European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00374.76.1109.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Untergerichte werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
„Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, in ihrer Werbung die Ankündigung der Übersendung eines Geschenkes („Geheimgeschenkes“) zu unterlassen, wenn
a) diese Übersendung in der Werbung von einem „Gewinn“ abhängig gemacht, tatsächlich aber jedem Leser der Werbeankündigung gegen Einsendung einer der Werbeankündigung angehefteten Antwortkarte („Gutschein“) übersandt wird,
b) die Ausfolgung dieses Geschenkes von der Anforderung einer weiteren Werbeschrift der beklagten Parteien abhängig ist und die beklagten Parteien den Geschenknehmer auf Grund dieser Anforderung durch Vertreter, die sich um einen Vertragsabschluß bemühen, aufsuchen lassen.“
Die klagende Partei wird ermächtigt, den Spruch des Urteiles binnen 3 Monaten nach Rechtskraft jeweils einmal in den Wochenendausgaben der Tageszeitungen „K*“, „N*“ und „D*“ im redaktionellen Teil mit Fettdrucküberschrift, Fettdruckparteienbezeichnung und Fettdruckumrandung auf Kosten der beklagten Parteien zu veröffentlichen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 29.846,13 (einschließlich S 895,‑‑ Barauslagen und S 2.144,53 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 22.869,52 (einschließlich S 1.816,‑‑Barauslagen und S 1.559,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 10.526,76 (einschließlich S 779,76 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, wie auch die Erstbeklagte, betreiben Fernunterrichtsinstitute; sie stehen untereinander im Wettbewerbsverhältnis. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten, der Dritt- und der Viertbeklagte sind Geschäftsführer der Zweitbeklagten. Die Erstbeklagte wirbt für ihre Fernkurse durch Annoncen in Zeitungen und Zeitschriften. Am 19. 4. 1975 erschien in der K* ein ganzseitiges Inserat, welches auch folgenden Zusatz enthält:
„1001 Geschenke für Vorwärtsstrebende ab18 Jahren. Feuchten Sie einen Finger an, reiben sie die unten stehende schwarze Fläche ab und vergleichen sie die Nummer mit einer nebenstehenden Gewinnliste. Finden Sie diese Nummer dort wieder und interessieren Sie sich auch für einen unserer Lehrgänge, dann möchten wir Ihnen gratulieren. Denn Sie gehören zu den glücklichen Empfängern unseres zusätzlichen interessanten Geheimgeschenkes. Sie erhalten unser Geheimgeschenk für alle Einsendungen mit Gewinnnummer, die uns bis zum 20. Mai 1975 erreichen.“
Neben dieser Ankündigung sind 14 Gewinnnummern angegeben. In der Annonce wird der Leser auch darauf hingewiesen, daß ihm bei Einsendung des Gutscheines (Antwortkarte) ein mehrteiliges Bildungsangebot (Studienhandbuch und Probelektion) zugesandt und er durch einen HFL‑Mitarbeiter unverbindlich und kostenlos informiert und beraten wird.
Jeder Gutschein enthält nach dem Abreiben der schwarzen Fläche eine der angegebenen Gewinnnummern.
Jeder Einsender eines derartigen Gutscheines erhält als Geschenk das Heftchen „Kleines Brevier über Lebensglück und Lebenserfolg“ sowie Katalog und Probelektion samt einem Begleitschreiben, in welchem ihm neuerlich der Besuch eines HFL‑Beraters (Vertreters) angekündigt wird. Der Vertreterbesuch erfolgt in der Regel ca. 14 Tage nach Zusendung.
Falls der Interessent bei Einsendung des Gutscheines ausdrücklich vermerkt, daß er keinen Hausbesuch wünsche, erhält er ebenfalls das „Kleine Brevier über Lebensglück und Lebenserfolg“ als „Geheimgeschenk“, Katalog und Probelektion und unter Anschluß eines Anmeldeformulars ein Begleitschreiben, welches folgenden Passus enthält:
„Das erste Studienmaterial besitzen Sie in wenigen Tagen, wenn Sie das ausgefüllte Anmeldeformular in das beigefügte Freikuvert stecken. Unser Katalog beantwortet Ihnen alle wichtigen Fragen. In dem einen oder anderen Fall kann aber eine weitere Information nützlich sein. Dann geben wir Ihnen gerne brieflich die noch zusätzlich gewünschte Auskunft oder noch besser: Fordern Sie einen Mitarbeiter unseres Beratungsdienstes an, eine Karte genügt.“
Die Klägerin begehrt von den Beklagten, in ihrer Werbung die Ankündigung der Übersendung eines Geschenkes (Geheimgeschenkes) zu unterlassen, wenn a) diese Übersendung in der Werbung von einem „Gewinn“ abhängig gemacht, tatsächlich jedoch jedem Leser der Werbeankündigung gegen Einsendung einer der Werbeankündigung angehefteten Antwortkarte („Gutschein“) übersandt wird; b) die Ausfolgung dieses Geschenkes von der Anforderung einer weiteren Werbeschrift der Beklagten abhängig ist und die Beklagten den Geschenknehmer auf Grund dieser Anforderung durch Vertreter, die sich um einen Vertragsabschluß bemühen, aufsuchen lassen. Weiters wird die Ermächtigung der Klägerin zur Veröffentlichung des Urteilsspruches in drei Tageszeitungen auf Kosten der Beklagten begehrt.
Die Klägerin begründet ihr Begehren damit, daß durch die Aufmachung des Inserates der unrichtige Eindruck erweckt werde, daß es sich bei dem „Gewinn“ um einen außerordentlichen Zufall handle und das „Geschenk“ daher entsprechend wertvoll sei; tatsächlich „gewinne“ jeder. Der Leser des Inserates werde durch diese Täuschung verleitet, durch Einsendung des „Gutscheines“ sein Interesse zu bekunden und dann sich schwer dazu entschließen, einen Vertreterbesuch abzulehnen, auch wenn das an sich möglich sei. Es sei bereits darin eine unzumutbare Belästigung des Publikums gelegen, daß der angekündigte Vertreterbesuch, wenn er nicht erwünscht sei, durch eine ausdrückliche Mitteilung an die Beklagten abgelehnt werden müsse. Die Werbung der Beklagten verstoße daher gegen die Bestimmungen des UWG.
Die Beklagten machen dagegen geltend, daß der Interessent ohne weiters in der Lage sei, auch nach Erhalt des Geschenkes den angekündigten Vertreterbesuch abzulehnen. Von einer Gefahr, daß der Interessent überrumpelt werde, könne keine Rede sein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Auffassung, daß wohl eine gewisse Irreführung dem ersten Anschein nach bestehe, da nach diesem nicht jede Nummer eine Gewinnnummer sei, tatsächlich auf den Gutscheinen aber nur solche Nummern vorkämen, die in der Gewinnliste enthalten seien. Dies stehe jedoch in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem angestrebten Werbezweck. Die bloße Zusage der Übersendung des Geheimgeschenkes ohne Verpflichtung zur Teilnahme an dem Kurse verstoße nicht gegen § 1 UWG. Das Unterlassungsbegehren sei schon durch den Sachverhalt nicht gedeckt, da jeder Einsender das angekündigte Geschenk auch dann erhalte, wenn er den Besuch eines Vertreters ausdrücklich ablehne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes (über den es entschied) S 50.000,‑‑übersteigt. Es ging davon aus, daß bereits die Inserate, denen die Karte zur Anforderung des Informationsmaterials beiliege, einen ausdrücklichen Hinweis auf einen Vertreterbesuch enthielten, sodaß jeder Interessent, der die Anforderungskarte ausfülle, mit einem Vertreterbesuch als Folge der Einsendung der Anforderungskarte rechnen müsse. Dieser Vertreterbesuch könne aber durch eine einfache Mitteilung an die erstbeklagte Partei verhindert werden. Die Werbewirkung der Einschaltung bestehe in der Zusage eines Geschenkes; diese Zusage sei richtig. Es sei unwesentlich, ob der Leser des Inserates das Geschenk ohne weitere Bedingungen oder deswegen bekomme, weil ein Teil der Ankündigungen eine bestimmte Nummer aufweise. Die Täuschung in der Richtung, daß der Interessent das Geschenk als Gewinn eines Spieles anfordern könne, sei nicht wesentlich und daher nicht wettbewerbswidrig. Es seien auch die Voraussetzungen für die Annahme eines psychologischen Kaufzwanges nicht gegeben, weil durch die Ankündigung, daß es sich bei dem Geschenk um einen zufälligen Gewinn handle, die Entscheidungsfreiheit des angesprochenen Interessenten nicht spürbar beeinträchtigt werde. Eine Einwirkung auf die Entschließung des Kunden sei mit jeder Werbung verbunden. Daran ändere auch der angekündigte Vertreterbesuch nichts, weil das Geschenk auch dann übersendet werde, wenn der Vertreterbesuch vom Interessenten abgelehnt wird. Es werde auch nicht die Spiellust des Publikums unzulässig ausgenützt, weil der Leser nicht zur Teilnahme an einem erst künftig stattfindenden Spiel aufgefordert, sondern ihm nur die Mitteilung von einem bereits beendeten Spiel gemacht werde.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne des Klagebegehrens abzuändern oder es aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Die klagende Partei macht im wesentlichen geltend das Vorgehen der Beklagten verstoße gegen die Bestimmungen des UWG, da der Leser des beanstandeten Inserates irregeführt werde, weil es den unrichtigen Eindruck erwecke, bei dem angekündigten Geschenk handle es sich um einen Gewinn, in dessen Genuß der Interessent dann komme, wenn er die Antwortkarte einsende. Die durch diese Täuschung veranlaßte Einsendung der Antwortkarte führe zwangsläufig zum Besuch eines Vertreters der Beklagten, wenn der Interessent sich nicht der Mühe unterziehe, einen solchen Besuch ausdrücklich abzulehnen.
Den Ausführungen der klagenden Partei kommt Berechtigung zu.
Es ist wohl richtig, daß jede Werbung das Ziel hat, das angesprochene Publikum für die angepriesenen Waren oder Leistungen zu interessieren und den Kaufentschluß zu beeinflussen. Wenn auch eine solche Werbung erlaubt ist, so trifft dies dann nicht mehr zu, wenn dieses Ziel mit unlauteren Mitteln verfolgt wird. Das Mittel einer Täuschung des angesprochenen Interessenten ist aber mit den Regeln eines lauteren Wettbewerbes unvereinbar. Im Wettbewerbsrecht kommt dem Wahrheitsgrundsatz eine überragende Bedeutung zu. Eine Wettbewerbshandlung ist daher regelmäßig schon deswegen sittenwidrig, wenn sich bei ihr ein Täuschungsmoment feststellen läßt. (Baumbach‑Hefermehl Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht11 I 153 f, ÖB1 1962 71 u.a.). Es sind daher auch „Geschenke“ oder sonstige Werbegaben nur dann zulässig, wenn durch diese Geschenke oder durch die Umstände, unter denen sie gewährt werden, das angesprochene Publikum nicht irregeführt wird (ÖBl 1971 10, 1971 77 u.a.). Allerdings ist eine Täuschung nur dann wettbewerbswidrig, wenn sie geeignet ist, den Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen; es muß zwischen dem Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, und dem Umstand, daß die durch die Wettbewerbshandlung bei ihm hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, ein innerer Zusammenhang bestehen (4 Ob 312/76). Das ist im vorliegenden Fall zu bejahen.
Das beanstandete Inserat erweckt durch seinen Inhalt, insbesondere den Hinweis, daß die Übereinstimmung der nach Abreiben der schwarzen Fläche auf dem Gutschein lesbaren Nummer mit einer in der „Gewinnliste“ angegebenen Nummer geprüft werden müsse, jedenfalls bei einem nicht ganz unbeträchtlichen Teil der Leser die Vorstellung, daß dem betreffenden Leser bei einem Spiel ein Gewinn zugefallen sei, während in Wahrheit jeder Gutschein eine „Gewinnnummer“ enthält, also die Möglichkeit, „das Geschenk“ zu erhalten, von keiner Verlosung oder einem anderen Zufall abhängig gemacht wird oder wurde. Ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Interessenten wird aber aus Freude über den (vermeintlichen) Gewinn und durch die Erwartung eines Geschenkes, dessen Art und Wert ihm noch unbekannt ist, dazu verleitet, nicht aus Interesse an den angebotenen Kursen oder den in Aussicht gestellten Unterlagen dafür, sondern in dem Bestreben, dieses Geschenk zu bekommen, dem Anbot der Beklagten näher zu treten und sich mit ihm zu befassen. Das Bestreben, das in Aussicht gestellte Geschenk auch zu erhalten, wird dadurch, daß sich der angesprochene Interessent als Gewinner bei einem Spiel fühlt, ihm Art und Wert des „Gewinnes“ unbekannt sind und weil er sich unter Umständen ein Geschenk von erheblichem Wert erwartet, zumal ihm in der Ankündigung zum Gewinn ausdrücklich gratuliert wird, wesentlich stärker geneigt sein, dem Anbot der Beklagten näherzutreten, als dies bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes und der Gewährung eines bloßen Werbegeschenkes, dessen Art und Wert er bereits kennt, der Fall wäre. Es kann daher nicht gesagt werden, daß die Täuschungshandlung mit dem Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Anbot der Beklagten zu befassen, in keinem ursächlichen Zusammenhang stehe. Daraus folgt, daß die Täuschungshandlung wettbewerbswidrig ist.
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der angesprochene Interessent an sich die Möglichkeit hat, das Geschenk auch dann zu erlangen, wenn er ausdrücklich einen Vertreterbesuch ablehnt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 4 Ob 355/72 (und im zweiten Rechtsgang zu 4 Ob 318/74) hervorgehoben, daß es eine unzumutbare und daher wettbewerbswidrige Belästigung des Publikums darstellt, wenn im Falle der Anforderung schriftlicher Unterlagen ein Vertreterbesuch angekündigt wird und der angesprochene Interessent genötigt ist, ausdrücklich mitzuteilen, daß der Vertreterbesuch unerwünscht sei, um ihn abzuwenden. Im vorliegenden Fall kommt dazu, daß in der beanstandeten Ankündigung auf die Möglichkeit, das „Geschenk“ anzufordern und doch den Besuch eines Vertreters abzulehnen, nicht hingewiesen, sondern mitgeteilt wird, daß der Interessent bei Einsendung des „Gutscheines“ kostenlos und unverbindlich das mehrteilige Bildungsangebot „wie im untenstehenden Brief beschrieben“ erhalte. In diesem „Brief“ wird aber als weitere „Sonderleistung“ angekündigt, daß ein HFL‑Mitarbeiter den Interessenten kostenlos und unverbindlich über das Studienziel informieren, beraten und den richtigen Lehrgang vorschlagen werde. Diese Art der Ankündigung erweckt den Eindruck, daß bei Einsendung des „Gutscheines“ und Entgegennahme des „Geschenkes“ jedenfalls ein Vertreter der Beklagten beim Einsender vorsprechen werde. Die klagende Partei verweist auch mit Recht darauf, daß ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der Einsender Hemmungen haben wird, einerseits den ihm zugekommenen „Gewinn“ anzunehmen, andererseits aber den Empfang eines Vertreters der beklagten Partei abzulehnen. Die Art der Ankündigung des Vertreterbesuches und ihr Zusammenhang mit der Täuschung der angesprochenen Interessenten ist somit als wettbewerbswidrig anzusehen. Daraus folgt, daß dem Klagsbegehren in Abänderung der Entscheidungen der Untergerichte stattzugeben war.
Das Begehren nach Urteilsveröffentlichung ist im § 25 Abs 4 UWG begründet.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO. Barauslagen für die Revision waren nicht zuzusprechen, weil Gerichtskostenmarken für sie nach der Aktenlage nicht beigebracht wurden. Für die Klage wurden nur S 60,‑‑ gestempelt.
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