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European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024020072.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (Verwaltungsgericht) wurde anlässlich der Beschwerde der Revisionswerberin gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg (belangte Behörde) vom 7. Juli 2023, TA/561220123066, mit dem die Revisionswerberin einer näher genannten Übertretung gemäß § 102 Abs. 1 iVm § 36 lit. a KFG schuldig erachtet und über sie gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt worden war, dieses wegen entschiedener Sache mangels Zuständigkeit der belangten Behörde zu dessen Erlassung aufgehoben. Gleichzeitig wurde die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig erklärt.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, ausgehend von der unstrittigen Aktenlage, den glaubwürdigen Aussagen des Sohnes und der Vertreterin der Revisionswerberin in der Beschwerdeverhandlung stehe fest, dass der Sohn der Revisionswerberin den Einspruch gegen die die Revisionswerberin betreffende Strafverfügung vom 12. September 2023 ohne deren Wissen erhoben habe. Die mittels RSb‑Brief zugestellte Strafverfügung sei von der an der Abgabestelle wohnhaften Schwiegertochter als Ersatzempfängerin übernommen worden. Um die Revisionswerberin nicht zu belasten, habe man ihr die Strafverfügung nicht ausgehändigt und sie nicht darüber informiert, sondern das Kuvert geöffnet und ihr Sohn habe dann den Einspruch erhoben. Über Aufforderung zur Vorlage einer Vollmacht durch die belangte Behörde, zugestellt am 15. November 2022, habe der Sohn der Revisionswerberin schließlich diese informiert und sich in der Folge eine Vollmacht vom 16. November 2022 unterfertigen lassen, welche laute: „Ich [...] bevollmächtige meinen Sohn [...] meine Strafverfügung [...] zu beeinspruchen.“
3 Da die Revisionswerberin erst nach Ablauf der Einspruchsfrist (frühestens am 15. November 2022) über die Strafverfügung informiert worden sei und ihren Sohn am 16. November 2022 für die Zukunft zur Beeinspruchung der Strafverfügung bevollmächtigt habe, sei der Einspruch nicht von der Revisionswerberin, sondern von ihrem dazu nicht bevollmächtigten Sohn erhoben worden. Die Begründung eines Vollmachtverhältnisses nach Fristlablauf könne einem Rechtmittel nämlich nicht mehr zu seiner Rechtswirksamkeit verhelfen (Hinweis auf VwGH 27.6.1997, 95/19/1825); dieser Fall sei von einem solchen zu unterscheiden, in dem der Beschuldigte im Nachhinein eine bereits mündlich erteilte Vollmacht schriftlich bestätige. Da der Einspruch gegen die Strafverfügung somit von einer dazu nicht befugten Person erhoben worden sei, sei die Strafverfügung nach § 49 Abs. 2 VStG nicht ex lege außer Kraft getreten. Die belangte Behörde sei daher auch nicht dafür zuständig gewesen, in der Sache ein Straferkenntnis zu erlassen, da diese Zuständigkeit erst mit einem rechtzeitigen Einspruch des Beschuldigten gegen die Strafverfügung gegeben sei. Davor stehe der Erlassung eines Straferkenntnisses das Wiederholungsverbot entgegen. Die Unzuständigkeit der Behörde sei vom Verwaltungsgericht in jedem Stadium des Verfahrens aufzugreifen (Hinweis auf VwGH 10.6.2015, Ra 2015/11/0005).
Trotz der Verpflichtung nach § 50 VwGVG zur Entscheidung in der Sache selbst sei gegenständlich aber eine Zurückweisung des Einspruchs nicht in Frage gekommen, weil Gegenstand des Verfahrens lediglich ein gegen die Revisionswerberin gerichtetes Straferkenntnis gewesen sei und nicht ein von ihr eingebrachter Einspruch. Die Zurückweisung des Einspruchs des Sohnes der Revisionswerberin mangels Parteistellung werde von der belangten Behörde in einem eigenen Verfahren vorzunehmen sein.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von VwGH 26.2.2021, Ra 2020/14/0511, abgewichen, indem es nicht berücksichtigt habe, dass die Beurteilung der Wirksamkeit und Reichweite einer Vollmacht auch im Verwaltungsstrafverfahren nach § 1016 ABGB zu erfolgen habe, „wonach der (unwirksam) Vertretene insofern verbunden [sei], als er das Geschäft genehmig[e] oder den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil sich zuwend[e].“ Demnach stehe der Genehmigungswille (zur Erhebung des Einspruchs) sowie eine Vorteilszuwendung iSd § 1016 ABGB ‑ die Möglichkeit einer meritorischen Überprüfung des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft ‑ außer Zweifel.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Gemäß § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der durch eine Vollmacht dokumentierten Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Das bürgerliche Recht bindet die Erteilung einer Vollmacht grundsätzlich an keine Form, weshalb die Behörde in der Regel von der Rechtsgültigkeit einer mündlich erteilten Vollmacht auszugehen hat (vgl. VwGH 13.3.2007, 2006/18/0433). Durch die Berufung auf die Vollmacht gegenüber der Behörde durch eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person oder durch die Vorlage der Vollmachtsurkunde an die Behörde wird die Vollmacht nach außen wirksam (vgl. idS etwa VwGH 27.6.2002, 2001/07/0164, mwN).
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen fristgebundenen Verfahrenshandlung das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung erforderlich. Es genügt, wenn ein zum Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrenshandlung bestehendes (mündliches) Vollmachtsverhältnis erst nachträglich beurkundet wird (vgl. dazu etwa VwGH 13.10.2011, 2010/22/0093, mwN). Erfolgt hingegen die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirkt dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlungen. Da im VwGG und in den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine dem § 38 ZPO vergleichbare Regelung nicht getroffen ist, kommt die nachträgliche Genehmigung einer (bis dahin) von einem Scheinvertreter gesetzten fristgebundenen Verfahrenshandlung nicht in Frage (vgl. zu dem Ganzen VwGH 23.6.2003, 2003/17/0096, mwN; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG I² [2014], § 10, Rz 9, und die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
10 Im vorliegenden Verfahren ist unstrittig, dass die Revisionswerberin von der Erhebung des Einspruchs keine Kenntnis hatte und während der Einspruchsfrist ihrem Sohn keine Vollmacht zur Erhebung eines Einspruchs gegen die sie betreffende Strafverfügung erteilt hatte. Unter Zugrundelegung der eindeutigen Aussagen des Sohnes der Revisionswerberin bestand kein Zweifel daran, dass erst nach Fristablauf ‑ nach Aufforderung durch die Bezirkshauptmannschaft zur Vorlage einer Vollmacht ‑ eine solche erteilt und ausgestellt wurde, welche aber damit nicht geeignet war, eine prozessuale Vertretungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 1 AVG zu begründen. Es handelt sich somit auch zweifellos nicht um den Fall einer nachträglichen Beurkundung einer zuvor während offener Einspruchsfrist mündlich erteilten Vollmacht. Eine nachträgliche Sanierung des Vollmachtsmangels nach Ablauf der Einspruchsfrist war nicht mehr möglich (siehe auch etwa VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0332, mwN).
11 Daran ändert auch der Hinweis der Revision auf VwGH 26.2.2021, Ra 2020/14/0511, nichts, weil im Ergebnis auch dort ein auf § 1016 ABGB gestütztes vollmachtsloses Einschreiten nicht als rechtswirksam angesehen wurde.
12 Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend erkannt, dass der Einspruch des Sohnes der Revisionswerberin nicht der Revisionswerberin selbst zugerechnet werden kann und damit mangels Einspruchserhebung durch die Revisionswerberin die gegen sie ergangene Strafverfügung rechtskräftig geworden ist.
13 Soweit schließlich die Revision unter Hinweis auf VwGH 15.9.1966, 0544/66, 0579 bis 0581/66, einen „unerträglichen Wertungswiderspruch zur Regelung des § 10 Abs. 4 AVG“ erkennen will, ohne dazu eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren, genügt es darauf zu verweisen, dass dadurch schon deshalb keine zur Zulässigkeit führende Rechtsfrage dargelegt wird, weil nach den Feststellungen in Ermangelung des Vorliegens der dafür erforderlichen Voraussetzungen gerade kein Anwendungsfall des § 10 Abs. 4 AVG gegeben war (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I² [2014], § 10, Rz 14 f und die dort zitierte Judikatur). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgehalten hat, wäre der Revisionswerberin die Möglichkeit der Erhebung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich Kenntnis von der Zustellung der Strafverfügung erlangte, samt gleichzeitiger Einspruchserhebung offen gestanden.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. April 2024
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