European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0040OB00365.76.1005.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes (im stattgebenden Teil) wieder hergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels vorläufig selbst zu tragen.
Begründung:
Die Streitteile betreiben in St. Wolfgang den Handel mit Textilien, insbesondere mit Trachtenbekleidung. Die Beklagte ist Pächterin des Geschäftes *. Eigentümer ist ihr Sohn F* welcher gleichzeitig kaufmännischer Angestellter im Betrieb der Beklagten ist. Das Geschäft besteht seit etwa 2 Jahren.
Etwa zu Ostern 1976 brachte F* auf Grund einer eigenen Idee und ohne Wissen der Beklagten gemeinsam mit seinem Vater über dem genannten Geschäftslokal die Aufschrift „W*Trachtenstube“ an. Die Beklagte erfuhr von der Aufschrift erst nach deren Befestigung, hat sie jedoch bis heute nicht entfernt.
In St. Wolfgang befinden sich insgesamt 12 Geschäfte, in denen Trachtenbekleidung verkauft wird. Davon werden drei von der Klägerin und vier von der Beklagten bzw. deren Familienmitglieder betrieben. Das Warenangebot der Beklagten unterscheidet sich in qualitativer Hinsicht nicht wesentlich von dem der Mitbewerber.
Zur Sicherung ihres im wesentlichen gleichlautenden Unterlassungsanspruches beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreites aufzutragen, die über deren Geschäftslokal (*) angebrachte Aufschrift „W* Trachtenstube“ bei Androhung einer Geldstrafe oder Haft für den Fall ersten Zuwiderhandelns zu entfernen, zu verdecken oder sonst wie unleserlich zu machen. Der zu sichernde Unterlassungsanspruch wurde damit begründet, daß es in St. Wolfgang eine Anzahl von Geschäften gibt, die Trachtenmoden verkaufen. Der durch die inkriminierte Aufschrift hervorgerufene Eindruck, es handle sich bei diesem Geschäft um ein besonderes, das sich durch Größe, Bedeutung, Warenangebot oder Stil wesentlich von den anderen unterscheidet, sei unrichtig und daher zur Irreführung des Käuferpublikums geeignet.
Das Erstgericht gab dem Provisorialantrag insoweit statt, als er der beklagten Partei für die Dauer des Rechtsstreites auftrug, auf der über dem Geschäftslokal angebrachten Aufschrift „W* Trachtenstube“ den Zusatz „W*“ zu entfernen, zu verdecken oder sonstwie unleserlich zu machen. Das Mehrbegehren, diesem Gebot auch die Bezeichnung „Trachtenstube“ zu unterstellen sowie das weitere Begehren auf Androhung von Geld- oder Haftstrafe für den Fall ersten Zuwiderhandelns wies das Erstgericht hingegen ab. Es führte – rechtlich – im wesentlichen aus, daß der geographische Zusatz „W*“ zur Irreführung des Käuferpublikums, insbesonders der ausländischen Fremdenverkehrsgäste, geeignet sei, weil das in Frage stehende Geschäft nur eines von 12 gleichartigen im Ort sei und sich von diesen anderen weder durch besonderen Umfang oder besondere Bedeutung, noch durch besondere Qualität oder Originalität der angebotenen Ware unterscheide. Da somit die durch den Zusatz „W* hervorgerufene Erwartung des Käuferpublikums tatsächlich nicht erfüllt werde, habe die Beklagte diesen geographischen Zusatz aus ihrer Werbung zu entfernen. Das darüber hinausgehende Begehren sei abzuweisen, weil die Bezeichnung „Trachtenstube“ schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht irreführend sein könne. Ebenfalls sei der Antrag auf Androhung einer Geld-oder Haftstrafe abzuweisen, weil die der Beklagten aufgetragene Handlung vertretbar und daher durch Ersatzvornahme vollstreckbar sei.
Das Rekursgericht wies in Stattgebung des Rekurses der Beklagten den Antrag der Klägerin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze ab. Es fand das erstgerichtliche Verfahren entgegen der im Rekurs vertretenen Auffassung nicht mangelhaft, ging ebenfalls von dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt aus und teilte die Auffassung des Erstgerichtes, daß die beantragte einstweilige Verfügung grundsätzlich zulässig sei. Es war aber der Meinung, daß die Bezeichnung des Geschäftes insbesondere für Touristen nur geringe Bedeutung habe, weil sich diese wegen der geringen räumlichen Ausdehnung des Ortes St. Wolfgang über das dortige Warenangebot üblicherweise an den Schaustücken in den Auslagen orientierten. Die Aufnahme der geographischen Bezeichnung in die Geschäftsaufschrift sei daher nicht zur Irreführung geeignet.
Dagegen wendet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgericht wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Darin wird vor allem die Ansicht bekämpft, daß die geographische Bezeichnung in der Geschäftsaufschrift der beklagten Partei nicht zur Irreführung des angesprochenen Publikums geeignet sei. Schon der Umstand, daß die beklagte Partei eine derart aufwendige Aufschrift überhaupt habe anbringen lassen, beweise, daß sie sich von ihr eine Werbewirkung erwarte. Durch die Wahl der Aufschrift „W* Trachtenstube“ werde insbesondere bei Ausländern der Eindruck erweckt, daß dort besonders typische und originelle Trachten angeboten würden. Schon durch diesen Eindruck könnten Interessenten verleitet werden, ohne oder trotz Prüfung des Warenangebotes in anderen Trachtengeschäften gerade bei der beklagten Partei zu kaufen.
Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
Eine Angabe ist nicht nur dann im Sinn des § 2 UWG zur Irreführung geeignet, wenn sie einen objektiv falschen Sachverhalt behauptet, sondern auch dann, wenn ihr trotz sachlicher Richtigkeit von den Personen, an die sie sich wendet, etwas unwahres entnommen werden kann. An sich wahre Behauptungen können durch die Form, in die sie gekleidet werden, oder durch den Zusammenhang, in dem sie gebraucht werden, irreführende Angaben im Sinn dieser Gesetzesstelle werden. Dabei kommt es nicht darauf an, was sich der Ankündigende bei der Formulierung seiner Mitteilung gedacht hat, sondern darauf, wie die Ankündigung nach ihrem Wortlaut und ihrem Gesamteindruck vom angesprochenen Publikum aufgefaßt wird. Es ist daher auch darauf Bedacht zu nehmen, an welchen Interessentenkreis die Ankündigung gerichtet ist. Weiters muß der Ankündigende dann, wenn die Ankündigung mehrere Deutungen zuläßt, immer auch die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (Hohenecker‑Friedl Wettbewerbsrecht 2, ÖBl 1954 59 mit weiteren Nachweisen, ferner 4 Ob 368/74, 4 Ob 330/75, 4 Ob 306/76 u.a.). Richtig ist allerdings, daß eine Angabe erst dann einen Verstoß gegen § 2 UWG bedeutet, wenn sie der Geschäftsverkehr – zu Recht oder zu Unrecht – als wesentlich ansieht und die durch die Ankündigung erweckte Erwartung, die mit dem wirklichen Sachverhalt nicht übereinstimmt, in einem Zusammenhang mit dem Entschluß des Interessenten steht, sich mit dem Angebot näher zu befassen, insbesondere die der angebotene Ware zu kaufen; es muß gerade der unrichtige Eindruck die Kauflust eines nicht ganz unbeträchtlichen Teiles des angesprochenen Publikums irgendwie beeinflussen (4 Ob 312/76). Geographische Zusätze sind demnach dann irreführend im Sinn des § 2 UWG, wenn ihnen wenigstens von einem nicht ganz unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine nicht den Tatsachen entsprechende Aussage über eine besondere Bedeutung, einen besonderen Umfang des Geschäftes oder eine besondere Eigenart der angebotenen Waren entnommen werden kann. Welche Vorstellung sich mit der geographischen Bezeichnung im Verkehr verbindet, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht11 I 925 f).
Mit Recht verweist die klagende Partei darauf, daß die Bezeichnung „W* Trachtenstube“ bei einem nicht unbeträchtlichen Teil des angesprochenen Publikums, das in seiner Mehrheit aus ausländischen Reisenden besteht, der Eindruck erweckt werden wird, es handle sich bei diesem Geschäft um eines, dem – im Gegensatz zu den übrigen Trachtengeschäften – eine besondere Bedeutung vor allem hinsichtlich der Echtheit und Besonderheit der angebotenen Trachtenkleidung zukommt, sodaß eine geringere Gefahr bestehe, nicht nach originellen Mustern angefertigte Waren oder sonstigen Kitsch angeboten zu bekommen. Das kann gerade bei Fremden, die vielfach in der Beurteilung, ob ein Trachtenbekleidungsstück nach originellen Mustern angefertigt wurde oder nicht, sehr unsicher sind, den Kaufentschluß unabhängig vom Angebot der Mitbewerber zugunsten der beklagten Parteibeeinflussen. Da sich aber nach dem bescheinigten Sachverhalt das Warenangebot der beklagten Partei von dem ihrer Mitbewerber nicht wesentlich unterscheidet und das Geschäft der beklagten Partei auch sonst keine größere Bedeutung hat als die Geschäfte ihrer Mitbewerber, ist der durch die Verwendung des geographischen Zusatzes „W*“ erweckte Eindruck zur Irreführung geeignet. Da dieser unrichtige Eindruck auch die Kauflust des angesprochenen Publikums beeinflussen kann, bedeutet dessen Verwendung einen Verstoß gegen § 2 UWG.
Der von der klagenden Partei erhobene Unterlassungsanspruch ist daher bescheinigt, sodaß vom Erstgericht mit Recht die zu dessen Sicherung beantragte einstweilige Verfügung erlassen wurde. Es war daher die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 393 EO.
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