VwGH Ra 2021/06/0079

VwGHRa 2021/06/007911.7.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der C L in E, vertreten durch Dr. Christof Joham und Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in 5301 Eugendorf, Gewerbestraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 10. März 2021, 405‑3/748/1/22‑2021, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Marktgemeinde Eugendorf; mitbeteiligte Parteien: 1. C U und 2. T U, beide in O, beide vertreten durch Dr. Klaus Michael Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §42
AVG §8
BauPolG Slbg 1973 §7
BauPolG Slbg 1973 §9
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060079.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit Eingabe vom 13. Oktober 2019 beantragten die mitbeteiligten Parteien die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit zwei überdachten Kfz-Stellplätzen auf einem näher bezeichneten Grundstück in E.

5 Die Revisionswerberin erhob als Nachbarin fristgerecht Einwendungen gegen dieses Bauvorhaben. Sie brachte unter anderem vor, die projektierte „Garage“ halte die Abstandsbestimmungen gemäß § 25 Abs. 7a Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) nicht ein.

6 Die Gemeindevertretung der Marktgemeinde E. wies im gemeindeinternen Instanzenzug mit Bescheid vom 16. Juli 2020 die Berufung der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bürgermeisters, mit dem den mitbeteiligten Parteien die beantragte Baubewilligung erteilt worden war, ab.

7 In der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) rügte die Revisionswerberin abermals eine Verletzung der Abstandsvorschriften. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG am 8. Oktober 2020 legten die mitbeteiligten Parteien die geänderte Einreichplanung vom 10. Oktober 2020 vor, wonach die Überdachung eines Kfz‑Stellplatzes an der Grenze zum Grundstück der Revisionswerberin entfalle.

8 Das LVwG führte am 14. Jänner 2021 eine weitere Verhandlung durch, in welcher die Revisionswerberin schriftlich ein weiteres Vorbringen hinsichtlich eines behauptetermaßen unrichtig dargestellten Grenzverlaufes zwischen ihrem Grundstück und dem Baugrundstück erstattete.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde der Revisionswerberin mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Baubewilligung unter Zugrundelegung der Einreichplanung vom 10. Oktober 2020 erteilt werde. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Begründend führte das LVwG ‑ soweit für das vorliegende Verfahren relevant ‑ aus, mit der geänderten Einreichplanung vom 10. Oktober 2020 sei der an das Grundstück der Revisionswerberin angrenzende (ursprünglich) überdachte Kfz‑Abstellplatz nunmehr als nicht überdachter Kfz‑Abstellplatz geplant. Damit halte der Bau einen Abstand von 4,05 Meter zur Bauplatzgrenze des Grundstückes der Revisionswerberin ein. Darüber hinaus sei die Einreichplanung ‑ bis auf die (zusätzliche) Ausführung einer eigenständigen Stützmauer zwischen der Hausmauer und dem überdachten Stellplatz ‑ nicht geändert worden. Diese Antragsänderung sei im Sinn des § 13 Abs. 8 AVG zulässig, weil dadurch das Bauvorhaben eingeschränkt und das Wesen des Projektes nicht geändert werde. Eine konkludente Zurückziehung des ersten Antrages liege nicht vor. Hinsichtlich der Einwendung der unrichtigen Darstellung des Grenzverlaufes sei die Revisionswerberin präkludiert, weil sie in Bezug auf die Stellplätze ausschließlich eine Verletzung der Abstandsbestimmung gemäß § 25 Abs. 7a BGG gerügt habe; neue Einwendungen seien nicht in Bereichen möglich, in denen das bisherige Projekt überhaupt nicht geändert werde. Durch die Projektänderung werde nunmehr der gesetzliche Mindestabstand gemäß § 25 Abs. 3 BGG eingehalten.

10 In der Zulässigkeitsbegründung rügt die Revisionswerberin ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einerseits hinsichtlich der Beurteilung einer zulässigen Antragsänderung gemäß § 13 Abs. 8 AVG und andererseits in Bezug auf die Präklusion der Revisionswerberin betreffend die unrichtige Darstellung des Grenzverlaufes im Einreichplan.

11 Die Frage, ob ein Projekt nach einer Projektmodifikation die Sache ihrem Wesen nach im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG änderte, betrifft eine Beurteilung des Einzelfalles. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 3.2.2021, Ra 2021/05/0006, mwN).

Eine solche Unvertretbarkeit liegt im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Einschränkung eines Antrages auf Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit zwei überdachten Kfz‑Stellplätzen dahingehend, dass nunmehr nur noch ein überdachter und ein nicht (mehr) überdachter Kfz‑Stellplatz errichtet werden soll, jedenfalls nicht vor.

12 Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge ist der Eigentümer einer von der Bauführung selbst in Anspruch genommenen Liegenschaft diesbezüglich nicht Nachbar (vgl. VwGH 10.12.2013, 2010/05/0207, Pkt. 2.5., mwN). Ihm kann sohin auch nicht Präklusion entgegengehalten werden. Wenn die Revisionswerberin somit erst im Verfahren vor dem LVwG vorbrachte, dass der Grenzverlauf zwischen dem Baugrundstück und ihrem Grundstück der geänderten Einreichplanung vom 10. Oktober 2020 zufolge nicht mit jenem laut Katastralmappe übereinstimme und der nicht mehr überdachte Stellplatz teilweise auf ihrem Grundstück geplant sei, ist sie mit diesem Vorbringen nicht präkludiert. Dies verhilft ihr jedoch aus folgenden Gründen nicht zum Erfolg:

Von der Revisionswerberin wurde eine Verletzung der Abstandsbestimmungen des § 25 BGG gerügt. Ihr ergänzendes Vorbringen in der Verhandlung vor dem LVwG am 14. Jänner 2021, das schriftlich den Verfahrensakten beiliegt, begründete die Revisionswerberin unter anderem wörtlich: „ ... Die Darstellung des Grenzverlaufes in der Einreichplanung entspricht nicht dem tatsächlichen Grenzverlauf lt. der digitalen Katastralmappe. [...] Aus dem SAGIS Orthofoto ist auch erkennbar, dass der auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin errichtete Zaun weit innerhalb der Liegenschaft der Beschwerdeführerin errichtet ist. Die Antragsteller geben den Grenzverlauf in Abweichung zum tatsächlichen Grenzverlauf laut DKM in ihrem Einreichplan jedoch exakt entlang dieser Mauer/dieses Zaunes an. Die lagerichtige Darstellung der Grundstücksgrenzen hätte aber durch Übertragung des Grenzverlaufes laut DKM zu erfolgen und es verläuft die Grenze sowie in der DKM und im SAGIS dargestellt und nicht wie im Lageplan der Antragsteller angegeben. ...“ (Unterstreichung und Fehler im Original).

Dazu wird darauf hingewiesen, dass der mit „Lage der Bauten im Bauplatz“ überschriebene § 25 BGG ‑ abgesehen vom ersten Satz des Abs. 3 betreffend den Abstand der Bauten von der Grundgrenze gegen die Verkehrsfläche ‑ jeweils die Abstände des Baus zur Bauplatzgrenze und nicht zur Grundstücksgrenze regelt. Ein Bauplatz im Sinne des BGG muss keineswegs mit einem Grundstück ident sein und kann nur einen Teil eines Grundstückes, aber auch mehrere Grundstücke und sogar Grundflächen unterschiedlicher Grundbuchseinlagen, die unterschiedlichen Eigentümern gehören, umfassen (vgl. VwGH 22.11.2019, Ra 2017/06/0259, mwN).

Den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge wurde der verfahrensgegenständliche Bauplatz auf Antrag der zweitmitbeteiligten Partei mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde E. vom 29. Oktober 2019 zum Bauplatz erklärt, wobei die nordöstliche Bauplatzgrenze zum Grundstück der Revisionswerberin entlang der dort in natura befindlichen Mauer dargestellt wurde. Diesen Feststellungen tritt die Revisionswerberin nicht entgegen. Die Abstände gemäß § 25 BGG sind im nordöstlichen Bereich zum Grundstück der Revisionswerberin daher zu der als Grenze des Bauplatzes festgelegten Mauer zu beurteilen, nicht zum tatsächlichen Grenzverlauf laut der digitalen Katastralmappe.

Das ergänzende Vorbringen betreffend die Nichtübereinstimmung des Grenzverlaufes im Einreichplan mit dem tatsächlichen Grenzverlauf laut der digitalen Katastralmappe ist somit nicht entscheidungsrelevant. Wenn in der Revision behauptet wird, die Revisionswerberin habe bezogen auf das geänderte Projekt darauf hingewiesen, „dass der tatsächliche Grenzverlauf laut DKM nicht der im Lageplan der mitbeteiligten Partei dargestellten Grenze und auch nicht der Bauplatzgrenze entspricht“, trifft dies nicht zu. Es würde am Ergebnis aber auch nichts ändern.

Das LVwG stellte nämlich fest, dass mit der Antragsänderung vom 10. Oktober 2020 der Bau ‑ bei einer Höhe von 3,83 m bzw. 3,96 m vom Urgelände ‑ einen Abstand von 4,05 m zur Bauplatzgrenze zum Grundstück der Revisionswerberin einhalte. Angesichts dessen wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht dargelegt und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar, inwiefern das Bauvorhaben die Mindestabstände des § 25 BGG verletzen sollte.

13 Wenn die Revision ‑ grundsätzlich zutreffend ‑ auf die hg. Judikatur hinweist, wonach Anträge auf Aufhebung und Änderung einer Bauplatzerklärung gemäß § 22 lit. a und § 24 Abs. 3 i.V.m. § 12a Abs. 2 BGG von allen Eigentümern der in Betracht kommenden Grundflächen gestellt werden müssen (VwGH 26.6.2014, 2012/06/0175), übersieht sie, dass im vorliegenden Fall mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde E. vom 29. Oktober 2019 eine selbständige Bauplatzerklärung (§ 12a Abs. 1 lit. a BGG) erfolgte und die Frage, ob in dem Verfahren zur Änderung einer Bauplatzerklärung alle Antragsvoraussetzungen vorlagen, im gegenständlichen Bauverfahren nicht zu prüfen sind (und zwar unabhängig davon, ob die Bauplatzerklärung rechtskräftig ist, vgl. dazu VwGH 20.4.2022, Ro 2021/06/0017, Rn. 15).

14 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

15 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. Juli 2022

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