sodaß der Eindruck erweckt wird, die gestellten Forderungen seien durch eine bereits endgültige gerichtliche Entscheidung gedeckt. Es wurde auch als bescheinigt angenommen, daß die Versendung der Verwarnungsschreiben im Auftrag der Beklagten erfolgte. Mit Recht hat das Rekursgericht darauf verwiesen, daß damit die Geschäftsbeziehungen der klagenden Partei zu den vom Beklagtenvertreter angeschriebenen Kunden belastet und gestört werden können. Es ist das Bestreben der Beklagten, ihren Absatz auf Kosten des Absatzes der klagenden Partei zu fördern und damit ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbes (ÖBl 1963 103 u.a.) und die Wettbewerbsabsicht (ÖBl 1966 5, 1963 50 u.a.) eindeutig erkennbar.

Das Rekursgericht hat auch mit Recht angenommen, daß der Inhalt der versendeten Verwarnungsschreiben irreführend und damit wettbewerbswidrig ist. Es müssen hiebei dieselben Grundsätze beachtet werden, die bei einer privaten Veröffentlichung einer in einem Verfahren wegen unlauteren Wettbewerbs ergangenen gerichtlichen Entscheidung gelten, weil durch die Versendung der Schreiben der Inhalt der Einstweiligen Verfügung den Adressaten mitgeteilt und damit verbreitet wurde (vgl. ÖBl 1969 8). Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung haben die Parteien kein schrankenloses Recht auf Verbreitung des Inhaltes einer gerichtlichen Entscheidung. Es kommt auf die Umstände des Falles an. Die Verbreitung einer solchen Entscheidung ist jedenfalls dann sittenwidrig, wenn durch die Art, Zeit und Unvollständigkeit der Veröffentlichung, fehlende Angaben über Rechtskraft u. dgl. das Publikum irregeführt wird (Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht3 384, Baumbach Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht11 1291, Tetzner, Komm. zum UWG2 405, ÖBl 1975 34 SZ 15/99, 15/124 u.a.). Eine solche Irreführung ist etwa anzunehmen, wenn nicht darauf hingewiesen wird, daß die bezogene Einstweilige Verfügung noch nicht rechtskräftig ist, weil der unbefangene rechtsunkundige Leser des Schreibens dann annehmen kann, daß es sich um eine bereits rechtskräftige Entscheidung handelt; die juristische Unterscheidung zwischen „Rechtskraft“ und „Rechtswirksamkeit“ einer gerichtlichen Entscheidung kann von ihm nicht erwartet werden (ÖBl 1975 34, 1969 8). Dem Einwand des Revisionsrekurses, daß schon durch die Bezeichnung der bezogenen Entscheidung als „Einstweilige“ Verfügung deren vorläufiger Charakter ausreichend zum Ausdruck komme, muß entgegengehalten werden, daß der vorläufige Charakter der Entscheidung gerade durch die Diktion des Verwarnungsschreibens des Beklagtenvertreters verwischt und in einem Ausmaß verdeckt wird, daß er für einen rechtsunkundigen Leser des Schreibens keineswegs verläßlich erkennbar ist. Er kann die Bezeichnung „Einstweilige Verfügung“ auch als einen technischen Ausdruck werten, der keineswegs auf bloß vorläufige Entscheidungen beschränkt bleibt. So wird im angeführten Verwarnungsschreiben schlechthin und ohne Vorbehalt darauf hingewiesen, daß mit der angeführten Entscheidung des Gerichtes der klagenden Partei verboten sei, „die inkriminierten Schmuckstücke und Ziergegenstände zu vertreiben“ und daß „der Vertrieb von Schmuck‑ und Ziergegenständen untersagt“ worden sei. Daraus wird im Schreiben unter Bezugnahme auf die wettbewerbsrechtliche Lehre gefolgert, daß der Adressat durch einen weiteren Vertrieb solcher Schmuck- und Ziergegenstände an dem Wettbewerbsverstoß der klagenden Partei teilnehme; schließlich wird der Adressat noch aufgefordert, innerhalb von 8 Tagen bekanntzugeben, daß er den Vertrieb der vorstehend bezeichneten Gegenstände und Schmuckstücke in Hinkunft unterlasse. Damit wird aber der Eindruck erweckt, die bezogene Einstweilige Verfügung sei eine endgültige Entscheidung, die bereits mit dem Tag ihrer Erlassung – und nicht jenem der Zustellung – wirksam geworden sei und zur Folge habe, daß der Adressat die bezeichneten Waren ohne Verstoß gegen das UWG, unabhängig davon, wann und unter welchen Umständen er sie gekauft habe, nicht mehr weiterveräußern könne. Es kommt auch in keiner Weise zum Ausdruck, daß die Frage, ob der behauptete Wettbewerbsverstoß der klagenden Partei tatsächlich gegeben ist, erst in einem Hauptverfahren endgültig entschieden werden wird. Der damit durch das Verwarnungsschreiben erweckte Eindruck entspricht, wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat – und im Revisionsrekurs auch nicht ernstlich bekämpft wird – nicht der Sach- und Rechtslage. Wenn sich der Beklagtenvertreter zur Stützung der von ihm im Auftrag der Beklagten erhobenen Forderungen auf die Wirkungen der ergangenen Einstweiligen Verfügung berufen will, muß er diese in einer Weise darstellen, daß auch für einen rechtsunkundigen Adressaten der Inhalt und die Folgen der Einstweiligen Verfügung klar erkennbar sind, insbesondere daraus der richtige Zeitpunkt des Beginnes und des Endes der Wirksamkeit entnommen werden kann und der Adressat die Möglichkeit hat, verläßlich und richtig beurteilen zu können, ob und unter welchen Voraussetzungen er die von der klagenden Partei erworbene Ware ohne Verstoß gegen das UWG noch weiterveräußern kann. Nur insoweit ist ein Recht der Beklagten zur Aufklärung von Kunden im Dienste der Beseitigung der Nachwirkungen der beanstandeten und durch die Einstweilige Verfügung verbotene Wettbewerbshandlung anzuerkennen (vgl. für den Fall der Veröffentlichung: Tetzner a.a.O.). Dieses Schreiben war somit wettbewerbswidrig, sodaß der von der klagenden Partei behauptete Unterlassungsanspruch bescheinigt ist. In diesem Umfange hat daher das Rekursgericht dem Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung zur Sicherung dieses Anspruches mit Recht stattgegeben.

Zu dem nicht näher begründeten Vorwurf des Revisionsrekurses, das Rekursgericht habe eine Einstweilige Verfügung erlassen, die von der klagenden Partei gar nicht beantragt worden sei, genügt es darauf zu verweisen, daß mit der erlassenen Einstweiligen Verfügung nicht etwas anderes, sondern nur weniger als beantragt, verboten wurde; im übrigen handelte es sich lediglich um eine zulässige Umformulierung des Begehrens.

Zu der vom Revisionsrekurs behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die darin gelegen sein soll, daß der Beklagtenvertreter nicht darüber vernommen wurde, daß der Inhalt der Verwarnungsschreiben ihm und nicht der Beklagten anzulasten sei, wurde bereits oben darauf verwiesen, daß dieses Schreiben im Auftrag der Beklagten verfaßt wurde, diese für ihren Inhalt daher einstehen müssen und die Wettbewerbsabsicht zu bejahen ist.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 402, 78 EO, 40, 50, 52 ZPO.

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