Normen
AVG §42 Abs1
AVG §8
BauO OÖ 1994 §31
BauO OÖ 1994 §31 Abs4
BauRallg
ROG OÖ 1994 §32 Abs6
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019050334.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben der Gemeinde U Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Ansuchen vom 15. April 2015 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung und einer Baubewilligung für ein näher beschriebenes Hotel‑ und Wohnprojekt auf näher bezeichneten Grundstücken der K U.
2 Am 11. Mai 2015 führte die belangte Behörde gemäß § 32 der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) eine mündliche Bauverhandlung durch, bei der unter anderem die revisionswerbenden Parteien, die Miteigentümer eines nordöstlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes sind, Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben.
3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 2015 wurde die gewerbebehördliche Genehmigung (Spruchpunkt I.) und die Baubewilligung (Spruchpunkt II.) jeweils unter Auflagen erteilt.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) mit Erkenntnis vom 18. Mai 2016 als unbegründet ab.
5 Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2017, V 1/2017‑21, V 79/2017, wurde Art. II Z 1 der Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der die Oö. Bau‑Übertragungsverordnung geändert wurde, LGBl. Nr. 10/2017, als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Wortfolge „Unterach am Attersee Vöcklabruck 1. November 2012“ in der Oö. Bauübertragungsverordnung, LGBl. Nr. 61/2003, idF LGBl. Nr. 62/2015, bis zum Ablauf des 31. Jänner 2017 gesetzwidrig war.
6 Mit weiterem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2017, E 1242/2016, wurde das Erkenntnis des LVwG vom 18. Mai 2016 wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung aufgehoben.
7 Mit Erkenntnis des LVwG vom 25. Oktober 2017 wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 2015 hinsichtlich seines Spruchpunktes II. wegen Unzuständigkeit aufgehoben.
8 Mit Schreiben der belangten Behörde vom 1. Dezember 2017 wurde in der Folge unter anderem den revisionswerbenden Parteien die Möglichkeit einer Stellungnahme zum verfahrensgegenständlichen Projekt eingeräumt und dazu ausgeführt, dass aufgrund der genannten Aufhebungen durch den Verfassungsgerichtshof über den Baubewilligungsantrag noch nicht entschieden sei. Eine Ausfertigung des Projektes samt der Verhandlungsschrift vom 11. Mai 2015 wurde an das Gemeindeamt der Gemeinde U. übermittelt und die betroffenen Nachbarn davon in Kenntnis gesetzt, dass binnen näher bezeichneter Frist eine Stellungnahme abgegeben werden könne. Mit Eingabe vom 22. Dezember 2017 nahmen die Revisionswerber von dieser Möglichkeit Gebrauch und gaben eine schriftliche Stellungnahme ab, in der sie ausführten, die belangte Behörde sei zur Führung des Verfahrens unzuständig.
9 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Jänner 2018 wurde die beantragte Baubewilligung, wiederum unter der Vorschreibung von Auflagen, erteilt.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die dagegen wiederum erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle samt Lokalaugenschein am 10. Juli 2018 als unbegründet ab, trug der mitbeteiligten Partei als Bauwerberin den Ersatz der Kommissionsgebühren auf und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.
11 Begründend führte das LVwG ‑ soweit für die Behandlung der vorliegenden Revision relevant ‑ aus, die belangte Behörde sei mit dem Inkrafttreten der Novelle der Oö. Bau‑Übertragungsverordnung LGBl. Nr. 10/2017 am 1. Februar 2017 für das vorliegende Bauverfahren zuständig geworden. Bis zur Aufhebung der näher genannten Bestimmungen in der Oö. Bau‑Übertragungsverordnung aufgrund eines Formalfehlers durch den Verfassungsgerichtshof am 12. Oktober 2017 habe die belangte Behörde von ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung über den gegenständlichen Baubewilligungsantrag ausgehen können. Aufgrund der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof habe sich im Nachhinein herausgestellt, dass die belangte Behörde die Bauverhandlung vom 11. Mai 2015 zu diesem Zeitpunkt als unzuständige Behörde durchgeführt hatte. Nach Aufhebung ihres Baubewilligungsbescheides vom 6. Juli 2015 habe die belangte Behörde keine neuerliche Bauverhandlung mehr durchgeführt, sondern sämtlichen Parteien des Bauverfahrens eine nochmalige Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. In der nunmehr erteilten Baubewilligung vom 10. Jänner 2018 sei über die von den Parteien erhobenen Einwendungen entschieden und der Bescheid sämtlichen Parteien zugestellt worden. Darüber hinaus habe das LVwG eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle unter Beiziehung eines bautechnischen Amtssachverständigen durchgeführt, bei der den revisionswerbenden Parteien die nochmalige Gelegenheit gegeben worden sei, Einwendungen zu erheben, wovon diese auch Gebrauch gemacht hätten. Gemäß § 17 VwGVG iVm § 32 Oö. BauO 1994 sei im konkreten Bauverfahren die Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung durch das LVwG zulässig gewesen; darüber hinaus sei nicht ersichtlich, inwiefern die revisionswerbenden Parteien durch die Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beschwert sein könnten. Wenn die revisionswerbenden Parteien außerdem ausführten, das Bauprojekt stehe im Widerspruch zur rechtskräftigen Bauplatzbewilligung vom 3. Juli 2015, weil sich das Bauprojekt auf zwei Bauplätze erstrecke, sei nicht zu erkennen, inwiefern damit eine Verletzung in ihren subjektiv‑öffentlichen Rechten geltend gemacht werde.
12 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. September 2019, E 319/2019‑15, ablehnte. Mit weiterem Beschluss vom 31. Oktober 2019, E 319/2019‑17, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
13 In der nunmehr eingebrachten außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, „ob das Baurecht die Errichtung eines einheitlichen Projekts auf Grundstücken, die durch eine öffentliche Straße getrennt sind, konkret auf zwei verschiedenen Bauplätzen,“ zulasse. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage, „ob eine durch die zuständige Baubehörde unterlassene aber im Gesetz zwingend vorgeschriebene Bauverhandlung durch die mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichts ersetzt werden“ könne.
14 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit im hierfür alleine maßgeblichen Zulässigkeitsvorbringen (vgl. VwGH 5.11.2019, Ra 2019/06/0115 bis 0117, mwN) zunächst geltend, die Baubehörde habe rechtswidrig eine Baubewilligung für ein auf zwei Bauplätzen situiertes Bauprojekt erteilt. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob das Baurecht die Errichtung eines einheitlichen Projekts auf zwei durch eine öffentliche Straße getrennten Bauplätzen zulasse.
19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv‑öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Der Nachbar kann daher nur eine Verletzung seiner ihm vom Gesetz eingeräumten subjektiv‑öffentlichen Rechte geltend machen (vgl. VwGH 28.8.2020, Ra 2020/05/0032 bis 0034, mwN).
20 § 31 Oö. BO 1994 gewährt dem Nachbarn u.a. ein subjektiv‑öffentliches Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes. Diese Ausnutzbarkeit kann auf verschiedene Weise beschränkt werden, wie etwa durch Vorschriften über eine bestimmte Bebauungsdichte, die zulässig bebaubare Fläche sowie die Festlegung von Flucht‑ und Baulinien. Im Einzelnen muss nach den jeweils in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften geprüft werden, welche Regelungen über die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes ein Nachbarrecht begründen (vgl. VwGH 26.9.2017, Ra 2016/05/0049 bis 0051, mwN). Der Wahrung des Interesses des Nachbarn dienen Bestimmungen über die Ausnutzbarkeit der Bauplätze insoweit, als sie dem Nachbarn ein gewisses Maß an Lichteinfall und Luftzugang gewähren (vgl. erneut VwGH 26.9.2017, Ra 2016/05/0049 bis 0051, mwN).
21 Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Verletzung mit Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent, d.h. die Geltendmachung der Verletzung eines subjektiven Rechtes. Eine Einwendung im Rechtssinne liegt also nur vor, wenn das Vorbringen eine Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Es muss gefordert werden, dass wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet, welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2016/05/0118, mwN).
22 Im vorliegenden Fall treten die revisionswerbenden Parteien den Ausführungen des LVwG im angefochtenen Erkenntnis (S. 24), es sei nicht zu erkennen, inwiefern sie mit ihrem Vorbringen zu zwei verschiedenen Bauplätzen eine Verletzung ihrer subjektiv‑öffentlichen Nachbarrechte gelten machten, in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht entgegen und legen nicht einmal ansatzweise dar, inwiefern sie durch das beantragte Projekt, das nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des LVwG aus zwei Gebäuden auf jeweils einem Bauplatz besteht, in ihren subjektiv‑öffentlichen Rechten verletzt sein sollten. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG aber nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0014, 16.8.2019, Ra 2019/05/0087, 0088, jeweils mwN).
23 Wenn die Revision zu ihrer Zulässigkeit darüber hinaus vorbringt, die belangte Behörde hätte nicht auf das als unzuständige Behörde geführte Verfahren zurückgreifen dürfen und die Bauverhandlung, nach dem sie aufgrund der Neufassung der Oö. Bau‑Übertragungsverordnung „in LGBl. Nr. 83/2017, gemäß Art. II zum 1.1.2018“ wieder zuständig geworden sei, neu durchführen müssen, und es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob eine unterlassene, aber im Gesetz zwingend vorgeschriebene Bauverhandlung durch eine mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichtes ersetzt werden könne, ist dem zunächst zu entgegnen, dass kein gesetzliches Verbot besteht, Ermittlungsergebnisse einer unzuständigen Behörde für das weitere von der zuständigen Behörde durchgeführte Verfahren heranzuziehen; diese unterliegen allerdings der Beweiswürdigung der zur Entscheidung berufenen zuständigen Behörde (vgl. VwGH 8.4.2014, 2012/05/0141, mwN). Es ist daher zulässig, dass die Ermittlungsergebnisse der im Jahr 2015 durchgeführten mündlichen Verhandlung nunmehr im verwaltungsbehördlichen Verfahren verwertet wurde.
24 Darüber hinaus machen die revisionswerbenden Parteien mit dem genannten Zulässigkeitsvorbringen fallbezogen einen Verfahrensmangel geltend, ohne dessen Relevanz für den Ausgang des Revisionsverfahrens darzulegen (vgl. etwa VwGH 22.9.2020, Ra 2020/05/0182 bis 0186, 2.8.2018, Ra 2017/05/0007, jeweils mwN).
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, können im Übrigen allfällige Mängel des Verwaltungsverfahrens vor der belangten Behörde durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert werden (vgl. VwGH 1.8.2019, Ra 2017/06/0248, 0249; nochmals 2.8.2018, Ra 2017/05/0007; 11.10.2019, Ra 2019/05/0277, 0278, oder auch 26.11.2015, Ra 2015/07/0144, jeweils mwN). Inwiefern vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverhaltes die auf § 17 VwGVG iVm § 32 Oö. BauO 1994 gestützte rechtliche Annahme des LVwG, dass gegenständlich die von ihm durchgeführte mündliche Verhandlung die mündliche Bauverhandlung der belangten Behörde zu ersetzen vermochte, nicht zutreffend sein sollte, legen die revisionswerbenden Parteien in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht dar.
25 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 1. April 2021
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