European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140511.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Georgiens, stellte am 14. September 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Am 18. Dezember 2019 erteilte er einer weiteren Person eine Vorsorgevollmacht im Sinne des § 240 ABGB, welche unter anderem folgende Bestimmung enthielt: „Mein/e Bevollmächtigte/r darf keinesfalls jemanden anderen bevollmächtigten, für mich vertretungsweise tätig zu werden“. Diese Vorsorgevollmacht wurde ‑ so das Beschwerdevorbringen ‑ kurz darauf wirksam.
2 Mit Bescheid vom 20. April 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung erkannte die Behörde die aufschiebende Wirkung ab und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
3 Dagegen erhob der Revisionswerber, vertreten durch den Vorsorgebevollmächtigten, dieser wiederum vertreten durch einen Rechtsberater im Sinne des § 52 BFA‑Verfahrensgesetz, Beschwerde und ‑ nachdem das BFA diese mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. Juni 2020 abgewiesen hatte ‑ einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BVwG die Beschwerde zurück und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei. Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass der Vorsorgebevollmächtigte nicht wirksam eine Untervollmacht habe erteilen können, weshalb die vom Unterbevollmächtigten (Rechtsberater) erhobene Beschwerde nicht dem Revisionswerber zuzurechnen und daher als unzulässig zurückzuweisen sei. Gründe für eine Unvermeidlichkeit der Unterbevollmächtigung im Sinne des § 1010 ABGB seien nicht erkennbar. Für weitere Ermittlungen oder ein Verbesserungsverfahren bestehe angesichts der eindeutigen Formulierung der Vorsorgevollmacht keine Veranlassung.
5 Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2020, E 2683/2020‑5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Daraus ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof weder verpflichtet ist, solche Gründe anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 21.12.2020, Ra 2020/14/0422, mwN).
10 Zu ihrer Zulässigkeit führt die Revision zusammengefasst aus, es sei zwar richtig, dass die Vorsorgevollmacht des Revisionswerbers eine Unterbevollmächtigung ausschließe. Es hätte sich für das BVwG jedoch auf Grund der in § 10 Abs. 2 AVG angeordneten Maßgeblichkeit des bürgerlichen Rechtes für den Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis zwingend die Pflicht ergeben, ein Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Bevollmächtigung einzuleiten. Nach § 1010 ABGB führe nämlich eine unzulässige Substitution nicht zur Unwirksamkeit der Unterbevollmächtigung, sofern der Vollmachtgeber die Vorteile aus der unzulässigen Substitution ziehe oder diese rückwirkend genehmige. Selbst wenn man nicht davon ausgehe, dass die Rechtswirksamkeit einer Unterbevollmächtigung ‑ aufgrund des Vorteils eines fristgerecht erhobenen Rechtsmittels, den der Rechtsmittelwerber ziehe ‑ automatisch angenommen werden könne, so sei jedenfalls zu klären, ob die zunächst unzulässige Substitution nicht durch eine rückwirkende Genehmigung rechtswirksam geworden sei. Es fehle Judikatur, die sich explizit mit diesem Thema befasse bzw. weiche das BVwG mit seiner Entscheidung auch von der Judikatur zu § 13 AVG ab.
11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt. Sie moniert ausschließlich eine Ermittlungspflicht des BVwG und macht damit Verfahrensmängel geltend. Werden solche als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 30.9.2020, Ra 2020/14/0269 bis 0271; 5.11.2020, Ra 2020/14/0363, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht zu entnehmen. Es wird nicht ausgeführt, welche Feststellungen vom BVwG zu treffen gewesen wären und weshalb diese zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätten.
12 Soweit der Revision die Ansicht zugrunde liegt, eine vollmachtslose Rechtsmittelerhebung sei auch ohne ausdrückliche Genehmigung ohne Weiteres dem vermeintlichen Rechtsmittelwerber zuzurechnen, weil er den Vorteil eines fristgerechten Rechtsmittels ziehe, ist sie darauf zu verweisen, dass dafür nach § 1016 ABGB nicht nur das Vorliegen eines vorteilhaften Rechtsgeschäftes, sondern auch das tatsächliche Zuwenden des Vorteils erforderlich ist. Dies setzt wiederum voraus, dass dem unwirksam Vertretenen bekannt war, dass der Vertreter ohne Vollmacht in seinem Namen abgeschlossen hatte, ihm weiters bekannt war, dass der Vorteil aus diesem Geschäft stammt und der Vertretene das Geschäft will (vgl. etwa OGH 19.12.2012, 7 Ob 148/12h, RIS‑Justiz RS0014363). Feststellungen, die diese Beurteilung ermöglichen würden, wurden weder im angefochtenen Beschluss getroffen noch von der Revision konkret als fehlend bemängelt.
13 Die Revision behauptet schließlich ein Abweichen von der Judikatur zu § 13 AVG, ohne diese näher zu bezeichnen. Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, so ist jedoch in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 30.11.2020, Ra 2020/20/0328, mwN).
14 Schließlich ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die Revision als Revisionspunkte im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG die Verletzung des Revisionswerbers in seinen Rechten auf Gewährung des Status des Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie in seinem Recht, nicht in sein Heimatland rückkehren zu müssen, bezeichnet. Im Hinblick auf den normativen Gehalt des angefochtenen Beschlusses (Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig) käme jedoch allein die Verletzung des Revisionswerbers in seinem Recht auf Entscheidung in der genannten Sache, d.h. auf meritorische Erledigung der Beschwerde, in Betracht (vgl. VwGH 16.7.2015, Ra 2015/20/0070, mwN).
15 Da der Revisionswerber in den von ihm bezeichneten Rechten nicht verletzt sein konnte und von ihm zudem auch keine Rechtsfrage dargetan wurde, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 26. Februar 2021
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