VwGH Ra 2021/03/0033

VwGHRa 2021/03/003323.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer‑Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö Aktiengesellschaft in W, vertreten durch die Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 30. Dezember 2020, Zlen. 1. LVwG‑AV‑670/001‑2020, 2. LVwG‑AV‑687/001‑2020, 3. LVwG‑AV‑691/001‑2020, 4. LVwG‑AV‑692/001‑2020 und 5. LVwG‑AV‑694/001‑2020, betreffend Kosten für die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde H, vertreten durch die Donnerbauer & Partner Rechtsanwalts GmbH in 2070 Retz, Hauptplatz 21), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1
DeregulierungsG 2001
EisbKrV 2012 §102 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs2
EisenbahnG 1957 §48 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs4
EisenbahnG 1957 §49
EisenbahnG 1957 §49 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030033.L00

 

Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eigentümerin bzw. Betreiberin der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnstrecke Floridsdorf ‑ Unter Retzbach Staatsgrenze.

2 Diese Eisenbahnstrecke kreuzt bei km 47,408, km 49,038, km 50,807, km 52,153 und km 52,937 Gemeindestraßen der mitbeteiligten Stadtgemeinde.

3 Die Eisenbahnkreuzungen in km 47,408, km 49,083 und km 52,937 waren aufgrund von mündlich verkündeten Bescheiden des (damaligen) Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. April 2002 gemäß § 8 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961 (EKVO) durch eine zuggeschaltete Vollschrankenanlage (für die Eisenbahnkreuzung in km 47,408), durch eine zuggeschaltete Halbschrankenanlage (für die Eisenbahnkreuzung in km 49,038) und durch eine halbautomatische Vollschrankenanlage (für die Eisenbahnkreuzung in km 52,937), jeweils mit Lichtzeichen, gesichert.

4 Die Eisenbahnkreuzungen in km 50,807 und km 52,153 waren aufgrund von mündlich verkündeten Bescheiden des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Juni 2002 gemäß § 8 EKVO durch halbautomatische Vollschrankenanlagen mit Lichtzeichen sowie (betreffend die Eisenbahnkreuzung in km 50,807) mit einem Läutewerk gesichert.

5 Eine Entscheidung über die Kostentragung erfolgte damals nicht.

6 Infolge einer Überprüfung nach § 102 Abs. 1 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (EisbKrV) ordnete der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheiden je vom 28. April 2015 die Sicherung der Eisenbahnkreuzungen gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV durch Lichtzeichen mit Schranken an (wobei die Schranken gemäß § 4 Abs. 2 EisbKrV als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume bzw. als Halbschranken auszuführen seien) und setzte für die Umsetzung eine Frist von drei Jahren ab Rechtskraft der Bescheide fest.

7 Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2018 stellte die revisionswerbende Partei den Antrag, die Landeshauptfrau von Niederösterreich möge gemäß § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 bis 4 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) entscheiden, dass die mitbeteiligte Stadtgemeinde als Trägerin der Straßenbaulast im Sinne von § 48 Abs. 2 EisbG 50 % der Kosten für die Errichtung/technische Anpassung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Eisenbahnkreuzungen zu tragen habe. In eventu wurde eine Entscheidung darüber beantragt, in welchem Ausmaß die jeweiligen Gesamtkosten von den Verkehrsträgern zu tragen seien, in eventu, welche Kosten die mitbeteiligte Stadtgemeinde als Trägerin der Straßenbaulast zu tragen habe.

8 Nach Einholung eines Gutachtens der Sachverständigenkommission wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei mit Bescheiden der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 4. Juni 2020 (betreffend die Eisenbahnkreuzung in km 47,408) und vom 8. Juni 2020 (betreffend die übrigen Eisenbahnkreuzungen) abgewiesen, weil die bisherigen Sicherungsarten beibehalten und lediglich den Bestimmungen der EisbKrV angepasst worden seien. Eine neue Kostenentscheidung habe deshalb nicht stattzufinden.

9 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Verwaltungsgericht die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Partei (unter Spruchpunkt 1.) als unbegründet ab und bestätigte die angefochtenen Bescheide mit der Maßgabe, dass die Anträge als unzulässig zurückzuweisen seien. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt 2.).

10 Das Verwaltungsgericht führte im Wesentlichen aus, dass die Behörde gemäß § 49 Abs. 2 EisbG über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung einer Eisenbahnkreuzung nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden habe. Werde von der Behörde keine derartige Ausgestaltung für den Einzelfall normiert, sondern lediglich entschieden, dass die bisherigen Sicherungen von schienengleichen Eisenbahnübergängen beibehalten werden könnten, komme die Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG nicht zum Tragen (Hinweis auf VwGH 18.2.2015, Ro 2014/03/0077). Für alle gegenständlichen Eisenbahnkreuzungen sei festzuhalten, dass die Restnutzungsdauer nicht abgelaufen sei. Unstrittig sei auch, dass zwischen den Verfahrensparteien keine Vereinbarung über die Kostentragung oder eine rechtskräftig bindende Kostenentscheidung bestehe bzw. bestanden habe. Die vorgenommenen Änderungen hätten im Wesentlichen in einer Anpassung der Einschaltzeiten, einer Verlängerung der Einschaltstrecken sowie einer Ergänzung mit zusätzlichen Lichtzeichen bestanden. Die Sicherungen seien mit nur einzelnen technischen Anpassungen festgelegt worden, wodurch aber keine Änderung in der Art der Sicherung erfolgt sei und letztlich eine Beibehaltung und somit eine Weiterbelassung der schon bestehenden Sicherungsart von schienengleichen Eisenbahnübergängen ermöglicht worden sei, weshalb die Kostentragung nicht neu geregelt werden könne. Da sich die Anträge somit als unzulässig erwiesen, sei der Spruch der angefochtenen Bescheide entsprechend zu ändern gewesen.

11 Die Revision sei nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die Lösung der Rechtsfragen ergebe sich aus dem klaren Wortlaut der angeführten Bestimmungen und aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, dass die gegenständlichen Sicherungsbescheide nach Inkrafttreten des Deregulierungsgesetzes 2001 erlassen worden seien und mit diesen keine Entscheidung über die Kosten verbunden gewesen sei sowie auch sonst kein rechtskräftiger Kostenbescheid gemäß § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG bestehe. Im vorliegenden Fall sei weder eine Beibehaltung der Sicherungsanlagen nach § 102 Abs. 1 EisbKrV noch eine Anpassung dieser nach § 102 Abs. 3 EisbKrV ausgesprochen worden. Vielmehr liege eine wesentliche Veränderung der Sicherungsanlagen vor, weshalb jedenfalls eine neue Kostenentscheidung gemäß § 48 Abs. 2 bis 4 iVm § 49 Abs. 2 EisbG zulässig sei. Soweit die technische Nutzungsdauer ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ noch nicht zur Gänze abgelaufen sei, müsse dies zumindest anteilig berücksichtigt werden.

13 Die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurück- bzw. abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision ist zulässig und begründet.

15 Die maßgeblichen Bestimmungen des EisbG, BGBl. Nr. 60/1957, in der Fassung BGBl. I Nr. 143/2020, lauten (auszugsweise):

Anordnung der baulichen Umgestaltung und der Auflassung

§ 48. [...]

(2) Sofern kein Einvernehmen über die Regelung der Kostentragung zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast erzielt wird, sind die Kosten für die bauliche Umgestaltung der bestehenden Kreuzung, für die im Zusammenhang mit der Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge allenfalls erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder allenfalls erforderliche Durchführung sonstiger Ersatzmaßnahmen, deren künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung je zur Hälfte vom Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu tragen. Die Kosten für die im Zusammenhang mit der Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges erforderlichen Abtragungen und allenfalls erforderlichen Absperrungen beiderseits der Eisenbahn sind zur Gänze vom Eisenbahnunternehmen zu tragen. Die Festlegung der Art und Weise allenfalls erforderlicher Absperrungen beiderseits der Eisenbahn hat im Einvernehmen zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu erfolgen.

(3) Falls es das Eisenbahnunternehmen oder der Träger der Straßenbaulast beantragen, hat die Behörde ohne Berücksichtigung der im Abs. 2 festgelegten Kostentragungsregelung zu entscheiden,

1. welche Kosten infolge der technischen Anpassung der baulichen Umgestaltung (Abs. 1 Z 1) im verkehrsmäßigen Ausstrahlungsbereich der Kreuzung erwachsen, oder

2. welche Kosten für eine allfällige Umgestaltung des Wegenetzes oder für die Durchführung allfälliger sonstiger Ersatzmaßnahmen im verkehrsmäßigen Ausstrahlungsbereich der verbleibenden oder baulich umzugestaltenden Kreuzungen zwischen Haupt-, Neben-, Anschluss- oder Materialbahn mit beschränkt‑öffentlichem Verkehr einerseits und einer Straße mit öffentlichem Verkehr andererseits infolge der Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges erwachsen,

und demgemäß in die Kostenteilungsmasse einzubeziehen sind und in welchem Ausmaß das Eisenbahnunternehmen und der Träger der Straßenbaulast die durch die bauliche Umgestaltung oder durch die Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges und die durch die künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung der umgestalteten Anlagen oder durchgeführten Ersatzmaßnahmen erwachsenden Kosten zu tragen haben. Diese Festsetzung ist nach Maßgabe der seit der Erteilung der Baugenehmigung für die Kreuzung eingetretenen Änderung des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs, der durch die bauliche Umgestaltung der Verkehrswege, der durch die nach Auflassung verbleibenden oder im Zusammenhang mit der Auflassung baulich umgestalteten Kreuzungen, des umgestalteten Wegenetzes und der durchgeführten Ersatzmaßnahmen erzielten Verbesserung der Abwicklung des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs, der hierdurch erzielten allfälligen Ersparnisse und der im Sonderinteresse eines Verkehrsträgers aufgewendeten Mehrkosten zu treffen. Eine derartige Antragstellung ist nur innerhalb einer Frist von drei Jahren ab Rechtskraft einer Anordnung nach Abs. 1 zulässig. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vom Eisenbahnunternehmen und vom Träger der Straßenbaulast zu tragenden Kosten gilt die im Abs. 2 festgelegte Kostentragungsregelung.

[...]

Sicherung und Verhalten bei Annäherung und Übersetzung

§ 49. (1) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie setzt durch Verordnung fest, in welcher Weise schienengleiche Eisenbahnübergänge nach dem jeweiligen Stand der Technik einerseits und nach den Bedürfnissen des Verkehrs andererseits entsprechend zu sichern sind und inwieweit bestehende Sicherungseinrichtungen an schienengleichen Eisenbahnübergängen weiterbelassen werden dürfen. Die Straßenverwaltungen sind zur kostenlosen Duldung von Sicherheitseinrichtungen und Verkehrszeichen, einschließlich von Geschwindigkeitsbeschränkungstafeln, verpflichtet.

(2) Über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung hat die Behörde nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden, wobei die Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden sind, dass die Kosten der Sicherungseinrichtungen für Materialbahnen, ausgenommen solche mit beschränkt-öffentlichem Verkehr, vom Eisenbahnunternehmen alleine zu tragen sind, sofern nicht eine andere Vereinbarung besteht oder getroffen wird.

[...]“

16 Die Übergangsbestimmungen des § 102 EisbKrV, BGBl. II Nr. 216/2012, lauten auszugsweise wie folgt:

§ 102. (1) Schrankenanlagen gemäß § 8 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961 und Lichtzeichenanlagen gemäß § 9 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961, die auf der Grundlage einer behördlichen Entscheidung gemäß § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetzes 1957 errichtet und in Betrieb genommen wurden, sind innerhalb von 12 Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung von der Behörde gemäß § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetzes 1957 zu überprüfen. Diese hat über die erforderliche Art der Sicherung gemäß dieser Verordnung unter Festsetzung einer angemessenen Ausführungsfrist, die spätestens 17 Jahre ab Inkrafttreten dieser Verordnung endet, zu entscheiden beziehungsweise darüber zu entscheiden, ob die bestehende Art der Sicherung nach Maßgabe des Abs. 3 bis 5 beibehalten werden kann.

[...]

(3) Bestehende Schrankenanlagen gemäß § 8 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961 und bestehende Lichtzeichenanlagen gemäß § 9 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961 gemäß Abs. 1 können unter der Voraussetzung, dass sie unter Anwendung der Bestimmungen des § 36 Eisenbahngesetz 1957 innerhalb von 14 Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 dieser Verordnung angepasst werden können, bis zum Ablauf der technischen Nutzungsdauer der bestehenden Schrankenanlage oder Lichtzeichenanlage beibehalten werden. Bestehende Schrankenanlagen gemäß § 8 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961 und bestehende Lichtzeichenanlagen gemäß § 9 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961, bei denen den Straßenbenützern durch rotes blinkendes Licht Halt geboten wird oder bei denen den Straßenbenützern mit rotierenden Warnsignalen oder mit Läutewerk allein oder durch das Schließen der Schrankenbäume allein Halt geboten wird, dürfen, sofern sie an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 dieser Verordnung angepasst werden können, längstens 17 Jahre ab Inkrafttreten dieser Verordnung beibehalten werden. Die Bestimmungen des § 37 Z 2 und des § 38 Abs. 2 betreffend die Zeit zwischen dem Einschalten der Lichtzeichen und dem Eintreffen des Schienenfahrzeuges auf der Eisenbahnkreuzung sind in diesem Fall dann nicht anzuwenden, wenn sich durch diese Anpassung die Zeit zwischen dem Einschalten der Lichtzeichen und dem Eintreffen des Schienenfahrzeuges auf der Eisenbahnkreuzung nicht verlängert.

[...]“

17 Gemäß § 49 Abs. 2 EisbG hat die Behörde über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung einer Eisenbahnkreuzung nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden. Dabei handelt es sich um eine Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall. Erfolgt eine behördliche Entscheidung über eine derartige Ausgestaltung, sind die Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG sinngemäß (mit einer vorliegend nicht einschlägigen Maßgabe für Materialbahnen) anzuwenden. In einem solchen Fall steht es dem Eisenbahnunternehmen oder einem Träger der Straßenbaulast ‑ mangels Einvernehmens über die Regelung der Kostentragung für die vorzunehmende Sicherungsmaßnahme ‑ offen, eine behördliche Entscheidung über die Kostentragung im Sinne des § 48 Abs. 3 EisbG herbeizuführen (vgl. VwGH 2.4.2020, Ra 2019/03/0161, mwN).

18 Wird von der Behörde keine derartige Ausgestaltung für den Einzelfall normiert, sondern lediglich entschieden, dass die bisherigen Sicherungen von schienengleichen Eisenbahnübergängen beibehalten werden können, kommt die Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG nicht zum Tragen (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2020/03/0122, 0123, mwN). Der Anwendung des § 48 Abs. 2 und Abs. 3 EisbG steht in diesem Fall die Rechtskraft der damaligen behördlichen Entscheidung entgegen, wobei es dem Eisenbahnunternehmen und einem Träger der Straßenbaulast offen gestanden wäre, die damalige Entscheidung mit Blick auf die Frage der Kostenregelung zu bekämpfen (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/03/0012, 0015).

19 Dies gilt sowohl für Fälle, in denen eine behördliche Kostenentscheidung getroffen worden war, wie auch für solche, in denen dies ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ unterblieben ist (vgl. wiederum VwGH 2.4.2020, Ra 2019/03/0161, mwN sowie zur ohnehin zu erfolgenden Anwendung der Kostentragungsregelung nach § 48 Abs. 2 EisbG in seiner Fassung nach dem Deregulierungsgesetz 2001 für Fälle, in denen der Sicherungsbescheid nach dem Inkrafttreten des Deregulierungsgesetzes 2001 erlassen wurde, VwGH 18.2.2015, Ro 2014/03/0077).

20 Im vorliegenden Fall ordnete der Landeshauptmann von Niederösterreich infolge einer Überprüfung nach § 102 Abs. 1 EisbKrV mit Bescheiden vom 28. April 2015 ausschließlich an, dass die gegenständlichen Eisenbahnkreuzungen gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV zu sichern seien und setzte dafür eine Ausführungsfrist von drei Jahren fest. Ein Ausspruch darüber, dass die bisherige Sicherungsart beibehalten werden könne oder die Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 EisbKrV erfüllt wären, erfolgte hingegen nicht (vgl. zum Aufbau des Spruches einer Sicherungsentscheidung aufgrund einer Überprüfung nach § 102 Abs. 1 EisbKrV etwa VwGH 16.2.2021, Ra 2019/03/0062). Damit lag entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kein Fall vor, in dem die Art der Sicherung im Wesentlichen unverändert beibehalten werden konnte. Trifft die Eisenbahnbehörde aber eine (neue) Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall (und erlaubt damit nicht bloß die Beibehaltung der bestehenden Anlage), kann eine neue Kostenentscheidung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG getroffen werden. Dass dabei letztlich eine Sicherungsart festgelegt wird, die mit der früher angeordneten vergleichbar ist, spielt keine Rolle (vgl. nochmals VwGH 18.12.2020, Ra 2020/03/0122, 0123, mwN). War die technische Nutzungsdauer der Schrankenanlage im Zeitpunkt der neuen Sicherungsentscheidung bereits abgelaufen, so kommt eine Beibehaltung der bisherigen Sicherungsart gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV von vornherein nicht in Betracht (vgl. dazu wiederum VwGH 2.4.2020, Ra 2019/03/0161).

21 Erfolgt die neue Sicherungsentscheidung zu einem Zeitpunkt, zu dem die technische Lebensdauer der bisherigen Anlage noch nicht abgelaufen war, wäre eine Beibehaltung der bisherigen Sicherungsart gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV ‑ unter den dort genannten Voraussetzungen ‑ zwar möglich und es bestünde für die Parteien des Sicherungsverfahrens auch ein Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Norm (vgl. in diesem Sinne bereits VwGH 5.9.2018, Ro 2018/03/0017, Rn. 30). Lässt sich dem Spruch der (rechtskräftigen) Sicherungsentscheidung aber nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit entnehmen, dass eine Beibehaltung der Sicherung im Sinne des § 102 Abs. 3 EisbKrV festgelegt wurde, ist von einer neuen Sicherungsentscheidung auszugehen, die es auch ermöglicht, die Kostentragung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG neu zu regeln. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, hat es die angefochtenen Erkenntnisse mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

23 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen, weil das Verwaltungsgericht, ein Tribunal im Sinne der EMRK bzw. ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

Wien, am 23. Juni 2021

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