VwGH Ra 2017/10/0043

VwGHRa 2017/10/004323.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der Salzburger Landesregierung in 5010 Salzburg, Mozartplatz 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 27. Dezember 2016, Zl. 405-9/102/1/4-2016, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau; mitbeteiligte Partei: G B, vertreten durch G B in B), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
SHG Slbg 1975 §17 Abs1;
SHG Slbg 1975 §17;
SHG Slbg 1975 §6 Abs1;
SHG Slbg 1975 §6;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
SHG Slbg 1975 §17 Abs1;
SHG Slbg 1975 §17;
SHG Slbg 1975 §6 Abs1;
SHG Slbg 1975 §6;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 14. Juni 2016 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Hilfeleistung zur Sicherung des Lebensbedarfs in einem näher bezeichneten Seniorenpflegeheim gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen.

2 Das Landesverwaltungsgericht gab mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde der Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG Folge und behob den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Salzburger Landesregierung.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zu ihrer Zulässigkeit führt die Revision aus, es liege keine einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage der Möglichkeit der Zurückweisung gemäß § 13 Abs. 3 AVG infolge des Fehlens von Unterlagen, deren Eingabe das Gesetz nicht ausdrücklich vorschreibt, vor. Von der Lösung dieser Rechtsfrage sei im Zusammenhang mit der Gewährung von Sozialhilfe eine große Zahl an Fällen betroffen, bei denen Antragsteller die von der Behörde geforderten Unterlagen nicht einbringen könnten.

8 Gemäß § 6 Abs. 1 Salzburger Sozialhilfegesetz (Sbg. SHG) hat ein Hilfesuchender, der sich im Land Salzburg aufhält, Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs, wenn er den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

9 Gemäß § 17 Abs. 1  leg. cit. kann der Lebensbedarf mit Zustimmung des Hilfesuchenden durch Unterbringung in Anstalten oder Heimen gesichert werden, wenn der Hilfesuchende auf Grund seines körperlichen oder geistig-seelischen Zustandes oder auf Grund der familiären und häuslichen Verhältnisse - hierbei sind auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Angehörigen des Hilfesuchenden mit zu berücksichtigen - nicht imstande ist, ein selbständiges und unabhängiges Leben zu führen oder wenn er besonderer Pflege bedarf.

10 Anträge auf Zuerkennung von Leistungen der Sozialhilfe sind gemäß § 32 Sbg. SHG bei der Bezirksverwaltungsbehörde oder bei der Gemeinde einzubringen. Bei der Gemeinde eingebrachte Anträge sind von dieser unverzüglich an die Bezirksverwaltungsbehörde weiterzuleiten. Ist zur Gewährung der Leistung die Landesregierung zuständig, so sind die Anträge von der Bezirksverwaltungsbehörde auf Vollständigkeit zu prüfen und nach Vornahme allfälliger Ergänzungen und der erforderlichen Erhebungen der Landesregierung vorzulegen.

11 Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird.

12 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs muss der in Betracht kommenden materiellen Verwaltungsvorschrift entnommen werden, was unter einem Mangel schriftlicher Eingaben im Sinn des § 13 AVG zu verstehen ist. Als Mangel ist insbesondere das Fehlen von Belegen anzusehen, wenn die Partei auf Grund des Gesetzes erkennen konnte, welche Unterlagen erforderlich sind (vgl. z.B. VwGH vom 16. September 2009, 2008/05/0206, und vom 31. Jänner 2012, 2009/05/0044). Existiert eine derartige gesetzliche Anordnung nicht, dann kann die unterlassene Beibringung von Unterlagen, deren die Behörde bedarf und die sie sich nicht selbst beschaffen kann, allenfalls im Rahmen der freien Beweiswürdigung bei der Sachentscheidung Berücksichtigung finden. In einem solchen Fall liegt jedoch kein "Mangel" im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG vor, weshalb weder die Erteilung eines Verbesserungsauftrages noch - nach fruchtlosem Verstreichen der zu Unrecht gesetzten Frist - die Zurückweisung des Anbringens in Frage kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 2004, 2003/01/0032, sowie die weitere, in Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 13, Rz 27, zitierte Judikatur).

13 Im Zusammenhang mit der Gewährung von Sozialhilfe hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 13. Mai 2011, 2007/10/0201, zum Steiermärkischen Sozialhilfegesetz, nach dessen § 31 Abs. 1 im Antrag die finanzielle Hilfsbedürftigkeit des Antragstellers durch schlüssiges Vorbringen glaubhaft zu machen war, ausgesprochen, dass die nicht ausreichende Glaubhaftmachung der Hilfsbedürftigkeit im Antrag auf Spitalskostenrückersatz keinen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG darstelle. Vielmehr läge gegebenenfalls eine Unvollständigkeit des Sachvorbringens vor, die die Entscheidung der Behörde in der Sache nicht hinderte.

14 Mit Erkenntnis vom 22. Oktober 2013, 2012/10/0213, welches vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung tragend zugrunde gelegt worden war, sprach der Verwaltungsgerichtshof zum Oberösterreichischen Sozialhilfegesetz (Oö. SHG 1998) in der Fassung vor dem 1. Oktober 2011 aus, dass dem Gesetz nicht konkret entnommen werden könne, welche Unterlagen zum Nachweis des in § 7 festgelegten Erfordernisses der "sozialen Notlage", die bei Personen vorliege, die ihren Lebensunterhalt nicht decken könnten, vorzulegen seien. Die hilfesuchende Person sei gemäß § 24 Abs. 2 Oö. SHG 1998 lediglich verpflichtet, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken und im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen und die "dafür erforderlichen Urkunden oder Unterlagen" beizubringen. Aus dem maßgeblichen Materiengesetz ergebe sich somit eindeutig, dass es sich bei der Vorlage eines Einkommensnachweises aus einem bestimmten Beschäftigungsverhältnis nicht um eine - einem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zugängliche - Voraussetzung für einen vollständigen Sozialhilfeantrag, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung handle, bei deren Fehlen der Antrag - mangels Nachweises einer sozialen Notlage - abzuweisen sei.

15 Vor dem Hintergrund der zitierten Judikatur ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht ausgehend von der Textierung der hier maßgeblichen Bestimmungen der §§ 6 und 17 des Sbg. SHG zu dem Ergebnis gelangte, dass auch das Sbg. SHG nicht konkret festlegt, welche Unterlagen zum Nachweis der in den §§ 6 und  17 Sbg. SHG genannten Voraussetzungen für die Sicherung des Lebensbedarfs durch Unterbringung in einem Heim vorzulegen sind. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass die Nichtvorlage der von der Behörde verlangten Versicherungspolizze keinen verbesserungsfähigen Mangel darstellt und die Entscheidung in der Sache nicht gehindert hätte.

16 Dem steht auch nicht die von der Revision ins Treffen geführte Judikatur zur Anwendung des § 103 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) entgegen (z.B. VwGH vom 27. Juni 2002, 98/07/0147; vgl. in diesem Sinn auch VwGH vom 27. März 2008, 2005/07/0070). Nach der genannten Judikatur stellt nicht nur das Fehlen der in § 103 WRG 1959 genannten Unterlagen ein Formgebrechen dar, sondern auch das Fehlen solcher Unterlagen, die zwar in § 103 WRG 1959 nicht ausdrücklich genannt sind, ihrer Natur nach aber in den Rahmen des § 103 fallen und unter dem Aspekt dieser Bestimmung erforderlich sind und die dem Antragsteller von der Behörde bekannt gegeben wurden.

17 Diese Judikatur trägt der spezifischen Regelung des § 103 WRG 1959 über die einem Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung beizuschließenden Unterlagen Rechnung und ist daher mangels Vergleichbarkeit der gesetzlichen Grundlagen nicht auf die hier zu beurteilende Rechtslage anwendbar.

18 Da zu den Voraussetzungen für die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages und für die - für den Fall der Nichtentsprechung - vorzunehmende Zurückweisung eines Anbringens nach § 13 Abs. 3 AVG einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vorliegt und das Verwaltungsgericht davon nicht abgewichen ist, wurden in der Revision sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

19 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Mai 2017

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