European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00866.76.1123.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit dem vor dem Landesgericht für ZRS Wien am 9. Jänner 1974 zu 18 Cg 531/75 abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Vater, für seine beiden in Pflege und Erziehung der Mutter befindlichen Kinder T* und M* R* ab 1. Mai 1974 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von je 2.250 S einschließlich Familienbeihilfe vierzehnmal jährlich zu bezahlen. Dieser Vergleich wurde vom Erstgericht in Ansehung der beiden Minderjährigen mit Beschluß vom 18. März 1974 pflegschaftsbehördlich genehmigt. Am 30. Oktober 1974 stellte die Mutter den Antrag auf „neuerliche Festsetzung des Unterhaltsbetrages in der dem Einkommen nunmehr entsprechenden Höhe“ mit der Behauptung, die dem Beschluß vom 18. März 1974 zugrundegelegte Berechnungsbasis von 22.000 S habe sich inzwischen um ca. 20 % erhöht (S 15 des Aktes). Der Vater brachte in seiner am 21. Februar 1975 erstatteten Stellungnahme zu diesem Antrag unter anderem vor, für den minderjährigen M* zusätzlich zu dem Unterhaltsbeitrag von monatlich 2.250 S (im einzelnen dargestellte) Leistungen in der Höhe von zusammen 1.142,60 S zu erbringen, insgesamt daher monatlich 3.392,60 S zu bezahlen (S 41 bis 42 des Aktes). Im Zuge des Verfahrens begehrte die Mutter schließlich die Erhöhung des vom Vater für den minderjährigen M* zu leistenden Unterhaltsbeitrages auf monatlich 5.000 S vierzehnmal, jährlich.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluß vom 6. Oktober 1975, ONr 47, mit der wesentlichen Begründung ab, der Vater komme seiner Unterhaltsverpflichtung gehörig nach. Die von ihm erbrachte Unterhaltsleistung sei auch angemessen.
Das Rekursgericht gab mit Beschluß vom 1. Dezember 1975, ONr 53, dem von der Mutter erhobenen Rekurs nicht Folge und führte unter anderem aus, der Vater erbringe außer dem durch Vergleich festgesetzten Unterhaltsbeitrag, welcher auf zwölf Monate umgerechnet 2.625 S betrage, nach seinem Vorbringen noch weitere freiwillige Leistungen von durchschnittlich monatlich 3.392,60 S für den minderjährigen M*, insgesamt daher rund 6.000 S. Die vom Vater freiwillig erbrachten Leistungen seien von der Mutter in ihrem Rekurs nicht bestritten worden. Es sei zwar richtig, daß das Einkommen des Vaters seit dem Vergleichsabschluß gestiegen sei. Wenn auch die Bedürfnisse des Minderjährigen sich seit dem Vergleichsabschluß „vermehrt haben mögen“, so würden sie nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Eltern vom Vater befriedigt. Die vom Vater erbrachte Leistung von rund 6.000 S liege weit über dem Durchschnittsbedarf gleichalteriger Kinder. Sollte der Vater seine freiwilligen Unterhaltsleistungen einstellen, stehe es der Mutter frei, eine entsprechende Erhöhung des Unterhaltsbeitrages zu beantragen. Dieser Beschluß wurde dem Vertreter der Mutter am 13. Jänner 1976 zugestellt.
Die Mutter brachte am 29. Jänner 1976 einen Antrag auf Erhöhung des Unterhaltsbeitrages für den minderjährigen M* auf 5.000 S ein. Sie brachte vor, die Feststellung in der Rekursentscheidung, der Vater erbringe für den minderjährigen M* durchschnittlich 3.392 S als freiwillige Leistung, sei „völlig unrichtig“. Sie könne „nur auf einem völligen Mißverständnis beruhen“. Die Mutter habe diesen Betrag nie anerkannt, „sondern immer auf das äußerste bestritten“. Sie habe lediglich zugegeben, daß der Vater gelegentlich auf freiwilliger Basis in Form von Geschenken „völlig unberechenbare und unvorhergesehene kleinere Leistungen, wie Weihnachtsgeschenke oder einzelne Einladungen in ein Gasthaus usw“, erbringe. Es werde daher „unmißverständlich und deutlich ein- für allemal jegliche freiwillige Leistung seitens des Kindesvaters bestritten“. Der Vater habe während des ganzen Jahres 1975 und bisher auch im Jahre 1976 keine freiwilligen Leistungen erbracht.
Der Vater beantragte die Zurückweisung dieses Antrages wegen entschiedener Rechtssache, allenfalls dessen Abweisung. Er behauptete, der Antrag stelle nichts anderes als den unzulässigen Versuch dar, „im Wege eines neuen Antrages die Rechtskraft des alten Beschlusses zu umgehen“. Eine Änderung des Sachverhaltes seit der letzten Beschlußfassung sei nicht eingetreten. Es sei richtig, daß er für den minderjährigen M* nie 3.392 S im Monatsdurchschnitt an freiwilligen Leistungen aufgewendet habe. Er habe vielmehr in seiner Eingabe vom 20. Februar 1975 vorgebracht, für den minderjährigen M* im Monatsdurchschnitt freiwillige Leistungen von 1.142,60 S erbracht, zusammen mit dem auf Grund des Vergleiches bezahlten Betrag von 2.250 S daher monatlich 3.392,60 S geleistet zu haben. Nach wie vor erbringe er diese Leistungen, diese hätten sich sogar noch erhöht. So sei die Zusatzversicherung von monatlich 142,60 S auf 188,20 S gestiegen und in den ersten drei Monaten dieses Jahres habe der Vater für einen Schiurlaub des minderjährigen M* zusätzlich 1.000 S aufgewendet.
Die Mutter legte eine detaillierte Aufstellung vor, wonach sie für den minderjährigen M* 4.000 S monatlich ausgeben müsse.
Das Erstgericht wies den Antrag der Mutter, den vom Vater für den minderjährigen M* zu leistenden Unterhaltsbeitrag von monatlich 2.250 S vierzehnmal jährlich auf 5.000 S zu erhöhen, mit Beschluß vom 28. Mai 1976, ONr 63, ab. Es begründete dies im wesentlichen damit, die von der Mutter vorgelegte „Bedürfnisaufstellung für den minderjährigen M*“, welcher die Hauptschule besuche und gesund sei, enthalte im wesentlichen „die gleichen geltend gemachten Bedürfnisse“, wie sie knapp vor der rechtskräftigen Beschlußfassung behauptet worden seien. Da der Vater eine ausreichende Unterhaltsleistung erbringe, liege kein Grund für ein Abgehen vom Unterhaltsvergleich vor.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahingehend ab, daß es den Vater verpflichtete, ab 29. Jänner 1976 „in Abänderung der mit Vergleich des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 9. Jänner 1974, 18 Cg 531/73, vereinbarten Unterhaltsleistung von monatlich 2.250 S vierzehnmal jährlich“, beginnend ab 29. Jänner 1976, einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 4.000 S, zuzüglich der für den Minderjährigen zu leistenden Beiträge für die Zusatzkrankenversicherung bei der Versicherungsanstalt der Österreichischen Bundesländer, Versicherungs-Aktiengesellschaft, in der Höhe von derzeit monatlich 188,20 S zu leisten. Das Mehrbegehren von monatlich 1.000 S wies es ab. Das Rekursgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Ehe der Eltern des minderjährigen M* ist geschieden. Die Mutter bezieht als halbtagsbeschäftigte Angestellte * monatlich zumindest 3.200 S und die Familienbeihilfe für den Minderjährigen. Der Vater verdient als Verkaufsleiter der P*AG einschließlich der Anteile an den Sonderzahlungen monatlich etwa 34.000 S. Er hat seiner geschiedenen Gattin, der Mutter des Minderjährigen, unabhängig von deren Einkommen, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von monatlich 4.500 S vierzehnmal jährlich zu bezahlen und für seine nunmehrige Ehegattin und den seit dem Jahre 1975 in seiner Pflege und Erziehung befindlichen minderjährigen T* zu sorgen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, jedem Unterhaltsvergleich und jeder Unterhaltsfestsetzung wohne die Umstandsklausel stillschweigend inne. Nur wesentliche Änderungen der Verhältnisse, sei es in der Erhöhung des altersbedingten Bedarfes des Unterhaltsberechtigten, sei es durch eine erhebliche Verbesserung des Einkommens der Unterhaltspflichtigen, rechtfertigten ein Abgehen von der bisherigen Unterhaltsregelung und führten zur Neubemessung des Unterhaltes unter Berücksichtigung aller Verhältnisse zur Zeit der neuen Beschlußfassung. Mit fortschreitendem Alter erhöhten sich die Bedürfnisse heranwachsender Jugendlicher. Der im Scheidungsverfahren abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung sei ein Durchschnittseinkommen des Vaters von monatlich 22.000 S zugrundegelegt worden. Seither sei das Einkommen des Vaters erheblich gestiegen. Infolge geänderter Verhältnisse seien die Voraussetzungen für die Neubemessung des Unterhaltes für den Minderjährigen gegeben. Die Verhältnisse hätten sich sowohl hinsichtlich jener im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses als auch jener zur Zeit der letzten Entscheidung über die von der Mutter begehrte Unterhaltserhöhung wesentlich geändert. Die Entscheidung vom 1. Dezember 1975 habe das Rekursgericht ausdrücklich auf freiwillige Leistungen des Vaters gestützt und hiezu ausgeführt, daß es der Mutter freistehe, im Falle der Einstellung oder Minderung dieser freiwilligen Zuwendungen des Vaters eine entsprechende Erhöhung des Unterhaltsbeitrages für den Minderjährigen zu beantragen. Der Vater habe selbst zugestanden, seit dem Zeitpunkt dieser Rechtsmittelentscheidung monatlich nur eine Geldrente von 2.250 S abzüglich der nunmehr von der Mutter bezogenen Familienbeihilfe und zuzüglich von 188,20 S für die Zusatzkrankenversicherung sowie für den Schiurlaub des Minderjährigen einmal im Jahr den Betrag von 1.000 S zu leisten.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den Beschluß und das diesem vorangegangene Verfahren einschließlich des erstgerichtlichen Beschlusses vom 28. Mai 1976, ONr 63, als nichtig aufzuheben und den Antrag der Mutter vom 29. Jänner 1976 zurückzuweisen, allenfalls den Beschluß in seinem dem Antrag der Mutter stattgebenden Teil dahin abzuändern, daß dem Rekurs der Mutter gegen den erstgerichtlichen Beschluß vom 28. Mai 1976, ONr 63, nicht Folge gegeben werde. Hilfsweise wird schließlich ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Gemäß § 14 Abs 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche unzulässig. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits wiederholt ausgesprochen, daß die Anwendung dieser Bestimmung nicht Platz greift, wenn es sich um die Beurteilung verfahrensrechtlicher Voraussetzungen der Entscheidung über einen Unterhaltsantrag handelt (SZ 45/31 u.v.a.).
Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, kennt auch das Außerstreitverfahren, wie sich aus § 18 AußStrG ergibt, die Einrichtung der Rechtskraft (SZ 26/15, SZ 27/308; EvBl 1968/32 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung und Literatur; JBl 1974, S 268 u.a.), wenn es auch die Folgen eines Verstoßes dagegen nicht regelt. Dazu wurde bereits wiederholt ausgesprochen, daß auch im Außerstreitverfahren ein Verstoß gegen die Rechtskraft in jeder Lage des Verfahrens wahrgenommen werden muß (6 Ob 79/66; RZ 1971, S 195; JBl 1974, S 268). Diese Rechtskraftwirkung hat allerdings bei Entscheidungen über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes nur eingeschränkte Bedeutung, da zufolge der jeder Unterhaltsbemessung stillschweigend innewohnenden Umstandsklausel das Gericht bei geänderten Verhältnissen eine andere Entscheidung treffen kann.
Der Revisionsrekurswerber führt auch zutreffend aus, daß die Umstandsklausel eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes voraussetzt. Seiner Meinung, daß im vorliegenden Fall eine solche Änderung gegenüber der letzten Entscheidung nicht vorliege, kann jedoch nicht beigepflichtet werden.
Darauf, von welchen Erwägungen das Erstgericht bei seiner Beschlußfassung vom 6. Oktober 1975, ONr 47, ausgegangen ist, kann es schon deshalb nicht ankommen, weil das Rekursgericht bei seiner diesen Beschluß bestätigenden Entscheidung vom 1. Dezember 1975, ONr 53, von ganz anderen Erwägungen als das Erstgericht ausgegangen ist.
Für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen die materielle Rechtskraft vorliegt, ist entscheidend, ob gegenüber jenem Sachverhalt, welcher für die Entscheidung maßgeblich war, eine Änderung eingetreten ist. Nun stellte das Rekursgericht fest, daß der Vater zusätzlich zu dem durchschnittlichen Unterhaltsbeitrag von monatlich 2.625 S weitere freiwillige Leistungen von monatlich 3.400 S erbringt, daher monatlich rund 6.000 S bezahlt. Daß diese Feststellung aktenwidrig war, kann zufolge der Rechtskraft des Beschlusses vom 1. Dezember 1975 nicht mehr berücksichtigt werden. Daß der Vater tatsächlich 6.000 S Unterhalt leiste, also freiwillige zusätzliche Leistungen von rund 3.400 S erbringe, behauptet er selbst nicht.
Da, wie bereits dargelegt, die materielle Rechtskraft sich nur auf den Tatbestand der früheren Entscheidung beziehen kann, liegen somit geänderte Verhältnisse vor, so daß der Beschluß des Rekursgerichtes vom 1. Dezember 1975, ONr 53, zufolge der jeder Unterhaltsfestsetzung stillschweigend innewohnenden Umstandsklausel der Neufestsetzung des vom Vater zu leistenden Unterhaltsbeitrages nicht im Wege stand.
Schließlich ist noch darauf zu verweisen, daß, wenn auch nicht im Zusammenhang mit einer Unterhaltsbemessung, für den Bereich des Verfahrens außer Streitsachen ausgesprochen wurde, eine Änderung der Verhältnisse liege auch dann vor, wenn die Tatsachen zur Zeit der früheren Entscheidung bereits eingetreten sind, aber dem Gerichte nicht bekannt waren (vergl. SZ 44/180 und 5 Ob 223/71).
Dem nur hinsichtlich der Frage der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen zulässigen Revisionsrekurs mußte daher der Erfolg versagt bleiben.
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