VwGH Ra 2019/03/0062

VwGHRa 2019/03/006216.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer‑Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 8. April 2019, Zl. LVwG‑AV‑345/001‑2018, betreffend Sicherung einer Eisenbahnkreuzung (mitbeteiligte Parteien: 1. Bundesminister für Arbeit und 2. Ö AG, in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52
AVG §59 Abs1
EisbKrV 2012 §102 Abs1
EisbKrV 2012 §102 Abs3
EisbKrV 2012 §4 Abs1 Z3
EisbKrV 2012 §4 Abs1 Z4
EisbKrV 2012 §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019030062.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 1. März 2018 ordnete die nunmehrige Revisionswerberin, die Landeshauptfrau von Niederösterreich (LH), gemäß § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) an, die Eisenbahnkreuzung in km 7,540 der ÖBB‑Strecke St. Valentin ‑ Kastenreith mit einer Gemeindestraße sei gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (EisbKrV) durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern, „wobei der Schranken gemäß § 4 Abs. 2 EisbKrV als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen“ sei.

2 Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die gegenständliche Eisenbahnkreuzung sei derzeit aufgrund eines Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. Oktober 1996 gemäß § 8 Eisenbahnkreuzungsverordnung 1961 (EKVO) durch eine „halbautomatische elektrische Schrankenanlage“ zu sichern (ausgehend vom Akteninhalt handelt es sich dabei um eine „halbautomatische Vollschrankenanlage mit Lichtzeichen“). Im Rahmen der am 11. Jänner 2017 abgehaltenen Ortsverhandlung habe der Amtssachverständige für Eisenbahntechnik und ‑betrieb ein Gutachten erstattet, welches im Bescheid wiedergegeben wurde. Der Amtssachverständige führte darin zusammengefasst aus, dass die Einschaltung der Sicherungsanlage für die Richtung von St. Valentin nach Kastenreith fahrstraßenbewirkt erfolge, für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin hingegen fahrtbewirkt. Die Ausschaltung erfolge für beide Richtungen fahrtbewirkt. Weiters führte der Amtssachverständige aus, dass sich unter Berücksichtigung der örtlich zulässigen Geschwindigkeiten für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin eine erforderliche Schaltstreckenlänge von ca. 1495 m ergebe. Daraus resultiere die Notwendigkeit der Verlängerung der bestehenden Schaltstreckenlänge für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin. Mit näherer Begründung kam der Amtssachverständige sodann zum Ergebnis, dass die gegenständliche Eisenbahnkreuzung gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern sei, wobei aufgrund der vorhandenen Fahrbahnbreite der querenden Gemeindestraße eine Vollschrankenanlage erforderlich sei, womit auch ein gleichzeitiges Schließen der Schrankenbäume einhergehe. Zu diesem Gutachten habe sich die zweitmitbeteiligte Partei unter anderem dahingehend geäußert, dass durch die Anbringung von je einem Rücklicht auf den Signalgebern S3 und S4 auf eine Verlängerung der Schaltstrecke verzichtet werden könne, weshalb geplant sei, das Projekt mit der Errichtung von Rücklichtern auf den Signalgebern S3 und S4 auszuführen. Am 21. Dezember 2017 sei eine neuerliche Ortsverhandlung durchgeführt worden, in welcher der Amtssachverständige folgendes Gutachten erstattet habe:

„Befund

Die Eisenbahnkreuzung in km 7,540 der ÖBB‑Strecke St. Valentin ‑ Kastenreith mit einer Gemeindestraße ist aufgrund des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. Oktober 1996, l/7‑E‑1121/2, gemäß § 8 EKVO 1961 durch eine halbautomatische elektrische Schrankenanlage zu sichern.

Die Gemeindestraße dient der Erschließung des Siedlungsgebietes westlich der Bahn sowie der angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften.

Die Eisenbahnkreuzung befindet sich innerhalb des Ortsgebietes von E. Die asphaltierte Fahrbahnbreite der Gemeindestraße beträgt ca. 3,5 m. Im Nahbereich der Eisenbahnkreuzung mündet östlich der Bahn (aus Richtung Norden) eine Gemeindestraße ein.

Vor der Eisenbahnkreuzung sind beidseits der Bahn auf allen zuführenden Straßenzügen die Gefahrenzeichen ‚Bahnübergang mit Schranken’ kundgemacht.

Die Frequenz auf der Straße beträgt ca. 200 Fahrzeuge/Tag.

Der Kreuzungswinkel beträgt 70°.

Im Bereich der Eisenbahnkreuzung befinden sich vier Gleise. Die Eisenbahnkreuzung liegt innerhalb des Bahnhofes E. Die Bahnstrecke ist elektrifiziert.

Für die Richtung von St. Valentin nach Kastenreith erfolgt die Einschaltung der Sicherungsanlage fahrstraßenbewirkt, für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin hingegen fahrtbewirkt. Die Ausschaltung erfolgt für beide Richtungen fahrtbewirkt.

Die Frequenz auf der Schiene beträgt ca. 70 Züge/Tag.

Die örtlich zulässigen Geschwindigkeiten auf der Bahn für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin betragen:

von km 9,155 bis km 8,755: 90 km/h

von km 8,755 bis km 7,540: 110 km/h

Seitens der Ö AG ist beabsichtigt, an den Standorten der Signalgeber S3 und S4 Rücklichter mit den Bezeichnungen S6 und S7 anzubringen. Infolgedessen ergibt sich aufgrund der Lage der Signalgeber und der Schrankenanlagen eine Sperrstrecke für den Fahrzeugverkehr von 18 m und für den Fußgängerverkehr von 15,2 m.

Bei der fahrtbewirkten Einschaltung für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin ist eine Technikzeit von 3,85 Sekunden zu berücksichtigen.

Gutachten

Unter Zugrundelegung einer Sperrstrecke von 15,2 m für Fußgänger und von 18 m für Kraftfahrzeuge ergibt sich bei der Anordnung von Rücklichtern an den Standorten der Signalgeber S3 und S4 bei mehrgleisigen Eisenbahnkreuzungen bei der Sicherung durch Vollschranken unter Berücksichtigung einer Technikzeit von 3,85 Sekunden eine erforderliche Annäherungszeit für Kraftfahrzeuge und Fuhrwerke sowie für Fußgänger von jeweils ca. 47 Sekunden.

Für die Richtung von St. Valentin nach Kastenreith erfolgt die Einschaltung fahrstraßenbewirkt. Angesichts dessen ergeben sich für die Richtung von St. Valentin nach Kastenreith in der Regel zwischen dem Einschalten der Lichtzeichen und dem Eintreffen des Schienenfahrzeuges an der Eisenbahnkreuzung Zeiten, die über 60 Sekunden liegen. Dies resultiert vor allem auch aus den erforderlichen Beschleunigungs- und Verzögerungsvorgängen der Schienenfahrzeuge beim Bedienen des Bahnhofes E, den erforderlichen Aus- bzw. Einstiegszeiten der Reisenden, eventuellen Fahrplanzuwartezeiten sowie der Abwicklung von Kreuzungen von Zügen.

Die gegenständliche Eisenbahnkreuzung ist daher unter Zugrundelegung der örtlich zulässigen Geschwindigkeiten auf der Schiene sowie der Fahrzeugfrequenzen auf der Straße und der Schiene unter Berücksichtigung der vorhandenen örtlichen Gegebenheiten und der Anlageverhältnisse gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 EisbKrV durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern.

Aufgrund der vorhandenen Fahrbahnbreite der querenden Gemeindestraße ist eine Vollschrankenanlage erforderlich, womit auch ein gleichzeitiges Schließen der Schrankenbäume einhergeht.

Die gegenständliche Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage wird mit jener in km 8,314 gekoppelt. Für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin befindet sich die Einschaltstelle für beide Eisenbahnkreuzungssicherungsanlagen auf Höhe km 9,018. Daraus resultiert unter Zugrundelegung der örtlich zulässigen Geschwindigkeiten für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin hinsichtlich der gegenständlichen Eisenbahnkreuzung eine erforderliche Annäherungszeit von ca. 49 Sekunden.

Die Dauer des Anhaltegebotes für die Straßenverkehrsteilnehmer vor dem Schließen der Schrankenbäume beträgt 19 Sekunden.

Die Anwendung der Maßnahmen im Störungsfall gemäß § 95 EisbKrV wird für ausreichend erachtet.“

3 In rechtlicher Hinsicht führte die LH aus, dass laut dem Gutachten des Amtssachverständigen vom 21. Dezember 2017, an dessen Schlüssigkeit und Vollständigkeit kein Anlass zu Zweifeln bestehe, dass die gegenständliche Eisenbahnkreuzung gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern sei, wobei der Schranken gemäß § 4 Abs. 2 EisbKrV als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen sei. Die Kriterien des § 38 EisbKrV träfen im vorliegenden Fall zu. Die Vorschreibung einer angemessenen Ausführungsfrist habe entfallen können, „da es zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr der Verlängerung der Schaltstreckenlänge für die Richtung von St. Valentin nach Kastenreith [gemeint offenbar: für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin] bedarf“.

4 Gegen diesen Bescheid erhob die zweitmitbeteiligte Partei Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, die LH habe die relevante Bestimmung des § 102 EisbKrV unangewendet gelassen und sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die bestehende Schrankenanlage ‑ allenfalls nach Anpassungen ‑ beibehalten werden könne. Darüber hinaus hätte die LH die von ihr offenbar beabsichtigte Beibehaltung der derzeitigen Schaltstreckenlänge sowie die Anbringung der Rücklichter in den Spruch des Bescheides aufnehmen und eine angemessene Ausführungsfrist bestimmen müssen.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die LH zurück. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 1 und 3 EisbKrV bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Abs. 3 zwingend anzuwenden sei. Eine Nichtanwendung komme nur dann in Betracht, wenn die bestehende Schrankenanlage bereits alle Anforderungen der EisbKrV für Lichtzeichenanlagen mit Schranken erfülle, darüber hinaus allenfalls auch dann, wenn das Eisenbahnunternehmen auf die Anwendung verzichte und anstatt einer Anpassung nach § 102 Abs. 3 EisbKrV der Errichtung einer zur Gänze den Bestimmungen der EisbKrV entsprechenden Sicherung den Vorzug gebe.

7 Bestehe an der Eisenbahnkreuzung bereits eine der EKVO entsprechende Schranken- oder Lichtzeichenanlage, sei eine vertiefte Prüfung gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren nach § 49 Abs. 2 EisbG iVm §§ 4 f EisbKrV, in dem nach den näheren Determinanten des 6. Abschnittes nur über die zulässige Art der Sicherung abzusprechen sei, erforderlich. Entspreche die bestehende Anlage schon gänzlich den Bestimmungen der EisbKrV, sei weder eine Festlegung einer Leistungsfrist noch ein Ausspruch nach § 102 Abs. 1 und 3 EisbKrV erforderlich; der Ausspruch über die Art der Sicherung habe in einem solchen Fall nur feststellenden Charakter. Entspreche die bestehende Anlage aber nicht gänzlich der EisbKrV, so sei (sofern das Eisenbahnunternehmen nicht darauf verzichte) das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 102 Abs. 3 EisbKrV für eine Beibehaltung bis zum Ablauf der technischen Nutzungsdauer zu überprüfen. Lägen diese Voraussetzungen vor, so trete nach § 102 Abs. 1 zweiter Satz EisbKrV die bescheidmäßige Feststellung der Zulässigkeit der Beibehaltung an die Stelle der Festlegung einer angemessenen Ausführungsfrist. Spätestens nach Ablauf der technischen Nutzungsdauer sei die bestehende Anlage durch eine gänzlich der EisbKrV entsprechende Anlage zu ersetzen. Lägen die Voraussetzungen für die Beibehaltung aber nicht vor, so sei die Sicherung der Eisenbahnkreuzung entsprechend der nach dem 6. Abschnitt EisbKrV gebotenen Sicherungsart unter Setzung einer angemessenen Ausführungsfrist aufzutragen. Eine solche Sicherung müsse sogleich allen dafür einschlägigen Bestimmungen der EisbKrV entsprechen, wobei aber nur über die Art der Sicherung mit Bescheid abzusprechen sei.

8 Außerdem könne die Behörde neben dem Ausspruch nach den §§ 4 ff EisbKrV nach § 12 Abs. 1 EisbKrV Zusatzeinrichtungen anordnen, wobei aber die von der zweitmitbeteiligten Partei vorgeschlagenen (und vom Amtssachverständigen in seinem Gutachten vom 21. Dezember 2017 übernommenen) Rücklichter in der taxativen Aufzählung des § 12 Abs. 1 EisbKrV nicht enthalten seien und eine solche Anordnung daher nicht in Betracht komme. Die Fälle einer Verpflichtung des Eisenbahnunternehmens zur Anbringung von Rücklichtern seien vielmehr in „§ 28 zweiter Abs. 2 (die Absatzbezeichnung ‚2‘ wurde offenbar versehentlich doppelt vergeben)“ iVm § 22 Abs. 4 sowie in § 28 Abs. 3 EisbKrV für Fälle einer Sicherung durch Lichtzeichen abschließend geregelt. Diese Anforderungen seien vom Eisenbahnunternehmen bei Vorliegen der ordnungsgemäßen Voraussetzungen ohne bescheidmäßige Vorschreibung unmittelbar umzusetzen.

9 Ergebe die Überprüfung nach § 102 Abs. 1 EisbKrV bei einer bestehenden Sicherungsanlage, dass nunmehr nach der EisbKrV die Sicherung durch Lichtzeichen geboten sei, so seien in dem Fall, dass nach den genannten Rechtsvorschriften (noch nicht vorhandene) Rücklichter erforderlich seien, jedenfalls die Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 EisbKrV zu prüfen, weil wegen des Fehlens der Rücklichter die bestehende Anlage jedenfalls noch nicht vollständig der EisbKrV entspreche.

10 Dadurch, dass der Inhalt des § 102 Abs. 1 und 3 EisbKrV nicht berücksichtigt worden sei, habe die LH den für die Anwendung dieser Bestimmung maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt. Die Festlegung einer Sicherungsart nach den §§ 4 ff EisbKrV sei von der Prüfung, ob ein Ausspruch nach § 102 Abs. 3 leg. cit. vorzunehmen sei, nicht trennbar.

11 Ausgehend davon erreichten die nachzuholenden Ermittlungen ein Ausmaß, das eine Zurückverweisung an die LH rechtfertige. Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 EisbKrV seien umfangreiche Ermittlungen über die technische Ausgestaltung der bestehenden Anlage und neuerliche Untersuchungen an Ort und Stelle erforderlich. Die LH habe dazu bisher gar keine Ermittlungsschritte gesetzt. Daher sei der Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die LH zurückzuverweisen gewesen.

12 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, welche zur Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV auch auf jene Bestandanlagen Anwendung finde, die lediglich eine teilweise fahrtbewirkte Einschaltung aufweisen oder ob die Bestimmung nur auf gänzlich fahrtbedingt angeschaltete Bestandanlagen anzuwenden sei. Weiters weiche das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur meritorischen Entscheidungspflicht gemäß § 28 Abs. 2 und 3 VwGG ab, weil keine krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken vorlägen.

13 Die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung zur Revision. Die zweitmitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision erweist sich zur Klarstellung der Rechtslage im Hinblick auf die in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfene Frage der Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des § 102 EisbKrV als zulässig; sie ist auch begründet.

16 Der Revisionswerberin ist zuzustimmen, dass die Anwendung des § 102 Abs. 3 EisbKrV voraussetzt, dass die bestehende Anlage „an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 dieser Verordnung angepasst werden“ kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 102 Abs. 3 EisbKrV bereits klargestellt, dass eine Anpassung der bestehenden Anlage nur dann in Betracht kommt, wenn die Bestandanlage fahrtbedingt angeschaltet wird, weil sich die Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV systematisch nur auf derartige Bestandanlagen bezieht (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0037, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, sowie VwGH 5.9.2018, Ro 2018/03/0017). Fallbezogen ist dies dahingehend zu ergänzen, dass die Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV nur für jene Bestandanlagen angewandt werden kann, welche zur Gänze fahrtbedingt angeschaltet werden. Für Bestandanlagen, welche nur teilweise fahrtbedingt angeschaltet werden, kommt hingegen eine Anpassung nach § 102 Abs. 3 EisbKrV nicht in Betracht, zumal die EisbKrV eine (sich dadurch allenfalls ergebende) unterschiedliche Sicherung für die beiden Verkehrsrichtungen der Straße und gegen beide Richtungen der Bahn bei Lichtzeichen- bzw. Schrankensicherungsanlagen gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 und 4 EisbKrV nicht vorsieht (siehe im Umkehrschluss aus § 7 Abs. 1 EisbKrV).

17 Im gegenständlichen Fall lässt sich den Gutachten des Amtssachverständigen vom 11. Jänner 2017 und vom 21. Dezember 2017 entnehmen, dass die bestehende Schrankenanlage nur teilweise fahrtbedingt angeschaltet wird, nämlich für die Richtung von Kastenreith nach St. Valentin, hingegen für die Richtung von St. Valentin nach Kastenreich die Anschaltung der Sicherungsanlage fahrstraßenbewirkt erfolgt.

18 Davon ausgehend kommt im vorliegenden Fall die Anwendung des § 102 Abs. 3 EisbKrV schon grundsätzlich nicht in Betracht; weiterer Sachverhaltsfeststellungen bedarf es zur Klärung dieser Rechtsfrage nicht mehr. Da das Verwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage aber den Bescheid der LH aufhob und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die LH zurückverwies, weil es umfangreiche Ermittlungen zur Prüfung der Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 EisbKrV für geboten erachtete, hat es seinen Beschluss mit Rechtswidrigkeit behaftet.

19 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

20 Im fortgesetzten Verfahren wird das Verwaltungsgericht entsprechend den in der hg. Rechtsprechung vorgegebenen Leitlinien (vgl. insbesondere VwGH vom 29.5.2018, Ra 2018/03/0037 und VwGH 5.9.2018, Ro 2018/03/0017) darauf zu achten haben, dass in einem Fall wie dem vorliegenden der Spruch der Sicherungsentscheidung in zwei Teilen zu fassen ist. Im ersten Spruchteil ist anzuordnen, welche Sicherung die in Rede stehende Eisenbahnkreuzung nach den Vorschriften der EisbKrV aufzuweisen hat. Im zweiten Spruchteil sind folgende Fälle zu unterscheiden: Kann die bestehende Anlage nicht beibehalten werden, ist eine angemessene Ausführungsfrist für die notwendigen Änderungen festzusetzen, die spätestens 17 Jahre ab Inkrafttreten der EisbKrV endet. Sollte aber die bestehende Sicherung bereits der im ersten Spruchteil angeordneten Art der Sicherung entsprechen (worauf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem zweiten Gutachten hinzudeuten scheinen), ist auszusprechen, dass die bestehende Anlage beibehalten werden kann. In diesem Fall bedarf es weder der Festsetzung einer Ausführungsfrist noch einer Festlegung, wie lange die Beibehaltung der Bestandsanlage zulässig ist. Ein Ausspruch nach § 102 Abs. 3 EisbKrV kommt dagegen nach dem oben Gesagten nicht in Frage.

Wien, am 16. Februar 2021

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