VwGH Ra 2021/05/0073

VwGHRa 2021/05/007330.7.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in der Revisionssache der S Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in 1220 Wien, St. Wendelin‑Platz 6, gegen das am 22. Jänner 2021 mündlich verkündete und am 11. Februar 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, LVwG‑AV‑575/001‑2019, betreffend Abweisung eines Bauansuchens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt W; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO NÖ 2014 §20 Abs1 Z2
BauRallg
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050073.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 26. März 2018 beantragte die revisionswerbende Partei die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer in den beiliegenden Einreichunterlagen näher beschriebenen, einseitigen LED Videowall zu Werbezwecken auf einem näher bezeichneten Grundstück der Stadt W.

2 Mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 wies der Magistrat der Stadt W. diesen Antrag wegen Widerspruchs zu den Bebauungsvorschriften ab. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Februar 2019 keine Folge und führte dazu begründend zusammengefasst aus, gemäß den geltenden Bebauungsvorschriften seien wertvolle Blickbeziehungen zu kulturell wertvollen Gebäuden von Werbeanlagen freizuhalten; die geplante Werbeanlange befinde sich im selben Blickfeld mit der T. Militärakademie. Zudem seien in der Schutzzone hinterleuchtete sowie bewegte Werbeträger unzulässig. Das geplante Bauvorhaben entspreche somit nicht dem Baubauungsplan.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (in der Folge: LVwG) die gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei ‑ nach Einholung eines Amtssachverständigengutachtens und Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ als unbegründet ab (I.) und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (II.).

4 Begründend stellte das LVwG dazu zunächst fest, das Grundstück sei als Bauland‑Kerngebiet gewidmet und als Schutzzone ausgewiesen. Schräg gegenüber der geplanten, 8,5 m² großen LED‑Videowall befinde sich die Burg W., bei der es sich um ein markantes öffentliches Gebäude mit einem Turmbau handle und die Teil der T. Militärakademie sei. Die Sichtachse beziehungsweise die Blickbeziehung zur Burg sei in Blickrichtung Süden durch das geplante Bauvorhaben beeinträchtigt. Es sei kein abgestimmtes Werbeflächenkonzept erarbeitet worden. Dem eingeholten Amtssachverständigengutachten sei die revisionswerbende Partei nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das LVwG zusammengefasst aus, das gegenständliche baubewilligungspflichtige Projekt stehe im Widerspruch zu § 3 der Bebauungsvorschriften (Verordnung des Gemeinderates der Stadt W. vom 19. September 2017), da eine wertvolle Sichtachse bzw. Blickbeziehung zu einem markanten öffentlichen Gebäude nicht von einer Werbeanlage freigehalten werde.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, welcher Inhalt den Begriffen „wertvolle Sichtachsen bzw. Blickbeziehungen“ beizumessen sei. Zudem rügt die revisionswerbende Partei, die belangte Behörde habe Willkür geübt, was „unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit jedenfalls aufzugreifen“ sei.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Gemäß § 20 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 2014 hat die Baubehörde bei Anträgen nach § 14 leg. cit. unter anderem zu prüfen, ob dem Bauvorhaben der Bebauungsplan (Z 2) entgegensteht.

11 Nach § 3 Abs. 10 lit. c der Verordnung des Gemeinderates der Stadt W. vom 19. September 2017 sind wertvolle Sichtachsen beziehungsweise Blickbeziehungen von und zu markanten öffentlichen Gebäuden oder Einrichtungen von Werbeanlagen freizuhalten.

12 Fallbezogen führte die vom LVwG beigezogene Amtssachverständige in ihrem nach Durchführung eines Ortsaugenscheines erstellten Gutachten vom 13. Jänner 2021 u.a. aus, die geplante LED‑Videowall sei zugleich mit den Gebäudeteilen der Burg W. sichtbar und liege somit innerhalb einer wertvollen Blickbeziehung zu markanten öffentlichen Gebäuden gemäß § 3 Abs. 10 der genannten Verordnung. Ein Bauwerk müsse ein anderes Bauwerk nicht verdecken, um eine Blickbeziehung zu beeinträchtigen. Durch die geplante LED‑Videowall würde der Blick verstärkt angezogen und diese als Konkurrenz zur ebenfalls teilweise beleuchteten Burg wahrgenommen werden.

13 Die Revision behauptet im alleine maßgeblichen Zulässigkeitsvorbringen (vgl. dazu etwa VwGH 1.4.2021, Ra 2019/05/0334, 0335) weder die Unschlüssigkeit dieses Gutachtens, noch bringt sie vor, dass die revisionswerbende Partei dem Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei (vgl. etwa VwGH 26.3.2021, Ra 2021/06/0011, mwN).

14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern ‑ diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. etwa VwGH 4.5.2021, Ra 2021/06/0069, mwN).

15 Die Frage, ob sich eine bestimmte Werbeanlage in einer wertvollen Blickbeziehung von und zu einem bestimmten markanten öffentlichen Gebäude befindet, betrifft nur den Einzelfall; die Zulässigkeit der Revision könnte sich in diesem Zusammenhang nur ergeben, wenn in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt würde, dass die diesbezügliche Beurteilung des LVwG grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. VwGH 16.8.2019, Ra 2019/05/0107, mwN). Derartiges wird in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht aufgezeigt und ist angesichts der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auch nicht ersichtlich.

16 Soweit die Revisionswerberin der belangten Behörde vorwirft, diese habe Willkür geübt, genügt es darauf hinzuweisen, dass mit den diesbezüglichen pauschalen Ausführungen nicht dargetan wird, welchen konkreten (relevanten) Verfahrensmangel oder welche denkunmögliche Gesetzesanwendung die Revisionswerberin dem angefochtenen Erkenntnis anlastet. Die Prüfung der Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten fällt darüber hinaus in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes, weshalb es sich dabei nicht um vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechte handelt (vgl. dazu z.B. VwGH 5.3.2021, Ra 2020/09/0072, mwN).

17 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juli 2021

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